Folgendes voranstellen: Herr Krauß, wenn wir sagen, wir wollen, dass alle Lebensformen die gleiche Akzeptanz und den gleichen Respekt bekommen, so heißt das nicht, dass man damit die Ehe abwertet, sondern es geht darum, allen Lebensformen den gleichen Respekt zu erweisen. Das ist keine Abwertung. Wir sind nur der Meinung, dass die Privilegierung einer Lebensform, nämlich der Ehe, einfach falsch und nicht zeitgemäß ist. Es geht den Staat nichts an, wer mit wem schläft oder wie er lebt. Der Staat hat neutral zu sein, und es ist eine Entscheidung des Einzelnen, wie er leben und wen er lieben will. Das ist für Familienpolitik nicht ausschlaggebend. Für uns, für DIE LINKE, ist Familie dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig von Trauschein, sexueller Orientierung und der Form, in der sie zusammenleben. Förderung von Familien gehört aber dorthin, wo Kinder oder Pflegebedürftige sind, und nicht dahin, wo ein Trauschein vorliegt.
Ich sagte vorhin bereits, dazu gehört eigentlich auch die Abschaffung des Ehegattensplittings. Das ist Geld, das falsch investiert ist. Man könnte es den Kindern direkt geben und Pflege unterstützen.
Ich möchte kurz auf Argumente der CDU/CSU in den letzten Wochen gegen die Gleichstellung aller Lebensweisen bzw. für die Privilegierung der Ehe von Mann und Frau eingehen. Frau Reiche beispielsweise sagte: „Die Ehe im Grundgesetz ist Garant für Bevölkerungsentwicklung. Mann und Frau in der Ehe sichern Kinder.“ Ein anderes Zitat war: „Es geht um Bestandssicherung.“ Zum einen ist das sehr, sehr unromantisch, zum anderen entspricht es nicht der Realität. Sie sagten es vorhin bereits: 34 % aller Lebendgeburten gibt es bei nicht verheirateten Müttern. In den neuen Bundesländern liegt diese Zahl sogar bei 62 %. Wenn wir uns die Familienformen, gerade in Ostdeutschland, anschauen, so sind 53 % Ehepaare, aber 20 % leben ohne Trauschein zusammen und 25 % sind Alleinerziehende. Genau diesen Familien – immerhin 43 % in Sachsen – werden die Subventionen, die die Ehen bekommen, nicht zuteil, und das ist höchst ungerecht.
Fast jedes vierte Kind wächst in alleinerziehenden Familien auf, und wir haben circa 15 % Stief- und PatchworkFamilien, und diese drei Lebensformen nehmen zu – anders, als Sie sich das wahrscheinlich wünschen.
Ein anderes Argument, das genannt wird – von der NPD kam es gerade ebenfalls noch einmal –: Garant für gutes Aufwachsen seien Vater und Mutter. Das sei am besten für das Aufwachsen von Kindern. Nun will ich einmal provozierend sagen: Ist der misshandelnde biologische Vater besser als die zweite soziale Mutter, oder ist wirklich „Ekel Alfred“ das Vorbild, das wir uns als Vater für Familien und Kinder vorstellen?
Ich möchte nun etwas zu der Untersuchung sagen, die Herr Gansel eben zitierte. Diese Untersuchung zu gleichgeschlechtlichen Eltern wurde von einer Lobbygruppe für Menschen vorgenommen, die homophob sind und Regenbogenfamilien nicht zulassen wollen.
Es wurde auch gesagt, dass bei dieser Studie nur 1 % der Befragten bei gleichgeschlechtlichen Paaren aufgewachsen sind. Viele sind stattdessen bei verschiedengeschlechtlichen Paaren groß geworden, die sich dann später wieder getrennt haben oder bei denen als Kriterium für gleichgeschlechtliche Paare genommen wurde, dass diese Paare beispielsweise mal in einen Swingerclub gegangen sind oder Ähnliches. Auf jeden Fall ist diese Untersuchung höchst unseriös.
