Protocol of the Session on December 14, 2012

Zu Herrn Hirche nur ein Hinweis: Gewaltaktionen und Demonstrationen dürfen nicht gleichgesetzt werden. Das Gedenken und Erinnern an die ausländerfeindlichen Gewaltexzesse aus dem Jahr 1991 in Hoyerswerda ist und bleibt notwendig. Dass wir dafür plädieren, dass dies natürlich grundsätzlich friedlich erfolgen muss, versteht sich von selbst.

Herr Ulbig, es ist Aufgabe und Pflicht des Staates, Straftaten zu verfolgen. Sie haben Beispiele aufgeführt. Niemand hat hier behauptet, dass dies in Sachsen nicht auch geschieht. Hier geht es aber um einen ganz konkreten Vorfall, und da ist eben einiges schiefgelaufen. Sie haben Maßnahmen genannt, die jetzt in Hoyerswerda ergriffen worden sind. Wenn diese Maßnahmen notwendig sind, ist das für mich allerdings ein Zeichen dafür, dass es vorher

eben nicht ausgereicht hat. Das müsste man aus meiner Sicht hier auch zugeben können.

Zu Herrn Hartmann möchte ich sagen: Mich hat der Begriff Vollkaskomentalität gestört. Ich denke, das war an dieser Stelle deplatziert.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie sagen, dass sich die Polizei korrekt verhalten hat, dann muss man doch festhalten, dass das Problem offenkundig war, dass zu wenig Polizeikräfte zur Verfügung standen. Die Polizei vor Ort konnte nicht handeln, nicht einschreiten, keine Personalien feststellen, und das über einen Zeitraum von zwei Stunden. Das hat dann eben doch etwas mit der Zahl der Polizisten vor Ort zu tun.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich glaube auch, dass nicht in erster Linie die Öffentlichkeitsarbeit inakzeptabel war. Inakzeptabel war die Aufforderung an die Opfer, die Stadt zu verlassen. So etwas darf es in Sachsen nicht geben.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Der Minister hat – zumindest habe ich es nicht gehört – auch nicht deutlich gesagt, wer denn nun wirklich was geäußert hat. Die Möglichkeit hätten Sie hier gehabt. Ich habe es jedenfalls nicht gehört.

Ich fand den Hinweis von Herrn Hartmann wichtig, dass eine stärkere Sensibilisierung der Polizei zum Thema Rechtsextremismus und zum Umgang mit Opfern rechter Gewalt notwendig ist.

Bei Ihnen, Herr Hartmann, und auch bei Herrn Biesok gab es eine ganze Reihe richtiger Aussagen. Allerdings haben diese dann nicht mit dem Schlusssatz zusammengepasst, dass Sie unseren Antrag ablehnen wollen, und Berichtsanträge gibt es schließlich auch aus anderen Fraktionen. Deshalb meine abschließende Bitte: Denken Sie einfach noch einmal darüber nach. Ich bitte alle Demokraten ausdrücklich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD – Arne Schimmer, NPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Tut mir leid, jetzt ist es zu spät.

(Die Präsidentin erkundigt sich beim Juristischen Dienst, ob noch eine Kurzintervention möglich ist.)

Es geht leider nicht. – Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag. Wer der Drucksache 5/10623 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6

Kein Pflege-Bußgeld für sächsische Arbeitnehmerinnen

und Arbeitnehmer – Buß- und Bettag erhalten

Drucksache 5/10641, Antrag der Fraktion der SPD

Auch hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt Herr Abg. Dulig von der SPD-Fraktion, danach folgen CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 1994 wurde die Pflegeversicherung verhandelt und in Gesetzesform gepackt. Damals wurde eine paritätische Finanzierung der Pflegeversicherung auf gleichen Schultern vereinbart – Arbeitnehmer(innen) auf der einen und Arbeitgeber(innen) auf der anderen Seite. Es gab damals eine Diskussion, von der Arbeitgeberseite angestrengt, dass man dafür, bitte schön, aber einen Feiertag opfern solle; denn man sei aufgrund der Aufgaben und Lasten, die auf den Schultern lägen, nicht mehr bereit, solche zusätzlichen Lasten zu tragen. Deshalb wollte man eine Kompensation und alle Bundesländer haben gesagt, sie geben einen Feiertag dafür her.

