Protocol of the Session on March 13, 2013

Die Regionen Dresden und Chemnitz werden erheblich stärkere Fördermittel bekommen als die Region Leipzig. Jetzt ist die Frage, die im Raum steht und die ich an Sie stelle – meinetwegen auch gern als Ministerpräsident, Herr Tillich –: Was gedenken Sie denn zu tun, um das

auszugleichen? Ist Ihnen das wurst? Sind Sie der Auffassung, dass es dabei bleiben muss, dass die Region Leipzig weniger gefördert wird – egal, welche Zahlen Sie zugrunde legen und welche ich zugrunde lege – als die Regionen Dresden und Chemnitz? Haben Sie nicht auch deswegen immer so sparsam in Sachsen gewirtschaftet, damit man eigenes Geld hat, um damit auch Aufgaben zu erfüllen? Und wäre hier nicht eine solche Aufgabe in den nächsten sechs Jahren für die Region Leipzig zu identifizieren?

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Davon habe ich kein Wort gehört, nichts! Sie haben darüber keine Vorstellungen, Sie haben einen Doppelhaushalt, der auch das Jahr 2014 umfasst.

Die Redezeit nähert sich dem Ende, Frau Abgeordnete.

Das ist in Ordnung, ich bin auch gleich fertig.

(Leichte Heiterkeit)

Die Innovationsfähigkeit im Freistaat Sachsen ist wichtiger für unsere Eigenständigkeit als die Pauschalzuschüsse in der Agrarstruktur, und wenn Sie versuchen, Sachsen zum letzten Ort in Europa auszubauen, der das neoliberale Erbe retten soll, das nicht mehr zu retten ist, dann finde ich das sehr bedauerlich. Außerdem ist es leider auch so, dass es die europäische Idee konterkariert.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Die Abg. Frau Hermenau sprach für die Fraktion GRÜNE. Für die NPDFraktion spricht jetzt Herr Schimmer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie nicht anders zu erwarten war, haben die Vertreter der etablierten Parteien in der heutigen Debatte zur Fachregierungserklärung zum EUHaushalt wahre Exzesse der Schönfärberei und der mutwilligen Verdrehung selbst elementarster haushaltspolitischer Tatsachen geboten. Wir haben heute hier wieder alles gehört: Wettbewerbsfähigkeit, Konjunktur, beruhigte Währungsmärkte, Beschäftigung, natürlich der europäische Friede, der nur durch den Euro gesichert werden kann.

Diese Floskeln, die diejenigen Mitglieder des Sächsischen Landtages, die den etablierten Parteien angehören, wahrscheinlich auch dann aufsagen könnten, wenn man sie um drei Uhr nachts aus dem Tiefschlaf reißen würde,

(Heiterkeit bei der NPD)

ändern nichts daran, dass die beim EU-Gipfel vom 7. Februar 2013 erzielte Einigung beim Brüsseler Milliardenpoker um den EU-Haushalt der Jahre 2014 bis 2020 eben nicht der gigantische bahnbrechende Erfolg war, als

der er uns heute von diesem Herrn, dem Ministerpräsidenten nämlich, verkauft wurde.

Dies lässt sich vor allem an einer einzigen entscheidenden Zahl festmachen: Sachsen erhält im neuen EUFörderzyklus 2 Milliarden Euro weniger an Hilfsgeldern aus Brüssel, was einer knappen Halbierung der Mittel im Vergleich zur aktuellen Förderperiode entspricht.

Ein solches Verhandlungsergebnis, meine Damen und Herren, könnte man wirklich nur dann als sehr erfreulich bezeichnen, wenn auch der EU-Haushalt insgesamt halbiert worden wäre – was aber leider nicht der Fall ist.

