Protocol of the Session on October 17, 2012

Gerne.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Herr Jurk zuerst!)

Herr Stange, zuerst waren Sie an der Reihe. Wollen Sie den Vortritt lassen? – Zuerst ist Herr Stange und dann Herr Kollege Jurk an der Reihe.

Herr Präsident, wenn ich heute einen Wunsch frei hätte, würde ich dem Kollegen Jurk den Vortritt lassen.

Wenn Sie zuvorkommend sind, darf die erste Zwischenfrage Herr Kollege Jurk stellen.

Herr Staatsminister Morlok, können Sie sich daran erinnern, dass die sogenannte Kostenexplosion beim Leipziger City-Tunnel hauptsächlich darauf beruhte, dass die Kosten für den Bau des Tunnels einschließlich der dazu geschlossenen Verträge wesentlich geringer angesetzt wurden? Können Sie sich daran erinnern, dass im Laufe des Verfahrens – unabhängig von den Baukostensteigerungen durch Sicherheitsmaßnahmen und Bauveränderungen – die Kostensteigerungen darauf beruhten, dass man in der Vergangenheit das Projekt heruntergerechnet hatte und dann die tatsächlichen Kosten in der Bauzeit eingetreten sind?

Herr Kollege Jurk, Sie haben die Situation vollkommen zutreffend beschrieben. Einer derjenigen, der die Kosten am meisten nach unten gerechnet hat, war Wolfgang Tiefensee. Er war damals der Oberbürgermeister in Leipzig. Später war er Bundesverkehrsminister. Ich habe gerade gesagt, dass Sie als Fachminister für die Kostensteigerungen nichts können.

(Zurufe aus der SPD)

Sie waren derjenige, der die negative Nachricht überbringen musste. Es wäre gut und würde zur sachlichen Debatte beitragen, wenn Sie das bei einem Glas Bier dem Kollegen Pecher erklären würden.

Becker?

– Pecher.

Ich habe „Becker“ verstanden, Entschuldigung. Ich wollte gerade darüber nachdenken, wer Kollege Becker ist.

Ich hätte noch eine Nachfrage: Hat Wolfgang Tiefensee den Bau- und Finanzierungsvertrag für den City-Tunnel unterschrieben?

Wolfgang Tiefensee hat den Bau- und Finanzierungsvertrag nicht unterschrieben. Sie wissen,

dass er als damaliger Oberbürgermeister die entsprechende Planung in der Vorgesellschaft vorangetrieben hat. Er hat in der Verhandlung mit dem Freistaat Sachsen das Projekt auf die Tagesordnung gesetzt. Insofern sind wir uns darüber einig, dass es das damalige Ziel der Stadt Leipzig war, das Projekt finanziert zu bekommen. Deswegen wurden die Kosten nach unten gerechnet. Es ist eingetreten. Das hat der Rechnungshof ebenso festgestellt.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ja, gerne.

Bitte.

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Ich würde gern gedanklich einen Sprung zurück machen. Sie sagten gerade Folgendes: Für die Zukunft muss man genau überlegen, was man sich noch leisten möchte. Herr Staatsminister, Sie haben bei der Veröffentlichung der ÖPNVFinVO bzw. des Entwurfs in der Presse darauf hingewiesen, dass Sie davon ausgehen, dass die Regionalisierungsmittel ab dem Jahr 2015 mindestens auf dem gleichen Niveau verbleiben. Sie gehen ebenso davon aus, dass mit einer Dynamisierung von 1,5 bis 2 % zu rechnen ist. Herr Staatsminister, wenn dies richtig ist, gehe ich zu Recht davon aus, dass wir das Angebot halten können?

Herr Kollege Stange, ich war gerade dabei, dies zu erläutern. Die Zwischenfragen haben dies jedoch unterbrochen. Ich möchte gerne damit fortfahren.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Ah, okay!)

Ja, ich bin der Auffassung, dass wir dieses Angebot fortführen können. Ich möchte die entsprechenden Aufgabenträger jedoch dringend dazu ermutigen, sich zu überlegen, wie sie mit dem bestehenden, aber auch mit zusätzlichem Geld – zum Beispiel durch Umorganisationen in ihren Zweckverbänden – noch bessere Angebote als die, die sie mit dem jetzt vorhandenen und zusätzlichen Geld anbieten, unterbreiten können.

