und Beratungshilfe ist ein besonderes Sozialhilferecht. Sie ist keine Rechtsschutzversicherung vom Staat. Das verkennen meines Erachtens die Antragsteller, wenn sie bei dem vorliegenden Entwurf der Bundesregierung vermuten, der Rechtsschutz vor Gericht und der Zugang zum Recht solle zulasten der Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt werden. Es ist vielmehr ein Gesetzentwurf, der die Regelungen der Prozesskosten- und Beratungshilfe denen der Sozialhilfe angleicht, ohne sie komplett gleichzusetzen.
Was sind die Fakten? Der Freibetrag für Erwerbstätige wird von bisher 50 % auf zukünftig 25 % der Regelbedarfsstufe reduziert. Sicher, das ist eine weitere Beeinträchtigung, aber für andere Sozialleistungen, wo ein besonderer Bedarf bei der Bevölkerung entsteht und die wir aus staatlichen Mitteln ausgleichen, gelten ganz andere Sätze. Da wird eins zu eins angerechnet. Ich frage mich, warum soll das bei der Prozesskostenhilfe, wo wir Bedürftigen aus staatlichen Mitteln helfen, anders sein? Zudem – Herr Bartl, Sie haben es auch gesagt – wird der Freibetrag für die Angehörigen ebenfalls dem SGB XII angeglichen. Ich denke, es ist konsequent, diese Einkommens- und Vermögensbegriffe im Sozialhilferecht einschließlich seiner Spezialgesetze annähernd gleich zu regeln.
Vielen Dank. – Kollege Biesok, geben Sie mir darin recht, dass es einen Unterschied macht, ob sich eine bedürftige Bürgerin, ein bedürftiger Bürger entscheidet, dieses oder jenes Bekleidungsstück nicht zu kaufen, weil es der Geldbeutel nicht hergibt, oder ob er unwiederbringlich auf die Geltendmachung eines Rechtes verzichten muss, weil er es nicht finanzieren kann? Da gibt es ja keine zwei Chancen. Das kann nicht präjudiziert sein. Entweder ich klage in der Frist oder nicht. Aber ich kann nur klagen, wenn ich es bezahlen kann.
Herr Bartl, Ihre Frage beinhaltet eine Unterstellung, nämlich dass derjenige, der es sich nicht leisten kann, nicht klagen kann. Er kann nach wie vor klagen, aber der Anteil des Vermögens, den er einsetzen muss, ist höher. Deshalb ist das eine Frage, die ich Ihnen so nicht beantworten kann.
72 Monate verlängert. Auch das ist meines Erachtens eine Angleichung der Prozesskostenhilfe an die Sozialhilfe und führt lediglich zu einer moderaten und vertretbaren
Erhöhung der Beteiligung eines Prozesskostenhilfeempfängers an den Prozesskosten. Er muss diese Kosten auch nur dann tragen, wenn er das Verfahren verliert oder wenn er das Verfahren gewinnt und anschließend seinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner nicht durchsetzen kann. Aber auch dieses Risiko trägt jemand, der vermögend ist, ebenso, wenn er seinen Anspruch gegen den Gegner nicht durchsetzen kann.
Hier ist es so, dass es dazu eine Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht gibt. Herr Bartl, Sie zitieren sehr häufig das Bundesverfassungsgericht, welches das alles schon ausgeurteilt hätte. Deshalb möchte ich Sie darüber informieren, was das Bundesverfassungsgericht dazu gesagt hat. Es hat entschieden, dass der bedürftigen Partei die Prozessführung nicht unmöglich gemacht werden darf und ihr bei Nachzahlung der Raten das Existenzminimum ungeschmälert verbleiben muss. Das ist beides der Fall. Wir haben lediglich eine moderate Verlängerung um zwei Jahre.
Wenn Sie die Maßstäbe, die Sie bei Bundesverfassungsgerichtsurteilen ansonsten hier im Plenum anwenden, auf die Neuregelung übertragen, dann können Sie gegen diese Regelung eigentlich nichts haben.
Sie sagen selbst, dass eine Kostenexplosion oder eine Kostensteigerung – ich will´s nicht übertreiben – dadurch ausgeglichen werden kann, dass die Anträge sorgfältiger geprüft werden.
Ich denke, dieses Anliegen kann man unterstützen. Deshalb finde ich es richtig, dass die Prozessgegner die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Antrag auf Prozesskostenhilfe bekommen. Meines Erachtens ist das Ausdruck eines fairen Verfahrens. Der eine trägt das Risiko des Verlierens und des Tragens der Prozesskosten bzw. des Prozesskostenvorschusses aus seiner eigenen Tasche, der andere bekommt das entsprechende Geld vom Staat. Dann sollte auch derjenige, der diese Rückendeckung durch den Staat nicht hat, zumindest die Gelegenheit bekommen, zu dem Antrag Stellung zu nehmen.
