Protocol of the Session on December 14, 2012

Ich wiederhole mich nochmals: Es ist von hoher Wichtigkeit, Angebote für Schwangere und Frauen mit Neugeborenen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt anzusetzen, um eben solche Notlagen zu vermeiden und frühzeitig helfend einzugreifen. Dabei kommt es darauf an, gefährdete und betroffene Frauen rechtzeitig – ich wiederhole: rechtzeitig! – zu erreichen und Vertrauen zu gewinnen. Dazu gehört auch, die Daten nicht um jeden Preis preiszugeben – zum Schutz der Kinder!

Der Freistaat Sachsen verfügt über ein gutes entsprechendes Hilfsangebotsnetzwerk. Richtig ist: Wir müssen noch viel daran arbeiten, dass die Öffentlichkeit und gerade auch betroffene Mütter, die wir jetzt noch nicht erkennen, davon Kenntnis bekommen. Deshalb ist der Erhalt der Babyklappen und der anonymen Geburt auf einer künftig rechtlich gesicherten Basis enorm wichtig.

Meine Damen und Herren! Auf Bundesebene ist Anfang des Jahres bekannt geworden, dass man ein Gesetz erarbeitet, das allen Beteiligten an anonymer Geburt, Kindesab- und -übergabe mehr Rechtssicherheit geben möchte.

Mit dem im April dieses Jahres vorgelegten Eckpunktepapier des Bundesfamilienministeriums würde sich nach unserer Erkenntnis die Situation allerdings verschärfen. Wir wollen keine Verschärfung; die Begründung dazu habe ich gebracht. Wir wollen den Schutz des Kindes, des ungeborenen Kindes, des neugeborenen Kindes, aber auch des Babys und der Mutter. Unser Ziel ist deshalb, mit dem vorliegenden Antrag die Diskussion auf Bundesebene wieder in diese Richtung zu bewegen, dass zum einen die notwendige Rechtssicherheit für die Babyklappen und die anonyme Geburt hergestellt wird und zum anderen gesellschaftliche Maßnahmen gefunden, überprüft und neu definiert werden, um Müttern in Not zu helfen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal betonen: Eine Aufgabe der Möglichkeit einer anonymen Geburt oder der Babyklappe halten wir nicht für sinnvoll. Es wird auch in Zukunft Fälle geben, die trotz aller Sicherungsmaßnah

men eintreten. Ich hoffe und wünsche aber – und ich kann nur sagen: ich bete –, dass diese Zahl immer geringer wird. Das sollte entsprechend auch auf Bundesebene dringlich Beachtung finden.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Strempel. Für die FDP-Fraktion spricht Frau Abg. Jonas. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen Abgeordneten! Der Anlass, uns mit Babyklappen, anonymen Geburten und anonymen Übergaben zu befassen, waren nicht die aktuellen Gegebenheiten – meine Kollegin ist bereits darauf eingegangen –, sondern vielmehr das Ergebnis einer Studie des Deutschen Jugendinstitutes, welches im Frühjahr 2012 vorgestellt wurde. Demnach wurden bisher 973 Kinder deutschlandweit anonym geboren, übergeben oder in eine Babyklappe gelegt. Von 200 dieser Kinder ist der Verbleib ungeklärt. Das heißt, keiner weiß, was aus den Kindern wurde, ob sie adoptiert wurden, welche Rolle die Jugendämter dabei hatten oder ob sie in ihre Herkunftsfamilie zurückkehren konnten.

Leider ist für dieses Plenum nunmehr das Thema „Babyklappen und anonyme Geburten“ aufgrund der Aktualität wieder mit einer hohen Präsenz auf der Tagesordnung. Mit Entsetzen und Bestürzung erfährt man immer wieder durch die Medien von Müttern, die ihr neugeborenes Kind aussetzen oder töten. Oft verheimlichen diese Frauen diese Schwangerschaften vor ihrer Umgebung, sie verleugnen sie sogar vor sich selbst. Wenn es dann zur Geburt kommt, geraten sie in Panik.

Woher kamen eigentlich die Babyklappen? – Unabhängig von der historischen Geschichte – die Sie alle kennen –, dass es schon immer Aussetzungen gegeben hat, wurden Babyklappen in Deutschland erstmals im Jahr 2000 in Hamburg eingerichtet. Sie wurden eingerichtet, weil in der Stadt Hamburg mehrfach Säuglinge in Müllcontainern gefunden wurden. Daher auch der Begriff Babyklappe, weil man eine Alternative bieten wollte.

