Protocol of the Session on June 19, 2013

Dort wurde mir von einem Geschäftsinhaber gesagt, er habe keine Versicherung bekommen. Der Nächste sagte mir – und das ist das tragischste Beispiel –: Ich habe eine Versicherung, aber die gilt erst ab 1. Juli. – Der Dritte sagte mir: Ich habe eine Versicherung bezahlt, die mich sehr teuer zu stehen kommt.

Einen Tag nach der Berichterstattung des Mitteldeutschen Rundfunks über diesen Sachverhalt habe ich einen Brief einer Versicherungsvertreterin bekommen, in dem steht, dass sie 60 Unternehmen in Döbeln angeschrieben bzw. besucht habe und sich nur drei von ihnen daraufhin gegen Elementarschäden versichern ließen.

Diese ambivalenten Aussagen, meine Damen und Herren, treffe ich überall im Land. Die einen sagen, sie konnten sich nicht versichern, weil die alte Versicherung gekündigt und keine neue angeboten wurde. Andererseits lauten die Aussagen der Versicherungswirtschaft immer wieder, dass es selbst für die hochriskanten Fälle auch einen individuellen Versicherungsschutz gibt.

Wenn es diesen elementaren Versicherungsschutz nicht gibt, dann müssen wir – und da bin ich bei Ihnen, Herr Dulig, weil Sie das auch aufgegriffen haben – über eine Pflichtversicherung aller reden; denn dann muss die Gemeinschaft solidarisch dafür sorgen, dass der eine bei Schneebruch, der andere bei einem Tornado und der Dritte beim Hochwasser besser geschützt ist, als das bislang der Fall ist.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den LINKEN, der SPD und der FDP)

Die Staatsregierung wird im Herbst dieses Jahres Bürgermeister, betroffene Bürger und Unternehmen einladen, mit Fachleuten über etwas zu diskutieren, das mehr und mehr auch ein Problem nach solchen Hochwassern wird. Viele Leute haben inzwischen Gebäude so errichtet, dass deren Keller zwar wasserdicht sind, aber durch aufsteigendes Grundwasser entweder schwer beschädigt werden bzw. die bisherigen Schutzmaßnahmen nicht reichen.

Ich will Sie nicht langweilen, aber es ist schon bemerkenswert, dass sowohl 2002 als auch jetzt 2013 im Keller der Sächsischen Staatskanzlei, der elf Meter oberhalb des Normalstandes der Elbe liegt, kein Tropfen Wasser gestanden hat. Das heißt, unsere Vorfahren haben bis

1904, als sie dieses Gebäude errichtet haben, aus dem damaligen Hochwasser die richtigen Lehren gezogen. Deswegen möchte ich mit Bausachverständigen, mit Architekten, mit Planern, aber natürlich auch mit den Betroffenen darüber sprechen, wie man in hochwassergefährdeten Gebieten bauen sollte. Dass wir in Überschwemmungsgebieten überhaupt noch bauen, ist, glaube ich, ein Skandal an sich.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Da muss man konsequent sein.

Jetzt etwas, das aus meiner Sicht ganz wichtig ist. Darüber ist Gott sei Dank auch schon in den Medien berichtet worden. Wir haben gestern darüber beraten, und ich habe vorige Woche den Auftrag ausgelöst, dass wir ganz zügig dafür sorgen, dass nach der Hochwasserwelle jetzt nicht auch noch eine Stornierungswelle die Tourismuswirtschaft im Freistaat Sachsen zu Boden zwingt, sondern dass wir jetzt mit den Mitteln, die für die Image- oder Dachmarkenkampagne zur Verfügung stehen, sehr zügig in den nächsten Tagen eine Aktion zur Werbung für die touristischen Gebiete im Freistaat Sachsen zum Laufen bringen, damit die Touristen herkommen und unsere Herbergen, unsere Hotels, unsere Restaurants besuchen und unsere Natur erleben. Denn Sachsen ist nicht untergegangen. Die Menschen haben angepackt und richten alles her. Ich habe in Bad Schandau Gaststätten gesehen, die am vergangenen Wochenende schon wieder geöffnet hatten. Ich glaube, das ist etwas, was davon zeugt, dass sich die Sachsen nicht unterkriegen lassen. Jetzt müssen auch die Touristen wieder nach Sachsen kommen!

