Protocol of the Session on October 16, 2013

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Schreiber?

Herr Kollege, würden Sie mir zustimmen, dass es gut wäre, die Antragsvoraussetzungen für das Erlangen von Lernförderung zu erweitern und zu vereinfachen, auf dass diese Leistung stärker in Anspruch genommen werden kann, auch im Verhältnis zu dem Essen?

Frau Jähnigen, das kann ich Ihnen so nicht bestätigen, wobei ich ehrlicherweise sagen muss: Inwieweit das Antragsvolumen für den Teilbereich der Lernförderung wirklich so kompliziert gestaltet ist, wie es hier dargelegt wurde, und dass es einzig und allein daran liegt, dass die Leistungen für Lernförderung in minimalem Maße genutzt worden sind, kann ich derzeit noch nicht belegen. Dafür wäre es eben schön, wenn man an dieser Stelle aus den Kommunen heraus vielleicht mit dem Freistaat zusammen eine Art Evaluation des Ganzen hätte. Diese liegt mir momentan noch nicht vor. Ich habe zurzeit nur die nackten Zahlen: Was ist in welcher Höhe in welchem Bereich abgerufen worden?

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Jähnigen?

Bitte.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, und was müsste die Sächsische Staatsregierung unternehmen, um dies zu klären?

Ich will nicht spekulieren, woran es liegt. Ich will mich nicht vergaloppieren. Ich habe eine persönliche Meinung, woran es liegt. Für manche ist es vielleicht wichtiger und einfacher zu klären, dass das Kind ein Essen hat – was ja an sich auch ein wichtiger Anspruch ist. Es ist nur die Frage: Wo beginnt die Verantwortung der Eltern und wo hört sie auf? Ich habe immer klar und deutlich gesagt: Es muss gegenüber jedem Menschen, jeder Familie und jedem Elternpaar, die Kinder in die Welt setzen, der Anspruch der Gesellschaft vorhanden sein, dass sie sich darüber Gedanken machen, dafür zu sorgen, dass ihr Kind ein ordentliches Mittagessen bekommt. Leider ist das anscheinend ein Anspruch, der zu hoch erscheint, wenn man sich die Zahlen anschaut. Wir wissen alle, dass die Eigenbeteiligung an einem Mittagessen einen Euro beträgt. Auch darüber haben wir schon mit den LINKEN gestritten, die am liebsten überhaupt nichts mehr an Ansprüchen gegenüber den Eltern artikuliert hätten. Ich weiß, ehrlich gesagt, momentan nicht, ob es daran liegt, dass den antragsberechtigten Eltern das Thema Bildung vielleicht doch nicht so wichtig ist. Ich möchte nicht spekulieren.

Was kann der Freistaat tun? Damit sind wir bei dem Thema, das Frau Werner ansprach. Die Bundesebene befindet sich gerade in Koalitionsverhandlungen. Sie wissen alle, dass die Einigung zum Bildungs- und Teilhabepaket damals federführend von CDU und SPD herbeigeführt worden ist, da es durch die Verhältnisse in Bundesrat und Bundestag usw. zwischen Frau Schwesig und Frau von der Leyen, wenn man sich daran erinnert, die größten Diskrepanzen gab und die Klärungsbedürfnisse am größten waren. Ich kann nur hoffen, dass man bei den Koalitionsverhandlungen um Steuererhöhungen, Mindestlöhne, Energiewende usw. diesen Bereich nicht vergisst. Ich weiß – im Gegensatz zu dem, was Frau Werner hier artikuliert hat –, dass sich Frau Clauß gemeinsam mit ihren Länderkollegen sehr wohl starkmacht, dass es auf Bundesebene in irgendeiner Art und Weise an dieser Stelle weitergeht. Man muss auch ganz deutlich sagen, dass es zum Beispiel beim Thema Finanzierung von Mittagessen in Horten unter anderem Frau Clauß war, die sich gegen ihre westdeutschen Kollegen durchgesetzt hat,

(Heike Werner, DIE LINKE: Und die Ergebnisse?)

die das Thema Mittagsverpflegung bzw. überhaupt das Thema Hort in dem Umfang, wie wir es in Ostdeutschland kennen, überhaupt nicht kennen und deshalb logischerweise in den elf westdeutschen Bundesländern das Thema „Bekommt das Kind ein Mittagessen?“ im Hort

überhaupt nicht so wichtig war. Wenn kaum Kinder in den Hort gehen, ist das verständlich. Aber Frau Clauß konnte zumindest an dieser Stelle federführend einen Erfolg verbuchen, und das sollte man nicht unter den Tisch kehren und so tun, als würde das dem Freistaat alles egal sein.

