Protocol of the Session on March 13, 2013

Herr Krauß, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ja! –, dass man Rettungsringe kauft, um den Drogenabhängigen zu helfen, und auf der anderen Seite stellen Sie sich auf die Schiffsreling und sagen: Es gehört zur Freiheit eines jeden, runterspringen zu können. Sie sagen: Ja kein Schild und kein Geländer an das Schiff dranmachen, damit wirklich jeder die Freiheit hat reinzuspringen.

(Thomas Kind, DIE LINKE: Die Reling ist das Geländer!)

Diese Schizophrenie machen wir nicht mit. Das werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen. Für uns ist klar: Wir wollen den Betroffenen helfen. Wir wollen die Menschen aufklären. Aber wir sagen auch: mit harter Hand gegen Drogen und Drogendealer vorgehen. Das ist unser Konzept.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Sabine Friedel, SPD, steht am Mikrofon.)

Frau Friedel, sicherlich eine Kurzintervention. – Bitte.

Herr Präsident, vielen Dank. Ich habe mich im Vorfeld dieser Aktuellen Debatte einmal mit dem Thema ein wenig beschäftigt. Ich vermute, Herr Krauß, dass Sie das auch versucht haben. Ich glaube, wir müssen über solche Sachen wie „Schöner leben mit Drogen!“ nicht reden.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

Worüber man aber schon reden muss – wir sind uns darin einig, dass das kein sinnvoller Slogan ist –, ist die Frage, was eine vernünftige Drogenpolitik ist. Dabei muss man zur Kenntnis nehmen, dass zum Beispiel die Global Commission on Drugs – eine große ehrenwerte Organisation, die sich seit 40 Jahren weltweit damit befasst, wie wir es schaffen können, Drogen einzudämmen und ihrer Herr zu werden – vor zwei, drei Jahren gesagt hat: Im

Grunde sind wir im Kampf gegen Drogen gescheitert. Wir müssen neu überlegen.

Ein Land, welches neu überlegt hat, ist Portugal, und es lohnt sich, sich einmal damit zu beschäftigen. Portugal hat keine Drogen legalisiert, nein. Was Portugal getan hat: Es hat den Konsum von Drogen – ähnlich, wie es Tschechien versucht hat; aber ich glaube, falsch – entkriminalisiert. Das heißt: Wer erwischt wird, Drogen zu nehmen, der wandert nicht ins Gefängnis, sondern er wird dort in ein Hilfesystem geschickt. Dort werden Drugs Commissions durchgeführt. Die Leute gehen dorthin und bekommen Hilfsangebote, die sie auch wahrnehmen müssen. – Ein Punkt.

Der zweite Punkt: Portugal hat den Drogenhandel ganz intensiv kriminalisiert. Das ist, glaube ich, ein Weg, über den man nachdenken muss: damit umzugehen und dafür zu sorgen – wie ich vorhin sagte –, dass die Verfügbarkeit massiv eingeschränkt wird, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass jene, die einer Droge anheimgefallen sind, auch wirklich Hilfe bekommen, und zwar sehr schnell. Wir wissen alle, dass man im Gefängnis in Sachen Drogen keine Hilfe bekommt – ganz im Gegenteil. Deshalb lohnt es sich, nicht in Klischees zu denken und zu argumentieren und Drogensüchtige –

Frau Friedel, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

– letzter Satz – nicht mit Autofahrern zu vergleichen, sondern mit Menschen, die beispielsweise Alkohol missbrauchen. Das ist ebenfalls eine Droge, bei der wir aber ein anderes Hilfesystem haben. Ich bitte Sie einfach, nicht so schwarz-weiß zu argumentieren, sondern einmal etwas darüber nachzudenken.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Krauß, Sie möchten auf die Kurzintervention antworten? – Dazu haben Sie natürlich Gelegenheit.

Eine Aktuelle Debatte ist natürlich dazu da, Unterschiede ein wenig herauszuarbeiten; deshalb diskutieren wir hier auch. Noch einmal: Natürlich wollen wir Hilfe für die Menschen haben, die drogenabhängig sind. Denen müssen wir helfen. Aber wir können auch nicht bei jemandem, der im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss fährt und andere über den Haufen fährt, sagen: Du armer, armer Mensch, dich können wir nicht kriminalisieren, du bekommst dafür keine Strafe. Sondern die Gesellschaft muss deutlich machen – das macht sie über Gesetze und Strafen –: Was ist ein richtiges Verhalten und was ist ein falsches Verhalten? Was ist ein Verhalten, das der Gesellschaft dient, und was dient der Gesellschaft nicht? Deshalb finde ich es korrekt, dass man jemanden bestraft, der Drogen kauft. Es kann eben nicht sein, dass wir auf der einen Seite einen Falschparker

bestrafen und auf der anderen Seite jemanden, der sich mit Drogen beschäftigt, frei laufen lassen. Das passt irgendwie nicht zusammen. Insofern: Drogenabhängigen helfen, aber gleichzeitig auch etwas von ihnen fordern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Clemen, Sie möchten eine Kurzintervention starten? – Ja. Nur zur Information: Sie müssen sich bitte auf den Beitrag Ihres Vorredners, Herrn Krauß, beziehen. Bitte.

