Protocol of the Session on October 17, 2012

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Mario Pecher, Du hast Dich mit Sicherheit versprochen. Sie machen keine Angebotspolitik, sondern Nachfragepolitik. So ist es richtig. Darin sind wir uns einig. CDU und FDP haben sich, mit Ausnahme solch sonderbarer Äußerungen, leider noch nicht dazu bekannt. Das muss man klar sagen.

(Volker Bandmann, CDU: Als schauspielerische Leistung nicht schlecht!)

Aber wir begrüßen gern alle Initiativen der demokratischen Parteien und Fraktionen und dazu mit Sicherheit auch eure beiden Anträge.

Zu den Anträgen ganz konkret, zunächst zum Antrag der GRÜNEN. Erstens. Die Entwicklung des ÖPNV in Sachsen wird vor allem am kommenden 9. November in

der Sachverständigenanhörung zum Entwurf der neuen ÖPNVFinVO 2015 bis 2020 in den verschiedenen Facetten erörtert werden. Wir werden mit Sicherheit ebenso erörtern, welche Auswirkungen die Haushaltskürzungen im Doppelhaushalt 2011/2012 auf Bus und Bahn in Sachsen hatten.

Zweitens. Die Antwort zu dem zweiten Punkt in dem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnt ihr Euch doch selbst schon geben. Ich darf übersetzen: „Planung, Organisation und Ausgestaltung des ÖPNV in Sachsen ist Aufgabe der Zweckverbände.“ Punkt. Das haben wir seit drei Jahren bei Kleinen Anfragen, Anträgen und Gesetzentwürfen doch immer wieder. Also, fragt doch nicht noch mal danach!

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Damit die was lernen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es bleibt so: Neben den Regelungen im Landesentwicklungsplan und Landesverkehrsplan bleibt die Ausfinanzierung – noch einmal – Dreh- und Angelpunkt der künftigen Ausgestaltung des Angebotes des SPNV und ÖPNV in Sachsen. Liebe Kollegin Springer, das ist auch keine vorgezogene Haushaltsdebatte, sondern einfach eine Feststellung von Tatsachen. Staatsminister Morlok hat mit seinem Entwurf zur ÖPNVFinVO – Entschuldigung! – auch nicht auf den Haushalt gewartet, sondern fängt jetzt damit an, wobei wir noch nicht einmal wissen, wie viel Regionalisierungsmittel wir überhaupt bekommen. Die Revision – darauf hat Kollege Pecher hingewiesen – wird 2014 stattfinden.

Mit anderen Worten: Der Schlüssel, der dort drinsteht, wird auf einer Grundlage errechnet, die wir noch nicht kennen, aber auf einer Streckenkategorisierung, die genau das nachvollzieht, was Kollegin Jähnigen und Kollege Pecher dargestellt haben. Daraus errechnen wir einen prozentualen Schlüssel und wissen am Ende genau so viel wie vorher, nämlich gar nichts.

Wir wissen nur, dass diese Strecken der Kategorien I, II, III – I und II auf jeden Fall – gefährdet sind. Klar bestellt das SMWA nicht ab, aber es zwingt durch diesen Verteilungsschlüssel und durch diese ÖPNVFinVO, Anlage 3 – die müssen Sie mal durchsehen –, die Zweckverbände, genau solche Strecken bis zu 400 Personenkilometern pro Tag abzubestellen, weil sie die Ausfinanzierung der anderen Strecken gar nicht mehr hinbekommen. Genau das ist das Ergebnis.

(Mario Pecher, SPD: Das ist unanständig!)

Es bleibt also dabei: Die Ausfinanzierung ist der Dreh- und Angelpunkt der künftigen Ausgestaltung des Angebots des SPNV/ÖPNV. Somit sind für unsere Arbeit, für unsere eigene Meinungs- und Willensbildung sowie für die Rahmensetzung die Anhörung zur ÖPNVFinVO sowie die Debatte und die Beschlussfassung zum Haushalt 07 am 14.12.2012 die zentralen Handlungsachsen der nahen Zukunft.

Drittens. Offen gestanden, der Landesverkehrsplan ist durch. Das muss keiner eingestehen, das ist einfach so. Ich habe eher den Eindruck, dass dieser Verkehrsminister nicht gewillt ist, den beschlossenen Landesverkehrsplan noch einmal zu überarbeiten. Wir haben vorhin bereits darüber gesprochen. Auch die Kollegen von CDU und FDP machen mir nicht wirklich den Eindruck, als wollten sie ihre Staatsregierung dazu auffordern.

Richtig ist – und da müssen wir in der zweiten Runde zum Landesentwicklungsplan auf jeden Fall dranbleiben –: Die Erreichbarkeitszeiten müssen wir grundsätzlich in den Landesentwicklungsplan hineinbringen.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Aber damit hast Du doch keine Chance mehr, wenn die dabei bleiben!)

