Der Abg. Schimmer sprach für die NPD-Fraktion. Jetzt könnte, wenn Redebedarf bestünde, die Staatsregierung das Wort ergreifen. – Das wird nicht gewünscht.
Wir treten also in die zweite Runde ein. Das Wort ergreift zunächst Herr Kollege Scheel für die Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD hat wieder bewiesen, dass sie diese Debatte nutzt, um ihre Ablehnung, ihren Hass gegen die Europäische Union und den europäischen Gedanken hier im Parlament zu vertreten. Das ist zwar nicht unbedingt Ihr Recht, aber es ist Ihnen einfach mal zuzubilligen, dass Sie das tun.
Der europäische Markt, der entstanden ist, hat Deutschland mehr gegeben, als Sie wahrnehmen wollen. Wir sind seit 1958 Nettozahler – weil Deutschland viel von Europa hat.
(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Andreas Storr, NPD: Der Export ist schuldengetrieben!)
Insofern ist es Ausdruck der wirtschaftlichen Stärke und des Erfolgs des europäischen Modells, dass wir weiterhin Nettozahler in der Europäischen Union sind, meine Damen und Herren von der NPD.
Ich will nicht in das Mantra eintreten, dass der Zeitpunkt der Debatte vielleicht etwas unglücklich gewählt ist. In der Tat haben wir langwierige, sehr zähe Verhandlungen auf europäischer Ebene hinter uns.
Mancher vergisst, dass zuerst die Kommission gekommen war und 1,2 Billionen Euro von den Mitgliedsstaaten haben wollte, um die Aufgaben der Europäischen Union zu erfüllen. Genau darum geht es.
Daraufhin haben die versammelten Staaten, vor allem die Zahler, gesagt: Nein! Passt mal auf: Uns sind die Aufgaben egal. Ihr müsst das irgendwie anders hinbekommen. Wir zahlen nicht mehr als 1 Billion Euro! – Das hatte ein bisschen was von Maggie Thatcher, die damals Ihre Handtasche auf den Tisch schlug.
1,1 Billionen Euro. Wir haben schon viele richtige und wichtige Maßnahmen gestrichen. – Die Kommission wurde wieder nach Hause geschickt mit dem Hinweis: Habt ihr uns nicht verstanden? Wir zahlen nicht mehr als 1 Billion Euro!
Dass bei einem solchen Gezerre und einem solchen Absenken der Haushaltsvolumina einiges unter die Räder kommt, dürfte klar sein. Angesichts dessen können wir Sachsen wirklich froh sein, dass es trotzdem noch jemanden gab, der bereit war, über sächsische Anliegen in dieser Debatte zu reden.
Am Ende stand ein Kompromiss: 960 Millionen Euro, teilweise kreditfinanziert. Es gibt auch ein paar Neuerungen, alles wunderbar. Aber in der Tat haben wir es mit einem Kompromiss zu tun. Dieses unwürdige, lange Gezerre hat uns einen riesigen Zeitvorsprung gekostet. Wir stehen im Moment erst am Anfang der EuropaDebatte.
Zumindest steht es in Ihrer Regierungserklärung als Überschrift. Insofern nehme ich das jetzt erst einmal ernst.
Natürlich wissen wir, dass mit den heutigen Entscheidungen im Europäischen Parlament der Startschuss auch mehr oder weniger ein Fehlstart werden kann. Das hieße: Alle zurück auf Los! – Es ist niemand davor gefeit, dass danach ganz andere Debatten über uns hereinbrechen. So viel vorab zum Verfahren.
Erstens. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie sich hier deutlicher zu den Konditionen – wenn denn irgendwann dieser Rahmen beschlossen ist – äußern. Immerhin hat Ihre Kollegin Frau Lieberknecht aus Thüringen schon festgestellt: Es wäre wichtig, dem Bund klarzumachen, dass ein Vorwegabzug wie in der Vergangenheit nicht mehr notwendig ist. Es ist wichtig, dass wir die Mittel in höherem Maße dezentral verwalten können. Die Länder brauchen mehr Hoheit darüber.
Dazu wird die MPK bald wieder beraten. Es gibt natürlich – Sie haben es schon angedeutet – unterschiedliche Interessen auch im Osten, je nachdem, wer mehr und wer weniger hat. Ich hoffe dennoch darauf, dass es die Ministerpräsidenten auf die Reihe kriegen, im Osten einheitlich und gemeinschaftlich gegenüber dem Bund aufzutreten. Dazu hatte ich mir ein paar mehr Sätze von Ihnen erwartet.