Machen wir es ein wenig konkreter: Wir gehen davon aus, dass wir einen Mittelzuwachs für die entsprechenden Aufgabenträger für 2014 bis 2015 von circa 35 Millionen Euro verzeichnen werden. Ich sage Folgendes ganz klar: Mit Kürzungen hat dieser Vorschlag nichts zu tun. Wer 35 Millionen Euro mehr Zuschüsse an die Zweckverbände geben möchte, kürzt nicht, auch wenn Sie das in der Öffentlichkeit gern anders darstellen.

Ich kann verstehen, dass die Opposition krampfhaft versucht, irgendwo einen Makel zu finden. Das tun Sie. Es ist jedoch kein Makel, wenn wir mehr Geld in das System hineingeben. Ich bin mir sicher, dass die entsprechenden Zweckverbände und Aufgabenträger das merken.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Sie machen sich große Sorgen über die Wiederwahlchancen von dem einen oder anderen Abgeordneten der einen oder anderen Fraktion in diesem Land. Wir werden das Ergebnis der Verhandlungen zu den Regionalisierungsmitteln im Frühjahr 2014 vorliegen haben. Dann werden wir auch wissen, wie viel Geld die Zweckverbände und Aufgabenträger zur Verfügung haben. Ich bin mir sicher, dass die Regionen, Aufgabenträger und Landkreise die weitsichtige Politik von CDU und FDP im Freistaat Sachsen loben werden. Das wird entsprechende Auswirkungen auf gute Wahlergebnisse haben.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage von Frau Jähnigen, Herr Staatsminister?

Gern.

Sie planen die mittelfristige Finanzierung des öffentlichen Verkehrs in Sachsen mit unverändert hohen und dynamisch wachsenden Regionalisierungsmitteln nach dem Maßstab wie bisher. Sie schlagen aber trotzdem die Abbestellung von Bahnleistungen jenseits der Oberzentren vor. Mit welcher Verhandlungsstrategie wollen Sie sicherstellen, dass dieser positive Fall – Beibehaltung der bisherigen Finanzierungshöhe durch den Bund – eintritt? Was wollen Sie tun, wenn das nicht der Fall ist?

Sehr geehrte Frau Jähnigen, ich schlage überhaupt nichts vor. Sie müssen die Punkte einfach richtig lesen.

Ich habe schon einmal Verständnis dafür geäußert, dass die Opposition, weil sie sonst nichts anderes findet, mit diesen Punkten im Freistaat Sachsen Stimmung macht. Wenn Sie mit Ihren negativen Nachrichten Stimmung machen, müssen Sie bei den Fakten bleiben.

Wir schlagen überhaupt keine Streckenstilllegungen vor. Das Einzige, was ich und wir getan haben – dazu stehe ich auch, das habe ich gerade wiederholt –, ist Folgendes: Ich bitte die Aufgabenträger, darüber nachzudenken, ob man mit dem vorhandenen Geld im Hinblick auf einen anderen Mitteleinsatz ein besseres Angebot für die Menschen im Land erreichen kann. Das ist eine Aufgabe, die man den Zweckverbänden stellen muss, Frau Jähnigen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Ich bin mir nicht sicher, wer zuerst von den beiden Fragestellern an der Reihe ist. Ich würde vorschlagen, dass Herr Stange beginnt, weil er schon eine ganze Weile am Mikrofon steht. Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Stange, Herr Staatsminister?

Ich gestatte es. Ich bitte Sie, die Redezeit anzuhalten. Ich habe zwar noch 47 Minuten Redezeit zur Verfügung. Für die vielen Zwischenfragen reicht diese nicht aus.

(Heiterkeit bei der CDU und der Staatsregierung)

Herr Staatsminister, ich habe die Redezeit auch nicht ausgeschöpft. Herr Staatsminister, ich habe noch einmal eine Frage: Sie wissen nicht, wie viele Regionalisierungsmittel kommen werden, Sie sagen aber, dass es von 2014 auf 2015 einen Zuwachs von 35 Millionen Euro geben wird. Habe ich etwas missverstanden?