Entweder wollen wir uns ein bisschen mehr am Landesentwicklungsplan beteiligen oder nicht. Was denn jetzt? Jetzt wollen wir es gemeinsam machen, und im Landesentwicklungsplan soll es dann nicht sein, oder wie? Ich wäre schon dafür, dass wir uns dazu verständigen.

(Eva Jähnigen, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Präsident, ich gebe ihr die Gelegenheit.

Sie haben doch gut reagiert, Herr Stange. Ich frage Sie, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen möchten?

Herr Präsident, sehr gern.

Das freut mich. Frau Jähnigen, Sie dürfen Ihre Zwischenfrage stellen.

Da mein Zwischenruf anscheinend am Pult nicht gut zu verstehen war, möchte ich Sie, Kollege Stange, noch einmal fragen: Glauben Sie, dass die von uns angestrebten Reisezeiten mit dem ÖPNV im Landesentwicklungsplan zu erreichen sind ohne einen schnellen Regionalverkehr mit der Bahn aus der Fläche des Landes in die Mittel- und Oberzentren?

Nein, das glaube ich nicht.

(Eva Jähnigen, GRÜNE: Ich auch nicht!)

Aber ich glaube, dass man über die ÖPNVFinVO und über den Haushalt entsprechende Voraussetzungen schaffen kann, damit die Zweckverbände, die Aufgabenträger, die Besteller entsprechende Angebote finanzieren können. Das ist unser Dreh- und Angelpunkt. Deshalb noch einmal: Die Ausfinanzierung ist der Dreh- und Angelpunkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stichwort strategische Bahnplanung: Das ist seit vielen Jahren eine wichtige und richtige Forderung. Allerdings so richtig, wie diese Forderung ist, ist auch die Aussage, dass es seit vielen Jahren keinem Ressortchef, von welcher Partei er auch kam, gelungen ist. Am langen Arm von Bahnkonzern und Bundesregierung ist bisher noch jeder Ressortverantwort

liche für den Verkehrsbereich verhungert. Das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen.

Zum Bestreben zur integralen Taktfahrplangestaltung, liebe Frau Springer, darf ich Ihnen etwas sagen: Integraler Taktverkehr nach den Vorstellungen, die hoch und runter diskutiert und bei allen Sachverständigenanhörungen ins Feld geführt werden, handelt es sich nicht um den Anschluss eines Busses an eine Bahn. Das ist schon etwas mehr. Da werden Sie keinen integralen Taktfahrplan in einer Gemeinde hinbekommen. Das hört sich hübsch an. Aber integraler Taktverkehr im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr in Sachsen ist etwas mehr. Da müssen wir schon noch eine Schippe drauflegen, um das hinzubekommen. Hier müssen wir den Zweckverbänden die Möglichkeit geben, viel stärker und in einer sinnvollen Koordination zueinanderzufinden.

Das Bestreben zur integralen Taktfahrplangestaltung ist nach unserem Dafürhalten bei den Aufgabenträgern ebenso vorhanden wie die Initiative zu alternativen Bedienformen im ländlichen und ländlichsten Raum. Da brauchen Sie nach unserer Auffassung wirklich keine Ideen aus dem SMWA. Offen gesagt, von da haben Sie auch keine zu erwarten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum SPD-Antrag I und II stimmen wir in den Forderungen überein, wenn es um die Weiterleitung der Regionalisierungsmittel an die Aufgabenträger des ÖPNV in Sachsen geht, ebenso bei der Zweckbindung der Entflechtungsmittel mindestens der 15 %, aber eigentlich wünschen wir uns wesentlich mehr. Andere machen 30 bzw. 45 % daraus. Beides müssen wir aber in Kürze wiederum in den Haushaltsverhandlungen miteinander festschreiben und hineinverhandeln.

Drittens. Minister Morlok hat bislang regelmäßig berichtet. Interessant wäre es aber, wenn wir über die Gutachtenbeauftragung hinauskommen und das Gutachten vorliegt, was dann tatsächlich in den Gutachten steht und wie sich der Freistaat dazu stellt. Das ETC-Gutachten zur ÖPNVFinVO und die Stellung des Staatsministeriums sind nicht unbedingt deckungsgleich. Das ist klar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir fast so einen ähnlichen Spruch wie Frau Springer aufgeschrieben. Jetzt verbietet sie natürlich, diesen zu zitieren. Allerdings will ich auch deutlich sagen, dass wir klare Aufgabenzuweisungen im ÖPNV-Gesetz in Sachsen haben. Das ist richtig so. Wir bezweifeln auch, dass es eine neue Expertenkommission geben müsste. Nach unserer Auffassung ist eher zu empfehlen, dass wir unsere Übereinstimmung zum LEP-Verfahren ins LEP-Verfahren übertragen und diese Erfahrung auch auf andere Bereiche übertragen, so auch auf die Zukunft des Angebotes des ÖPNV vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der finanziellen Rahmenbedingung. Auch die Ergebnisse der Enquete-Kommission zum demografischen Wandel des Sächsischen Landtages wie unter anderem der Abschlussbericht und das Minderheitenvotum sollten dazu herangezogen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einmal ganz ehrlich unter uns eine offene Frage: Wie viele Expertenkommissionen würden wir denn brauchen oder würden uns helfen gegen die Beratungsresistenz des sächsischen Verkehrsministers Sven Morlok

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

und seines Controllers Staatssekretär Roland Werner? Es bedarf offenbar anderer Mittel, um einem Sven Morlok beizukommen.