Herr Tillich, es ist also gar nichts gut gelaufen bei den Verhandlungen in Brüssel, wo auch in der kommenden Förderperiode weiterhin vorwiegend deutsche Steuergelder mit beiden Händen zum Fenster hinausgeworfen werden dürfen, beispielsweise für französische Agrarromantik, für italienischen Phantomautobahnbau und für unsere Brüsseler Edelbeamten, für die im kommenden EU-Haushalt satte 61,6 Milliarden Euro vorgesehen sind – ein Finanzvolumen, das dem mehrerer sächsischer Landeshaushalte entspricht.

Ein nicht ganz kleiner Teil dieses Geldes dürfte in den Kanälen der organisierten Kriminalität verschwinden. So stellte beispielsweise die EU-Kommissarin für Innere Sicherheit, Cecilia Malmström, erst in der vergangenen Woche eine Studie vor, wonach in den EU-Staaten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge jedes Jahr die unfassbare Summe von 120 Milliarden Euro veruntreut wird, wobei nach Angaben von Malmström die Korruption in Rumänien, Bulgarien, Tschechien, Griechenland, Portugal, Italien und Spanien besonders verbreitet ist. Teilweise werden ganze Milliardensummen aus den EU-Regionalfonds ausschließlich für die Verfestigung der Strukturen der organisierten Kriminalität und der Mafia verwendet, ohne dass irgendeine Weiterentwicklung der geförderten Regionen auch nur im Ansatz zu erkennen wäre.

Wer diese Aussage für übertrieben hält, der möge sich bitte den Artikel „Der Rest des neuen Europas“ von Yvonne Staat durchlesen, der erst am vergangenen Sonntag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschien und der am Beispiel der süditalienischen Region Kalabrien aufzeigt, dass sich das organisierte Verbrechen seit Jahrzehnten hohe Milliardensummen aus dem EUHaushalt abzweigt, ohne dass auch nur ansatzweise ein Umsteuern der EU-Verantwortlichen zu erkennen wäre.

So stand und steht der gesamte Bau und die immer aufs Neue nötig werdende Sanierung der italienischen A 3, die die kalabrische Provinzhauptstadt Reggio Calabria an der äußersten Stiefelspitze mit der 450 Kilometer weiter nördlich gelegenen Stadt Salerno verbindet, seit Jahrzehnten unter der Kontrolle der Ndrangeta, der kalabrischen Mafia. Die Autorin der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ Yvonne Staat schreibt dazu: „Seit 1997 ist die A 3 eine einzige riesige Baustelle, ein lebensgefährlicher Hindernisparcours für jeden Autofahrer. Sie ist gebaut aus Zement, der von der Mafia kommt und den die Mafia mit Sand aus dem Meer gestreckt hat, sodass die

Konstruktion auseinanderfällt, kaum dass sie steht. Die A 3 säumen bröckelnde Tunnels und rissige Pfeiler. Ihr Belag ist holprig und wirft Wellen. Keiner weiß, wann und ob sie jemals fertig wird.“

Ähnlich verhält es sich mit dem aus EU-Geldern finanzierten Containerhafen von Gioia Tauro, der ebenfalls komplett unter der Kontrolle der kalabrischen Mafia steht und der mittlerweile zum Haupteinfallstor für kolumbianisches Kokain geworden ist, das nach Europa geschmuggelt wird.

(Unmut des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Ein Fakt, Herr Dr. Martens, lesen Sie die „Frankfurter Allgemeine“, lesen Sie „taz“!

(Jürgen Gansel, NPD: Oder ist das auch ein „Nazi“-Blatt?)

80 % dieses Kokains soll nach Polizeiangaben über Kalabrien, über Gioia Tauro laufen – sagt selbst die italienische Polizei, Herr Dr. Martens. Lesen Sie das mal durch als Europaminister.

Yvonne Staat kommt in ihrem „FAZ“-Artikel zu dem niederschmetternden Ergebnis: „Die Kontrolle über die EU-Subventionen ist mehr oder weniger Sache der Mafia.“

Eine Region wie Kalabrien, die noch nie so etwas wie eine reguläre staatliche Verwaltung gekannt hat, sondern stattdessen von allmächtigen Verbrecherkartellen regiert wurde, kann sich natürlich nie auch nur ansatzweise entwickeln – ganz gleich, wie hoch die Milliardensummen sind, die die EU in eine solche Region pumpt –; sondern eine solche Region bleibt auf ewig Ziel-IFördergebiet der EU, während in Regionen wie den mitteldeutschen Ländern, die ihre Fördergelder regelgerecht einsetzen, die Zuwendungen im laufenden Haushalt einfach mal halbiert werden.

