Protocol of the Session on April 18, 2013

Nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Dr. Gerstenberg; Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Rednerinnen und Redner haben bisher aufgezeigt, dass die kulturelle und musische Bildung ihnen ein wichtiges Anliegen ist und dass der Ansatz des Projektes „Jedem Kind ein Instrument“ Unterstützung verdient.

Wir GRÜNEN unterstützen die Weiterentwicklung und den Ausbau nach einer erfolgreichen Einführungsphase

ausdrücklich. Die Antragsformulierung zur Konzeptentwicklung verstehen wir in diesem Sinne und werden deshalb dem Antrag zustimmen – um dies gleich vorwegzunehmen.

Vor diesem Hintergrund will ich einige Fragen ansprechen, die aus unserer Sicht für die Weiterführung wichtig sind. Für entscheidend halte ich die Frage, ob wir die Pilotphase von „JeKi“ in diesem Umfang einfach verlängern oder ob wir den Schulen die Chance geben, die Heranführung an den Instrumentalunterricht wirklich als funktionierendes Standardangebot zu bringen.

Der Weg dahin führt natürlich über eine genaue Analyse, die ich vom SMWK über die Evaluation hinaus noch erwarte. Dabei geht es nicht nur um Details der Umsetzung, sondern auch um die Frage, ob der eigentliche Zweck des Projektes erfüllt wird.

Ein zentrales Ziel von „JeKi“ ist das Heranführen von Kindern an das Musizieren, auch und gerade von Kindern, deren Eltern dies nicht von sich aus ermöglichen oder ermöglichen können. Das ist eine der größten Herausforderungen. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass wir dem noch nicht gerecht werden.

Die Eltern sind also eine wichtige Zielgruppe des Projektes. Die Arbeit mit ihnen muss organisatorisch und methodisch besser berücksichtigt werden. Ich denke zum Beispiel an spezielle Elternabende und die Aufklärung der Situation zu Hause. Falls das Üben zu Hause nicht möglich ist, muss es auch in der Schule stattfinden können.

Bei den bereits beteiligten Lehrkräften, Direktoren und Eltern schneidet das Projekt insgesamt sehr positiv ab. Folgerichtig wollen die meisten Eltern den Instrumentalunterricht ihrer Kinder nach der Teilnahme weiter fördern.

Nun zeigt aber gerade dieser Erfolg von „JeKi“ die Probleme der musischen Bildung in Sachsen – meine Vorredner haben das auch schon angesprochen. In den Thesen des VdM Landesverband Sachsen für „JeKi“ heißt es: „Ziel muss es sein, bei den Kindern ein echtes, nachhaltiges Bedürfnis nach Musik zu wecken.“ – „JeKi“ kann aber nicht nachhaltig wirken, wenn das einmal geweckte Interesse am Musizieren gleich wieder abgeschreckt wird, weil sich gerade für die begehrten Instrumente und in den Großstädten an den Musikschulen lange Wartelisten auftürmen.