Noch einmal und klar und deutlich: Die ÖPNVFinVO 2011 bis 2014 hat Sven Morlok mit dem Kabinett unter Verzicht auf die Erkenntnisse aus der Sachverständigenanhörung des Landtages sowie der Expertisen der Träger öffentlicher Belange als Verordnung ins Werk gesetzt, de facto unter Verzicht, ebenso den nun beschlossenen Landesverkehrsplan. Das gibt er offen zu. Keine wesentlichen Veränderungen. Die Stellungnahmen der regionalen Planungsverbände und die Stellungnahmen der Nahverkehrszweckverbände haben eine andere Sprache gesprochen. Aber Minister Morlok schert sich wenig darum. Es wäre ja schon viel gewonnen, könnten wir Staatsminister Morlok wenigstens den viel gepriesenen Sachverstand der schwäbischen Hausfrau attestieren, denn die lässt sich wenigstens beraten.

Fazit, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn wir in der Verkehrspolitik etwas ändern wollen, müssen wir gemeinsam in der Haushaltsverhandlung Druck machen und vor allem öffentlichen Druck aufbauen, ebenso bei der ÖPNVFinVO. Anders ist nach unserer Auffassung dem Windschutzscheibenblickwinkel Sven Morloks und

Roland Werners in der sächsischen Verkehrspolitik nicht beizukommen.

In diesem Sinne werbe ich für gemeinsame Haushaltsanträge, die unsere gemeinsamen Zielsetzungen und Überzeugungen in der Verkehrspolitik zugunsten von SPNV und ÖPNV ausdrücken, egal, wer von uns ab 2014 die Ressortverantwortlichkeit für den Verkehr in Sachsen übernimmt.

In diesem Sinne hätten wir bei der Zuweisung an die Zweckverbände, bei der Schülerverkehrsfinanzierung, bei der Förderung des ÖPNV-Entflechtungsgesetzes, bei der Busförderung, bei der Mobilitätscard und natürlich bei der Fragestellung der Infrastrukturkosten viel zu tun.

(Stefan Brangs, SPD: Geburtstagsbonus!)

Bei den Infrastrukturkosten muss sich nämlich der Freistaat Sachsen im Bund ganz klar positionieren. Es kann doch nicht sein, dass pro Jahr 700 Millionen Euro über die Geldschwungscheibe Regionalisierungsmittel in den Bundeshaushalt gepumpt werden und dabei der Bahnkonzern vor Lachen nicht in den Schlaf kommt. Da müssen auch wir ran, damit wir den SPNV in Sachsen sinnvoll weiter ausfinanzieren können. In diesem Sinne freue ich mich schon jetzt auf die Haushaltsverhandlungen und darf mich für heute verabschieden, also zumindest auf meinen Platz.

Herzlichen Dank!

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach Herr Kollege Stange. Für die FDPFraktion ergreift Kollege Herbst das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verabschiedung meines Vorredners war sinnvoll, denn seine sprachlichen Bilder sind ja dermaßen schief, dass einem die Nackenhaare zu Berge stehen. Man kann sicher vieles der Regierung, den Ministern vorwerfen, aber der Blick durch die Windschutzscheibe … Sind Sie eigentlich einmal Bus gefahren? Saßen Sie schon einmal vorn auf einer Lok? Haben die keine Windschutzscheiben? Die Polemik der LINKEN, meine Damen und Herren, war recht billig und zeigt wieder, dass Sie auf alle Fälle einen Tunnelblick haben und nicht nach allen Seiten schauen können.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU)

Es ist ja wirklich ein Stück aus dem Tollhaus, uns von den GRÜNEN Ideologie vorwerfen zu lassen. Wenn jemand ideologisch eifernd daher kommt, dann sind Sie es doch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Protest bei den GRÜNEN)

Wenn Sie erzählen, die ÖPNV-Angebote hätten sich rapide verschlechtert, es gäbe überall Angebotskürzungen und Strecken würden stillgelegt – eine Drohkulisse, die Sie an die Wand gemalt haben –, dann frage ich mich, wo diese Drohkulisse eingetreten ist. Sie ist nicht eingetreten, meine Damen und Herren.

(Stefan Brangs, SPD: Die Drohkulisse ist eingetreten!)