Wir alle wissen, dass die Verhältnisse mit prekärer Beschäftigung und Niedriglohnausbeutung direkte Folge der rot-grünen „Agenda-2010“-Politik sind, die Gerhard Schröder noch dieser Tage verteidigt hat; er hat sogar eine „Agenda 2020“ gefordert. Das heißt, in der Spitze der Sozialdemokratie gibt es kein Fehlerbewusstsein, was die „Agenda 2010“ angeht. Insofern ist es abgrundtief heuchlerisch, wenn sich die sächsische SPD hier hinstellt und jetzt einen Mindestlohn fordert, den sie in ihrer Regierungszeit – unter dem sozialen Raubbaupolitiker Gerhard Schröder – auch hätte einführen können.
Zwei Punkte noch zur NPD-Position: Im aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird die Zahl von vier Millionen Beschäftigten, die weniger als 7 Euro brutto verdienen, genannt. Hier hat man es also mit einer handfesten, staatlich geduldeten Niedriglohnausbeutung zu tun, die ein schreiendes soziales Unrecht ist. Vier Millionen Beschäftigte, die weniger als 7 Euro brutto pro Stunde verdienen! Dass man davon keine Familie durchbringen kann, müsste jedem klar sein, selbst im Regierungslager.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass der Umstand der gerade in Sachsen weitverbreiteten Niedriglohnausbeutung der beste Beleg dafür ist, dass es in Sachsen keinen Fachkräftemangel gibt. Der angebliche Fachkräftemangel wird immer als Vorwand für eine schrankenlose Einwanderungspolitik missbraucht. Wenn es in Sachsen einen Fachkräftemangel gäbe, gäbe es nicht flächendeckend Niedriglöhne; denn dann wäre nach dem ganz normalen Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage eine Erhöhung der Löhne zu verzeichnen.
Ich komme zum Ende. – Wenn wir über Niedriglöhne in Sachsen debattieren, ist das ein klarer, marktkonformer Beweis dafür, dass es die behauptete Fachkräftelücke in Sachsen nicht gibt. Deswegen ist auch die ständig geforderte Ausländerzuwanderung Lug und Trug.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der SPD und der Linksfraktion – ich glaube, die GRÜNEN gehören auch dazu –, bevor ich auf Ihre etwas populistischen Debattenbeiträge eingehe – die Realisierung Ihrer Pläne birgt übrigens ein sehr hohes Risiko, gerade was die Sicherung von Arbeitsplätzen in Ostdeutschland angeht –, bitte ich Sie, mir eine Frage zu beantworten – ich meine jetzt vor allem Sie, liebe Kollegen von der Sozialdemokratie –: Wieso haben Sie, als Sie die Chance dazu hatten, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland nicht eingeführt?
Wieso haben Sie das nicht getan? Sie haben mit den GRÜNEN gemeinsam sieben Jahre in Deutschland regiert. Es ist noch gar nicht lange her. Danach haben Sie vier Jahre in einer Großen Koalition regiert. Wieso haben Sie damals den flächendeckenden Mindestlohn nicht eingeführt, meine Damen und Herren? Diese Frage müssen Sie mir zuerst beantworten.
Ich frage Sie des Weiteren: Wir haben gestern ein Jubiläum gehabt, zehn Jahre Agenda 2010 – wieso haben Sie damals diese Agenda nicht genutzt, um den Mindestlohn einzuführen? Sie haben zwar die Zeit- und Leiharbeit mit Ihrer Agenda 2010 von der Leine gelassen, sodass Fehlentwicklungen heute von uns geheilt werden müssen, aber Sie haben die Chance, die Sie damals hatten, nämlich im Bereich des Mindestlohns etwas zu tun, nicht genutzt.
Ich frage Sie noch etwas: Sie regieren ja inzwischen in Deutschland in der Mehrheit der Bundesländer, auch die LINKEN regieren in einem Bundesland – warum nutzen Sie nicht die Möglichkeiten, die Sie dort als Landesregierung haben, um eine Initiative für die Einführung von Mindestlöhnen zu starten?
Sie kennen das Mindestarbeitsbedingungsgesetz. Jede Landesregierung in Deutschland hat die Möglichkeit, eigene Initiativen zu starten. Wo war Ihre Initiative, Frau Dr. Runge?
Es gab bisher eine einzige Initiative vom Beamtenbund. Dort ging es um einen Mindestlohn bei Callcentern, was
am Ende abgelehnt wurde. Was Sie hier machen, ist heuchlerisch. Wenn Sie selbst Verantwortung tragen, dann bemühen Sie sich um Mindestlöhne nämlich gar nicht, meine Damen und Herren. Das ist Fakt.
Sie hatten die Chance, Mindestlöhne einzuführen, und Sie wollten ihn nicht einführen. Sie hätten gekonnt, aber Sie wollten es nicht. Und „wollten“ ist das richtige Wort. Wissen Sie, warum Sie es nicht wollten? Weil Sie es besser wissen, weil Sie ganz genau wissen, welche Risiken der flächendeckende, branchenübergreifende Mindestlohn für Arbeitsplätze in Deutschland bedeutet. Das wissen Sie, und nehmen Sie diese Aussage, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, als Kompliment mit. Sie von den Sozialdemokraten – das kann ich mir anders gar nicht vorstellen – wollen ja auch nicht, dass bestimmte Beschäftigungsverhältnisse einfach
vernichtet werden, dass am Ende Menschen mit einer geringen Qualifikation keine Chance mehr haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Und weil Sie wissen, dass genau das durch diese Bundesratsinitiative, die es gerade gibt, passieren würde, werden Sie, auch wenn Sie vielleicht ab Oktober Verantwortung in Deutschland tragen werden, niemals das umsetzen, was Sie jetzt im Bundesrat fordern.
