Protocol of the Session on September 19, 2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen Abgeordneten! Es fragt sich wohl, wie mag es sein: Da kommt ein drei Jahre alter Antrag daher und das, was uns ja immer unterstellt worden ist, trifft wahrscheinlich dann auch auf Sie zu. Ach ja, da war ja am Sonntag was, klar, es sind Wahlen.

(Zuruf der CDU-Fraktion)

Leider handelt es sich bei Ihrem Antrag zur Bürgerversicherung nicht um ein qualitativ hochwertiges Getränk, was vom langen Lagern besser wird, sondern unter dem solidarisch Bürgerversicherungsnahen verbirgt sich etwas ganz anderes. Es handelt sich hier ausnahmslos um die Zwangsmitgliedschaft aller Bürger, also nichts anderes als um eine Einheitsversicherung, die Wettbewerb und Vielfalt abschafft und – so habe ich das wahrgenommen – einem staatlichen Einfluss unterliegen soll. Der Staat ist nicht die beste Krankenversicherung.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Nicht umsonst haben sich in Deutschland 8,9 Millionen Menschen aktiv und eigenverantwortlich für die private Krankenversicherung entschieden. Die Existenz der privaten Krankenversicherung ist Ausdruck von Wahlfreiheit, Beitragsfreiheit, Service und Leistungswettbewerb. Eben diesen Wettbewerb möchten wir als Liberale auch erhalten.

(Beifall bei der FDP)

Entgegen Ihrer Ansicht, dass Wettbewerb immer etwas Schlechtes sei, führt dieser Wettbewerb zu einem besseren Gesamtniveau, und auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Wettbewerb für die Versicherten Vorteile erreicht, so, wie auch alle Bürger übrigens von der Abschaffung der Praxisgebühr profitiert haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur eine starke private Krankenversicherung sichert die gute gesamtdeutsche Gesundheitsvorsorge; denn auch ein kapitalgedecktes System ist notwendig, um die Kosten im Griff zu

haben. Ihre Bürgerversicherung dagegen – ich orientiere mich da an Ihrem Antrag – weitet die Umlagefinanzierung aus und verschärft damit das Demografieproblem, da eine Umlage eben nur funktionieren kann, solange sich der Altersaufbau der Bevölkerung ausgewogen entwickelt, und das ist nicht der Fall.

(Beifall bei der FDP)

Ihre Bürgerversicherung sorgt dafür, dass die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung steigen werden und dass der Leistungskatalog sich um die eine oder andere Leistung minimieren wird. Ihre Bürgerversicherung führt aus meiner Sicht ganz klar zu einer Zwei-KlassenMedizin. Vorenthaltene Leistungen werden dann zusätzlich aus eigener Tasche bezahlt werden müssen.

Außerdem haben die 8,9 Millionen Mitglieder der privaten Krankenversicherung individuelle Verträge – und das wissen Sie –, die sich nicht so einfach rein rechtlich auf die gesetzlichen Krankenkassen übertragen lassen. Wenn ich Sie jetzt nach einer Implementierungsphase fragen würde, dann, glaube ich, wäre die Antwort auch sehr schwierig. Es gibt auch keine Modellversuche, die man einfach mal so machen kann.

Wir brauchen also nicht die von den LINKEN und in Abschlägen auch von der SPD und den GRÜNEN geforderte Bürgerversicherung, denn sie schadet unserem Gesundheitssystem. Stattdessen brauchen wir weniger Einheitssysteme. Wir brauchen mehr Autonomie bei den Kassen, vor allem auch, was die Beitragssätze anbelangt. Wir brauchen Einzelverträge mit Ärzten, Krankenhäusern und weiteren Leistungserbringern. Nur so kann Wettbewerb entstehen, der sich nicht ausschließlich auf angebotene Leistungen orientiert. Bei den Zahlen und Studien, die Sie vorgestellt haben, meine sehr geehrten Kollegen, stellt sich immer die Frage, welche Studie man zitiert. Sie wissen selbst, dass beispielsweise die Heinrich-BöllStiftung ganz klare Zahlen vorgelegt hat, welche Auswirkungen das hat, und sie ist meiner Meinung nach nicht für ihre tief liberalen Ansichten bekannt.

Wettbewerb schafft Vielfalt und sorgt für ein dauerhaft hohes Niveau bei beiden Krankenkassen. Ich möchte an dieser Stelle Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery – er ist Präsident der Bundesärztekammer – vom Ärztetag am 18. April 2013 zitieren: „Eine staatliche Einheitsversicherung löst kein Problem unseres Gesundheitssystems, sondern schafft nur neue. Unter der Beibehaltung der Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung lässt sich unser Gesundheitssystem zukunftsfest weiterentwickeln.“

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir möchten als Fraktion keinen Einheitsbrei, wir möchten Wahlfreiheit. Ich möchte kein Einheitsauto, kein Einheitshandy, kein vegetarisches Pflichteinheitsessen, und ich möchte keine Einheitsschuhe. Wir möchten dem Bürger die Wahl lassen zwischen hochprozentigen Getränken, also zwischen Whiskey oder Cognac, anstatt ihm den Blauen oder in

dem Fall den „Roten“ Würger aufzuzwingen. Aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Dr. Pellmann – eine Kurzintervention?