Der Freistaat muss – und ich hoffe, wir haben auch einen sehr starken Verhandlungsführer in den Koalitionsverhandlungen – darauf achten, dass solche Dinge wie das Bildungs- und Teilhabepaket nicht unter die Räder geraten. Aber ich muss deutlich sagen: Man muss sich das Ganze noch einmal genauer anschauen und untersuchen, woran es liegt, dass der Bereich Lernförderung oder die Teilhabe, was die Nutzung von Sportvereinen etc. betrifft, eher weniger in Anspruch genommen wurden, sondern zuallererst die Klassenfahrten und das Mittagessen. Das kann es am Ende nicht sein. Der Anspruch, den wir mit dem Bildungs- und Teilhabepaket verbinden, war und sollte auch künftig ein anderer sein.

Zum Abschluss lassen Sie mich sagen: Der Antrag löst aus unserer Sicht – auch mit dem, was hier aufgeschrieben worden ist; die meisten Dinge sind durch die Antwort der Staatsregierung erläutert worden – keinerlei Probleme, die mit diesem Thema im Zusammenhang stehen. Wir wissen, dass das Thema akut ist. Wir wissen, dass es akut wird, gerade zum Ende des Jahres, und wir wissen, dass die Kommunen Antworten darauf finden müssen: Was soll mit den Schulsozialarbeitern werden? Aber ich sage ganz deutlich: So, wie es momentan ist, liegt Schulsozialarbeit als Form der Jugendhilfe in kommunaler Verantwortung, sofern man sich als Kommune dazu bekennt.

Deswegen appelliere ich immer wieder, dass man als Kommune die Kraft haben muss, in der eigenen Jugendhilfeplanung zu sagen: Was ist mir wichtig und was ist mir vielleicht nicht ganz so wichtig? Oder: Wo ist das Problem dringender als an einer anderen Stelle? Wenn die Probleme – gerade in den Grundschulen haben wir einen vermehrten Bedarf an Schulsozialarbeit – in diesem Bereich stärker werden – was ich überhaupt nicht abstreiten will –, muss man sich als Kommune vor Ort auch dazu bekennen.

Wir müssen schauen, ob es auf Bundesebene eine Lösung gibt, ob an dieser Stelle wieder Geld zur Verfügung gestellt wird. Dann muss aber auch die Bundesebene die Rahmenbedingungen klarmachen und klar artikulieren, wie und in welcher Form sich die Länder vor Ort engagieren sollen; denn das war aus meiner Sicht ein Punkt, der beim jetzigen Bildungs- und Teilhabepaket nicht wirklich klargestellt wurde. Man hat es den Kommunen überlassen, und, Frau Werner, anders als vielleicht in Ihrem Landkreis hat es die Landeshauptstadt Dresden – Sie haben Leipzig als Beispiel genannt – eben anders gemacht. Wir haben einige Schulsozialarbeiter über dieses Programm eingestellt, und aus meiner Sicht leisten diese in der Regel eine gute Arbeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die SPD-Fraktion, Herr Abg. Homann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um Kindern den Weg zu einem glücklichen und zufriedenen Leben zu eröffnen, brauchen wir gleiche Bildungschancen von Anfang an. Das muss unser aller Auftrag sein. Doch nicht allen Kindern wird das Glück zuteil, wohlbehütet und in einem bildungsinteressierten und -fördernden Elternhaus aufzuwachsen. Gerade deshalb ist es notwendig, dass Kinder frühzeitig und entsprechend ihren Talenten und Fähigkeiten gefördert werden, unabhängig von der sozialen Herkunft ihrer Eltern.

Diese Förderung erfolgt zum einen durch gutes Lehrpersonal an unseren Schulen. Doch Beziehungsarbeit kann nicht in allen Fällen durch Lehrerinnen und Lehrer allein geleistet werden. Deshalb bedarf es weiterer Fachkräfte an unseren Schulen, insbesondere Schulsozialarbeiter(innen). Ihre Tätigkeit ist ein wesentlicher Garant für eine erfolgreiche, breit angelegte Teilhabe junger Menschen. Schulsozialarbeiter(innen) können Brücken schlagen: zwischen Schule, Kindern und Eltern sowie zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Schule. Sie sind wichtige Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche, weil sie eben keine Zeugnisse ausstellen, sondern dem Wohl der Kinder und Jugendlichen verpflichtet sind.

Grundsätzlich muss man sagen: Konsequenzen hat die Sächsische Staatsregierung aus den Potenzialen, die in der Schulsozialarbeit liegen, bis heute nicht gezogen; denn es ist die Konsequenz der SPD, dass in den Jahren 2011 bis 2013 im Kompromiss des Vermittlungsausschusses 400 Millionen Euro Bundesmittel für Schulsozialarbeit und Mittagessen zur Verfügung gestellt werden. Es waren SPD-geführte Länder und die SPD-Bundestagsfraktion, die diese Bundesmittel erzwungen haben.

