Protocol of the Session on March 14, 2013

Ich will Ihnen einmal zu Gehör bringen, was der § 40 Abs. 1a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sagt: „Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen im Falle von … zwei Untersuchungen der hinreichend begründete Verdacht besteht, dass erstens die in den Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegten zulässigen Grenzwerte, Höchstgehalte und Höchstmengen überschritten wurden oder zweitens gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht unerheblichem Maße oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350 Euro zu erwarten ist.“

Und das darf momentan in Deutschland nicht kommuniziert werden, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der eigentliche Skandal, über den wir reden müssen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht, diese Informationen zu erlangen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Wir müssen für Rechtssicherheit sorgen, und da ist zuerst Frau Aigner gefordert. Der Bundesrat hat in seiner Entschließung vom 1. Februar dieses Jahres sehr deutlich gemacht, dass wir in diesem Bereich der Gesetzgebung Nachholbedarf haben. Ich verlange hier sehr klar, dass der Freistaat Sachsen alles unterstützt, damit dieser eigentliche Skandal beseitigt wird.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Auf Kollegen Jurk von der SPD-Fraktion folgt jetzt Herr Kollege Günther für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde meine Rede kurzhalten, aber, liebe Fraktion der GRÜNEN, der Titel des Antrages, und das gleich mal vorweg, ist nicht flapsig, sondern eine Unverschämtheit gegenüber unseren sächsischen Bauern. Das können wir so nicht stehen lassen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Nehmen wir die sogenannten Aufreger. Wenn man sich in seiner Bekanntschaft umhört, dann heißt es immer, schon wieder etwas und jetzt das Nächste und wieder das Nächste, und mit der Zeit sagen die meisten: Geh weg damit, das regt mich nicht mehr auf!

Kommen wir nun zu einem praktischen Beispiel. In Niedersachsen wurde mit Pilzen befallenes Getreide gefunden. Das war ein Aufreger. Jetzt hat der Lebensmittelexperte Andreas Hensel vom Bundesinstitut für Risikobewertung ausdrücklich nach der Messung gesagt, die beim Getreide gemessenen Werte sind nicht einmal ansatzweise toxisch. Das heißt, man kann etwas finden, jedes Getreide ist prinzipiell von Pilzen befallen, aber man soll es nicht übertreiben. Es gab Entwarnung.

Der Skandal an diesem Skandal war die künstliche Aufregung und die Verunsicherung der Verbraucher. Verunsichern scheint bei den GRÜNEN System zu haben. Christian Meyer, der Umweltminister in Niedersachsen, fordert mehr Kontrolle, mehr Bürokratie. Das bedeutet mehr Kosten für die Bauern und am Ende für die Kunden. Das dürfen wir nicht zulassen. Die Kontrollsysteme sind gut, das ist ja die Logik, sonst wären die Dinge, die entstanden sind, nicht aufgefallen.

Ich gebe Michael Weichert zu 100 % recht beim Beispiel Pferdefleisch, wo wir unbedingt etwas ändern müssen. Die Verbraucher müssen wissen, was sie essen. Ob das nun schlimm ist, dass Pferdefleisch enthalten ist, sei dahingestellt, aber die Verbraucher müssen wissen, was drin ist. Also muss es draufstehen. Da gibt es gar keine Frage.

Ich bringe noch ein Beispiel aus DDR-Zeiten. In Freiberg gab es eine Fleischerei, wo man ab und zu einmal Pferdewurst bekommen konnte. Die war so gefragt, dass ich die gegen kleine Pyramiden aus meiner Werkstatt eintauschen musste. Pferdefleisch ist nichts Schlechtes, aber die Verbraucher müssen es wissen.

Wir sollten die Verbraucher im Interesse unserer sächsischen Landwirtschaftsbetriebe nicht verunsichern. Liebe GRÜNE-Fraktion, machen Sie Schluss mit dem sächsischen Bürgerkrieg, Entschuldigung, Bauernkrieg.

(Heiterkeit – Antje Hermenau, GRÜNE: Was war denn heute im Frühstücksei? – Beifall bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion war das Herr Kollege Günther. – Wir kommen jetzt zum nächsten Redner. Für die NPD-Fraktion spricht der Abg. Storr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Technik in Tier- und Pflanzenproduktion hat unserem Volk genutzt. Es wurden Produktivitätsfortschritte möglich. Es wurde eine Ernährungssicherheit möglich, die auch Wohlstand für unser Land und unser Volk geschaffen hat. Diese Entwicklung ist durchaus positiv zu bewerten, und wir müssen uns natürlich trotzdem heute auch hier in dieser Aktuellen Stunde mit Fehlentwicklungen beschäftigen.

Frau Kagelmann hat zwar darauf aufmerksam gemacht – interessanterweise die anderen Redner bisher nicht –, dass viele der Probleme, die wir haben, darauf zurückzuführen sind, dass sich eben auch die Landwirtschaft zunehmend globalisiert. Ich will das anhand einiger Angaben zu den letzten bekannt gewordenen größeren Lebensmittelskandalen verdeutlichen.