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Auf Initiative des Freistaates Sachsen haben wir in der letzten Woche am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz ein Schreiben der Elbeanrainerländer, Bayerns und Tschechiens an die Europäische Kommission gesandt, um Hilfe auch aus dem Nothilfefonds der Europäischen Union zu bitten.

Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle nochmals ganz deutlich sagen: Ich weiß, dass auch dieses Mal nicht alles optimal gelaufen ist. Vieles ist viel besser gelaufen. Aber deswegen habe ich auch entschieden – und die Gespräche laufen –, dass Herr von Kirchbach wieder eine Kommission bildet, die Abläufe überprüft, Schwachstellen lokalisiert, um uns die Möglichkeit zu geben, daraus Lehren für unser Handeln in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zu ziehen, was den Hochwasserschutz im Freistaat Sachsen und das Handeln danach betrifft.

Meine Damen und Herren, Sachsen hat – das will ich noch einmal ganz deutlich sagen – aus dem Jahr 2002 viele Schlussfolgerungen gezogen. Was mich überrascht hat, ist der Umstand, dass wir viel geringere Schäden aufgrund einer Tatsache haben, mit der sich andere Bundesländer zurzeit intensiv herumschlagen: Mit dem Wiederaufbaugeld haben wir damals den Bürgerinnen und

Bürgern nur dann die Wiedererrichtung einer Heizungsanlage ermöglicht, wenn sie in den Überschwemmungsgebieten auf Ölheizungen verzichtet haben. Dass es immer wieder Einzelne gibt, die sich nicht daran halten, haben wir gesehen. Aber wenn Sie heute mit den Hochwassergeschädigten sprechen, hören Sie, dass diese sagen: Das ist etwas, was ganz anders ist als 2002 und was die Sanierung der Gebäude wesentlich erleichtert.

Das ist ein Unterschied zu Sachsen-Anhalt, das ist ein Unterschied zu Bayern, wo man sich zurzeit gerade mit den durch Ölheizung ausgelösten Schäden herumschlägt. Es geht also nicht nur darum, wie die Meldeketten funktioniert haben, sondern auch darum, welche Schlussfolgerungen man zieht, wie man das Geld für den Wiederaufbau einsetzt.

Aber, meine Damen und Herren, das Geld allein wäre nichts gewesen, wenn es nicht so wäre, wie es die Sachsen wieder einmal bewiesen haben: dass die Menschen in der Not, in der Krise zusammenstehen, dass sie zuversichtlich sind, dass wir, die Politik, dafür sorgen, dass ihnen der Wiederaufbau ermöglicht wird. Ich bin mir sicher: Der Wiederaufbau nach dem Hochwasser 2013 von der Lausitz bis zum Vogtland und bis nach Leipzig wird uns wieder gelingen.

Deswegen, meine Damen und Herren: Packen wir es an! Der Freistaat Sachsen ist schön. Das Hochwasser hat einige Wunden gerissen, die es jetzt zu heilen gilt. Das ist eine gemeinsame Aufgabe, eine nationale, aber auch eine, die uns im Freistaat Sachsen alle vor Ort betrifft. In diesem Sinne wünsche ich uns Glück auf!