(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Sven Morlok – Dr. André Hahn, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Herr Kollege Zastrow, Sie haben eben behauptet, dass wir, wenn wir in Regierung sind, nichts konkret tun würden, um Mindestlöhne zu verankern. Ist Ihnen bekannt, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn für die Bundesrepublik nur im Bundestag durchgesetzt werden kann und wir dort noch keine Mehrheit und auch keine Regierungsbeteiligung hatten?
Ist Ihnen bekannt, dass sowohl die rot-rote Regierung in Berlin das Vergabegesetz mit Mindestlohn beschlossen hat wie auch die rot-rote Regierung in Brandenburg ein Vergabegesetz mit Mindestlohnfestsetzung beschlossen hat, die gelten? Das erstere wurde in Berlin nur kurzzeitig durch die EU aufgehalten, dann erneut beschlossen und ist nach wie vor in Kraft. Ist Ihnen das bekannt? Wie stimmt das mit dem überein, was Sie hier behaupten?
Sie tragen in Brandenburg Verantwortung. Sie sprechen von zunehmenden prekären Arbeitsverhältnissen. Wir wissen alle, dass Brandenburg davon in besonderem Maße betroffen ist. Wenn Sie
wirklich Verantwortung in der Politik übernehmen wollen, dann werden Sie in Brandenburg selbst Lösungen für die prekären Arbeitsverhältnisse dort schaffen müssen. Sie haben sich um die Brandenburger nicht gekümmert. Alles andere ist eine faule Ausrede, weil Sie ganz genau wissen, dass es zu flächendeckenden gesetzlichen Mindestlöhnen nicht kommt. Wenn es Ihnen wirklich ernst wäre, lieber Kollege Hahn, dann würden Sie das, was Sie tun können, in Brandenburg tun. Das haben Sie nicht getan. Seien Sie wenigstens ehrlich.
(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Sven Morlok – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Ich nehme Ihnen das auch gar nicht übel, lieber Kollege Hahn, weil Ihre Politik ja auch nicht ist, Arbeitsplätze zu sichern. Darum geht es Ihnen nicht. Sie träumen wahrscheinlich immer noch vom Staatssekretariat für Arbeit und Löhne. Sie wissen, was das ist. Das gab es zu DDRZeiten. Damals hat das Staatssekretariat für Arbeit und Löhne in Berlin gemeinsam mit dem FDGB für die Bürger in der DDR quasi die Löhne festgelegt. Wo das geendet hat, das wissen Sie selbst. Das ist Ihr Konzept. Das hatten wir schon einmal. Das ist gescheitert. Das kann nicht die Zukunft sein.
Herr Präsident! Herr Zastrow, ich komme noch einmal auf Brandenburg zurück. Ich weiß ja, dass Sie die Statistik, die ich interpretiere, immer ganz gut finden und sich auch darauf beziehen. Deswegen frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, dass Brandenburg weitaus bessere Werte hat als Sachsen, was die Beschäftigung betrifft,
und dass Sachsen hinsichtlich des Anteils prekärer Beschäftigung an der Gesamtbeschäftigung weit hinter Brandenburg liegt?
Ich habe die Zahlen nicht einzeln im Kopf, aber, Herr Kollege Pellmann, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Lassen Sie mich einmal antworten. Ich nehme an, dass der Wirtschaftsminister Ihnen gleich noch ein bisschen Nachhilfe geben wird. Fakt ist eines: Schauen Sie sich die
Entwicklung des Freistaates Sachsen an. Brandenburg hat einen entscheidenden Vorteil, und das wissen Sie. In Brandenburg gibt es den Speckgürtel rund um Berlin, das verändert ein bisschen die Statistik. Viele der Besserverdienenden, die in Berlin arbeiten, vor allen Dingen im öffentlichen Dienst, wohnen draußen in Potsdam und Umgebung. Das wissen Sie doch. Diesen Sondereffekt müssen Sie natürlich mit beachten. Aber ansonsten glaube ich das, was Sie hier behaupten, nicht.
Herr Pellmann, Sie haben es nur behauptet und nicht belegt. Haben Sie irgendeine Zahl genannt? Sie haben keine einzige Zahl genannt. Nutzen Sie Ihren zweiten Redebeitrag und präsentieren Sie dann bitte Ihre aktuellen Zahlen.
Meine Damen und Herren! Ich kenne kein Modell für einen flächendeckenden gesetzlichen branchenübergreifenden Mindestlohn, das funktioniert. Kein einziges Modell garantiert, dass es nicht zu einem großen Arbeitsplatzvernichtungsprogramm wird. Es wird oft davon gesprochen, dass wir regionale Unterschiede zulassen müssen. Ich glaube aber nicht, dass es so ohne Weiteres möglich ist, diese Differenziertheit praktisch umzusetzen. Wir haben keine Antwort darauf, was bei Ausweichbewegungen passiert, wir haben keine Antwort auf Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse, wir haben keine Antworten darauf, was bereits im Gebäudereinigergewerbe passiert ist, wo es massiv zu Scheinselbstständigkeiten geführt hat. Wir haben keine Antwort für das Baugewerbe, wo der Mindestlohn damit abgefedert wurde, dass Normerhöhungen stattgefunden haben. Solange wir diese Antworten nicht haben, kann ich nicht dazu raten, dass wir einen Mindestlohn in Deutschland einführen.
– und da ist jeder gefordert –, die schwarzen Schafe identifizieren, die Geschäftsmodelle auf der Ausbeutung von Menschen aufbauen. Ganz klar. Wer sittenwidrig Menschen beschäftigt, dem muss das Handwerk gelegt werden. Dafür ein geeignetes Instrument zu finden – das ist nun mal nicht der Mindestlohn –, –