Die daraus folgenden Konsequenzen für eine zielführende Fortführung des Projekts können wir schon heute diskutieren – ohne bis zum Herbst auf die Konzeption zu warten. Sie betreffen auch das Gesamtsystem und damit das Kernangebot der Musikschulen in Sachsen. Die Anzahl der kooperierenden Grundschulen kann vielleicht noch mit überschaubarem Einsatz angehoben werden; das ist nicht einfach, Frau Stange hat das gerade zu zeigen versucht. Zum Vergleich: Im – nach Einwohnern natürlich – vier Mal größeren „JeKi“-Mutterland NordrheinWestfalen sind es in diesem Schuljahr beeindruckende 634 Grundschulen und 26 Förderschulen mit fast 60 000 Kindern in vier Jahrgängen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, noch wesentlich schwieriger ist es aber, die anschließende Aufnahme neuer Musikschülerinnen und -schüler in den Musikschulen zu gewährleisten. Die Finanzierung der sächsischen Musikschulen muss ich nicht weiter erläutern. Die prekäre Situation haben wir im Sächsischen Landtag oft genug diskutiert. Um einen Vergleich mit der Botanik zu wagen – der Frühling trägt mittlerweile –: Wenn Sie, meine Damen und Herren, im Frühling die schönsten Blumen säen, dann müssen Sie sich auch Gedanken machen, wer im Hochsommer gießen kommt. Für uns GRÜNE steht fest, dass wir es nicht ausschließlich dem Geldbeutel der Eltern oder irgendeinem privaten Spendersegen überlassen können, dass mehr Kinder in Sachsen dauerhaft Instrumentalunterricht erhalten. Hier sind der Freistaat und die Kommunen gefragt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir werden weitere Rahmenbedingungen diskutieren müssen. Da geht es vor allem um die Qualifizierung der Musiklehrerinnen und -lehrer für den Unterricht in größeren und heterogenen Gruppen. Im Grundschulalter funktioniert das Musiklernen vor allem über Vormachen und Nachmachen. Das Wissen darüber ist in den Musikschulen nicht immer vorhanden. Daraus ergeben sich Anforderungen an Aus- und Weiterbildung.

Hinzu kommt, dass bisher etwa gleiche Anteile von Festangestellten und Honorarkräften beteiligt waren. Auch das muss kritisch hinterfragt werden, zum Beispiel hinsichtlich der Weiterbildung der Honorarkräfte.

Uns stellen sich noch weitere Fragen, auf die vielleicht Sie, Frau Staatsministerin von Schorlemer, eingehen können, beispielsweise, welche Rolle die neu zusammengeführte Förderrichtlinie für kulturelle Bildung und für Musikschulen im Zusammenhang mit einem Standardprogramm „JeKi“ spielen soll.

Denkbar ist für uns GRÜNE zudem eine perspektivische Erweiterung des Ansatzes von „JeKi“ auf andere Formen künstlerischer Praxis. Ich denke da beispielsweise an Theater, an bildende Künste und Tanz. Solche Optionen eröffnen den Schulen Möglichkeiten der Profilbildung und solchen Kindern Chancen auf kulturelle Teilhabe, die – aus welchem Grund auch immer – nicht viel mit Instrumenten anfangen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem vorliegenden Antrag können wir, wie erwähnt, zunächst einmal zustimmen. Wie ernst es die Koalition wirklich meint, werden wir spätestens bei der Vorlage des Konzepts diskutieren können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Und nun die NPDFraktion. Frau Abg. Schüßler; bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Regierungskoalition heute um Zustimmung bittet, das erfolgreiche Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ zu evaluieren und ein Konzept für deren Weiterführung zu erarbeiten, dann können wir natürlich nur zustimmen. Musikerziehung war schon immer ein wichtiger Bestandteil unserer Kulturnation. Nicht umsonst haben wir einige der größten Musiker der Weltgeschichte hervorgebracht und einige der schönsten Werke zur europäischen Kultur beigetragen. Wenn mit unserer Hilfe dieser Geist an die nächsten Generationen weitergegeben wird, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Wir werden also den Antrag und damit auch das Projekt „JeKi“ unterstützen.

Als ich jedoch die Drucksache las, habe ich mich gefragt, warum die Koalition diesen Berichts- und Konzeptantrag jetzt ins Plenum einbringt. Bereits am 4. März verkündete Frau von Schorlemer, die Ministerin für Wissenschaft und Kunst, im MDR, dass das Projekt „JeKi“ auch in Zukunft weitergefördert wird. Gelder dafür sind auch im neuen Haushalt eingestellt worden. Will man sich vielleicht mit einem der wenigen erfolgreichen Projekte für Kinder und Jugendliche in Sachsen brüsten, die in immer mehr ausgedünnten Jugendangeboten des ländlichen Raums funktioniert haben?