Nun laufen diese Bundesmittel aus. CDU und FDP handeln nicht. Das gilt für die Bundestagsfraktionen genauso wie für die schwarz-gelben Landesregierungen, zumindest für jene, die es noch gibt. Und es sind wieder die SPD-geführten Bundesländer, die seit einigen Monaten versuchen, einen erneuten Kompromiss zu erwirken, der eine Weiterfinanzierung der Schulsozialarbeit sichert.

(Patrick Schreiber, CDU: Sie meinen Frau Kraft, oder?)

Natürlich, Frau Kraft ist dabei. Es sind die SPD-Länder, die sich hierzu bekennen; und wie schlecht Ihr Bekenntnis ist, das konnten wir hier gerade gemeinsam feststellen.

(Patrick Schreiber, CDU: Ja, ja, Frau Kraft muss es ja wissen, mit Haushalt kennt sie sich ja bestens aus!)

Vielleicht hören Sie mal zu, Herr Schreiber, das tut Ihnen vielleicht ganz gut!

(Zurufe des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

So wurde auf SPD-Initiative 2013 ein Antrag, das Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches II –

Vielleicht tun Sie mal was für Kinder und Jugendliche und reden nicht nur, Herr Schreiber! Es reicht langsam!

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

zur Weiterfinanzierung von Schulsozialarbeit und Mittagessen in Horteinrichtungen, in den Bundesrat eingebracht. Dieser wurde in die entsprechenden Ausschüsse des Bundesrates überwiesen, aber – und hier erkennt man die Rolle des Freistaates Sachsen – diese wurden verschleppt und nicht verabschiedet.

Aber auch die CDU braucht manchmal eine zweite Chance. Irren ist menschlich. Es hat also einen zweiten Versuch gegeben, die Schulsozialarbeit und das Mittagessen im Hort weiterhin finanziert zu bekommen. So hat es in der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 5. Juli einen weiteren Beschluss gegeben, den ich zitieren möchte, weil er in Klarheit nicht zu übertreffen ist:

„Durch diese Gesetzesinitiative soll die Finanzierung der Schulsozialarbeit durch den Bund in Höhe von 400 Millionen Euro jährlich und zum 31. Dezember 2013 auslaufend, entfristet werden.“

Genau das ist es, was wir wollen, und genau das ist es, was wir brauchen, liebe Damen und Herren.

Auch diese Chance haben Sie verstreichen lassen. Die CDU, die FDP und auch die Sächsische Staatsregierung haben nichts getan, um diesen Antrag zu unterstützen.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Das heißt, wir können das Engagement von CDU und FDP in Sachsen mit drei Formulierungen beschreiben: Erstens, es ist Desinteresse. Sie können ja nicht einmal Auskunft darüber geben, wie viele Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in Sachsen über das Bildungs- und Teilhabepaket überhaupt finanziert werden.

(Patrick Schreiber, CDU: Herr Homann, schauen Sie mal in das SGB VIII!)

Sie wissen es nicht einmal.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Das Zweite ist: Es fehlt ein klares Bekenntnis. Sie haben darauf hingewiesen, dass ja keine gesetzliche Zweckbindung besteht. Es gibt aber auch keine Empfehlung, die der Freistaat Sachsen an die Kommunen herausgegeben hat, so wie es viele andere Bundesländer in Deutschland gemacht haben. Es ist leider Realität, dass nicht wenige Kämmerer das Geld für das Bildungs- und Teilhabepaket nutzen, um ihre klammen Kassen aufzubessern.

Die dritte Formulierung ist: Sie haben kein schlüssiges, ganzheitliches Konzept für die Schulsozialarbeit, in das man die Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket integrieren könnte. Das haben Sie einfach nicht. Andere Bundesländer machen es Ihnen vor. Berlin schafft 90 Stellen, Nordrhein-Westfalen, Rot-Grün, schafft

1 419 Stellen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. In Schleswig-Holstein sind es 75 Stellen.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Diese Länder interessieren sich dafür. Sie versuchen das Beste für ihre Kinder und Jugendlichen vor Ort herauszuholen.

(Beifall bei der SPD)

Bei Ihnen Fehlanzeige!

Seit vielen Jahren wird die Schulsozialarbeit in den Schulen praktiziert. Wir müssen aber auch hier zur Kenntnis nehmen: Das fehlende Konzept zeichnet sich auch dadurch aus, dass eine grundsätzliche Sensibilisierung für die Chancen für Präventionsarbeit in Sachsen fehlen. Das sehen wir auch – ich weiß, das hören Sie nicht gern – an den Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe. Deshalb ist Ihre Argumentation, dass es die Kommunen vor Ort aus der Jugendpauschale machen wollen, so zynisch. Sie können sich vor Ort gar nicht kümmern, weil sie unter permanentem Geldmangel leiden, den Sie mit zu verantworten haben.

(Patrick Schreiber, CDU: Das habe ich doch überhaupt nicht gesagt!)