Zweiter Punkt: Fördersätze. Zu Recht verweisen Sie darauf, dass es ein Erfolg ist, dass die Europäische Union weiterhin zu 80 % fördern wird. Es fehlt allerdings die Antwort auf eine Frage, die sich jeder Bürgermeister in unserem wunderschönen Land stellt: Bekommen wir die 80 % tatsächlich weitergereicht? – Dazu hätten auch wir gern eine Aussage gehört. – Wie weit werden Sie die Kommunen bei ihrer Aufgabenwahrnehmung mit europäischen Fördermitteln unterstützen? Werden Sie die 80 % an die Kommunen weitergeben, zumindest wenn es um wesentliche Aufgaben geht, Herr Ministerpräsident?
Eine Frage hat bisher nur am Rande eine Rolle gespielt. Ich unterstütze alles, was dahin geht, das Parlament in Brüssel zu stärken, aber wir haben es mit der kuriosen Situation zu tun, dass wir über den mehrjährigen Finanzrahmen in unserem Doppelhaushalt, wenn er denn beschlossen ist, überhaupt nicht mehr zu entscheiden haben. Dieser Landtag hat dem Finanzminister die Vollmacht gegeben, wenn Europa irgendwann mal geklärt ist, alle Leertitel in eigener Verantwortung auszufüllen. Dabei helfen mir ehrlich gesagt Ihre schönen Diskussionsangebote herzlich wenig.
Kommen wir weiter zu der Frage, die mich am meisten umtreibt, die uns alle umtreiben sollte: die Frage der Förderfähigkeit des Freistaates Sachsen. Was ist denn in den letzten Jahren getan worden im Ansehen der Tatsache, dass wir weniger Geld von Europa bekommen werden? Was ist getan worden, um die Förderfähigkeit des Freistaates Sachsen zu sichern?
Es ist einfach eine Tatsache – und mein Fraktionsvorsitzender hat zu Recht darauf hingewiesen –, dass man, wenn ein Drittel der Mittel wegfällt, über sein Förderprofil nachdenken muss. Sie können doch nicht so tun, als
könnten wir alle Förderprogramme mit ihren Schwerpunkten so weiterlaufen lassen, nur mit weniger Geld. Ich hätte erwartet, dass Sie ein paar Schwerpunkte nennen bzw. eine Prioritätensetzung in der zukünftigen Ausgestaltung einer solchen Förderperiode dem Hohen Haus zur Kenntnis geben, Herr Ministerpräsident.
Ein zweiter Punkt fällt zusammen mit der Frage, welche Fördersätze die Kommunen bekommen werden. Sie sagen zu Recht, es wird enger. Der Solidarpakt läuft aus. Jedes Jahr 200 Millionen Euro – die Debatte kennen wir alle zur Genüge. Das heißt aber auch, die Kofinanzierungsmöglichkeit des Freistaates wird geringer. Auch daraus folgt wieder eine Frage. Was bedeutet das für die Förderung? Wenn das Land in Zukunft weniger hat, wo kommt das Geld her? Auch dazu gab es heute leider keine Aussage.
Ein dritter und wesentlicher Punkt wäre, dass wir es in den guten Zeiten, wo viel Fördermittel nach Sachsen kamen, nicht geschafft haben, endlich auf wirkliche revolvierende Förderung umzusteigen. Das einzig wirklich funktionierende revolvierende Förderprogramm ist immer noch das Kreditprogramm Mikrodarlehen, das damals von der SPD-Fraktion eingeführt wurde. Das haben wir ausgefüllt. Ich denke, viel mehr geht da nicht. Es fehlt jegliche Initiative – wir haben da mehrere Förderfonds eingerichtet –, diese auch mit Leben zu erfüllen und mit Mitteln auszustatten, dass man über diese Periode hinaus – also nach 2020 – auch noch in der Lage ist, im Land wichtige Maßnahmen zu fördern, auf gut Deutsch aus europäischem Geld sächsisches Geld zu machen, und nicht verlorene Zuschüsse auszureichen. Auch dazu gab es wieder viel zu wenige Aussagen, Herr Ministerpräsident.