Protocol of the Session on July 11, 2013

(Zuruf von der FDP: Hört, hört!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Gesetzentwurf verfehlt das Ziel der Integration von Ortsteilen in das Gemeindeganze, das Sie sich selbst gesetzt haben. Ihr Gesetzentwurf erleichtert das Miteinander von Gemeinden und Ortschaften kein bisschen und schafft nur jede Menge neue Probleme. Überdies ist er auch ein massiver

Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Wir werden Ihren Gesetzentwurf aus den vorgenannten Gründen ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abg. Jähnigen, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns GRÜNE ist die Ortschaftsverfassung, die zweistufige Kommunalverfassung eine gute Ergänzung, ein gutes Mittel, um Ehrenamtliche im Bürgerinteresse vor Ort einzubinden und zu ermöglichen, dass sich der Gemeinderat gerade in flächen- oder einwohnermäßig großen Gemeinden auf zentrale Aufgaben, auf die Kontrolle konzentriert. Wir wünschen uns durchaus eine Stärkung der zweistufigen Kommunalverfassung, so wie sie jetzt in der Gemeindeordnung geregelt ist, mit einem eigenen Budget, auch mit der Verwaltungskraft, es zu verwenden, mit einem aufschiebenden Veto – nicht einem kassierenden; damit kann man umgehen – und mit eigenen Anlaufstellen. Was hilft der Bürgerkoffer, wenn kein Personal da ist, um ihn zu bedienen? Wir halten die zweistufige Kommunalverfassung nicht zuletzt auch für ein Modell für kreisfreie Städte. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der NPD)

Vielen Dank, Frau Jähnigen. – Für die NPD-Fraktion spricht Herr Abg. Storr. Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die einbringende Fraktion hat im Großen und Ganzen die Gründe und Zielstellungen dieses Gesetzentwurfs vorgestellt, sodass ich darauf nicht mehr im Einzelnen einzugehen brauche.

Es ist richtig, dass sich seit Ende 1992 die Zahl der selbstständigen Städte und Gemeinden um fast 70 % verringert hat. Diese sind natürlich nicht verschwunden, sondern in Gemeindevereinigungen und in Flächen- und Verbandsgemeinden aufgegangen. Dass damit für viele Bürger die Identität mit der neuen Großgemeinde gelitten hat, ist unbestreitbar, auch wenn sich das alltägliche Leben weiterhin im Rahmen der gewohnten Umgebung abspielt.

Deswegen ist es etwas verwegen, von einem Demokratieabbau zu sprechen, wie es Frau Junge in der Anhörung getan hat. Demokratieabbau hat etwas mit einer zielgerichteten Aktion zu tun. Diese Gemeindezusammenlegungen, die in Sachsen natürlich noch weitergehen, weil dies von der Staatsregierung gefördert wird, haben nicht nur, wie das von der Fraktion DIE LINKE den Stellungnah

men der kommunalen Spitzenverbände vorgeworfen wurde, etwas mit Effizienzsteigerung zu tun, sie sind in der Regel das zwangsläufige Ergebnis einer völlig verfehlten Bevölkerungspolitik, einer Politik, deren Ergebnis noch vor wenigen Tagen von Bevölkerungswissenschaftlern mit den Pestepidemien des späteren Mittelalters verglichen wurde.

Ihr Ansatz, meine Damen und Herren der LINKEN, mag zwar lobenswert sein, die Politik- und Demokratieverdrossenheit wird er nicht aufhalten können. Der Bedeutungsverlust der Gemeinde in der Geschichte in der Bundesrepublik Deutschland beginnt nicht 1992, sondern bereits Mitte der 60er-Jahre. Er lässt sich daran festmachen, dass die Finanzhoheit der Gemeinden immer mehr eingeschränkt wurde – und damit die eigentliche Entscheidungskompetenz bei gleichzeitiger Ausweitung des Aufgabenkatalogs. Die Bürger haben das natürlich verstanden. Deswegen ist die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen oder Bürgermeisterwahlen bereits in einem Bereich angekommen, der sich etwa einem Drittel der Wahlberechtigten nähert und deswegen die Frage eröffnet, ob man nicht doch lieber eine Wahlpflicht einführen sollte.