Ja, Herr Präsident, in der Tat, wenn mir die verehrte Frau Jonas dann auch zuhört, solange wollte ich noch warten.

Frau Jonas, ich habe vielleicht später noch Gelegenheit, komplex auf die Dinge einzugehen, die hier vorgetragen worden sind.

(Carsten Biesok, FDP: Das müssen Sie auch nicht!)

Das weiß ich, dass ich das nicht muss, aber ich mache es trotzdem. So weit sind wir noch nicht, dass ich mir von Ihnen vorschreiben lasse, wann ich hier etwas sage.

Nun zu Ihnen, Frau Jonas. Zunächst einmal weiß ich nicht, ob der stärkste Whiskey und der schönste Whiskey so gesundheitsfördernd sind, aber das ist Ihre Entscheidung.

(Heiterkeit bei der FDP)

Ich will aber auf eine Sache aufmerksam machen, die Sie hier dargestellt haben. Das ist in gewissem Sinne auch eine Richtigstellung. Wir sind eben nicht für ein staatliches Gesundheitswesen. Wir sind auch nicht für eine staatliche Bürgerversicherung. Die Bürgerversicherung funktioniert – das will ich Ihnen deutlich sagen, damit Sie es sich auch aufschreiben können – auf der Basis der Selbstverwaltung ihrer Mitglieder. Was wir allerdings sichern müssen, ist eine Kontrolle der Mitglieder, damit die Vorstände sich nicht verselbstständigen. Also für Sie noch einmal deutlich gesagt: kein staatliches System, sondern Selbstverwaltung der Mitglieder in der Krankenversicherung, in der Bürgerversicherung. Deshalb heißt es ja auch Bürgerversicherung, weil die Bürger sich selbst verwalten sollen.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Jonas, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten? – Das ist nicht der Fall. Frau Herrmann für die GRÜNEN.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsinn wird nicht besser, wenn er wiederholt wird. Bei der Bürgerversicherung geht es durchaus nicht darum, dass es eine Einheitsversicherung werden soll, die keinerlei Wettbewerb mehr kennt. Wir – und das wurde schon von Frau Neukirch gesagt –, wollen auch nicht die private Krankenversicherung an sich abschaffen, sondern wir wollen diese dem Wettbewerb innerhalb einer Bürgerversicherung unterwerfen. Sie kann darüber hinaus durchaus noch Sonderangebote machen. Wie es heute auch schon ist, wird zum Beispiel durch das

Institut für Wirtschaftlichkeit und Gesundheitswesen festgelegt werden, welche Leistungen aus einer Bürgerversicherung bezahlt werden und für welche Luxusleistung – wie ich es vorhin gesagt habe – sich Menschen zusätzlich versichern müssen, wenn sie diese in Anspruch nehmen wollen.

Wir haben auch ein Modell der Bürgerversicherung vorgelegt. Wir haben hier im Landtag schon sehr häufig dazu diskutiert. Ich könnte mich fast vollumfänglich den Ausführungen von Frau Neukirch anschließen. Deshalb werde ich das an dieser Stelle nicht noch einmal alles wiederholen.

Es gibt Unterschiede zu dem, was die linke Fraktion heute in einem relativ knapp gehaltenen Antrag vorgelegt hat. Ich denke, man muss danach noch einmal schauen, wie man diese Bürgerversicherung ausgestaltet, wie man die Überführung aus der PKV in eine Bürgerversicherung vornehmen wird. Ich denke, die Beitragsbemessungsgrenze wird erst einmal bestehen bleiben. Das ist im Moment ein Punkt, der uns nicht eint. Aber insgesamt ist das Modell der Bürgerversicherung das einzige Modell, das zukunftsfest ist und das die Solidarität innerhalb der Krankenversicherung aufrechterhält. Deshalb haben wir auch ein Modell vorgelegt. Ich denke, alle Fraktionen, die zur Bürgerversicherung stehen, werden sich nach der Wahl einigen können, wie sie ausgestaltet werden soll.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die NPD-Fraktion spricht Herr Schimmer als abschließender Redner. – Herr Schimmer, einen Moment, bitte. Es gibt noch eine Kurzintervention. Sie können aber schon nach vorn kommen, wenn Sie wollen. Das beschleunigt das Verfahren.

