Ich möchte mich zunächst noch einmal bei den Kollegen von der GRÜNEN-Fraktion für die Zusammenarbeit in den letzten zwei Jahren beim Thema „Kinder- und Jugendmitbestimmung in Sachsen“ bedanken. Ich denke, es ist ein wichtiges Thema, und man kann es nur fraktionsübergreifend vorantreiben.
Vor etwa vier Jahren unterzeichneten CDU und FDP einen Koalitionsvertrag, in dem es hieß – ich zitiere –: „Junge Menschen wollen wir für eine aktive gesellschaftliche Mitgestaltung gewinnen. Dafür werden wir Projekte zur Demokratiebildung besonders fördern“.
wer Kinder und Jugendliche für eine aktive gesellschaftliche Mitgestaltung und für das demokratische Gemeinwesen gewinnen will, der muss sie ernst nehmen. Ernst nehmen heißt, sie auch von Anfang an an Entscheidungen, die sie betreffen, zu beteiligen. Projekte zur Demokratiebildung ernsthaft zu fördern wäre mehr, als sich hier und da ein Modellprojekt – wie das „Demokratische Sachsen!“, das ich durchaus schätze – mit Mitwirkungsmoderatoren zu leisten.
Das Deutsche Kinderhilfswerk – wie viele andere Verbände in der Bundesrepublik – weist auf einen Grundsatz hin, den gerade wir als Abgeordnete und als politische Akteure ernst nehmen müssen. „Kinder und Jugendliche sind eigenständige Persönlichkeiten mit vielfältigen Fähigkeiten. Ihre Beteiligung ist der Schlüssel zu einer demokratischen Gesellschaft; denn nur Kinder und Jugendliche, die sich selbst als aktiv gestaltend erfahren, werden sich auch als Erwachsene eher an der Gestaltung des Gemeinwesens beteiligten.“ Alle Debatten über Wahlbeteiligung seien hier nur einmal kurz in Erinnerung gebracht.
Was wir als Fraktion jedoch bei der Debatte um unseren Gesetzentwurf in den einzelnen Ausschüssen erleben mussten und mit welchen fadenscheinigen oder seltsamen Begründungen es durch CDU und FDP abgelehnt wurde, Kinderrechte in die Sächsische Verfassung aufzunehmen sowie die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte von Minderjährigen in der Gemeindeordnung und Landkreisordnung zu verankern, zeugte von wenig Sachlichkeit.
Vor knapp einem Jahr – darauf wurde bereits hingewiesen –, im Oktober 2012, fand auf Einladung des Ministerpräsidenten in Dresden das „ConFestival“ statt – ein Jugendkongress, an dessen Ende aus mehr als 20 Workshops konkrete Forderungen an die Staatsregierung gerichtet wurden. Eine wesentliche Forderung, Herr Tillich, war genau die nach mehr Mitbestimmung für Kinder und Jugendliche in Sachsen.
Am Ende dieser Woche – übrigens einen Tag vor der Bundestagswahl – wird der Ministerpräsident auf der Konferenz „Chemnitz13 – Demokratie macht Schule“ in Chemnitz mit sächsischen Jugendlichen im Dialog sein. Ich hoffe, Herr Tillich, Sie werden dort auch Rechenschaft über Ihre Bemühungen ablegen, die als Ergebnis des „ConFestivals“ erhobenen Forderungen der Jugendlichen umzusetzen. Ich sehe – mit Verlaub – nichts.
Nebenbei hoffe ich außerdem, dass es nur ein böses Gerücht ist, dass der Ministerpräsident verhindern wollte, dass auch Abgeordnete der Opposition mit Jugendlichen auf dem Schülerkongress ins Gespräch kommen.
Zurück zur Sache: Vor fast einem Vierteljahrhundert – im November 1989 –, als die hiesigen Landstriche mit der friedlichen Revolution beschäftigt waren, nahm die UNVollversammlung das Übereinkommen über die Rechte des Kindes an. 1992, vor mehr als 20 Jahren, trat die UNKinderrechtskonvention auch in der Bundesrepublik in Kraft, und die Mehrzahl der Bundesländer hat dieser in ihren Landesgesetzgebungen Rechnung getragen. Es ist verwunderlich, dass ausgerechnet die Fraktion der CDU, die sich so oft auf die friedliche Revolution, die Demokratie als Errungenschaft beruft, die Verankerung von Mitwirkungsrechten junger Menschen jenseits der Schule verweigert.
Dass Kinder- und Jugendmitbestimmung mehr ist als das Installieren von Jugendparlamenten und das Senken des Wahlalters, ist hoffentlich inzwischen Konsens. Dem wird auch unser Gesetzentwurf gerecht.