Ihre Vorschläge, den bisherigen Ortsvorsteher mit dem Titels eines Ortsbürgermeisters zu beglücken, ihm das Recht zu verleihen, fortan an allen Sitzungen des Gemeinderates mit beratender Stimme teilzunehmen, dem Ortschaftsrat ein Anhörungs-, Vorschlags- und Antragsrecht einzuräumen – ja, selbst die Zubilligung geringer Mittel, die den Kommunalhaushalten ausgerechnet aus den Mitteln bereitgestellt werden sollen, die diese zur Erfüllung der freiwilligen Aufgaben noch zur Verfügung haben –, all dies wird nicht dazu führen, dass die Politikverdrossenheit abnimmt.

Das liegt unter anderem auch an Ihren Aktivitäten hier im Landtag, an den von Ihnen gewählten Themen, an den Themenkreisen, denen Sie ausweichen, und an den vielen Belanglosigkeiten, die hier im Hohen Hause mit Eifer verfochten werden.

Andere Argumente wurden bereits vorgetragen. Bleibt mir nur, Ihnen zu sagen: Wer die Zukunft bewältigen will, sollte sich dringend, liebe Kollegen der etablierten Volksverräterparteien, der anderen Themen annehmen: Sicherung der nationalen Identität, Abwendung der Ausplünderung Deutschlands durch Euro- und Bankenrettungsschirme, Rückgewinnung der nationalen Souveränität, Austritt aus der NATO und dieser Europäischen Union und Wiederherstellung der Handlungsfreiheit auf nationaler, Landes- und Kommunalebene. Die NPD lehnt daher diesen Gesetzentwurf ab.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Frau Abg. Junge, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch kurz auf die Redner der anderen Fraktionen, vor allem von CDU und FDP, hinsichtlich der Debatte eingehen, die wir auch im Ausschuss schon hatten, so nach dem Motto: Brauchen wir alles nicht, haben wir alles schon, ist alles schon geregelt. – So ist es nicht, Herr Hartmann, und ich denke, das wissen Sie genauso wie ich auf der kommunalen Ebene.

Klar, die Ortschaftsverfassung haben wir so in der Sächsischen Gemeindeordnung. Wir haben gesagt, wir wollen sie erweitern, wir wollen sie ergänzen. Gerade im Zuge der Debatte zur Änderung des Kommunalrechts passt es sehr schön, zu sagen: Legen Sie dort bitte auch noch einmal gedanklich zu, in der Richtung etwas zu verändern. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist, wir hätten den Aufbau hinsichtlich der Ebenen nicht verstanden: Welche Verantwortlichkeiten hat der Gemeinderat, welche Verantwortlichkeiten hat der Ortschaftsrat? Doch, das haben wir schon verstanden, Herr Karabinski. Wir sind auch in unserem Gesetz in der gleichen Struktur geblieben. Die Ortschaftsräte bleiben unselbstständig. Sie sollen nur gewisse Handlungsbefugnisse bekommen, und diese haben wir neu bzw. ergänzend geregelt.

Ich fand das Beispiel von Herrn Hartmann hinsichtlich der Regelung mit der Kita schon bemerkenswert, so nach dem Motto: Wir können dann überhaupt keine KitaRegelung mehr vor Ort machen, wenn das die Ortschaftsräte entscheiden sollen. – Das sollen sie gar nicht entscheiden. Die Regelung, auf die Sie sich hier bezogen haben, steht schon in der jetzigen Fassung der Ortschaftsverfassung – ich zitiere: „Der Ortschaftsrat entscheidet über folgende Angelegenheiten der Ortschaft: die Unterhaltung, Ausstattung, Benutzung der in der Ortschaft gelegenen öffentlichen Einrichtungen.“ Es ist schon im Text enthalten; wir haben es jetzt nur unter die bestimmten Aufgabenbereiche sortiert und vor allem Vorschlagsrechte und Widerspruchsrecht mit aufgenommen.