Wissen Sie, Herr Stange, es ist einfach so, dass Sie insbesondere dann, wenn Sie in die Zukunft schauen, mit Unsicherheiten leben müssen.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Ach!)

Wir werden – die Haushaltsdebatte ist angesprochen worden – hier im Dezember einen Doppelhaushalt für die Jahre 2013 und 2014 verabschieden, verabschieden müssen, weil das auch so vorgesehen ist.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Danke für den Hinweis!)

Wir wissen aber nicht, wie hoch die Steuereinnahmen im Jahr 2013 sein werden. Wir wissen auch nicht, wie hoch die Steuereinnahmen im Jahr 2014 sein werden. Dennoch wollen wir einen Haushalt verabschieden, dennoch machen Sie als Fraktionen ja Vorschläge für Ausgabenblöcke für die Jahre 2013 und 2014, obwohl Sie auch nicht wissen, wie hoch die Steuereinnahmen in diesen Jahren sein werden.

Deswegen gehen wir genauso vor, wenn es um das Thema Regionalisierungsmittel geht, dass wir eine Abschätzung machen, eine Prognose. Diese Prognose, die ich gemacht habe, war Grundlage für die Zahl, für die 35 Millionen Euro mehr für die Zweckverbände, die ich Ihnen genannt habe. Diese Prognose ist genauso sicher oder unsicher wie die Steuereinnahmen von 2013 und 2014. Wir werden aber deswegen nicht auf den Haushalt verzichten.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Vielen Dank!)

Gestatten Sie eine erneute Zwischenfrage von Frau Kollegin Jähnigen?

Wenn es der Sache dient.

Es dient sicher der Sache, wenn Sie meine Frage beantworten. Das wäre folgende: Wie ist Ihre Verhandlungstaktik auf Bundesebene, damit Sachsen weiter, wie von Ihnen angenommen, die Regionalisierungsmittel in unveränderter Höhe und dynamisiert bekommt? Was tun Sie, wenn das nicht so ist?

Sehr geehrte Frau Kollegin Jähnigen, Sie werden sicherlich verstehen, dass wir als Staatsregierung für den Freistaat Sachsen das Beste herausholen wollen. Das ist unsere Aufgabe, und das sind wir den Menschen im Freistaat Sachsen schuldig. Wenn man das tun möchte, dann verbietet es sich selbstverständlich, dem Counterpart, der Bundesregierung, die Verhandlungstaktik in öffentlicher Sitzung eines Parlaments kundzutun. Deswegen möchte ich das hier nicht machen. Ich bin aber gern bereit, dies in nicht öffentlicher Sitzung oder – wenn Sie es wünschen – im Rahmen einer nicht öffentlichen Ausschussberatung zu machen.

Wenn wir nun keine Zwischenfragen mehr haben, würde ich gern in meinen Ausführungen fortfahren.

Ich habe deutlich gemacht, dass es das Ziel der Staatsregierung ist, im Rahmen der neuen ÖPNVFinVO mehr Geld den Zweckverbänden für laufende Ausgaben zu geben. Sie haben als SPD-Fraktion vorgeschlagen, 90 % der Mittel direkt den Zweckverbänden zu geben. Wir werden nach unseren Vorstellungen bei einer Größenordnung von 80 % herauskommen. Man kann natürlich trefflich darüber streiten, ob man die verfügbaren Mittel vorwiegend für laufende Zuschüsse ausgeben möchte, wie Sie von der SPD das vorschlagen, oder ob man nicht einen Teil dieser Mittel verwendet, um zu investieren. Ein attraktiver ÖPNV im Freistaat Sachsen ergibt sich eben nicht ausschließlich durch laufende Zuwendungen an die Zweckverbände. Ein attraktiver ÖPNV ergibt sich auch dadurch, dass sie attraktive Strecken haben, dass sie attraktive Fahrzeuge, attraktive Bahnen haben, die auf diesen Strecken fahren und die eben nicht auf Verschleiß gefahren wurden, wie das in manchem Bundesland der alten Republik der Fall ist. Auch das gehört zur Wahrheit.

Man muss sich eben einmal entscheiden: Will man alles Geld verkonsumieren oder in die Zukunft investieren? Wir von Schwarz-Gelb wollen auch in die Zukunft investieren. Das ist der Unterschied, sehr geehrte Damen und Herren.