Es gibt andere Untersuchungen aus Deutschland, zum Beispiel eine Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums vom Bayerischen Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg – ich denke, das ist keine Lobbyvereinigung –, die sehr interessante Untersuchungen dazu angestellt haben. Beispielsweise geht es um die Erziehung bei lesbischen und schwulen Ehepaaren, und es wurde unter anderem konstatiert: „Alle feststellbaren Unterschiede im Erziehungsverhalten und Familienklima fördern ausnahmslos das Wohl der Kinder.“ Es wird auch gesagt: „Bei gleichgeschlechtlichen Elternpaaren ist sowohl der Umfang der individuellen Erwerbstätigkeit als auch die Aufteilung häuslicher Versorgungs- oder Verwaltungsaufgaben deutlich gleichberechtigter, flexibler und demokratischer organisiert als in vielen heterosexuellen Partnerschaften.“
Gleichgeschlechtlich lebende Eltern legen in hohem Maße Wert darauf, dass ihre Kinder Bezugspersonen des anderen Geschlechtes in ihrem Umfeld haben. Es wird auch gesagt, dass sich Kinder partiell sogar besser als Kinder aus anderen Familienformen entwickeln usw.
Man kann das sogar nachlesen. Ich denke, das ist eine seriöse Untersuchung, und Sie sollten vielleicht auch – na gut, das können Sie nicht – seriöser werden.
Ich kann nur darum bitten, den Fokus endlich zu verändern und ihn auf Familien mit Kindern und Familien, in denen pflegebedürftige Menschen unterstützt werden müssen, zu legen und nicht weiter gut verdienende kinderlose Ehepaare zu unterstützen.
Ich sehe am Mikrofon 5 eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Krauß. Gehe ich recht in dieser Annahme?
Ich wollte mich bei der Kollegin der LINKEN bedanken, dass sie uns einen Einblick in ihr Männerbild gegeben hat. Wenn ich das richtig sehe, gibt es nur prügelnde Väter in dieser Welt.
Ich denke, man sollte – abgesehen davon, dass es auch Frauen geben könnte, die dies tun – noch einmal ganz deutlich sagen: Es ist die absolute Ausnahme, dass Väter oder Mütter prügeln.
Gehen wir außerdem einmal auf die Ehepartner ein, dass es dort Mann und Frau gibt, und auch bei Lebenspartnerschaft gibt es Mann und Frau: Wir sind uns in diesem Haus alle einig, dass wir mehr Männer in Kitas wollen. Das ist gemeinsamer Konsens, weil wir sagen, dass die Männer vielleicht doch ein wenig anders erziehen als Frauen und man etwas Besonderes beigibt. Das heißt nicht, dass Erzieherinnen schlecht sind, aber dass Männer vielleicht einfach einen anderen Blick haben.
Wenn ich bei mir – das ist, glaube ich, das, was im Kindergarten gilt, das gilt auch für die Familie zu Hause, finde ich – meinen Sohn anschaue, dann kann ich mit ihm Ski fahren. Das könnte meine Frau nicht machen.
(Zurufe von der SPD und den LINKEN – Zuruf von den GRÜNEN: Sie kann aber mit Ihnen Schlitten fahren!)
Wenn mein Sohn auf den Baum will, dann muss ich mit, weil meine Frau Höhenangst hat und ich relativ wenig Ängste habe, irgendwo hinzuklettern.
Das ist vielleicht etwas, was Männer ein wenig mehr machen. Auf der anderen Seite hat meine Frau Dinge, die ich nicht kann: Sie ist vielleicht musikalischer an der einen oder anderen Stelle.
Wenn es darum ging, meiner Tochter die Brust zu geben, dann konnte ich auch nicht mithalten, denn das konnte auch nur meine Frau machen.
Herr Krauß, Sie haben uns jetzt einen sehr schönen Einblick in Ihre Rollenklischees gegeben, wie sie in Ihrer Fraktion wahrscheinlich auch zementiert sind.
Bei uns war das beispielsweise ganz anders. Ich bin sowohl auf Bäume geklettert als auch mit meinen Kindern aufs Klettergerüst gegangen. Wir sind gemeinsam Ski gefahren, und der Vater hat auch sehr gern mit seinen Kindern gekuschelt.
Es geht doch darum, Rollenklischees aufzubrechen, den Kindern – egal, ob Junge oder Mädchen – verschiedene Möglichkeiten zu eröffnen und sie nicht auf bestimmte Rollen festzulegen.
Wir fahren fort in der zweiten Rednerrunde. Gibt es Gesprächsbedarf bei der FDP? – Bei den GRÜNEN? – Sehe ich nicht. – Bei der NPD?