Schlimmer und verheerender – vielleicht werden Sie mir darin zumindest einmal zustimmen, meine Damen und Herren – kann eine Anreizstruktur gar nicht mehr beschaffen sein, denn sie sorgt dafür, dass die Mafia und die organisierte Kriminalität in Italien auch künftig direkt über den EU-Haushalt regelrecht dick- und fettgemästet werden.

An dieser Stelle darf ich Sie auch daran erinnern, dass es sich bei diesen Geldern vorwiegend um deutsche Steuergelder handelt, denn für mehr als 45 % aller Transferzahlungen in die Empfängerländer kommt Deutschland auf. Auf die Spitze getrieben wird der Wahnsinn dadurch, dass man an dieser milliardenschweren Förderung des organisierten Verbrechens in Deutschland keine Kritik üben darf, ohne als angeblicher Europafeind gebrandmarkt zu werden.

Aber auch abgesehen von diesem gigantischen Korruptionsproblem, das die EU hat, wird das über den EUHaushalt umverteilte Geld oft nicht sinnvoll, sondern geradezu kontraproduktiv eingesetzt; man denke nur an

die seit Jahrzehnten anhaltende Dauersubventionierung der südeuropäischen Landwirtschaft.

Auch im neuen Etatentwurf bildet das Agrarbudget mit 373 Milliarden Euro den mit Abstand größten Ausgabenposten. Wie sich das mit dem Selbstverständnis der Europäischen Union verträgt, Europa als Technologie- und Wirtschaftsstandort in der globalisierten Welt zu stärken, das können die Verantwortlichen wahrscheinlich selbst nicht begründen.

Deutschland – auch das ist ein Ergebnis des Brüsseler Gipfels – verteidigt nicht nur seine Position als der mit Abstand größte Nettozahler der EU, sondern legt in Zukunft weiter kräftig drauf, einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 10. Februar 2013 zufolge nämlich von 2014 bis 2020 netto rund 1 Milliarde Euro mehr pro Jahr als bisher. Damit wird ein ohnehin bestehendes dramatisches Ungleichgewicht

weiter verschärft.

Dieses Ungleichgewicht besteht schon seit Unterzeichnung der Römischen Verträge und der Gründung der EWG im Jahr 1957 und lässt sich auf den Nenner „Die EU entscheidet – Deutschland zahlt“ bringen. So veröffentlichte 2003 der Heidelberger Wirtschaftswissenschaftler Prof. Franz-Ulrich Willeke seine Studie unter dem Titel „Europäische Strategien zur Identifizierung von Nettozahlern und Nettoempfängern“. Unter Einbeziehung aller volkswirtschaftlichen Faktoren errechnete Willeke, dass die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren von 1958 bis 2002 Nettozahlungen von mehr als

254 Milliarden Euro, also rund einer halben Billion Mark, erst an die EWG und dann an deren Nachfolgeinstitutionen geleistet hat.

In seinem neuen Buch „Deutschland, Zahlmeister der EU“ weist Willeke nach, dass Deutschland seit der Wiedervereinigung einen Nettobeitrag – das habe ich in der Kurzintervention vorhin schon erwähnt – in Höhe von 146 Milliarden Euro für die EU geleistet hat und damit für 45,1 % aller Wohlfahrtstransfers in die Volkswirtschaften der Nettoempfänger aufgekommen ist.