Bei unseren zahlreichen Gesprächen mit Kindern und Jugendlichen, mit Schülerinnen und Schülern seit der Einbringung des Gesetzentwurfes vor zwei Jahren wurde uns immer wieder erklärt, dass es eben nicht nur notwendig ist, Mitwirkungsrechte gesetzlich zu verankern, sondern dass diese auch von den Erwachsenen gelebt werden müssen. Beispielsweise haben Schülerinnen und Schüler in Sachsen an öffentlichen Schulen Mitwirkungsrechte und fühlen sich doch oft nicht ernst genommen bzw. finden ihre Rechte an den Schulen nicht umgesetzt. Das Beispiel zeigt: Wir brauchen nicht nur eine gesetzliche Verankerung von Kinder- und Jugendmitbestimmung, sondern wir brauchen eine andere Kultur, und wir müssen die Erwachsenen dafür sensibilisieren: die Lehrerinnen und Lehrer, die Erzieherinnen und Erzieher usw. – und auch die Verwaltung.
Man muss eben auch den Kommunalpolitikern und der Kommunalverwaltung auf die Sprünge helfen und sie ermutigen, neue Wege zu gehen. Deshalb wollen wir als LINKE, dass die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen nicht nur in der Sächsischen Verfassung, sondern auch in der Gemeindeordnung und in der Landkreisordnung verankert wird.
Mit der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre wäre Sachsen nicht einmal innovativ, sondern würde nur das nachvollziehen, was andere Bundesländer – ich zähle sie auf: Baden-Württemberg, Bremen, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Wer jetzt glaubt, minderjährige Jugendliche würden noch nicht über die Reife verfügen, eine politische Wahlentscheidung zu treffen, den frage ich: Wer überprüft die Reife oder den Grad der politischen Bildung bei Erwachsenen? Niemand! Es ist eine Frage der Bildung, der Gelegenheiten, sich politische Reife anzueignen. Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen, bietet denn der Sächsische Landtag Führungen für Schulklassen und Abgeordnetengespräche an? Doch nicht nur, weil die Architektur gut aussieht, sondern weil es politischer Wille ist, auch Jugendliche für Politik zu interessieren. Neben der Absenkung des Wahlalters ist uns die Verankerung von Beteiligungsrechten auf kommunaler Ebene wichtig.
Dass Kinder und Jugendliche eine Vorlage der Verwaltung aus Kreistag oder Gemeinderat nicht ohne Weiteres verstehen und kommentieren können, ist obsolet. Es ist jedoch eine Frage der Begleitung und Übersetzung. Kinder und Jugendliche haben beispielsweise sehr wohl eine Vorstellung davon, wie öffentliche Plätze als Wohlfühlorte gestaltet werden können. Sie benötigen nur engagierte Unterstützung durch Erwachsene.
In der Anhörung kam es deutlich hervor: Die Stadt Itzehoe und Schleswig-Holstein machen es deutlich vor, wie ein Kinderbeauftragter zwischen Kindern und Jugendlichen, zwischen der Verwaltung und dem Stadtrat moderiert und erfolgreiche Beteiligung umsetzt.
Vor wenigen Tagen, am 13. September 2013, fanden bundesweit die U18-Wahlen statt, allein in Sachsen in 148 Wahllokalen. Auf der Podiumsdiskussion der Wahlparty in Dresden konnte man hören, dass auch die FDP für eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre ist, nur sei dies gegenwärtig nicht umzusetzen, da man in einer Regierung mit der CDU sei und die Koalition nicht gefährden wolle.
Werte Kollegen der FDP, da Ihre gemeinsame Zeit mit der CDU ohnehin bald vorbei sein dürfte, können Sie heute über Ihren Schatten springen und wenigstens Ihren Versprechungen im Wahlprogramm von 2009 treu bleiben, damit überhaupt noch etwas anderes als die Sonntagsöffnung von Videotheken oder Autowaschanlagen nach dieser Legislatur von Ihnen übrigbleibt.
Heute wäre Gelegenheit zu einem symbolischen Akt: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zur Kinder- und Jugendmitbestimmung zu, bleiben Sie Ihren Zielen oder Ihren Versprechungen treu und sorgen Sie mit für die Senkung des Wahlalters und den Ausbau der Kinder- und Jugendmitwirkung in Sachsen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Jahr 2012 bis in den Juli 2013 eine – ich denke, angemessen auf die Rechtsmaterie – sehr umfangreiche Diskussion zur Änderung der Sächsischen Verfassung geführt und dabei einen großen Verfassungskompromiss zur einmaligen Änderung der Sächsischen Verfassung erreicht. Es ist ganz wichtig, dass in diesem Kontext eben nicht über die Gesetzentwürfe der hier einreichenden Fraktionen gesprochen worden ist. Dies kann ich mit dem großen Verfassungskompromiss bei den hier in Rede stehenden Gesetzentwürfen jedoch nicht feststellen. Allein mit der Sächsischen Verfassung die Lebenswirklichkeit zu ändern ist ein untaugliches Signal.
Zuallererst müssen Eltern und Gesellschaft den Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf Würde garantieren. Jugendliche brauchen Erwachsene, die sich für ihre Welt interessieren und ihnen das Gefühl geben, dass es um sie als Person und nicht nur um eine politische Gestalt oder um ihr Verhalten geht.
