Lassen Sie mich zum Schluss noch eines anmerken; ich hatte ja vorhin einige Maßnahmen aufgezählt, was alles getan wird für den Lärmschutz. Ich glaube, wenn man das alles zusammen betrachtet, dann sieht man eines sehr, sehr deutlich: Die aktuelle CDU/CSU- und FDPBundesregierung tut mehr, deutlich mehr für den Lärmschutz, als es die frühere rot-grüne Bundesregierung jemals getan hat.
Herr Herbst sprach für die FDP-Fraktion. Für die Fraktion GRÜNE ergreift jetzt Frau Jähnigen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade weil wir aus Klimaschutzgründen, aber auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und steigender Benzinpreise mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen müssen, glauben wir, dass wir uns dem Lärmproblem ernsthaft widmen müssen und nicht die Betroffenen beruhigen und vertrösten können.
Wir begrüßen es, dass die SPD mit ihrem Antrag heute dieses Thema ins Plenum bringt. Denn wir fanden es peinlich, aber auch bezeichnend, wie lange die Betroffenen in Weinböhla und Coswig auf Unterstützung durch das Land warten mussten; dass sie erst demonstrieren mussten, bis überhaupt Lärmmessung angesagt wurde. Frau Springer, Lärmmessung/Lärmkartierung ist eine staatliche Aufgabe. Es ist schlimm, wenn Bürger und
Wir finden es auch inakzeptabel, dass Lärmbetroffenen im Oberen Elbtal gesagt wird: Wenn die Neubautrasse kommt, wird alles besser; denn erstens wissen wir nicht, wann sie kommt – frühestens in Generationen –; zweitens wissen wir nicht, ob der Tunnel durch das Erzgebirge für den Güterverkehr geeignet ist. Wir wissen eines: Sie wird kurz- und mittelfristig keine Milderung bringen. Also bitte keine Beruhigungstabletten. Deshalb finden die Punkte 1 bis 3 auch unsere volle Unterstützung.
Bei Punkt 4 ist es etwas schwieriger, das möchte ich gern etwas differenzierter darstellen. Sicher ist die Abschaffung des veralteten Lärmprivilegs Schienenbonus eine Maßnahme für den Lärmschutz. Allerdings muss man sich genauer anschauen, was diesbezüglich zurzeit läuft. Das, was auf Bundesebene läuft, ist ausgesprochen unzureichend.
Sehr geehrte Kollegin, es ist ja sowohl von Frau Springer als auch von Herrn Herbst signalisiert worden: Alles in Butter, der Bund hat reagiert, es wurde noch nie so viel getan, wir brauchen eigentlich nichts zu tun. Jetzt ist der Schienenbonus als Beispiel genannt worden. Wie bewerten Sie denn die Politik auf Bundesebene und vor allem deren Wirkung?
Die Koalitionsfraktionen haben sich für die Abschaffung des Schienenbonus eingesetzt – 2012. Allerdings ist der Gesetzentwurf, auf den sich Frau Springer bezogen hat, eine echte Mogelpackung; denn er sieht vor, dass erst mit dem nächsten Bundesverkehrswegeplan und mit dem nächsten Schienenausbaugesetz der Bonus abgeschafft wird, und das tritt frühestens 2017 und spätestens 2020 in Kraft, und zwar nur für neue Projekte. Alle Altprojekte – unsere Trassen hier, insbesondere Coswig – Weinböhla, eben erst saniert – sind davon nicht betroffen und dürfen nach altem Recht gebaut werden.
Außerdem ist es so, dass auch die Trassenpreise nicht greifen werden, denn die Erhöhung, die jetzt lärmabhängig geplant ist, ist viel zu niedrig: 2 bis 3 % Erhöhung, eine viel zu geringe Spreizung, und die DB Netz plant die Erhöhung erst 2021/2022, also in neun Jahren.
Eine Alternative wäre aus Sicht auf Bundesebene, was jetzt die rot-grüne Regierung von Bremen im Bundesrat beantragt; es wird übermorgen verhandelt. Sie haben vorgeschlagen, den Lärmbonus ab 01.01.2015 abzuschaffen – das ist dann deutlich mehr in die gleiche Richtung. Aber was die Bundestagsfraktion jetzt vorgeschlagen hat,
ist eine Mogelpackung, und das bedeutet für die Betroffenen hier in Sachsen: Kurzfristig ändert sich gar nichts; sie werden weiter demonstrieren müssen. Die Bundesmittel sind ja auch noch gekürzt worden. Also statt der geplanten 300 Millionen Euro gibt es bis 2017 nur 152 Millionen Euro. Sie sehen also – –
Wenn die Frage des Lärmbonus schon seit so vielen Jahren bekannt und so dringend ist, dann möchte ich Sie einmal fragen, warum die rot-grüne Bundesregierung damals nicht die Initiative ergriffen und das Gesetz geändert hat. Dann wäre es vielleicht jetzt schon in Kraft.
Richtig. Wir müssen alle daran arbeiten. Aber jetzt geht es um Ihre Regierung und ich will keine Altreflexion von vergangenen Regierungen machen, sondern es geht um die Frage, was jetzt geschieht und wofür sich Sachsen einsetzen muss. Genau dazu habe ich gesprochen.