Zum Vergleich: Unser Nachbarland Frankreich hat im gleichen Zeitraum gerade einmal 33,6 Milliarden EU Nettozahlungen an den EU-Haushalt abgeführt, also weniger als ein Viertel der von Deutschland berappten Summe. Angesichts dessen würde ich Kollegin Hermenau empfehlen, sich einen neuen Taschenrechner zu kaufen, damit sie sieht, dass es tatsächlich so ist: Deutschland hält die gesamte EU aus. Dass es die EU noch gibt, ist einzig und allein der deutschen Zahlmeisterrolle zu schulden.

Angesichts solcher Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass Willeke, der früher als Geschäftsführender Direktor das renommierte Alfred-Weber-Institut der Universität Heidelberg leitete, Deutschland in seinem Buch nicht nur als Zahlmeister, sondern auch als Melkkuh bezeichnet und sich die zutreffende Bemerkung erlaubt, Deutschland werde – ich zitiere Willeke – „ausgeplündert“.

(Beifall bei der NPD – Jürgen Gansel, NPD: Das ist bestimmt auch ein „Nazi“!)

Diese Ausplünderung, meine Damen und Herren, trifft eben nicht das reichste Volk Europas, sondern ein Volk, in dem viele Bürger selbst unter Armut und sozialen Härten zu leiden haben.

Bitte hören Sie jetzt mal zu, Herr Tillich! Machen Sie sich doch einmal die Mühe und schauen Sie sich die Statistik über das Nettovermögen pro Kopf in der EU an: Hier liegt Deutschland mittlerweile hinter Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Großbritannien, Schweden, Irland, Frankreich, Österreich und Italien nur mehr noch auf Platz 10. Es ist also eine Forderung des blanken sozialen Ausgleichs und der sozialen Gerechtigkeit, dass Deutschland seine Nettozahlungen an die EU endlich zurückschraubt.

Als der britische Premierminister David Cameron in diesem Januar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wegen seiner Pläne kritisiert wurde, in Großbritannien ein Referendum über den Verbleib des Landes in der EU abzuhalten, antwortete er kurz und bündig – ich zitiere –: „A centralized Political Union? Not for me, not for Britain!“ In dieser Haltung pflichtet die NPD ihm zu 100 % bei.

Die politische Zukunft muss bestimmt werden durch regionale und nationale Demokratie, nationale Interessenvertretung und eine enge europäische Zusammenarbeit im Rahmen eines Europas der Vaterländer. Die politische Zukunft liegt eben nicht in einer gleichermaßen zentralisierten wie entdemokratisierten Europäischen Union.

Wir Nationaldemokraten fühlen uns eingestandenermaßen in dieser EU nicht mehr wohl. Aber warum wohl? Weil Brüssel die Finanzhoheit über die Nationalstaaten und die nationalen Parlamente für sich beansprucht; weil Brüssel vorhat, die Trinkwasserversorgung zu privatisieren; weil Zehntausende von Lobbyisten der großen Konzerne und des großen Geldes in Brüssel der EU-Kommission die Gesetzentwürfe und Richtlinien vorgeben, die dann in nationales Recht umgesetzt werden müssen; weil in Zypern mittlerweile das Schwarzgeld von Mafiosi und Oligarchen mit den hart erarbeiteten Steuergeldern der Europäer gerettet werden soll. Und natürlich auch deswegen, weil die Zwangseinheitswährung Euro den Frieden in Europa gefährdet und die Konflikte in Europa verschärft.

Wir Nationaldemokraten haben schon realisiert, dass die beiden wohlhabendsten und auch die beiden demokratischsten Staaten in Europa – Norwegen und die Schweiz – völlig ohne Wirtschafts- und Währungsunion auskommen. Wir sind uns sicher, dass immer mehr europäische Nationen dem Vorbild dieser beiden Länder folgen werden und dass die Bürger sich eines Tages ihre mit Füßen getretenen demokratischen Mitbestimmungsrechte von der EU-Krake Brüssel zurückholen werden.

Die Herrschenden mögen noch einmal mit Ach und Krach einen EU-Haushalt zusammengezimmert haben. Ein

Auslaufmodell von Vorvorgestern bleibt diese EU nach Auffassung der NPD dennoch.