Die Rolle des Bildungs- und Teilhabepakets des Bundes für sozial schwache Familien wird im Antrag nicht erwähnt. Denn dann müsste die Staatsregierung zugeben, dass nicht – wie in anderen Bundesländern – bürokratische Hürden abgebaut wurden, um bedürftigen Kindern die Teilnahme an „JeKi“ zu erleichtern. Nein, noch heute hockt man auf nicht ausgezahlten Bundesmitteln, weil es Familien erschwert wurde, ihre Kinder an solchen Projekten teilnehmen zu lassen. Eine Kleine Anfrage von mir, die Drucksache 5/11334, bestätigte gerade erst, dass die Staatsregierung auch in Zukunft nichts unternehmen will, um die Inanspruchnahme des Bildungs- und Teilhabepakets zu verbessern, und die Verantwortung auf die Kommunen abwälzt. Die übrig gebliebenen Bundesmittel möchte man dennoch am liebsten im Landeshaushalt belassen.

Der heute vorliegende Antrag könnte noch einen weiteren Grund haben: Die Staatsregierung muss langsam liefern, was die Kinder- und Jugendarbeit gerade in sozialen Brennpunkten und im ländlichen Raum betrifft. Erinnern wir uns an die Haushaltsdiskussion und die weiterhin bestehende Kürzung der Jugendpauschale oder den ständigen Abbau von Angeboten im ländlichen Raum. Weil die Staatsregierung hier untätig war, muss die Regierungskoalition nun Feigenblattanträge stellen, damit man überhaupt etwas in der Kinder- und Jugendarbeit vorzuweisen hat.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für

eine zweite? – Das ist der Fall. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Clemen. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem Grundtenor dieses Projekts „Jedem Kind ein Instrument“ herrscht, wie wir festgestellt haben, fraktionsübergreifende Einigkeit. Dieses Projekt, welches in Sachsen auf eine gemeinsame Initiative von CDU und SPD zurückgeht und von der FDP unterstützt wurde, kann als eine echte sächsische Erfolgsstory bezeichnet werden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Idee für dieses Projekt – meine Vorredner hatten es bereits erwähnt – stammt ursprünglich aus Venezuela und wurde in den vier Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Hessen und Hamburg auf den Weg gebracht.

Besonders danken möchte ich an dieser Stelle dem ehemaligen Kollegen der SPD-Fraktion Gunther Hatzsch sowie dem leider kürzlich verstorbenen Mitinitiator, Herrn Ingmar Scheidig,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

einem der entscheidenden Impulsgeber für „JeKi“ hier in Sachsen.

Kinder zu einem gemeinsamen Musizieren zu animieren, Kinder musikalische Fortschritte spüren und erleben zu lassen, Kindern soziale Kompetenz als einen wichtigen Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu vermitteln, das stellt unser Ziel eines umfangreichen Bildungsangebots für die junge Generation dar. Das Verfolgen dieses gemeinsamen Ziels, das Einstudieren kleinerer Musikstücke, die damit verbundene gegenseitige Hilfestellung, Hilfeleistung und Unterstützung, das alles führt zu einer frühzeitigen und so wichtigen Entwicklung von Ansätzen von Gemeinsinn, Ethik und Moral. Da sprechen wir noch nicht von den erstaunten Gesichtern bei Eltern und Großeltern, wenn die ersten kleinen Auftritte erfolgreich absolviert werden.

Interessant in diesem Zusammenhang sind – wie bereits meine Kollegin Aline Fiedler und Herr Dr. Külow ausführten – die Aussagen von Prof. Ines Mainz von der Leipziger Hochschule für Musik und Theater, die im Ergebnis von wahrnehmbaren Sozialverhaltensänderungen spricht. Als Beispiel nennt sie hierfür eine höhere Konzentrations- und Kommunikationsfähigkeit der

Kinder, was letztendlich das Lernklima innerhalb der Klassen wesentlich verbessert. Genau diese Ziele haben wir mit „JeKi“ zu erreichen gehofft. Wir können feststellen, dass diese Entwicklung auch zu einem höheren Lernerfolg innerhalb des Klassenverbandes geführt hat.