Jugendliche brauchen Erwachsene, die Jugendlichen Zeit schenken: im Sportverein, im Kulturverein oder im Ensemble, in der Musikschule, in den Kirchen, ja auch im Gespräch über Politik im Kleinen, der Kommunalpolitik, bis hin zu den großen Herausforderungen, die es in der Weltpolitik gibt.
Kinder und Jugendliche fordern zu Recht eine gute Schulbildung. Sie stellen auch den Anspruch an den Staat, dass dieser ihnen eine gute Schulbildung ermöglicht. Viele Jugendliche haben mir in den letzten Wochen gesagt: Wir wollen zuallererst einen guten Schulabschluss erreichen, dann wollen wir eine gute Berufsausbildung machen, und dann haben wir genug Erfahrungen gesammelt und mehr Freiräume geschaffen, uns institutionell auch in politische Prozesse einzubringen.
Wenn wir den Jugendlichen mehr Zeit zur Verfügung stellen, dann werden es die heutigen Jugendlichen später auch mit den dann Jugendlichen tun. Ich glaube, das ist eine viel größere Herausforderung, als nur über das Wahlrecht zu sprechen.
Ich habe am Wochenende das 15. Judoturnier des BSC Bautzen in meiner Heimatstadt Budyšin erlebt. Dabei habe ich erlebt, wie engagiert Jugendliche Aufgaben und Verantwortung übernommen und sich für das Gelingen einer solchen Großveranstaltung mit internationaler Beteiligung eingebracht haben. Deshalb, so glaube ich, brauchen wir die Spontanität und das ehrliche Engagement der Jugendlichen in der Gesellschaft.
Nun zu den Änderungsgesetzen. Ich hoffe, dass der letztgenannte Gesetzentwurf nicht als Witz anzusehen ist, auf den man mit Lachen reagieren sollte.
Mit beiden Gesetzentwürfen – der eine das Wahlalter und der andere den Artikel 9 betreffend – soll die Sächsische Verfassung geändert werden. Artikel 9 soll laut Gesetz
Der jetzige Text des Artikels 9 Abs. 1 lautet: „Das Land erkennt das Recht eines jeden Kindes auf eine gesunde seelische, geistige und körperliche Entwicklung an. Abs. 2 lautet: „Die Jugend ist vor sittlicher, geistiger und körperlicher Gefährdung besonders zu schützen.“ Abs. 3 lautet: „Das Land fördert den vorbeugenden Gesundheitsschutz für Kinder und Jugendliche sowie Einrichtungen zu ihrer Betreuung.“
Diesen Artikel 9 will die einreichende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ersatzlos streichen. Das wäre ein Frevel, nicht nur an dieser Sächsischen Verfassung,
sondern auch an den Kindern und Jugendlichen, die diesen Artikel für ihre Entwicklung unbedingt brauchen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die einreichenden Fraktionen fordern als weiteren Punkt die Herabsetzung des Wahlalters, um so – so steht es in der Begründung – junge Menschen früher in den Prozess der politischen Willensbildung zu integrieren. Die Integration in politische Entwicklungsprozesse – vielleicht auch mit weltpolitischen Fragen – auf kommunaler Ebene, auf Landesebene, aber auch auf Bundesebene ist für uns ein sehr wichtiger Ansatz und man kann nicht früh genug damit beginnen. Aus unserer Sicht spricht aber vor allem die Einordnung von Minderjährigen in unser Rechtssystem gegen diesen Ansatz. Die Volljährigkeit tritt mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Bis dahin sind die Jugendlichen weder voll deliktfähig noch voll geschäftsfähig, noch unterliegen sie dem Erwachsenenstrafrecht. Dies wollen wir auch nicht ändern.
Ihre Gesetzentwürfe führen nun zur Entkopplung von Wahlberechtigung und Volljährigkeit. Dies widerspricht jeder Rechtssystematik.
Wenn man Ihrem Vorschlag, der Abkopplung des Wahlrechts von der Volljährigkeit, folgen würde, wären auch andere Altersgrenzen – so die Diskussion – willkürlich, wie die oben schon angesprochene Strafmündigkeit.
Es gibt aber noch weitere Gründe, eine Absenkung des Wahlalters abzulehnen. Die Einreicher argumentieren damit, dass mit der Absenkung des Wahlalters ein stärkeres politisches Interesse geweckt werden soll. Das Wahlrecht ist aber – mit Verlaub – zu grundlegend für die Demokratie, um es nur als pädagogisches Hilfsmittel zu nutzen. Unabhängig davon ist zweifelhaft, ob dieses Argument überhaupt greift.
Im Land Sachsen-Anhalt wurden bei den Kommunalwahlen in den Jahren 1999 und 2009 am Wahltag ausdrücklich die 16- und 17-Jährigen hinsichtlich der Wahlbeteiligung abgefragt. Im Jahr 1999 lag die Wahlbeteiligung in