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten für seine Regierungserklärung. Wir kommen nun zur Aussprache dieser Regierungserklärung. Kollege Gebhardt, noch einen Moment, ich möchte erst die Redezeiten für die Fraktionen bekanntgeben: CDU 38 Minuten, DIE LINKE 29 Minuten, SPD 19 Minuten, FDP 19 Minuten, GRÜNE 17 Minuten, NPD 17 Minuten; und jetzt die Reihenfolge der ersten Runde: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD; und es eröffnet für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Gebhard.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Naturgewalten müssen erkenntnisfördernd sein. All diejenigen, die bei Facebook und Twitter bisher an Sodom und Gomorrha gedacht haben, konnten an den Sandsackfronten in den Hochwasserkrisengebieten live miterleben: Die sozialen Netzwerke sind wirklich sozial. Ja, sie wurden in Sekundenschnelle zu Plattformen tätiger Solidarität im realen Leben.

Ich möchte an dieser Stelle all den Freiwilligen danken, die in vielen Fällen ganz spontan alles stehen und liegen ließen, um dem Ruf nach Hilfe zu folgen. Ich möchte aber auch den unzähligen Einsatzkräften danken, die nicht Dienst nach Vorschrift gemacht, sondern alles Men

schenmögliche getan haben, um Schäden zu minimieren. Besondere Hochachtung gebührt denen, die mit vollem Einsatz dabei waren, obwohl sie persönlich vom Hochwasser betroffen waren. Ihnen allen schulden wir aufrichtigen Dank, höchste Anerkennung und Respekt.

(Beifall bei den LINKEN, der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN, der NPD und der Staatsregierung)

Ich erwarte von der Koalition, dass all ihre Danksagungen heute auch mit der notwendigen Konsequenz für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst verbunden werden und Sie morgen unserem Antrag zur Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamten des Freistaates Sachsen folgen werden.

(Beifall bei den LINKEN)

Bei der Soforthilfe dürfen die Vereine und sozialen Träger nicht außen vor bleiben. Sie gehören zu den sozialen Säulen unserer Gesellschaft und müssen daher umgehend in die Soforthilferichtlinie aufgenommen werden.

(Beifall bei den LINKEN)

Katastrophen sind die Stunde der Regierung, also der Exekutive. Das liegt in der Natur der Sache: Wenn Land unter droht, kann man nicht stunden- oder gar tagelang darüber beraten und abstimmen, was jetzt vielleicht zu tun ist. Es muss sofort gehandelt werden, und dies in die Hand zu nehmen, dafür sind Regierungen und nachgeordnete Behörden da. Unser Job als Parlament liegt nun in der Auswertung und Bewertung und in der Entscheidung über die Konsequenzen, die zu ziehen sind.

Herr Tillich hat zu Recht darauf verwiesen, dass das komplette Ausmaß der Schäden noch nicht exakt zu beziffern ist. Das gilt dann logischerweise auch für die politische Abrechnung mit dem Krisenmanagement. Nicht nur deshalb will ich Sie heute mit einer kleinteiligen Aneinanderreihung einzelner Pannen bei der Koordinierung der Hochwasserbekämpfung verschonen.

Wir haben am 10. Juni einen Antrag in den Landtag eingebracht, in dem es um unbürokratische Hilfe für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger einerseits und um einen umfassenden Hochwasserfolgen- und Ursachenanalysenbericht andererseits geht. Diese Analyse wollen wir in Ruhe mit Ihnen zusammen in den Fachausschüssen vornehmen. Dazu brauchen wir nicht den Theaterdonner einer öffentlichen Landtagsdebatte über eine Regierungserklärung.

Ich möchte daher die öffentliche Aufmerksamkeit für diese Debatte nutzen, das Augenmerk auf die aus unserer Sicht drängendsten Probleme nach dem nunmehr vierten außerordentlichen Hochwasserereignis in Sachsen binnen elf Jahren zu richten.

Wir haben mit der sächsischen FDP eine Partei an der Regierung, die mit Klimawandelleugnern gemeinsame Sache macht und das auch noch für eine „Fortschrittsoffensive“ hält. Die FDP-Landtagsfraktion schreckt dabei

nicht einmal davor zurück, den europafeindlichen ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus als Hauptredner vor ihren Karren zu sperren. Dies ist ein Mann – ich zitiere auszugsweise „Lockes Landtag“ in der „Morgenpost“ –, „der Klimaschutz für Ökoterrorismus, das Parlament für lästig und die EU für überflüssig hält.“

(Zuruf von der NPD: Letzteres ist ja richtig!)