Nur nebenbei: Über den Begriff selbst bin ich nicht sehr glücklich. Mir persönlich gefallen die Begriffe „Babynest“, „Babykorb“, „Babywiege“ wesentlich besser; denn diese Begriffe suggerieren Wärme und Willkommensein, und eben das sind diese Kinder.

Ziel war es damals, für Mütter, die sich in Notlagen befanden, eine Möglichkeit zu schaffen, ihre neugeborenen Kinder anonym abzugeben. Sie sollten einen letzten Rettungsanker bieten, wenn die Situation für Mütter ausweglos erschien.

Babyklappen ermöglichen aber keine medizinisch betreute Geburt – anders als der Status bei anonymen Geburten. Dennoch bedeuten sie immer noch einen Schutz für

neugeborenes Leben. Sie sind ein sicherer Empfangsraum für das ausgesetzte Kind und gewährleisten eine schnelle medizinische Versorgung für das abgegebene Kind. Deswegen halten wir auch die Einrichtung solcher Babyklappen an Krankenhäusern für wesentlich geeigneter.

Die Befürchtung, Eltern und Mütter könnten sich durch diese Angebote aus der Verantwortung stehlen, ist unhaltbar. Keine Frau macht sich die Abgabe ihres Kindes leicht. Wer solche Äußerungen von sich gibt, hat noch niemals mit Frauen gearbeitet, die in einem derartigen Konflikt stehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Babyklappen und anonyme Geburten sind keine ideale Lösung. Auch ich wünsche mir, dass Kinder bei ihren Eltern in einer intakten Familie aufwachsen. Aber: Babyklappen sind immer noch eine bessere Lösung als das Ablegen eines Kindes am Eingangstor. Dabei ist es egal, ob es eine Kirche oder ein Krankenhaus ist oder die Abgabe in einem ungeschützten Hauseingang erfolgt. Daher halten wir Babyklappen und die Angebote der anonymen Geburt für unverzichtbar.

Derzeit in der Diskussion sind auch große Hoffnungen, dass man mit einer vertraulichen Geburt Möglichkeiten schafft, Kindern den Kontakt viele Jahre später nach der Geburt zu den Eltern noch zu ermöglichen, weil die Adresse – der Datenschutz ist bereits angesprochen worden – eben nur für das Kind zu einem späteren Zeitpunkt bekannt wird.

Wir sehen auch die Betreiber von Babyklappen in der Pflicht, das Jugendamt – sobald ein Kind abgegeben wird – sofort zu informieren. Es ist für uns nicht hinzunehmen, dass im Nachhinein der Verbleib der Kinder nicht mehr nachvollziehbar ist oder im Vorhinein nur mündliche Absprachen mit Jugendämtern getroffen werden. Nein, diese Kinder sind dem Jugendamt sofort zu melden. Das fordern wir in unserem Antrag.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Babyklappen und anonyme Geburten allein reichen jedoch nicht, um Müttern in Notlagen zu helfen. Bevor diese Rettungsanker zum Einsatz kommen, muss es ein breites Netz an niederschwelligen Hilfsangeboten geben: Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und die Beratung durch Jugendämter.

Oftmals sind diese Wege den Frauen bekannt. Sie fühlen sich aber nicht passend aufgenommen. Sie befürchten, dass, wenn es um das Thema Adoptionsfreigabe geht, vor allem ihre Erziehungsfähigkeit generell infrage gestellt wird und womöglich weitere Kinder, die bereits in der Familie aufwachsen, anschließend durch das Jugendamt entzogen würden. Diese Ängste muss man ihnen nehmen und auch die niederschwelligen Beratungsangebote besser bekannt machen.

Eine wichtige Arbeit leisten hier die Mitarbeiter der verschiedenen Beratungseinrichtungen. An dieser Stelle

möchte ich daher einen recht herzlichen Dank für diese psychisch auch sehr schwierige Arbeit, die die Kolleginnen und Kollegen in den Beratungsstellen leisten, aussprechen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Der Antrag bedient ein sehr emotionales Thema. Es ist ein Thema, mit dem wir in der gesellschaftlichen Verantwortung stehen. Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Jonas. Frau Giegengack, Sie möchten kurzintervenieren.

