Die Statistik trage ich noch vor und danach bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Die Statistik besagt: Wenn man Deutschland mit 100 % ansetzt, hat man in den Niederlanden, dem Mutterland der intensiven Tierhaltung – um den Begriff Massentierhaltung zu vermeiden, der ja nicht definiert ist –, 220 % mehr Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche als in Deutschland. Die Antibiotikabehandlungstage pro Einwohner und Jahr sind 25 % weniger und der Anteil an resistenten Keimen ist 90 % geringer als in Deutschland.
Ich nenne jetzt die Zwischenstufen – bei Belgien ist das ähnlich – und bringe einmal ein ganz anderes Land, Griechenland. Dort haben wir einen um 40 % geringeren Anteil an Großvieheinheiten pro Hektar – die alle noch dazu wunderbar auf der Weide weiden – und weniger Intensivtierhaltung. Wir haben 175 % an Antibiotikabehandlungstagen und 100 % mehr an resistenten Keimen.
Nun kann man natürlich fragen, wie das zusammenhängt. Das sind in vielen Fällen Managementdinge und nicht einfach Dinge, wie Sie uns das gerne anbieten bzw. weismachen wollen: dass die Bauern dort Antibiotika zur Steigerung von Mastergebnissen verabreichen, sondern die Untersuchungen zeigen, dass der Infektionsweg in der Regel vom Krankenhaus auf den Mensch in die Ställe und nur im seltensten Fall umgekehrt verläuft.
In diesem Sinne möchte ich meine Ausführungen beenden und Sie bitten, bei zukünftigen Diskussionen etwas mehr die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Ich möchte mich nochmals bei den Tierärzten bedanken und um Zustimmung für unseren Antrag werben.
Ich frage die Fraktionen: Gibt es noch weitere Wortmeldungen in der zweiten Runde? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Die Staatsregierung möchte sprechen. Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Antibiotika sind das wichtigste Instrument zur Behandlung von Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier. Vor dem Hintergrund der weltweiten Zunahme von Antibiotikaresistenzen müssen wir sicherstellen, dass dies auch weiterhin so bleibt.
Es gibt auf Bundesebene bereits klare Vorschriften, die den Einsatz von Antibiotika regeln. Nach dem Arzneimittelgesetz dürfen Antibiotika nur zur Behandlung von kranken Tieren eingesetzt werden, keinesfalls zur Wachstumsförderung oder zur Prophylaxe. Verstöße gegen diese Vorschriften sind strafbar. Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften ist grundsätzlich Aufgabe der Länderbehörden.
In Sachsen sind die Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter der Landkreise und kreisfreien Städte dafür zuständig, Tierarztpraxen und Tierhaltungsbetriebe risikoorientiert zu kontrollieren. Mit der kürzlich im Vermittlungsausschuss verabschiedeten 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes wird der rechtliche Rahmen für Vorgaben beim Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin noch weiter verschärft. Dazu wird unter anderem die Möglichkeit für den Aufbau einer bundeseinheitlichen amtlichen Datenbank geschaffen. Diese Datenbank ermöglicht erstmals den zuständigen Überwachungsbehörden der Länder eine umfassende Einsichtnahme in die Daten über den Antibiotikaeinsatz bei landwirtschaftlichen Nutztieren, und dann können wir selbstverständlich auch Auskunft geben.
Ich möchte aber noch einmal deutlich unterstreichen, dass dem hohen Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung ein multifaktorielles Geschehen zugrunde liegt, für das es keine kurzfristigen Lösungen gibt. Ganz bestimmt würde die Abschaffung des tierärztlichen Dispensierrechts nicht zu einer dauerhaften Senkung des Antibiotikaverbrauchs führen. Das zeigen auch die Erfahrungen in Ländern ohne Dispensierrecht, wie zum Beispiel Dänemark.
Das tierärztliche Dispensierrecht bietet als Ausnahme vom Apothekenmonopol viele Vorteile. Es ermöglicht dem Tierarzt ausschließlich die Abgabe von Fertigarzneimitteln an Tierhalter für die von ihm behandelten Tiere. Das Herstellen von Medikamenten ist ihm verboten, ebenso die Abgabe von Medikamenten für Tiere, die sich nicht in seiner Behandlung befinden.