„Alle“ stimmt nicht: Sachsen war das einzige Bundesland, das damals gesagt hat: Wir wollen unseren Buß- und Bettag erhalten, wir wollen keinen Feiertag opfern. Dafür geben wir den Grundsatz der paritätischen Finanzierung auf. Dies bezahlen die Arbeitnehmer(innen) in Sachsen ganz allein. Das wurde damals beschlossen.

In das Gesetz sind damals noch mehrere Absätze extra hineinformuliert worden, um dann diese Konstruktion zu finden, die nur deshalb notwendig war, damit Sachsen seinen Sonderweg geht. Das Ärgerliche ist nun, dass es eben einseitig auf dem Rücken der Arbeitnehmer(innen) ausgetragen wird, und genau das kritisieren wir, und das wollen wir beheben.

(Beifall bei der SPD)

Der Beitragssatz von 1,95 %, auf beide Schultern verteilt, würde 0,975 % für Arbeitnehmer(innen) und denselben Prozentsatz für die Arbeitgeberseite ergeben. In Sachsen sieht es so aus, dass die Arbeitnehmer(innen) 1,475 % zu schultern haben und die Arbeitgeber lediglich 0,475 %.

Schon damals fand ich die Argumentation mit den Feiertagen etwas verquer; denn es ist auch heute nach wie vor kein wirtschaftlicher Effekt nachweisbar und ablesbar. Welchen Anteil ein Feiertag zum Beispiel bei der Berechnung des BIP hat, ist nicht nachweisbar. Man könnte sogar umgekehrt formulieren: Die wirtschaftlich stärksten Länder haben die meisten Feiertage. Ich gehe jetzt nicht so weit, diesen Zusammenhang herzustellen, aber andersherum sage ich auch: Die Anzahl der Feiertage hat nichts mit der Wirtschaftskraft eines Landes, eines Unterneh

mens zu tun, zumal, wenn Sie sich die letzten zehn Jahre anschauen, aufgrund der unterschiedlichen Lage von Feiertagen kein Effekt nachweisbar ist. Da gibt es Feiertage, die so nah an Wochenenden bzw. auf diesen gelegen haben, wenn Sie das über die zehn Jahre rechnen, so ist kein Effekt nachweisbar. Deshalb ist das für uns auch gar nicht das Thema. Man könnte auch sagen, wir haben es eigentlich nur in die Überschrift hineingeschrieben, um es noch einmal festzuhalten.

Wir wollen die paritätische Finanzierung wiederherstellen, wir wollen aber nicht den Feiertag opfern, weil wir das – erstens – ohnehin für eine falsche Argumentation halten und – zweitens – dieser Feiertag in den letzten Jahren sowieso schon überbezahlt wurde, und zwar von den Arbeitnehmer(innen); denn wenn Sie sich die Gehaltsstruktur anschauen, so verdient ein durchschnittlicher Arbeitnehmer am Tag 130 Euro. In die Pflegeversicherung zahlt aber der sächsische Arbeitnehmer im Durchschnitt 156 Euro zusätzlich. Das heißt, die sächsischen Arbeitnehmer(innen) bezahlen mehr, als tatsächlich eingespart werden könnte. Ich denke, es ist Zeit, ihnen das wieder zurückzugeben. Deshalb heißt es für uns, den Feiertag zu behalten, aber endlich mit dieser Ungerechtigkeit aufzuhören, die Gerechtigkeitslücke zu schließen und die paritätische Finanzierung wieder einzufordern.

(Beifall bei der SPD)

Was spricht nun gegen unseren Antrag? Dagegen spricht, dass wir hier ein Thema aufgreifen, das die meisten Arbeitnehmer(innen) überhaupt nicht als Problem sehen. Vielen ist gar nicht mehr bewusst, dass sie eigentlich die Einzigen sind, die das auf ihren Schultern zu tragen haben. Das zweite Gegenargument ist, dass wir die Arbeitgeberseite belasten, dass es jetzt darum geht, das zu verschieben – von der Arbeitnehmer- auf die Arbeitgeberseite. Diese beiden Argumente sprechen gegen unseren Antrag.