Ja, ich möchte eine kurze Bemerkungen dazu machen.

Es wurde jetzt gerade angesprochen, bei dieser Studie, dass von den 973 Kindern, die diese Studie erfasst hat, bei 211 Kindern der Verbleib unbekannt ist. Das wurde durch die Medien so kolportiert. Ich will jetzt keine Medienschelte betreiben, aber es wurde im Nachhinein noch mal deutlich gemacht, dass nicht über 200 Kinder einfach verschwunden sind, sondern es gab mehrere Gründe, weshalb die Studie den Verbleib der Kinder nicht klar mitteilen konnte. Zum einen war es so, dass die Kinder vom Jugendamt vermittelt und die Träger der Babyklappe aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht informiert wurden. Zum Zweiten war der dauerhafte Verbleib bestimmter Kinder zum Zeitpunkt der Befragung durch das Jugendinstitut noch nicht bekannt. Bei der gesamten Anzahl der Kinder, die dort erfasst worden sind, ist wirklich nur bei zwei Kindern der dauerhafte Verbleib ungeklärt. Ich glaube, das relativiert es etwas, dass es nicht mehr um 200, sondern letztendlich um zwei Kinder ging.

Ich will damit nichts gutheißen. Es ist schlimm genug, wenn man nicht klären kann, wo die zwei Kinder geblieben sind – schlimm genug, aber besser zwei als 200.

Frau Jonas, Sie möchten erwidern?

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich glaube, jedes Kind hat das Recht zu erfahren, wie der Verlauf von Geburt an über die entsprechenden Strukturen, auch was die Gesellschaft versucht, um den Kontakt zum Elternhaus herzustellen und wie die Vorgänge waren, damit es zur Pflegefamilie oder auch zur Adoption gekommen ist, war. Jedes Kind, das nicht die Chance hat, seine leiblichen Eltern kennenzulernen, ist ein Kind zu viel. Ich glaube, dass gerade wir in Sachsen – und das zeigen ja die Zahlen – eben ein klares, transparentes System haben und es an dieser Stelle darum geht, die Rechtssicherheit für alle Beteiligten herzustellen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Aussprache fort. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Werner. Sie haben das Wort, Frau Werner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich feststellen, dass es natürlich für uns alle bestürzend ist, wenn Kinder wegen unterlassener Hilfeleistung sterben bzw. irgendwo abgelegt, weggeworfen oder getötet werden. Ich denke, für jeden von uns gilt, dass er alles dafür tun wird, um jedes einzelne Menschenleben zu retten.

(Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Dazu gehört auch, sich manchmal in einen rechtsunsicheren Raum zu begeben oder ein kleineres gegen ein größeres Übel abzuwägen. Das heutige Thema ist in dieser Grauzone und darüber hinaus hoch sensibel. Wir befinden uns zwischen rechtlichem Argumentieren und moralischen Werten, zwischen Studien und emotionaler Betroffenheit, zwischen verfassungsrechtlichen Ansprüchen und Menschen in höchster Not, den Babys, aber auch deren Müttern.

Wir haben verschiedenste Studien, Anhörungen und Stellungnahmen betrachtet, und es finden sich immer wieder auch widerstreitende Empfehlungen, die aber alle auch begründbar sind. Weil dies eben so schwierig ist, wird seit vielen Jahren versucht, auf Bundesebene dafür geeignete Lösungen zu finden. Derzeit liegt ein Eckpunktepapier der Familienministerin vor. Es war jetzt zu lesen, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger an einem Gesetzentwurf arbeitet. So lange wird bereits diskutiert und wir wollen heute hier im Sächsischen Landtag mal eben so darüber diskutieren. Ich bin auch der Meinung, dass eine Klärung unbedingt notwendig ist; damit schlägt man sich seit vielen Jahren herum. Ich glaube aber, ehrlich gesagt, nicht, dass eine Plenardebatte ergebnisbringender ist.

(Gitta Schüßler, NPD: Das ist keine Debatte!)