Ich habe hier immer ausgedrückt, dass wir als GRÜNE bahnpolitisch nicht alles durchsetzen konnten, was wir durchsetzen wollten, und dazu stehe ich auch, und da verpasse ich den Bürgern keine Beruhigungstabletten.
Kurzfristig haben die von Lärm Betroffenen nichts zu erwarten. Das ist ein Grund, warum wir meinen, dass die Staatsregierung und der Landtag entsprechend Druck machen müssen.
Bezogen auf das Elbtal und Coswig-Weinböhla haben wir vorgeschlagen, dass das Land 2 Millionen Euro aus Straßenbaumitteln für den Lärmschutz an Bahnstrecken umwidmet. Das haben Sie von der Koalition abgelehnt und stattdessen auf die Verantwortung des Bundes verwiesen. Sie verweisen immer den einen auf den anderen.
Frau Kollegin, Sie sagen so vehement, dass kurzfristig etwas geschehen müsse, und wecken bei den Menschen die Illusion, der Freistaat habe die Möglichkeit, kurzfristig zu reagieren. Dann aber nennen Sie einen Betrag von 2 Millionen Euro. Wissen Sie eigentlich, was diese Lärmschutzwände kosten?
Wissen Sie, dass eine Lärmschutzwand mit einer Länge von 1,5 bis 2 Kilometern bis zu 200 Millionen Euro kosten kann? Wollen Sie das Geld wirklich dem sächsischen Steuerzahler anlasten und die Deutsche Bahn aus ihrer Verantwortung entlassen?
Nein, Herr Kollege, das will ich nicht. Genau deshalb meine ich, dass Sie die Bundesregierung zum Handeln treiben müssen. Hier in Sachsen sind Lärmmessungen zu veranlassen. Auf Bundesebene ist richtig Druck zu machen, weil wir es nicht allein finanzieren können. Aber passiver Lärmschutz wäre mit 2 Millionen Euro zu machen gewesen. Das wäre zusätzlich möglich gewesen.
Dann hätte man immer noch beim Bund Druck machen können. Aber ich halte es für falsch, die Leute von Pontius zu Pilatus zu verweisen.
Noch einmal: Das, was wir hier machen können, reicht nicht aus. Wir müssen auf Bundesebene Druck machen, aber wir müssen auch das Unsrige tun, und das tun Sie nicht.
Außer wortreichen Versprechungen haben lärmbelastete Menschen zurzeit leider kaum Verbesserungen zu erwarten. Das müssen wir ändern. Deshalb werden wir dem parlamentarischen Signal zustimmen. Wir setzen uns aber weiterhin für die schnelle Abschaffung des Schienenbonusses – auch auf Altstrecken! – sowie für Lärmschutzmaßnahmen des Bundes, der Bahn und des Landes ein. Wir werden auch dabei helfen, die Situation nicht schönzureden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es in diesem Haus in der Vergangenheit um Lärmschutz ging, waren meist der Flughafen Leipzig/Halle oder die Autobahnen gemeint. Es kann also wahrlich nicht verkehrt sein, sich dieser Problematik im Zusammenhang mit der Bahn zu nähern.
Ein Beispiel: Wer sich im idyllischen Königstein aufhält, das sich nicht nur im oberen Elbtal, sondern auch an einer extrem vielbefahrenen Eisenbahnstrecke befindet, kann kaum sein eigenes Wort verstehen, wenn die Güterzüge dort hindurchdonnern. Kein Wunder also, wenn sich die Bürgerproteste gegen diese Zustände mehren. Aus diesem Grund wird meine Fraktion dem vorliegenden Antrag selbstverständlich zustimmen.
Ich möchte dennoch einiges zu bedenken geben. Der Antrag fordert die Deutsche Bahn auf, ihr Lärmsanie
rungsprogramm aufzustocken. Weiter sollen lärmmindernde Maßnahmen an Schienenfahrzeugen und Strecken sowie lärmabhängige Trassenpreissysteme für den Güterverkehr eine Besserung der Lage einleiten.
Hier muss ich die Frage stellen: Wer setzt diese Vorgaben für alle, also auch für die privaten Anbieter und die vielen ausländischen Nutzer unserer Bahnstrecken, wirklich effektiv durch? Ich denke dabei an einen Beitrag in der Anhörung vom 8. November 2011 zu dem Thema: „Rangierbahnhof Dresden-Friedrichstadt muss erhalten bleiben!“ Der Sachverständige Thilo Groß, Einzelbeauftragter und Technischer Angestellter der DB Schenker Rail Deutschland AG in Dresden, kritisierte u. a. den technischen Zustand vieler osteuropäischer Eisenbahnwaggons. Er sprach von eingeschliffenen Radsatzwellen, Lademaßüberschreitungen, defekten Bremsventilen, Handbremsen, die nicht locker gemacht worden sind, und von gebrochenen Federn. Wörtlich: „Ich bin einmal probehalber mit einem solchen Zug mitgefahren, um mir das anzuschauen. Obwohl wir nur mit 60 Kilometern pro Stunde gefahren sind, ist mir himmelangst geworden.“
Noch einmal die Frage: Wer setzt gesetzliche Forderungen – nicht nur an den Lärmschutz – wirklich effektiv durch? Erfahrungen mit laxen Grenzkontrollen lassen mich an einer wirklichen Verbesserung der Lärmsituation an den sächsischen Bahnstrecken ernsthaft zweifeln. Ich werde die Entwicklung weiter beobachten.