Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, wir sind selbstverständlich für ein solidarisches Gesundheitssystem. Wir sagen auch, dass das Gesundheitswesen in unserem Land nach wie vor weitaus besser ist als in vielen anderen Ländern – damit das klargestellt ist.
Aber wir sagen auch – insofern haben wir eine etwas andere Position zu dem Begriff „solidarisch“ –: Um ein noch besseres, wirklich solidarisches System unserer Gesundheitsversorgung zu erreichen, haben wir noch eine lange Wegstrecke zurückzulegen. Unser heutiger Antrag könnte ein kleiner Baustein in diesem Sinne sein.
Frau Clauß, es geht hier um 2 %, was das gesamte Budget der gesetzlichen Krankenversicherung betrifft. Das haben wir festgestellt. Wenn der Antrag befürwortet würde, bräche also nichts zusammen, wie manche, insbesondere Frau Strempel, behauptet haben. Keineswegs!
Ich will es noch einmal deutlich sagen: Die gegenwärtigen Zuzahlungen sind doch – wer öfter krank ist oder Apotheken aufsucht, wird mir das bestätigen können – ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Computerhersteller
und andere, die in der Bürokratieverwaltung tätig sind. Neben anderen Problemen ist es doch der riesengroße Berg an Bürokratie, der uns belastet.
Ich wiederhole: Der monatliche Krankenkassenbeitrag, den wir zu leisten haben, muss für eine Grundversorgung reichen. Ich kann es mir eben nicht aussuchen, was der Arzt verordnet, und muss gegebenenfalls über den Krankenkassenbeitrag hinaus weitere Zuzahlungen leisten, die so nicht nötig sind.
Frau Strempel, eines kann ich mir nicht ersparen: Hören Sie doch bitte auf, nach fast 25 Jahren so zu tun, als ob das, was Sie in der DDR erlebt haben, mit dem heutigen technischen Fortschritt in Gesamtdeutschland vergleichbar wäre. Das ist doch unseriös!
Eines will ich noch sagen: Ja, wir brauchen in unserem Gesundheitssystem mehr stabile Einnahmen und deshalb – das ist unsere klare Position – eine solidarische Bürgerversicherung. Ebenso ist die volle Wiederherstellung der paritätischen Einzahlung notwendig.
Sind Sie ernsthaft der Meinung, dass ich nur so getan habe, oder gestehen Sie zu, dass ich aus eigenen Erfahrungswerten, aus Gesprächen und aus der Zeitung zitiert bzw. rückblickend berichtet habe?
Ihre Frage ist zwar sehr kryptisch formuliert, Frau Strempel, aber ich will trotzdem darauf antworten. Ich bezweifle überhaupt nicht, dass Sie in der DDR Erfahrungen gemacht haben, wie auch ich welche gemacht habe; meine reichen aufgrund des Altersunterschiedes etwas länger zurück. Auch habe ich Mängel und Missstände im DDR-Gesundheitswesen überhaupt nicht verteidigt. Ich könnte allerdings am eigenen Beispiel darlegen, wie das DDR-Gesundheitswesen mir und vielen, die ich kenne, geholfen hat, auch durch Zuwendung und Betreuung. Wir sollten doch nach 25 Jahren damit aufhören, hier das Gesundheitssystem im heutigen Deutschland mit dem von vor 25 Jahren in der DDR zu vergleichen. Das bringt doch nichts.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein letzter Satz: Wir müssen die Einnahmensituation stabilisieren. Dazu trägt nicht das bei, was von der Koalition angemerkt wurde. Wir brauchen eine solidarische Bürgerversicherung und die paritätische Einzahlung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Dann werden wir auch die Zuzahlungen abschaffen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle nun den Antrag in der Drucksache 5/11723 zur Abstimmung und bitte Sie bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag in der Drucksache 5/11723 nicht beschlossen worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Die Reihenfolge: die einbringende SPD-Fraktion, dann CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur in den vergangenen Wochen bestimmte das Thema Steuerhinterziehung die Nachrichtensendungen. Der Fall Zumwinkel ist aus der älteren Historie bekannt, in der jüngsten Vergangenheit sind Offshore-Geldanlagen in New York offengelegt worden. Von angekauften Datensätzen bis hin zu prominenten Steuersündern war alles in der öffentlichen Debatte.
Ich stelle für mich fest: Wenn man über Steuersünder redet, geht es um mutmaßliche Steuerhinterziehung. Das bedeutet Steuerdieb, Dieb oder nichts anderes als Straftäter. 30 Milliarden Euro, so schätzt die Deutsche Steuergewerkschaft, werden jährlich hinterzogen. Das scheint in gewissen gesellschaftlichen Kreisen zum Volkssport geworden zu sein. Ich glaube, dass der Bundespräsident mit seinem Ausspruch, wer Steuern hinterzieht, verhalte sich verantwortungslos oder gar asozial, mit sehr großer Sicherheit recht hat.