Das heißt, wir müssen natürlich abwägen, und das heißt für uns erstens, dass wir vor allem bei der wachsenden Bedeutung des Themas Pflegeversicherung die Sorge haben, dass sich diese Gerechtigkeitslücke weiter verstärkt. Bereits am 1. Januar 2013 werden die Beitragssätze wieder erhöht, und wir können davon ausgehen, dass auch die Pflegeversicherung einen neuen Reformbedarf haben wird, da dieses Thema an Bedeutung gewinnt und immer wichtiger wird. Wir können davon ausgehen, dass es dabei Nachholbedarf gibt. Also muss man doch sehen, dass die Voraussetzungen für den nächsten Reformbedarf

nicht dazu führen, dass die Ungerechtigkeit noch größer wird. Man sollte erst einmal Gleichheit herstellen, damit die Ungerechtigkeit nicht größer wird.

Zweitens – die Belastung der Arbeitgeberseite. Hier muss man umgekehrt argumentieren: dass die Arbeitgeber in Sachsen in den letzten Jahren mit 156 Euro entlastet wurden, weil eben einseitig von den Arbeitnehmern gezahlt wurde. Auf der anderen Seite stellt sich für uns eine Prinzipienfrage. Bei dieser Abwägung, was uns wichtiger ist, haben wir gesagt: Uns ist die paritätische Finanzierung wichtig, weil diese Solidarität die Grundlage unserer heutigen Wohlfahrt ist, dass gleich verteilt wird auf die Seite der Arbeitgeber und die der Arbeitnehmer, und dieses Prinzip ist uns wichtig.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Staatsministerin Christine Clauß)

Das Argument lasse ich gelten. Dass wir inzwischen in bestimmten Bereichen diese Parität aufgehoben haben und wir als SPD sogar Verantwortung dafür tragen, ist mir bewusst.

Weil es mir bewusst ist, sage ich: Wir müssen vielleicht auch Dinge, die falsch sind, wieder geraderücken; denn wir waren ganz stark, wenn wir eine paritätische Finanzierung hatten. Das war die Stärke unseres Wohlfahrts- und Sozialstaates, und das müssen wir aufrechterhalten. Deshalb sagen wir in der Abwägung: Das Prinzip einer solidarischen Finanzierung ist uns wichtiger, und wir wollen eine paritätische Finanzierung. Wir wollen, dass es kein Pflege-Bußgeld auf dem Rücken der sächsischen Arbeitnehmer(innen) gibt. Das ist unser Beitrag: „Mehr Netto vom Brutto“.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU Herr Abg. Krauß, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Martin Dulig hat es gesagt: Die paritätische Finanzierung ist wichtig. Das ist richtig, es ist ein Grundbaustein unseres Sozialstaates. Aber es ist ebenso richtig zu sagen, dass wir in verschiedenen Bereichen überhaupt keine paritätische Finanzierung mehr haben; nur bei der Unfallversicherung, die durchgängig die Arbeitgeber zahlen, das ist durch Zwischenrufe schon deutlich geworden, dass wir bei der gesetzlichen Krankenversicherung seit dem 01.09.2005 keine paritätische Finanzierung mehr haben. Ich darf auch daran erinnern,

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

dass zu dieser Zeit nicht die CDU regiert hat, sondern die SPD und die GRÜNEN die paritätische Finanzierung in der Krankenversicherung abgeschafft haben.

(Martin Dulig, SPD: 1994 hat Schwarz-Gelb in Berlin regiert!)

Entschuldigung, die 0,9-prozentige Erhöhung ist unter Rot-Grün beschlossen worden. Dort haben Sie die paritätische Finanzierung in der Krankenversicherung aufgehoben.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das ist eine Entscheidung der rot-grünen Bundesregierung gewesen. Ich will es bloß einmal sagen, weil Sie immer den jetzigen Zustand beklagen, den Sie selbst herbeigeführt haben.

(Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Ich wundere mich immer darüber, dass Sie das so tiefgründig beklagen.

Wenn ich die Diskussionen bei der Sozialdemokratischen Partei höre, da wird immer gesagt: Die Lohnnebenkosten spielen eigentlich gar nicht so eine große Rolle. Das ist übrigens auch das, was man bei vielen Unternehmen hört. Diese sagen jetzt: Die Energiekosten sind das, was uns am stärksten belastet.