Der Sinn des Dispensierrechts ergibt sich aus der Notwendigkeit, dass Tierärzte jederzeit in ausreichender
Menge über die zur Behandlung erforderlichen Medikamente verfügen müssen und die zur Weiterbehandlung benötigten Arzneimittel dann auch abgeben können. Nur Tierärzte besitzen die ausreichende Qualifikation, Arzneimittel bei Tieren richtig, verantwortungsvoll und auch im Interesse von Tier und Verbraucher anzuwenden. Dies sage ich auch ganz bewusst mit Blick auf die gestrige Diskussion zu unseren MRE-Netzwerken. Nur durch die direkte und verantwortungsbewusste Einflussnahme
unserer Tierärzte beim Einsatz von Antibiotika können weitere Resistenzen von Erregern eingedämmt werden.
Auch dies ist ein Beitrag im Kampf gegen MRE. Somit hat sich das tierärztliche Dispensierrecht zur effektiven und kostengünstigen Arzneimittelversorgung bei gleichzeitiger Sicherung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes bewährt und sollte auch nicht infrage gestellt werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen Abgeordneten! Die Diskussion um das Dispensierrecht war notwendig. Ich bin froh, dass wir mit dem heute vorliegenden Antrag ebendiese Probleme der Tierärzte aufgegriffen und auch den Weg für den weiteren Fortgang auf Bundes- und EU-Ebene mit dieser Initiative aufgegriffen haben. Die Debatte hat gezeigt, dass es notwendig ist, die Rechte der Tierärzte zu wahren.
Die Eingriffe, die von manchen Fraktionen angedacht sind bzw. vorgeschlagen werden, vertragen sich eben nicht mit dem jetzigen System des Tierschutzes und der hohen Qualität der tierärztlichen fachlichen Versorgung. Es gilt, dem permanenten Misstrauen einzelner Fraktionen gegenüber Tierärzten, Lebensmittelkontrolleuren, Tierhaltern und den aufsichtführenden Behörden entgegenzuwirken. Das ist unser Stil. Wir setzen auf Vertrauen statt auf permanente Bevormundung. Ich wiederhole an der Stelle noch einmal: Es geht um alle Tiere, nicht nur um Nutztiere, es geht um alle Medikamente, nicht nur um Antibiotika. Ich glaube, auch das ist von Einzelnen nicht verstanden worden.
Herr Pellmann, was die Information anbelangt, wissen Sie als Historiker am besten, dass Lesen und Informationsaustausch zur Meinungsbildung und Informationsgewinnung beitragen. Deswegen sind wir sehr wohl in der Lage, diese Themen fachkompetent hier im Hohen Haus zu diskutieren. Damit wird übrigens auch der Vorteil, was bestimmte Designfehler von angelegten Studien und damit auch falschen Ergebnissen, die heute hier vorgestellt worden sind, ganz klar verdeutlicht. Wir distanzie
ren uns an dieser Stelle von bloßer Ideologie, von Verurteilung und Bevormundung und setzen auf die Weiterführung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Tierärzten, Tierhaltern und auch denjenigen, die in der Tierproduktion arbeiten. Deshalb bitte ich um Zustimmung zum vorliegenden Antrag.
Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/12292 zur Abstimmung. Ich bitte Sie bei Zustimmung um Ihr Handzeichen.
Ja, es war die punktweise Abstimmung beantragt. Ich rufe Punkt 1 auf. Wer dem Punkt 1 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Und Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung und einigen Gegenstimmen ist Punkt 1 zugestimmt.
Ich rufe Punkt 2 auf. Wer Punkt 2 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Und Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung und zahlreichen Gegenstimmen ist mehrheitlich Punkt 2 zugestimmt.
Ich rufe Punkt 3 auf. Wer Punkt 3 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Und die Gegenstimmen? – Danke. Und Stimmenthaltungen? – Bei drei Stimmenthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen ist mehrheitlich Punkt 3 zugestimmt.