Ich hätte eine Diskussion im Ausschuss für geeigneter gehalten als hier im Plenum, wo nur eine Darstellung von Positionen möglich ist. Unter Umständen wird einem dann, wenn man vielleicht eine kritische Anmerkung macht, der Vorwurf zuteil, nicht zur Lösung beitragen zu wollen. Aber der wirkliche Austausch der Argumente, Ängste und Probleme ist so nicht möglich. Man kann nur schwer gemeinsam nach Lösungen und Kompromissen suchen und dann ist alles noch abhängig von Redezeiten. Das wird meiner Ansicht nach dem Thema nicht gerecht.

Wir haben gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN dazu eine Fachanhörung durchgeführt und deswegen fand ich den Antrag auch sehr wichtig und hätte gern im Ausschuss darüber diskutiert. Nun liegt der Antrag aber vor und es steht sehr viel Richtiges darin. Ich bin auch sehr gespannt auf die Antworten der Staatsregie

rung zu der derzeitigen Situation. Aber diese liegen heute noch nicht vor und können deswegen auch nicht diskutiert werden.

Ich will aber kurz darüber sprechen, warum die Analyse so notwendig ist. Es wurde schon angesprochen, dass sich der Deutsche Ethikrat 2009 für eine Abschaffung der Babyklappen und der bisherigen Angebote zur anonymen Geburt ausgesprochen hat. Er hält die anonyme Kindesabgabe für rechtlich bedenklich. Der Ethikrat sprach sich dafür aus, verstärkt öffentliche Informationen über bestehende Hilfsangebote zu geben, auch dafür, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit für schwangere Mütter in Not Fachkräfte per Telefon erreichbar sein müssen und dass Beratungen möglich sind.

Es müsste bekannt gemacht werden, dass die Hilfe in Not- und Konfliktsituationen auch vertraulich wahrgenommen werden kann. Der Ethikrat hat vor allem rechtlich argumentiert. Ich zitiere: „Zwar gelte in Notlagen mit unmittelbarer physischer Gefahr für Mutter und Kind für die Dauer des Notstands die Legitimation des Notstandsrechts für alle, die Hilfe leisten könnten. Auch dürfe die medizinische Betreuung einer Frau bei der Entbindung aufgrund der Hilfeleistungspflicht nicht verweigert werden, auch wenn diese ihre Identität nicht preisgebe. Das vom akuten Notfall unabhängige Angebot einer anonymen Kindesabgabe sei aber vom Notstandsrecht und der Hilfeleistungspflicht nicht gedeckt.“ Der Ethikrat plädiert stattdessen für ein Gesetz, das Frauen eine vertrauliche Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung ermöglicht.

In einer Anhörung im Bundestag wurde dargelegt, dass einer Neugeborenen-Tötung nicht nur eine Verheimlichung, sondern oft auch eine Verdrängung der Schwangerschaft vorausgeht. Meist handelt es sich bei den Täterinnen heute um Frauen mit bestimmten Defiziten bei der Lösung von Problemen. Aufgrund ihrer psychischen Auffälligkeit fehlt ihnen die Fähigkeit zur Kontaktaufnahme mit einer Klinik.

Tötungen von Neugeborenen werden durch das Angebot zur anonymen Geburt deshalb nach dieser Ansicht nicht verhindert. Stattdessen wurde die Befürchtung geäußert, dass im Fall der anonymen Geburt und der Babyklappen das Angebot erst die Nachfrage schafft. In der Anhörung wurden Beispiele benannt, in denen Frauen von ihrer Familie gezwungen wurden, ihr Kind verschwinden zu lassen. In Berlin gab es Fälle, in denen behinderte Kinder in den Babyklappen gefunden wurden – sowohl ein zwei Monate altes Kind mit Down-Syndrom als auch ein schwerbehindertes sechs Monate altes Kind. Auch Geschwister finden sich in Berliner Klappen. Man stellte bei DNA-Tests fest, dass über Jahre drei Kinder, offenbar von ein und derselben Mutter, abgelegt wurden. Das ist sicher sehr problematisch für die Legitimation der Babyklappe.

Andererseits – auch das wurde gesagt – hat sich eine Minderheit von sechs Mitgliedern des Ethikrates gegen die Abschaffung der Angebote zur anonymen Kindesabgabe ausgesprochen. Sie argumentieren, dass Babyklappe und anonyme Geburt ein letzter Ausweg für jenen kleinen