Es ist nur eine Ergänzung dazu. Was in dem einen Land funktioniert, muss in einem anderen Land nicht funktionieren. Das hat sich in der Schweiz mit der Geschichte des Platzspitz gezeigt. Wer sich damit beschäftigen möchte, kann dort gern das eine oder andere Interessante dazu erfahren.

Herr Krauß hätte nun nochmals die Möglichkeit, auf die Kurzintervention zu antworten, wenn er dies möchte.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur nächsten Rede; Frau Schütz für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Crystal Methamphetamin – N-Methylamphetamin, so seine chemische Bezeichnung – ist so komplex wie seine Wirkung, und ich darf Ihnen sagen: Drogen machen nicht vor Grenzen halt, denn bereits in den Jahren 1999/2000 war dieses Problem bei uns im Jugendamt in Görlitz und im Landkreis bekannt. Schon zu diesem Zeitpunkt haben wir uns, habe ich mich mit dem Sachgebiet Jugendschutz diesem Thema sehr intensiv gewidmet. Wir haben Aufklärung organisiert, Präventionen dargelegt und verstärkt mit den Vereinen des Jugendschutzes, der Jugendhilfe und der Polizei in Schulen auf diese Themen aufmerksam gemacht; aber wir haben gleichzeitig auch Handlungsmöglichkeiten für Eltern aufgezeigt, um Suchtprobleme der Kinder erkennen zu können. Wie gesagt: Hier ist niemand untätig geblieben.

Wenn in dieser Zeit vonseiten der LINKEN, der SPD und der GRÜNEN die Freigabe von weichen Drogen gefordert wurde, dann sei all jenen, die dies fordern, einmal aufgezeigt, wie jemand nach drei Jahren Crystal-Konsum körperlich und psychisch abbaut und keine Möglichkeit der Teilhabe an diesem Leben mehr hat. Deshalb, Herr Bartl, finde ich es schwierig, erst das Feuer zu legen und dann nach der Feuerwehr zu rufen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Bei jungen Menschen oder allgemein in der Gesellschaft ist man schnell der Meinung, „weiche Drogen“ seien die, die billig und leicht verfügbar sind. Genau das trifft auf Crystal in dieser Form zu. Es ist natürlich gleichzeitig auch wie gemacht für unsere Leistungsgesellschaft: Es hält lange wach, verursacht Euphoriezustände, verringert das Hunger- und Schlafbedürfnis und hält relativ lange an, circa zehn bis zwölf Stunden. Aber – das ist das

Problematische an der Sache –, es macht extrem schnell abhängig, erzeugt Psychosen, verursacht einen schnell sichtbaren Verfall und zerstört Hirnzellen – und das dauerhaft.

(Klaus Bartl, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Schütz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Sehr geehrte Damen und Herren, was möchte ich Ihnen damit sagen? Wir haben doch schon lange den Ernst der Lage erkannt. Die Zahlen aus den letzten Jahren geben uns in unserem Wirken, indem wir mehr Geld für die Suchtberatung zur Verfügung stellen, recht, mit Prävention und gleichzeitig mit der Strafbarkeit des Drogenhandels und des Drogenkonsums den Druck von unserer Seite aus zu verstärken.

Wir als FDP-Fraktion haben in der schwierigen Haushaltslage 2010, als wir den Doppelhaushalt 2011/2012 aufgestellt haben, dafür gesorgt, dass es landesweit eine solide finanzielle Basis für die Sucht- und Drogenberatungsstellen gibt, dass aber auch im aktuellen Doppelhaushalt 8,2 Millionen Euro für die Suchtberatung in Sachsen zur Verfügung stehen.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Unter der SPD-Mitregierung hat es in keinem Jahr so viel für die Suchtberatung in dieser Höhe gegeben. Wir haben mit sachsenweit 46 Suchtberatungsstellen ein gutes Netz aufgebaut. 2011 sind dort 27 700 Klienten suchtspezifisch betreut worden. Aber uns ist natürlich auch klar: Wir müssen die Prävention an allen Stellen verstärken. Drogen sind keine Lösung, nicht kurzfristig und nicht auf Dauer. Wir müssen gemeinsam die grenzüberschreitende Kriminalität senken, zusammenarbeiten und uns dieses Themas annehmen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir brauchen gleichzeitig sehr gute Angebote in der Unterstützung, in den Beratungsstellen für diejenigen, die den Drogen verfallen sind und sich dort selbst bemühen, wieder herauszukommen. Unterstützen Sie uns daher im Kampf gegen die Droge Crystal!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Klinger spricht als nächste Rednerin für die Linksfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem von den Koalitionsfraktionen: Ich finde, Sie machen es sich deutlich zu einfach, und die Debatte, wie sie von Ihrer Seite geführt wird, greift zu kurz. Die Schuld in die Nachbarländer abzuschieben reicht nicht aus. Sie entziehen sich hier Ihrer Verantwortung – genauso, wie