So schlimm wird es nicht. – Sehr geehrter Herr Präsident! Vielen Dank. Ich möchte nur noch eine Anmerkung machen: Wir haben heute schon über Petitionen gesprochen. Am Beispiel der orthopädischen Schuhversorgung wird deutlich, dass Entwicklungen, die über Jahre gelaufen sind, auch mit vielen Diskussionen in einzelnen Kassen verschiedene Lösungen herbeigeführt haben. Genau an dem Beispiel gilt eben nicht, dass alles, was einmal erreicht wurde, auch aus wirtschaftlichen Gründen dauerhaft sicher bleibt. Genau an dem Punkt sehen wir die Unterschiede und den Wettbewerb zwischen den verschieden Kassen.

Frau Herrmann, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten? – Das ist der Fall.

Ich habe deutlich gemacht, dass es diesen Wettbewerb durchaus geben wird, wenn die Bürgerversicherung eingeführt wurde. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass es notwendig ist, nicht nur Erwerbsarbeit heranzuziehen, um die Leistungen zu

finanzieren, sondern auch andere Einkommensarten. Das ist ein wesentlicher Punkt der Bürgerversicherung, um sie zukunftsfähig zu machen. Das schließt die Bürgerversicherung ein. Deshalb ist sie ein Zukunftsmodell.

Herr Schimmer, bitte.

Besten Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man merkt, es ist Bundestagswahlkampf. Nachdem wir gestern einen bundespolitischen Antrag der LINKEN vorgelegt bekommen haben, befassen wir uns heute erneut auf Antrag der LINKEN mit einem bundespolitischen Thema, nämlich mit der gesetzlichen Krankenversicherung. Beide Anträge sind fast eins zu eins aus dem Bundestagswahlprogramm der LINKEN abgeschrieben,

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

sodass der Eindruck entsteht, die sächsische Linksfraktion betrachtet dieses Parlament als Außenstelle ihrer Berliner Wahlkampfzentrale. Das sage ich deshalb einmal ganz deutlich, weil uns Nationaldemokraten oft genug der Vorwurf gemacht wird, wir würden hier Bundespolitik betreiben. Aber – das muss auch einmal festgestellt werden – unsere beiden Anträge haben dieses Mal einen klaren landespolitischen Bezug. – Das nur für das Protokoll.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Genau!)

Aber, Herr Gebhardt, da will ich Ihnen entgegenkommen. Das Grundanliegen Ihres heutigen Antrages ist gar nicht mal so falsch; denn es deckt sich mit der Kernforderung der NPD nach einer einheitlichen Gesundheitskasse für alle, also auch für Selbstständige und Beamte, mit der Möglichkeit zur privaten Aufstockung für Zusatzleistungen. Allerdings nimmt DIE LINKE hierbei wieder nur einen Teil des Problems wahr, während andere Aspekte vollkommen unter den Tisch fallen.

Dazu zählt beispielsweise die Belastung der Krankenversicherung durch die Mehrwertsteuer. Eine Senkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel, wie Sie die NPD fordert, könnte nach Berechnung der AOK Einsparungen von etwa 4 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Wir Nationaldemokraten sagen, es ist absurd, einerseits Steuergelder zur Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems aufzuwenden, während der Staat andererseits diesem System Gelder durch erhebliche Steuereinnahmen entzieht.

Was ebenfalls fehlt, ist die Frage der versicherungsfremden Leistungen, die nicht nur die gesetzliche Krankenversicherung, sondern das gesamte Sozialversicherungssystem enorm belasten. Hier sagen wir Nationaldemokraten klipp und klar: Versicherungsfremde Leistungen sind nicht durch die Beiträge der Versicherten, sondern durch Steuermittel zu finanzieren.

Noch ein großer Posten fehlt in dem Antrag der LINKEN selbstredend, nämlich die kostenlose Mitversicherung von Angehörigen von in Deutschland lebenden Ausländern.

So leistet sich der deutsche Staat mit dem seit 1964 existierenden deutsch-türkischen Sozialhilfeabkommen eine in der ganzen Welt einmalige Großzügigkeit auf Kosten der einheimischen Kassenpatienten. Denn nach diesem kaum bekannten, aber dennoch existierenden und sehr wirkungsvollen Abkommen werden in der Türkei lebende Familienangehörige von hierzulande gesetzlich krankenversicherten Türken mitversichert, und zwar – man höre und staune – nach türkischem Recht.

Das heißt, dass anders als bei uns nicht nur Ehepartner und Kinder, sondern auch die Eltern der Versicherten ohne Zusatzkosten in den deutschen Krankenversicherungsschutz einbezogen sind. Das wiederum bedeutet bei diesem Personenkreis eben keine Gleichbehandlung, sondern sogar eine Vorzugsbehandlung, die durch nichts zu rechtfertigen ist – durch unser Grundgesetz schon gar nicht.