Häufig ist der Antragsgegner der Einzige, der substantiiert etwas zu den Einwendungen gegen den eingeklagten Anspruch vortragen kann oder Kenntnisse über die Vermögensverhältnisse hat – Kollege Mackenroth hat es beschrieben – und diese vielleicht aus Versehen im Antrag nicht ausführlich genug dargestellt hat. Von daher begrüße ich diese Regelung ausdrücklich.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Biesok, geben Sie mir recht, dass bereits heute die Regelung so ist, dass der Antragsgegner oder der künftige Beklagte regelmäßig zu der Frage der Erfolgsaussicht, zur Berechtigung des Klagebegehrens,
Neu ist nur, dass er in Zukunft auch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen Stellung nehmen soll. Wenn Sie mir darin recht geben, dann erklären Sie mir doch bitte einmal, woher die zwei Drittel, die Prozesskostenhilfe beantragen – jetzt bei Ehescheidungsverfahren – und die seit eineinhalb oder zwei Jahren getrennt lebende Ehegatten sind, voneinander wissen sollen, wie die Einkommensverhältnisse des anderen sind, ohne dass man sie ausforscht?
Herr Kollege Bartl, wenn Sie mir richtig zugehört haben, stellen Sie fest, dass ich gerade beide Begriffspaare genommen habe, und zwar, dass er zu dem geltend gemachten Anspruch Stellung nehmen kann. Das ist bisher auch schon so gewesen. Das habe ich nicht bestritten und auch nicht behauptet, dass das eine Neuerung wäre. Aber besonders bei den wirtschaftlichen Verhältnissen, wenn es zum Beispiel um Vermögensanlagen oder um die Durchsetzung von Ansprüchen geht, kann es sehr wohl möglich sein, dass der Gegner etwas weiß, was der Antragsteller nicht offenbart hat. Ich halte es für richtig, ihm dazu die Möglichkeit einer Stellungnahme zu geben.
Kollege Biesok, als leidenschaftlicher Volljurist, der Sie sind, frage ich Sie: Halten Sie es für legitim, dass ich über meinen Nachbarn weiß, welche Geldanlagen er eventuell hat, bzw. aufgebe, das zu erforschen und einzuwenden?
Herr Kollege Bartl, wenn jemand Prozesskostenhilfe beantragt, dann verfügt er nur über das absolute Minimum. Das ist doch schon allein aus dem Fakt heraus, dass jemand Prozesskostenhilfe bekommt, und das wird dem Antragsgegner schon mitgeteilt. Dann muss es doch die Möglichkeit geben, dass man dazu Stellung nimmt.
Denken Sie zum Beispiel an die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Versicherungen oder Banken. Die haben oftmals Kenntnis davon, wo noch etwas liegt, was im Prozesskostenhilfeverfahren nicht unbedingt vorgetragen wird. Da würde ich ganz gern auch als Bank oder als Versicherung vortragen wollen, dass ich die Vermutung habe, dass durchaus noch etwas anderes da ist, was vor kurzer Zeit noch auf die Ehefrau übertragen wurde. Diese Gelegenheit sollte man haben.
Der Gesetzentwurf bringt auch noch einige verfahrenstechnische Neuerungen. Zum Beispiel haben wir jetzt endlich eine gesetzliche Legaldefinition, wann eine Prozessführung mutwillig ist. Wir haben im Gesetz geregelt, dass dann eine Mutwilligkeit vorliegt, wenn ein finanziell leistungsfähiger Rechtsuchender von der Beratung oder Vertretung durch eine Beratungsperson absehen würde. Damit ist noch einmal sehr deutlich der Maßstab dargelegt, dass, wenn jemand, der sein eigenes Geld einsetzt und sagt, er geht diesen Prozess ein, weil er eine hinreichende Erfolgsaussicht hat, dann der gleiche Maßstab für denjenigen gilt, der nicht vermögend ist und auf staatliche Unterstützung angewiesen ist. Ich denke, das ist eine wichtige Klarstellung. Diesbezüglich kann man den Gesetzentwurf nur begrüßen.
Ich möchte diesen Gesetzentwurf aber nicht über den grünen Klee loben, nur weil er aus einem FDP-geführten Ministerium kommt. Einen Punkt – darin unterscheiden sich Kollege Mackenroth und ich – sehe ich durchaus kritisch. Das ist die Frage der Ehescheidung.