Ich möchte noch einmal auf die Bedenken von Frau Köpping von der SPD eingehen hinsichtlich des Widerspruchsrechts. Es ist nicht so gedacht, dass man bei jeder Entscheidung in Widerspruch geht; sondern es gibt wichtige Entscheidungen, die der Gemeinderat trifft, und es gibt auch heute wichtige Entscheidungen, die Gemeinderäte treffen, ohne dem Ortschaftsrat vor Ort Anhörungsmöglichkeiten zu geben. Deswegen hätte man jetzt ein zusätzliches Instrument, zu sagen: Wir sind als Ortschaftsrat mit dieser Entscheidung absolut nicht einverstanden.

Man hat hier eine Frist: Innerhalb einer Woche muss ich das ankündigen, und innerhalb von vier Wochen muss der Ortschafts- und der Gemeinderat noch einmal ins Gespräch kommen, und der Gemeinderat hat die Möglichkeit neu zu entscheiden. Dieser Widerspruch wäre dann wirklich innerhalb von vier Wochen zu lösen. Wir halten es für die kommunale Handlungsfähigkeit für sinnvoll,

dieses Instrument vor Ort zu haben für den Fall des Falles, dass Entscheidungen im Gemeinderat gegen die Interessen des Ortschaftsrates getroffen werden.

Deswegen an die Kollegen der CDU und FDP: Natürlich muss man sich Gedanken machen, wenn man mehr Bürgerbeteiligung will – das wollen wir alle, das sagen auch wir. Dann muss man sich aber auch Gedanken machen, wie man das bis auf die unterste Ebene umsetzen kann.

Das ist unser Vorschlag. Damit beseitigen wir sicherlich nicht komplett die Politikverdrossenheit, aber wir haben Möglichkeiten, gerade die Unzufriedenheit in ganz vielen Ortschaftsräten wegzunehmen, ihnen mehr Handlungsspielräume in der Richtung zu geben: Wir brauchen euch, wir wollen, dass ihr vor Ort gewisse Befugnisse bekommt.

Das ist ein neuer Denkansatz, über den ich Sie nachzudenken bitte. Wenn Sie heute nicht zustimmen wollen, können Sie sich aber vielleicht in der Änderung des Kommunalrechts noch einmal die entsprechenden Änderungen genauer anschauen. Das Budgetrecht haben Sie mit aufgenommen – das finde ich gut –, und vielleicht gibt es noch andere Möglichkeiten, gewisse Vorschläge von unserer Seite mit aufzunehmen.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Junge. – Ich sehe eine weitere Wortmeldung bei der CDU-Fraktion. Herr Abg. Hartmann; bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Ortschaftsverfassung ein Thema ist, über das ich mich trefflich unterhalten und streiten kann.

Frau Junge, da geht es ja schon los – und insoweit muss ich Sie jetzt korrigieren –, denn § 67 der Sächsischen Gemeindeordnung – darauf bitte ich genau zu achten – sagt heute: „Soweit nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes der Gemeinderat ausschließlich zuständig ist und soweit es sich nicht um Aufgaben handelt, die dem Bürgermeister obliegn, entscheidet der Ortschaftsrat im Rahmen der ihm nach Abs. 3 übertragenen Haushaltsmittel in folgenden Angelegenheiten: …“ – Drei entscheidende Einschränkungen.

In Ihrem Entwurf heißt es zukünftig: „Der Ortschaftsrat entscheidet über folgende Angelegenheiten: …“ Das mag ein kleiner Unterschied sein – Frau Junge, er ist ein entscheidender –, als sich die Frage einer ganzheitlichen Vereins- und Kulturförderung innerhalb der Stadt, die Frage der Investitionen, Prioritätensetzung innerhalb einer Gebietskörperschaft, über Kitas, über Sportanlagen, der Zuständigkeit des Hauptorganes entzieht und Sie eine Situation schaffen, in der Sie eine Zuständigkeit des Ortschaftsrates schaffen. Denn Sie sagen auch noch in Ihrem Budgetrecht, dass dem Ortschaftsrat die Haus

haltsmittel zu übertragen sind, die ihm zur Aufgabenerfüllung – die Sie klar formuliert haben – zu geben sind.

Damit werfen Sie auch die Feststellung über den Haufen, dass es einen zentralen Haushalt einer Einheitsgemeinde gibt, über den die Einheitsgemeinde entscheiden kann, einem Teilgremium Mittel zur Aufgabenerfüllung zu übergeben.

