Letzter Satz: Einstein hat gesagt, „Gott würfelt nicht.“ Bohr hat gesagt: „Schreiben Sie Gott nicht vor, was er tun muss, um diese Welt zu regieren.“
Seien Sie also einfach mit Franz Josef Strauß an der Spitze des Fortschritts! „Nicht nach hinten in die Vergangenheit blicken ist Konservativ-Sein, sondern an der Spitze des Fortschritts marschieren.“ Franz Josef Strauß – erzkonservativ!
Das war Kollege Stange, der für die Fraktion DIE LINKE sprach. – Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Schütz.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Debattenthema ist mit „Familie und Ehe“ überschrieben, und dem sollten wir mit Achtung und Respekt begegnen.
Um es voranzustellen: Auch für die FDP haben Ehe und Familie eine besondere Bedeutung. Es ist, glaube ich, in allen Fraktionen und auch in Sachsen anerkannt, dass diese Lebensformen die traditionellen sind. Aber Familie ist eben auch vielfältig geworden. Es gibt Einelternfamilien, Zweielternfamilien unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts, es gibt die Adoptiv-, die Patchwork-, die Stief-, die Groß- oder Mehrgenerationenfamilie, die Ehe oder die Eingetragene Lebenspartnerschaft. Ich hoffe, dass sich jetzt auch jeder von Ihnen dort entsprechend einordnen konnte.
Ich denke, wir brauchen an dieser Stelle die CDU auch nicht zu belehren, denn Sie wissen ja sehr genau, dass für die absolute Mehrheit der Menschen in Sachsen die sexuelle Orientierung ihrer Mitmenschen keine Rolle spielt. Im Gegenteil, sie nehmen andere, wie sie sind.
Die Familie definiert sich natürlich in erster Linie über die verwandtschaftlich und gesetzlich legitimierten Lebensgemeinschaften, aber nicht nur. Leben in Familie – das sind enge persönliche Bindungen mit der Bereitschaft, füreinander dauerhaft Verantwortung zu übernehmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass in der längsten Entwicklungsgeschichte der Staat oder staatliche Schutzmechanismen für Familien keine Rolle gespielt haben, sondern Gesellschaften haben sich in Familienstrukturen, in Clans selbst organisiert.
Die Familie in ihren verschiedensten Ausprägungen hat natürlich für die Entwicklung aller Familienmitglieder und besonders natürlich der Kinder besonderen Wert. Es werden Erfahrungen vermittelt, Familie übt Rat, gibt Fürsorge, und es werden auch Rechte und Pflichten eingeübt. Für Liberale ist aber ein modernes und vielfältiges Familienbild in einer offenen Gesellschaft vielseitig, und niemandem wird ein Lebensentwurf vorgeschrieben.
Die gegenseitigen Pflichten, diese Vertrauensbeziehungen und die einvernehmliche Rücksichtnahme aufeinander sind natürlich auch in Eingetragenen Lebenspartnerschaften zu finden, und seit mehr als zehn Jahren sind diese gesetzlich erlaubt, sprich gesetzlich legitimiert und mit Rechten und Pflichten ausgestattet.
2010 lebten rund 23 000 gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland in Eingetragenen Lebenspartnerschaften in einem Haushalt. Jeder kann das jetzt für sich persönlich als richtig oder falsch, gut oder schlecht bewerten. Aber es ist die Realität. Diese Realität ist anerkannt. Ich denke, Politik sollte an dieser Stelle nicht erziehen und schon gar nicht die eigenen persönlichen Ansichten überstülpen, sondern das Zusammenleben für die Menschen gerecht und rechtsstaatlich gestalten, mit der Freiheit, dass jeder nach seiner Fasson mit Verantwortung der Rechte und Pflichten auch glücklich werden darf.
Die Eingetragene Lebenspartnerschaft, bei der sich beide Partner einander dem gemeinsamen Lebensunterhalt verpflichten, entstehende Unterhaltspflichten auch bei Bedürftigkeit aufzunehmen, ist geregelt. Dass auch gleichgeschlechtliche Paare gute Eltern sein können, steht außer Frage. Auch das dürfte mittlerweile anerkannt sein. Die ersten Kinder aus diesen Beziehungen sind groß, und es gibt keinerlei Statistiken oder Hinweise darauf, dass das in irgendeiner Form negativ auf ihre persönliche Entwicklung abgefärbt hat.
Ich darf noch einmal daran erinnern, dass wir bei den Themen der Gleichstellung in den letzten Jahren schon viel erreicht haben. Auf der Bundesebene denke ich dabei an die Änderungen bei der Erbschaftssteuer, die vorgenommen wurden, an die Übertragung von Grundstücken zwischen Lebenspartnern, die künftig steuerfrei stattfindet, dass bei der BAföG-Reform die Lebenspartner bei der Ausbildungsförderung gleichgestellt wurden. Schließlich haben wir doch auch auf Landesebene diese entsprechenden Lebensrealitäten angenommen. Es wurden Anpassungen vorgenommen, während entsprechende Gesetze überarbeitet oder geändert wurden.
Ich denke heute nur an die Gemeindeordnung, die Landkreisordnung oder das Rechtsanwaltsversorgungsgesetz.