Jetzt rufe ich den kompletten Antrag auf. Wer dem Antrag, Drucksache 5/12292, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Und die Gegenstimmen? – Danke. Und die Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei einigen Stimmenthaltungen und einigen Gegenstimmen ist die Drucksache 5/12292 beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Einreicherin, Frau Lauterbach für die Fraktion DIE LINKE, das Wort.
Danke, Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Eine Bürgerversicherung, die alle Teile der Bevölkerung in einem einheitlichen Sozialversicherungssystem gegen die wesentlichen existenziellen sozialen Risiken Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Alter bzw. Erwerbsminderung versichert, ist in fast allen europäischen Staaten Standard und wird in Deutschland schon lange diskutiert.
Sie war bereits verfassungsrechtlich in der Weimarer Verfassung von 1919 verankert und wurde nach 1945 in vielen Verfassungen der Bundesländer gefordert. Gegenwärtig steht sie auf der Agenda aller Parteien der parlamentarischen Opposition, der Gewerkschaften, der Verbraucherschützer und des Sachverständigenrates und hat natürlich Auswirkungen auf die Länderparlamente und jedes einzelnen Bürgers hier in Sachsen. Da können wir uns nicht heraushalten.
Ich möchte Ihnen heute und nicht zum ersten Mal unser Modell der solidarischen Bürgerversicherung für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung erläutern. Dabei sind diese nicht voneinander zu trennen, da beide Risiken eng zusammenhängen. Beide Versicherungen sind
Erstens. Alle werden Mitglied dieser solidarischen Bürgerversicherung. Die Dualität von gesetzlicher und privater Versicherung weist schwerwiegende Defizite auf. Der angebliche Wettbewerb ist massiv verzerrt. Das führt zu Risikoselektion zulasten der gesetzlich Versicherten und zu Ungleichbehandlungen. Die Existenz der privaten Krankenversicherung als zweite Säule der Vollversicherung soll deshalb beendet werden und sich perspektivisch lediglich auf die Versicherung von Zusatzleistungen beschränken. Die Absicherung der Pflege braucht eine grundlegende Reform; gute Pflege braucht mehr Geld und mehr Anerkennung.
Zweitens. Die Beiträge werden entsprechend dem Einkommen gezahlt, zu dem auch Kapital-, Miet- und Pachterträge gehören. Der Anteil der Löhne und Gehälter – die Lohnquote – ist seit 20 Jahren abnehmend, der Anteil des Kapitaleinkommens, also der Gewinne, dagegen sehr stark steigend. Der Vorteil, die Gewinne in die Einkommen einzubeziehen, liegt in einer stärkeren Orientierung an dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Die Heranziehung weiterer Einkommensarten zur Finanzierung von gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung zur Verbesserung der Gerechtigkeit der Beitragsfinanzierung ist aus verfassungs- und sozialrechtlicher Perspektive dringend gebo
ten. Die Umsetzung des Einzugs weiterer Einkommensarten kann mit überschaubarem Aufwand durch die Finanzbehörden erfolgen.
Drittens. Wer selbst kein Einkommen hat, wird beitragsfrei versichert. Die soziale Absicherung zum Beispiel von kleinen Selbstständigen zu verbessern ist vom Bundesverfassungsgericht als besonders wichtig im Interesse der Gemeinschaft anerkannt worden. Alle – auch die heute privat versicherten Kleinstunternehmer – sollen deshalb den gleichen prozentualen Anteil ihres gesamten Einkommens einzahlen.
Viertens. Die Arbeitgeber tragen nach dem bewährten Prinzip der paritätischen Finanzierung die Hälfte der Mitgliedsbeiträge. Eine unabhängige Studie zeigt, dass durch soziale Gerechtigkeit die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen auf eine dauerhafte, stabile Grundlage gestellt werden können und die Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber dabei sogar sinken.
Herr Prof. Schmalfuß mahnte gestern ein Steuersenkungsprogramm an. Sie müssen dem heute nur zustimmen. Die jetzt gültige Mehrbelastung von Arbeitnehmern in der Krankenversicherung, die Deckelung des Beitragssatzes der Arbeitgeber und die Erhöhung der Beiträge in der Pflege wären so nicht mehr notwendig.