Sie schaffen mit diesem Gesetzentwurf eine Situation, indem Sie sagen: Das ist nicht mehr Zuständigkeit der Einheitsgemeinde, nicht mehr Zuständigkeit des Gemeinderates, sondern Sie lösen Teilbereiche heraus und sagen, das ist die Aufgabe des Ortschaftsrates, und dafür hat er gefälligst das Geld zu bekommen, und dann entscheidet er – das steht hier auch noch drin – allein, ohne Beteiligung des Hauptorgans, nämlich des Gemeinderates.

Damit, Frau Junge, ist eine Situation geschaffen, wie Sie die Handlungsunfähigkeit in einer Kommune realisieren, wenn Sie sie – dafür ist Grimma vielleicht ein interessantes Beispiel; die Landeshauptstadt Dresden hat neun dieser Ortschaften – mit Vetorechten in solchen Fragen ausgestalten.

Jetzt komme ich zum geltenden Gesetzentwurf. Dieser hat die Beteiligungsrechte. Er sagt, der Ortschaftsrat hat entsprechende Aufgabenbereiche, für die er zuständig ist im Rahmen der Mittel, die ihm die Einheitsgemeinde zur Aufgabenerfüllung zubilligen kann. Die Mittel sollen im Rahmen des Gesamtverhältnisses des Gemeindeaufkommens anhand der Aufgabendefinition zur Verfügung gestellt werden. Aus dieser Interpretationsregelung machen wir eine Kann-Feststellung, um eine gewisse Validität in die Frage der Mittelzuordnung zu bekommen. Das ist der richtige Weg. Das, was Sie machen, ist die Aushebelung der Einheitsgemeinde.

Zu den Beteiligungsrechten. Sie können im § 67 Abs. 4 und 5 die Beteiligungsrechte sehen – nämlich sowohl das Recht, einen Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung des Gemeinderates zu setzen, als auch die Tatsache, dass der Ortschaftsrat zu allen wesentlichen Punkten zu hören ist.

Im Übrigen können Sie auch in der Kommentierung und in der rechtsaufsichtlichen Stellungnahme dazu zur Kenntnis nehmen, dass eine Nichtbeteiligung des Ortschaftsrates in einer ihn betreffenden Angelegenheit ein wesentlicher Verfahrensverstoß ist, der zur Nichtigkeit des Gemeinderatsbeschlusses führen kann.

Damit sind wir bei dem abschließenden Punkt, den ich angesprochen habe: Bei der Frage der Umsetzung und Ausgestaltung einer Ortschaftsverfassung geht es um die Frage, wie Partner miteinander die Aufgabe wahrnehmen. Dazu gehört zum einen der Respekt des Umgangs des Gemeinderates und des Bürgermeisters, zum anderen aber auch, dass ein Ortschaftsrat und ein Ortsvorsteher die ihnen zustehenden Rechte verstehen und wahrnehmen. Das sage ich Ihnen mit einer Erfahrung von 15 Jahren. Mir ist es zumindest bisher im Wesentlichen gelungen,

unsere Interessen auch im Rahmen der Gesamtgemeinde zu diskutieren und berücksichtigt zu wissen.

Die Gesetzesregelung ist ausreichend, sie muss mit Leben erfüllt werden. Darum können wir uns kümmern. Eine zusätzliche Regelung, insbesondere die mit Ihrer Regelung auftretenden rechtlichen Folgefragen, lehnen wir nochmals ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie des Staatsministers Markus Ulbig)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Die sehe ich nicht. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Ulbig, Sie geben mir ein deutliches Zeichen. Bitte, Sie haben jetzt Gelegenheit, das Wort zu ergreifen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Gesetzentwurf ist ja intensiv, lebhaft und umfangreich diskutiert worden. Deshalb aus der Sicht der Staatsregierung nur noch einige kurze Anmerkungen dazu.

Als Erstes: Auch für mich und für die gesamte Staatsregierung ist eine funktionierende Ortschaftsarbeit ein wesentliches Bindeglied zwischen den Ortschaften, den Ortsteilen und der Gesamtgemeinde.