Im Rechtsstaat haben alle die gleichen Rechte und Pflichten, auch im Bereich der Steuerzahlung. Wer recht hat, braucht für seine Wirksamkeit die notwendigen Ressourcen. Stabile Staatsfinanzen bilden eben die Grundlage dafür, dass der Staat seine Aufgaben zum Nutzen aller erfüllen kann. Ich behaupte, es waren erst die Steuer-CDs, die Steuerhinterzieher aller Couleur und auch die entsprechenden Steuerfluchtstaaten dazu bewegten, in Erwägung zu ziehen, wie man eventuellem Ungemach entgehen könnte, Stichwort Selbstanzeige. Erst als die Einschläge immer näher kamen, wurde entsprechender Druck aufgebaut. Erst nachdem die Wahrscheinlichkeit durch die digitale Löchrigkeit immer größer wurde, erwischt zu
werden, kamen die Selbstanzeigen in Gang. Steuerehrlichkeit muss für alle gelten, für den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer genauso wie für den millionenschweren Präsidenten eines Sportklubs.
Doch wie gelingt es, tatsächlich Steuergerechtigkeit herzustellen? Da wären an erster Stelle die Möglichkeiten der Steuerbehörden zu nennen, das dafür notwendige Personal zur Verfügung zu stellen. Wenn wir in die Personalbedarfsrechnung des Freistaates Sachsen schauen, dann müssen wir feststellen, dass 115 Stellen nicht besetzt sind, die eigentlich gebraucht würden. Allein in der Steuerfahndung sind 29 Stellen nicht besetzt. Da stellt sich die Frage, wenn man schon die Erfolgsmeldung aus dem Finanzministerium absetzt, dass man 73 Millionen Euro aufgespürt hat, mehr als die Steuerfahndung den Steuerzahler kostet – der Satz ist natürlich saublöd, wozu sind sie denn da, das muss ja wohl so sein, dass die Steuerfahnder mehr einspielen, als sie selbst kosten –, wenn man das Personal ausschöpfen würde, ob es nicht möglich wäre, für die Allgemeinheit mehr Ressourcen zu erschließen.
Andere Bundesländer, zum Beispiel der Freistaat Bayern, investieren in diesen Bereich, indem 600 Ausbildungsstellen zusätzlich geschaffen werden und derzeit sich in diesem Bereich 2 000 junge Menschen in der Ausbildung befinden. Wir haben unsere Ausbildungsplätze im gehobenen Dienst von 45 auf 35 gesenkt. Das ist ein schlechter Weg.
Ich komme nun zur Steuergerechtigkeit. Ich sage ausdrücklich, dass sich der Staat am Ankauf sogenannter Steuer-CDs weiter beteiligen muss. Er hat es in der Vergangenheit getan und jetzt will er es eben nicht mehr tun. Er muss es aus meiner Sicht aus drei Gründen tun:
Er muss erstens dafür sorgen, dass der Druck und die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, auf die Steuerdiebe weiter erhöht wird. Es kann doch nicht sein, dass ich auf dem Parkplatz ein Fahrzeug anremple, Fahrerflucht begehe und dann merke, dass sie von Haus zu Haus gehen und das Suchraster immer dichter wird, dann zur Polizei gehe und sage, ich habe Fahrerflucht begangen.
Ich bezahle das plus 5 % und bin strafmäßig raus. Das geht doch nicht! Aber im Bereich der Steuern haben wir das.
Es ist zweitens auch eine Frage des Gerechtigkeitsempfindens, dass man, wenn man dieser Daten habhaft wird, sie auch nutzt, um die Ressourcen für die Allgemeinheit zu erschließen.
Es ist drittens eine Frage der Solidarität unter den Bundesländern. Ich habe die Theorie des Herrn Voß gelesen, Staatsminister der Finanzen in Thüringen, ehemals Staatssekretär in Sachsen, dass nur ein unmittelbarer Nutzen für sein Bundesland zu benennen ist, weil nur drei Thüringer darunter waren. Das halte ich für einen vollkommen falschen Weg, weil er damit die ersten zwei Punkte negiert. Ich halte das für unsolidarisch. Deswegen sollte sich der Freistaat Sachsen wieder am Kauf dieser CDs beteiligen.
Ich glaube, dass es dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Sachsen entspricht, diese CDs zu kaufen, denn schließlich dient der Ankauf zur Aufklärung einer Straftat.