Im Mai 2011 wurde der Darmkeim EHEC festgestellt. Ursache waren verunreinigte Sprossensamen aus Ägypten. Im Mai 2010 führte verseuchter Biofuttermais aus der Ukraine dazu, dass höhere Dioxinbelastungen in BioEiern in Deutschland festgestellt worden sind. Im Juli 2008 wurden 11 000 Tonnen italienischer Gammelkäse nach Deutschland geliefert. Das wurde dann in Deutschland festgestellt. Im August 2007 wurden 200 Tonnen Gammelfleisch in Bayern umetikettiert und dann als Dönerfleisch in ganz Deutschland verkauft. Ich will es jetzt bei diesen Beispielen belassen.

Diese Aufzählung zeigt ganz deutlich, wo eine Ursache dieser Fehlentwicklung liegt. Sie liegt darin, dass Produktion und Verbraucher räumlich immer weiter auseinandergezogen werden und dass Hersteller und Verbraucher immer mehr anonymisiert werden. Sicherlich sind Lebensmittelkontrollen wirksam. Die Frage ist, ob allein mit Lebensmittelkontrollen die Probleme tatsächlich behoben werden können. Ich sage: Nein, das ist nicht so. Das Übel ist eben die Globalisierung.

Wir haben aber auch noch ein anderes Problem. Das jüngste Beispiel mit dem Schimmelmais aus Serbien zeigt das deutlich, wenn man noch eine andere Information hinzufügt, nämlich die Information, dass ein Drittel des in Deutschland produzierten Mais nicht etwa an die Lebensmittelindustrie geliefert wird, sondern an Biogasanlagen zur Energieerzeugung. Das ist schon merkwürdig. Man stellt sich natürlich die Frage, warum deutsche Bauern nicht den Mais verwenden, der in Deutschland wächst, sondern Mais aus Serbien kaufen müssen. Die Erklärung ist ganz einfach: weil der Importmais günstiger ist und der Mais, der in Deutschland angebaut worden ist, von den Bauern nicht bezahlt werden kann, aber dank staatlicher Subventionen für Biogasanlagen eingekauft wird und trotzdem damit Gewinne erzielt werden können.

Das zeigt natürlich auch, dass im Agrarbereich, in der Landwirtschaft von einem Marktmechanismus, von dem FDP und CDU sonst immer so schwärmen und der alles richten soll, nicht die Rede sein kann. Es ist sicherlich richtig, dass man die landwirtschaftliche Produktion aufgrund bestimmter Bedingungen – sie ist immer noch von der Natur abhängig – nicht wie die Industrieproduktion durch eine Steigerung des Umsatzes beliebig steigern kann. Natürlich ist es so, dass die Landwirtschaft unter den gegebenen Umständen immer subventioniert werden muss.

Aber es gibt den Gedanken – und den will ich als mögliche Problemlösung anführen –, dass die Landwirtschaft nicht nur Lebensmittel produziert, sondern noch eine ganz andere wichtige Aufgabe hat, nämlich die Landschaftspflege. Unsere Kulturlandschaften wären ohne den bäuerlichen Betrieb gar nicht denkbar. Eine Subvention in die Landwirtschaft müsste also viel mehr bei dem Aspekt der Kulturpflege ansetzen. Dann würden wir eine Schieflage, die es bislang auch gibt, möglicherweise beheben können, nämlich die Schieflage, dass die Zahl der mittleren bäuerlichen Betriebe, die weniger als 100 Hektar bewirtschaften, immer mehr sinkt und die Großbetriebe mehr und mehr dominieren.

Die Redezeit!

Insofern glauben wir, dass in der Landwirtschaft die Systemfrage völlig neu gestellt werden muss. Mit mehr Lebensmittelkontrollen werden wir die Probleme nicht lösen.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Das war Herr Storr für die NPD-Fraktion. – Wir treten jetzt nach Abschluss dieser ersten Runde in eine zweite ein. Das Wort ergreift für die einbringende Fraktion Herr Kollege Weichert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage ist: Wie sieht es denn nun in Sachsen aus? Ich habe mir einmal eine Pressemitteilung des Beamtenbundes vorgenommen. Der Beamtenbund ist bekanntlich keine grüne Vereinigung. Dort wird beklagt, dass seit Jahren ein kontinuierlicher Personalabbau bei Vollzugsbehörden und im Untersuchungsbereich in Sachsen stattfindet, dass seit Jahren notwendige Investitionen in Analysetechnik gekürzt werden, dass seit Jahren Rahmenbedingungen zum Beispiel für einen effektiven und schnellen Kurierdienst beim Probentransport abgebaut werden. Im Fazit sagt der Beamtenbund – ich zitiere –: „All dies führt dazu, dass Kontrollfrequenzen sinken und Laboruntersuchungen zurückgefahren werden müssen. Wenn man Verbraucher wirklich schützen will, muss man Geld in die Hand nehmen.“

Da erinnere ich an unsere Haushaltsdebatte in den Monaten Oktober bis Dezember, in der einige Fraktionen Geld

gefordert haben, damit im Verbraucherschutz mehr geschieht.