Ich darf nur noch als Letztes sagen: Wir als Liberale haben den Anspruch zu gestalten, für und mit den Menschen. Wir erkennen die Wirklichkeit an und wissen, dass die Realität Familie heute anders definiert wird als noch vor vielen Jahren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Krauß! Was für eine zwiegespaltene Argumentation mussten wir da wieder hören! Einerseits sprechen Sie von Respekt und Toleranz vor jeder Form, in der Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, andererseits verstehen Sie es trefflich, die verschiedenen Arten von Familie nach biologischen Merkmalen und nach alttestamentarischen Schöpfungsmythen zu sortieren. Entschuldigung, das kann doch nicht der Maßstab sein!
Das haben alleinerziehende Homosexuelle nicht verdient. Das haben aber auch Eheleute nicht verdient, dass Sie unterstellen, dass die Ehe durch Gleichstellung anderer Familien abgewertet würde.
Was ist abwertend, wenn Alleinerziehende mit Eheleuten gleichbehandelt werden? Was ist abwertend, wenn homosexuelle Liebe mit der Liebe zwischen Eheleuten gleichbehandelt wird? – Ich bin mit meinem Mann seit 15 Jahren glücklich verheiratet.
Ich finde das nicht abwertend. Ich möchte auch nicht, dass die 60 %, die noch in Ehen leben, mit oder ohne Kinder, mit oder ohne eigene Kinder, gegen die ins Spiel gebracht werden, die noch nicht gleichberechtigt sind. Das ist unfair. Ich möchte keine gespaltene Gesellschaft.
Wenn man sieht, wie mühevoll Sie diesen Unterschied konstruieren müssen, diese angebliche Bedrohung der klassischen Ehe, der klassischen Familienbeziehung, dass Sie als CDU große Mühe haben zu begründen, dass Sie den sich wandelnden gesellschaftlichen Familienbildern immer noch derart hinterherhinken! Die Bibel allein trägt schon gar nicht mehr. Sie müssen sich fragen, ob der Schöpfungsmythos der Bibel, den ich auch immer gern gelesen habe, noch anwendbar ist.
Liebe zwischen Frau und Frau, Liebe zwischen Mann und Mann – auch die hat Gott erschaffen. Gott war ein Gott der Liebe, und das ist gut so, sage ich als Christin.
Als Landtagsabgeordnete sage ich aber auch: Hier geht es um den Rechtsstaat, für den wir 1989 auf die Straße gegangen sind. Der orientiert sich an den Rechten aller Einzelnen. Wenn ich im Interview des Ministerpräsidenten, der heute durch Abwesenheit leider auffällt, lese –
pardon –, es gibt keine Homoehe, sondern nur Eingetragene Lebenspartnerschaften, also etwas weniger Gutes,
und es geht nur um die Frage einer sehr kleinen Gruppe, was soll das dann heißen? Es ist nicht so wichtig?
Ein solcher Satz, gerade von dem heute entschuldigten Ministerpräsidenten! Demokratie, Rechtsstaat messen sich immer an den Rechten der Einzelnen. Schon einer der Begründer des modernen Rechtsstaatsverständnisses, Montesquieu, erkannte vor 300 Jahren: „Die einem Einzelnen zugefügte Ungerechtigkeit ist eine Bedrohung für alle.“ Die Realität ist, dass in Sachsen Homophobie und Diskriminierung homosexueller Menschen und ihrer Angehörigen immer noch zum Alltag gehört. Das Engagement der Regierung dagegen vermissen wir schmerzlich.
Einige Beispiele seien genannt: Homosexuelle werden, wenn sie zusammenleben, als Bedarfsgemeinschaft behandelt. Aber gerade in Sachsen müssen sie sich die steuerliche Gleichstellung immer noch vor den Gerichten erklagen. Sie bekommen sie nicht selbstverständlich. Hier ist Sachsen übrigens das letzte Bundesland, nachdem Baden-Württemberg nach dem Regierungswechsel die Gleichstellung angepackt hat.
Zwei Mütter, die im Einverständnis mit den Vätern die Kinder gemeinsam erziehen, werden in der sächsischen Landeshauptstadt im Kindergarten als Alleinerziehende behandelt, nicht als gemeinsame Mütter. Das ist ein Klageverfahren aus Dresden. In der Gemeindeordnung ist die Befangenheit von Homosexuellen eingeführt worden. Aber sie dürfen nicht zusammen auf dem Friedhof beerdigt werden. Das ist die Realität.
Anstrengungen zur beschleunigten Umsetzung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft in den Kommunen im sächsischen Recht – noch 28 Gesetze und Rechtsverordnungen sind nicht angepackt – vermissen wir. Liebe Frau Schütz, wenn Sie mit Ihrem Justizminister so langsam machen, werden Sie es in dieser Legislaturperiode nicht schaffen. Wir brauchen dafür schnellstens ein Artikelgesetz und Anstrengungen, dieses umzusetzen. Vor allem brauchen wir Maßnahmen gegen diese Diskriminierung.
Ich komme zum Schluss. – Die FDP, glaube ich, schafft sich durch fehlendes Engagement selber ab. Ich glaube, Sie sind, wenn Sie als CDU auf das Verfassungsgericht warten, weit hinter dem Verständnis der Bevölkerung. Hören Sie auf, diesen Unterschied zur Ehe aufzumachen!
Fördern Sie Familien, wo sie sind! Öffnen Sie sich und kämpfen Sie mit uns gegen Diskriminierung und Homophobie!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorhin gehörten SPDAttacken auf die CDU wegen angeblicher Vorbehalte der CDU gegen homosexuelle Lebensgemeinschaften waren theatralisch maßlos überzogen, denn unter Merkels Führung ist die CDU doch schon längst sozialdemokratisiert.