Bislang war es so: Wenn es gewünscht wurde, konnte auch ein Bedürftiger in einem Ehescheidungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragen, wenn er selbst nicht der Betreibende war. Ich halte das für eine gute Regelung, dass hierbei nicht nach den Erfolgsaussichten und der Notwendigkeit gefragt wird. Besonders eine Ehescheidung ist eine höchstpersönliche Auseinandersetzung, die Eheleute untereinander führen. Dabei sollte mehr die innere Überzeugung, ob ich jemanden in diesem Verfahren brauche, der mir beisteht, überwiegen, als dass ein anderer Jurist überprüft, ob das ein rechtlich kompliziertes Verfahren ist, bei dem es angezeigt ist, einen entsprechenden Rechtsbeistand dabei zu haben.
Das ist ein Ausdruck des Sozialstaatsprinzips, und in diesem Punkt sehe ich den Gesetzentwurf der Bundesregierung als verbesserungswürdig an.
In anderen Bereichen bringt der Gesetzentwurf eine deutliche Verbesserung – diesbezüglich möchte ich auf die Beratungsstellen zu sprechen kommen: Das Beratungshilferecht soll für öffentliche Beratungsstellen auch in anderen Ländern als den Stadtstaaten neu geregelt werden. Ich kenne zum Beispiel das Beratungshilfesystem in Bremen recht gut. Es hat sich dort sehr gut bewährt. Ich denke, das ist ein guter Ansatz, auch in anderen Bundesländern diese Beratungshilfe einzuführen.
Ich begrüße es ebenfalls – auch wenn das mancher anwaltlicher Kollege nicht gern hört –, dass die bisherige enumerative Auflistung der Gegenstände, zu denen beraten werden kann, künftig geöffnet wird und man zu allen Rechtsangelegenheiten eine solche Beratungsstelle aufsuchen kann.
Ebenfalls begrüße ich – das ist auch eine Erweiterung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger – die Möglichkeit, künftig Beratungshilfe auch bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe sowie der Rentenberater in Anspruch zu nehmen. Besonders das Steuerrecht – wir konnten uns ja mit „einfach“, „niedrig“, „fair“ und „gerecht“ nicht
durchsetzen – ist immer noch eine sehr komplizierte Materie, durch die kaum ein Bürger durchblickt. Daher ist es für Menschen mit kleineren Einkommen, die vielleicht aus einem längeren Zeitraum irgendwelche Steuerprobleme haben, mehr als gerechtfertigt, dort einen steuerlichen Berater hinzuzuziehen.
Gleiches gilt auch für Rentenberater. Sie erfüllen eine sehr wichtige Funktion bei der Beantragung der gesetzlichen Rente und es ist eine gute Sache, wenn man dort eine Unterstützung gewähren kann.
Insgesamt sehe ich diesen Gesetzentwurf als ausgewogen an, da er die Interessen der Steuerzahler mehr berücksichtigt und konsequent die Systeme der Sozialhilfe und der Beratungshilfe angleicht. Er erweitert die Beratungsmöglichkeiten sehr deutlich. Deshalb hoffe ich, dass mit der Korrektur, die ich gerade angesprochen habe, dieser Gesetzentwurf zum Gesetz wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin wie die Kollegin Friedel bei Ihnen, Herr Mackenroth, über die Frage des Missbrauchs gestolpert. Ich finde es nicht fair und nicht richtig, wenn Sie davon ausgehen, dass, wenn mehr Geld ausgegeben wird, dies am Missbrauch seitens irgendwelcher Beteiligten liegt.
In Ihrem Redebeitrag ist deutlich geworden, wem Sie diesen Missbrauch unterstellen. Es kommen in Betracht die Antragsteller, die von ihrem Recht Gebrauch machen, das ihnen gegeben ist – aus den richtigen sozialstaatlichen Gründen; Kollege Bartl hat es dargestellt –, oder die Gerichte. Sie haben Ihren ehemaligen Kollegen – Sie kommen aus der Gerichtsbarkeit – diesbezüglich kein gutes Zeugnis ausgestellt. Sie haben in einem späteren Satz gesagt: Na ja, die unterschreiben das dann mal schnell, weil sie dann möglichst wenig Arbeit damit haben.
Das wollte ich nur noch einmal festgehalten haben, weil – das gehört zwar nur am Rande zum Thema – ich mich einerseits über diese Klarheit der Aussage gewundert, andererseits aber auch durchaus gefreut habe. Ich erinnere mich an eine Debatte, die wir lange Zeit geführt haben – Stichwort: Handygate Funkzellenabfrage. Da ist es nämlich auch viel einfacher für einen Richter, einfach abzuzeichnen. Diesbezüglich habe ich eine derartige Kritik aus dem Mund eines Vertreters der CDU- oder der FDP-Fraktion nicht vernommen.
Aber jetzt, wo es um die sozialen Rechte der Armen in diesem Lande geht, reden Sie von Missbrauch und unterstellen Ihren Richterkollegen eigentlich im Grunde rechtswidriges Verhalten. Ich hoffe, dass das dort auch zur Kenntnis genommen wird.