Der Vorsitzende des Sächsischen Musikschulverbandes spricht sogar von aufgetretenen Einzelfällen, in denen Kinder aus schwierigen Verhältnissen vor dem Abgleiten bewahrt wurden. Hier schließt sich der Kreis zum Ursprungs- und Ideengeberland Venezuela, einem Land mit

einem hohen Grad an sozialen Konflikten, aber eben auch einem hohen Grad an Musikliebe.

Ausgehend gerade von diesem Ansatz haben wir uns 2009 mit dem ehemaligen Koalitionspartner SPD dafür entschieden – im Gegensatz zu früheren Ansätzen der LINKEN –, die Instrumentenauswahl weitestgehend vorzugeben, damit jedes Kind seine individuellen Fähigkeiten einbringen kann, aber auch das Musizieren im Hinblick auf einen gemeinsamen Klassenverband mit einer Orchesterbildung möglich wird.

Dieses Konzept wurde in den vergangenen Jahren in den beteiligten Ländern mit großem Erfolg praktiziert. Dennoch müssen wir aus den Erfahrungen der mit der Umsetzung betrauten Projektbeteiligten vor Ort die Effizienz zur Erreichung der politischen Zielstellung Verbesserung der kulturellen Bildung überprüfen. Eine Evaluierung sollte entweder durch Experten der Stiftung „Jedem Kind ein Instrument“ oder durch ein gemeinsames Expertengremium der praktizierenden „JeKi“-Länder erfolgen.

Abschließend möchte ich hier all jenen für die Unterstützung des Projektes danken, die sich bisher in vielfältiger Art und Weise eingebracht und „JeKi“ diesen hohen Stellenwert eingeräumt, aber auch diesen großen Erfolg in Sachsen ermöglicht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns auch zukünftig gemeinsam dieses sozialpädagogisch wichtige Vorhaben positiv begleiten und umsetzen, damit wir unseren Kindern nicht nur eine qualitativ hohe musikalische Ausbildung an die Hand geben können und ermöglichen, sondern auch die für uns und unsere Gesellschaft so wichtigen Werte wie Ethik, Moral und solidarisches Verhalten gemeinsam entwickeln können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, und der Staatsministerin Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer)

Vielen Dank, Herr Clemen. – Frau Dr. Stange, es gibt eine Wortmeldung.

Ja, vielen Dank, Herr Präsident! Ich hatte erwartet, dass Herr Clemen uns jetzt etwas darüber berichtet – ich hatte das vorhin in meinem Ausführungen deutlich gemacht –, warum der Sächsische Blasmusikerverband jetzt in diese Projekterarbeitung einbezogen ist. Ich finde das ein wenig schwierig, um es vorsichtig auszudrücken. Man kann es ja sagen: Herr Clemen ist Mitglied des Präsidiums dieses Blasmusikerverbandes und er war bisher an dem Projekt nicht beteiligt. Ihn jetzt offiziell mit diesem Antrag zu beauftragen, sich daran zu beteiligen, finde ich eine etwas merkwürdige personelle Verquickung.

Herr Clemen, Sie erwidern.

Frau Dr. Stange, erstens war ich zwar mal Präsident des Sächsischen Blasmusikverbandes, bin aber jetzt weder Präsident noch Mitglied des Präsidiums des Sächsischen Blasmusikverbandes. Außerdem ist der Sächsische Blasmusikverband seit vielen Jahren auch Träger für Projekte der Freien Jugendhilfe und für verschiedene andere Ausbildungsmaßnahmen, die es dem Sächsischen Blasmusikverband ermöglichen, partiell auch Träger von verschiedenen Veranstaltungen der JeKiAusbildung zu sein. – Aber dazu sollten Sie vielleicht lieber den Präsidenten oder ein Präsidiumsmitglied fragen, da ich nicht mehr im Präsidium noch in irgendeiner anderen Form verantwortlich bin.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sie stehen als Präsidiumsmitglied im Internet!)