Grundsätzlich sind die Steuerbehörden der Länder nach der Abgabenordnung verpflichtet, Hinweisen nachzugehen, die den Verdacht einer Steuerstraftat nahelegen. Dabei ist es unerheblich, ob die Daten aus der Schweiz, aus Liechtenstein oder von mir aus auch aus Burma kommen. Das hat auch nichts mit Steuerabkommen mit diesen Staaten zu tun. Nochmals: Ich behaupte, wenn es nicht durch die Veröffentlichung von Steuer-CDs zu Transparenz gekommen wäre, glaubt denn jemand ernsthaft, die Schweiz wäre bereit für ein Steuerabkommen? Das ist erst durch diesen Prozess in Gang gesetzt worden.
Jetzt komme ich zu dem Punkt Selbstanzeige. Auch wegen des Gerechtigkeitsempfindens aller ehrlichen Steuerzahler ist es nötig, dass diese Hintertür der Selbstanzeige geschlossen wird. Es ist ein Unding, dass Steuerstraftäter, die die Ressourcen wie die Infrastruktur und die Menschen dieses Staates nutzen, um das Geld zu verdienen, erst den Boden der Rechtsordnung verlassen, indem sie Steuern klauen und sich dann auf den Schutz des Rechtsstaates berufen, an dessen Finanzierung sie sich nicht beteiligen wollten, mit einer Selbstanzeige arbeiten und damit straffrei ausgehen. Ich glaube, dass das auf Dauer keinen Bestand haben wird. Deshalb fordern wir, dass der entsprechende § 398 der Abgabenordnung gestrichen wird.
Zum Schluss möchte ich noch auf das Argument des Finanzministers in der letzten Finanzausschusssitzung kommen, das Steuerabkommen mit der Schweiz würde soundso viele Millionen in die Kassen spülen. Das ist eine rein theoretische Annahme, denn ich glaube nicht, dass Herr Unland weiß, wie viel Schwarzgeld in der Schweiz liegt. Aber die harten Euros aus den Steuer-CDs sind da! Sie sind auf den Konten, die kann man zählen und wieder für die Allgemeinheit ausgeben. Was wäre denn der Preis eines solchen Abkommens? Wir hätten einen Zweiklas
sensteuersatz. Wir hätten einen deutschen Steuersatz – den Spitzensteuersatz von 42 % oder so – und wir hätten den Schweizer Steuersatz zwischen 15 % und 30 %. Das wäre ein Präzedenzfall für weitere Steuerabkommen, gegebenenfalls mit Österreich oder Liechtenstein. Dann machen wir also unterschiedliche Reichensteuersätze. Dazu kommt, dass sich die Steuersünder von jeglicher Schuld freikaufen können und anonym bleiben. Sie werden dauerhaft vor Strafe geschützt. Aus diesem Grund fand ich die Entscheidung richtig, dieses Steuerabkommen nicht zu unterzeichnen, denn mit diesem Abkommen, mit dieser Stehkragengerechtigkeit wären die Ehrlichen die Dummen gewesen.
Für die SPD-Fraktion hat Kollege Pecher den Antrag eingebracht. – Jetzt sehe ich am Mikrofon 7 Herrn Schimmer mit einer Kurzintervention.
Ja, genauso ist es. Besten Dank, Herr Präsident. – Ich würde gern kurz intervenieren auf den Wortbeitrag von Herrn Pecher, den wir größtenteils unterstützen können. Der Appell zur Verstärkung der Steuerfahndung ist völlig richtig. Ich kann erinnern an eine Schätzung des Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft Dieter Ondracek aus dem Jahr 2008, der damals davon ausgegangen ist, dass nur 10 % aller Steuerstraftaten überhaupt auffliegen. Deswegen kann man immer noch davon ausgehen, dass selbst der Fall Uli Hoeneß nur ein großer Zufallstreffer ist, aber nicht systematisch nach Steuerstraftätern gefahndet wird. Deshalb sagen auch wir, dass wir mehr Stellen bei den Wirtschaftsprüfern, Betriebsprüfern, Steuerfahndern und
Mitarbeitern im Innendienst zur Einkommensteuerveranlagung und bei den Wirtschaftsstrafkammern brauchen. Das ist absolut vernünftig.
Rechtsstaatliche Bedenken haben wir bei der Frage, ob der Freistaat Sachsen sich am Kauf einer gestohlenen Steuer-CD beteiligen sollte. Das ist und bleibt immer noch eine schwere Straftat. Ob dafür Steuermittel aufgewendet werden sollten, bleibt eine offene Frage.