Meine Damen und Herren, die berechtigte Kritik an den Kontrollen schützt nicht vor Lebens- und Futtermittelskandalen. Auch das ist wahr. Auch der Druck, immer mehr Nahrungsmittel zu immer niedrigeren Preisen produzieren zu müssen, führt einerseits, wie schon gesagt, zu qualvollen Haltungsbedingungen, anderseits aber auch dazu, dass das Futter vom eigenen Land nicht mehr ausreicht, abgesehen davon, dass es auch zu teuer ist. So wird die Landwirtschaft vom Zukauf billiger Futtermittel abhängig.

Es ist schon erwähnt worden, dass 45 000 Tonnen Futtermais aus Serbien nach Deutschland gekommen sind. 10 000 Tonnen sind an Tierhaltungsbetriebe ausgeliefert worden. In diesem Mais wurde das Zehnfache der zulässigen Menge an Aflatoxin nachgewiesen – trotz Eigenkontrolle der Importeure, trotz Eigenkontrolle der Hersteller und obwohl Untersuchungen auf Schimmelpilzgifte zum Standardrepertoire gehören und obwohl seit Oktober Hinweise auf Aflatoxinbelastung in Mais aus Osteuropa bekannt sind.

Meine Damen und Herren, all das sind eigentlich Gründe genug, genau hinzusehen. Das ist nicht passiert. Es wurde geschludert oder in krimineller Absicht darauf spekuliert, dass die Belastung nicht auffällt, und es wurde nicht genug kontrolliert. Einige Gründe haben wir schon festgestellt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Weichert?

Herr Kollege Weichert, mir erschließt sich die Logik jetzt nicht ganz. Sie haben diese unerfreuliche Sache mit den Aflatoxinen genannt und gesagt, keiner habe es gemerkt. Woher wissen wir denn dann, dass Aflatoxine drin sind, wenn es niemand kontrolliert hat und wenn es niemand gemerkt hat?

Frau Windisch, wir haben es gemerkt, aber viel zu spät. Es war schon ausgeliefert worden, und ich habe ausgeführt, dass es eigentlich Eigenkontrollen der Hersteller und Eigenkontrollen der Importeure geben müsste. Wenn diese Kontrollen durchgeführt worden wären und wenn man es dabei gemerkt hätte, wäre es nicht zur Auslieferung gekommen. So war es gemeint.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Zum Schluss, meine Damen und Herren: Wer industrielle Landwirtschaft auf Kosten bäuerlicher Landwirtschaft – auf diesen Unterschied lege ich sehr viel Wert, Herr von Breitenbuch – fördert, der trägt Mitschuld an den Lebensmittel- und Futtermittelskandalen.

Wir müssen dafür sorgen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher aufgeklärt werden. In Niedersachsen ist das

bereits gelungen; denn auf die Frage, wer am ehesten für gute Landwirtschaftspolitik sorgt, haben die GRÜNEN in Niedersachsen 35 % bekommen und die CDU nur noch 34 %. Dieser Erfolg ist Motivation für uns. Wenn Schwarz-Gelb in Sachsen ihre Landwirtschaftspolitik nicht ändern, geht es ihnen früher oder später wie ihren Kollegen in Niedersachsen. Dann sagen wir wieder: Piep, piep, piep, guten Appetit!

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Für die Einbringerin war das Kollege Weichert. Für die CDU spricht jetzt Kollege Sebastian Fischer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute schon mehrfach mit der Ernsthaftigkeit dieser Debatte befasst. Wir haben gerade wieder in diesem Redebeitrag gehört, wie schnell eine ganze Branche unter Dauerbeschuss geraten kann.

Ich habe mich im Vorfeld einmal damit befasst, wer dahintersteckt.

(Stefan Brangs, SPD: Ui, ui!)

Woher kommt dieser Dauerbeschuss? Warum sind es immer wieder dieselben Produzenten, die hier an den Pranger gestellt werden? – Es gibt deutliche Zeichen. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich einmal kurz im Internet zu diesem Thema umhören, werden Sie feststellen, dass Ende Januar eine Demonstration in Berlin zum Thema „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ stattfand. Das klingt schon einmal etwas schmissig. Das fand in Berlin und in anderen Großstädten statt, komischerweise nicht dort, wo die Lebensmittel herkommen und nicht dort, wo eigentlich der Grund dieser Debatte liegt, nämlich im ländlichen Bereich.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Dort werden mit fantasievollen Kostümen und engagierten Facebook-Auftritten Meinungen verkauft. Dahinter steckt unter anderem auch eine Initiative, die sich „Compact“ nennt. Auch diese Initiative hat wieder eine gute Facebook-Kampagne, agiert wieder mit schönen Kostümen und schönen kleinen Youtube-Filmchen und befasst sich mit mehreren Themen.

(Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)