Weiter schreibt er: „Für die Sachsen-FDP ist seine Teilnahme ein Hauch großer Politik. Wäre Kim Jong Un gegen den Klimawandel, er würde wohl FDP-Ehrenmitglied sein.“

Ich stelle fest: Solange in Sachsen eine solche Partei die Regierungspolitik mitträgt, wird es eine nachhaltige Hochwasserprävention unter Einbeziehung ökologischer Fragen nicht geben. Mit klimapolitischen Geisterfahrern kann man die Bevölkerung nicht schützen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das sehen wir auch gleich beim zweiten Punkt. Weil das Flutmauerbauen in Dresden so erfolgreich war, versank Magdeburg in der Elbe. So lautet eine dieser Tage häufig gehörte These. Unabhängig davon, Herr Ministerpräsident, ob ich diese These teile: Die Zeit des schlichten Mauerbaues ist vorbei.

(Beifall bei den LINKEN)

Das Hauptthema beim Hochwasserschutz muss daher sein, den Flüssen mehr Raum zu geben. Das hat jetzt sogar Bundesumweltminister Altmaier erkannt.

(Uta Windisch, CDU: Machen Sie das mal in Aue!)

Doch stattdessen schreitet die Versiegelung der Landschaft in Sachsen trotz ständig weiter abnehmender Bevölkerung voran, täglich in einer Größenordnung von sieben Fußballfeldern. Von den 7 500 Hektar zusätzlicher Überschwemmungsflächen, die 2002 geplant wurden, sind bis heute gerade einmal 111 realisiert. So geht sächsisch eben nicht, jedenfalls nicht nachhaltig.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Tillich, mit Ihnen möchte ich heute relativ freundlich sprechen, was nicht immer so meine Art ist. Sie haben nach meiner Wahrnehmung eine durchaus bessere Figur in den Hochwassertagen gemacht als beispielsweise Ihr Amtskollege Haseloff in Sachsen-Anhalt, dessen Innenminister in Begleitung von Bodyguards sogar die Flucht vor aufgebrachten Bürgerinnen und Bürgern ergreifen musste. Aber: Wenn Sie sich erstaunt zeigen – wie auch gerade in Ihrer Regierungserklärung –, wie viele Hochwasseropfer durch die Versicherung nicht geschützt waren, verwundert mich das doch sehr.

Bei Ihrem Versicherungsgipfel im Jahr 2010 stellte sich heraus, dass nach Angaben der Versicherungswirtschaft mindestens 17 000 potenziell vom Hochwasser gefährdete Wohngebäude im Freistaat Sachsen nicht versicherbar sind. Wir haben bereits im Jahr 2002 die Diskussion über

eine gesetzliche Elementarschadenpflichtversicherung für alle Hausbesitzer angestoßen, mit der die Lasten – egal ob durch Flut oder Tornado – solidarisch auf alle verteilt und damit auf ein erträgliches Maß abgesenkt werden. Über Details kann man – wie immer – sicherlich reden. Dass sich aber bei diesem Thema unter dem Strich bei den Regierungsverantwortlichen auf Landes- und Bundesebene in elf Jahren gar nichts bewegt hat, ist und bleibt unverständlich.

(Beifall bei den LINKEN und der NPD)

Deshalb, Herr Tillich, seien Sie nicht verwundert, sondern tun Sie etwas. Sie werden von uns dabei jede Unterstützung erhalten.

Die Linksfraktion in unserem Nachbarland Brandenburg, die bekanntlich eine Landesregierung mitträgt, hat sich in der letzten Woche dem Vorschlag einer gesetzlichen Elementarschadenversicherung angeschlossen. Ich wünsche mir, dass sich auch die sächsischen Koalitionsfraktionen in der Frage bewegen.