Sie es in den letzten Jahren in Ihrer Drogenpolitik getan haben. Jetzt mit einer Aktuellen Debatte zu versuchen, die Verfehlungen der letzten 10 Jahre – oder sogar noch länger – kaschieren und sich vielleicht doch mit irgendetwas rühmen zu wollen, ist echt daneben. Sie machen es sich damit zu einfach.

Sie beweisen eine große Unwissenheit. Herr Karabinski spricht von Partydrogen. Crystal ist längst keine Partydroge mehr. Frau Schütz spricht zwar von weichen Drogen; aber abgesehen davon, dass ich die Unterscheidung in weiche und harte Drogen ohnehin nicht als sinnvoll erachte, beweisen Sie, dass Sie leider keine Ahnung haben. Crystal ist kein neuer Drogentrend. Bereits seit 1997 ist Crystal in Sachsen verfügbar und wird konsumiert. Dieser Trend ist aber in der Sozialpolitik verschlafen worden. Die Substanz ist statistisch nicht ordnungsgemäß erfasst worden. Frau Schütz, Sie sagten, die Praktiker(innen) vor Ort in den Suchtberatungs- und -behandlungsstellen – zum Teil auch in den Jugendämtern – wussten davon. Aber das ist von der Sächsischen Staatsregierung, von der sächsischen Politik nicht gehört worden. Es ist ignoriert worden.

In der Folge: höhere Klientenzahlen, schwere Suchtverläufe – es ist von den Kolleginnen und Kollegen genannt worden –, große gesundheitliche und soziale Probleme, psychologische, teils psychiatrische Probleme, die mit dem Konsum einhergehen.

Aber die Praxis und die Wissenschaft haben darauf hingewiesen, dass es zu einer Ausweitung auf breitere gesellschaftliche Schichten kommt und zu einer Überlastung der Suchthilfestrukturen, die wir haben. Therapieangebote sind nicht entsprechend auf Crystal-Konsum ausgerichtet, sondern auf Alkohol und Opiate. Aber darauf ist nicht gehört worden. Die Staatsregierung hat immer wieder nur stoisch auf die gewachsenen Suchthilfestrukturen verwiesen und keinen Veränderungsbedarf gesehen. Mit diesen Problemen sind wir jetzt konfrontiert.

2010 gab es ein erstes Erwachen. Man hat reagiert, allerdings mit einer Erhöhung des Repressionsdruckes und nicht mit der Stärkung der Suchthilfe, die hätte stattfinden müssen. Im Gegenteil: Die Repression wurde sogar noch gegen die sozialpolitischen Ansätze, gegen die Suchthilfe versucht auszuspielen. Der ehemalige Leipziger Polizeipräsident hat dann das Wort „Wohlfühldrogenpolitik“ geprägt. Das ist einfach absurd.

Herr Ulbig, Frau Clauß, Sie haben es verpasst, die Suchthilfestrukturen anzupassen. Sie haben es verpasst, sie ausreichend auszustatten. Dann werden Sie auch noch dafür verantwortlich gemacht – das ist Ihr eigenes politisches Versagen –, dass es hohe gesellschaftliche Kosten produziert und leider nicht zu einer Verringerung des Problems führt. Ihr Ansatz, lediglich auf Repression und Prävention im Sinne von Aufklärung zu setzen, muss als gescheitert betrachtet werden. Der klassische Ansatz der Betäubungsmittelbekämpfung greift bei Crystal nicht.

Auf der Fachtagung im Juli 2012 in Leipzig hat Herr Dr. Trauer vom Institut für Rechtsmedizin von der Universität

Leipzig gesagt: „Wer nach Vorschrift einen Kuchen backen kann, kann mit einer Kurzanleitung und den erforderlichen Ausgangsstoffen auch Crystal herstellen.“ So sieht die Lage aus.

(Alexander Krauß, CDU, steht am Mikrofon.)

Frau Klinger, gestatten Sie eine Zwischenfrage?