Sie haben so viel Skepsis demgegenüber, wenn Sie von der eigentlichen Rolle der Petition sprechen, die so eine individuelle Bittstellerposition gegenüber der Obrigkeit bedeuten soll. So stellen Sie sich offensichtlich das Bürger-Politik-Verhältnis vor.
Es entspricht auch gar nicht der gelebten Petitionspraxis hier im Land. Das ist eine alte Vorstellung. Auch der Sächsische Landtag kennt jetzt schon die Massenpetition. Sie wird eingereicht zur Kita, sie wird eingereicht von Studierenden, von Schülerinnen und Schülern, aber eben immer auf Papier. Jetzt haben Sie Angst davor, dass es vielleicht noch mehr Menschen sind, wenn das online eingereicht wird. Es ist ängstlich und angesichts des technisch-demokratischen Standards, der in anderen Parlamenten gewählt wird, auch einfach rückständig, das abzulehnen. Egal, wie die Idee ist, die Sie vom Petenten haben, muss es doch Kopfschütteln auslösen gegenüber der Offenheit, die Sie für demokratische Prozesse eigentlich haben.
Das ist nicht der Fall. Wir setzen die Aussprache fort. Frau Abg. Dr. Deicke, Sie haben jetzt das Wort. – Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich glaube, ich kann dort anknüpfen, wo Frau Bonk gerade aufgehört hat.
Wir leben im Zeitalter des Internets, welches heute nicht nur für jeden Abgeordneten ganz selbstverständlich ist. Da ist es folgerichtig, wenn wir auch im Petitionsrecht die Kommunikationsplattform so breit wie möglich öffnen.
In der interfraktionellen Arbeitsgruppe des Petitionsausschusses haben wir uns vorgenommen, das sächsische Petitionsrecht zu modernisieren. Wir wollen es gemeinsam zeitgemäß gestalten, wobei die öffentliche Petition ein Teilaspekt ist.
Der Gesetzentwurf der LINKEN ist nunmehr bereits zwei Jahre alt. Er lag bis jetzt auf Eis. Frau Bonk hat es beschrieben und auch die Hintergründe dafür genannt. In
der Arbeitsgruppe – das sage ich jetzt bewusst – bestand die Chance, sich auch über die möglichen nächsten Schritte zur Einführung der öffentlichen Petition zu verständigen. Allerdings ist es bisher nicht gelungen; das haben wir heute schon gehört. Wir haben weder darüber beraten, noch wurden entsprechende Vorschläge unterbreitet.
Meine Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion hat sich in die Überarbeitung des sächsischen Petitionsrechts aktiv eingebracht, und zwar mit dem Ziel, dieses bürgernah, modern und verständlich zu gestalten. Da gehört die öffentliche Petition einfach dazu.
Man müsste das Rad gar nicht neu erfinden. Es gibt neben den positiven Erfahrungen des Bundestages, wo die Möglichkeit der öffentlichen Petition auf Initiative der SPD-Fraktion bereits im Jahr 2005 eingeführt wurde, auch weitere Beispiele in den Bundesländern, die die öffentliche Petition bereits verankert haben. Das sind zum Beispiel – es wurde schon genannt – Rheinland-Pfalz, Bremen oder – man höre und staune – Thüringen, wo ja bekanntlich die CDU in Mitregierungsverantwortung ist.
Bis jetzt waren wir deshalb eigentlich ganz zuversichtlich, dass das, was in Thüringen mit der CDU gelungen ist, auch in Sachsen hinzubekommen wäre. Das ablehnende Verhalten der CDU in den Ausschüssen und auch heute wieder hat jedoch gezeigt, dass das nicht selbstverständlich ist. Frau Dietzschold sprach zum Beispiel vom Reglementieren. Wir sprechen vom Öffnen. Anders als etwa in Thüringen will die CDU kein Mehr an Bürgerbeteiligung.
Mit der heutigen Abstimmung wird die Tür für die Einführung öffentlicher Petitionen in Sachsen leider erst einmal zugeschlagen. Ich denke nicht, dass CDU und FDP in der Arbeitsgruppe über ihren Schatten springen werden und der öffentlichen Petition weder mit noch ohne öffentliches Diskussionsforum zustimmen.
Wir haben aber Verständnis für das Vorgehen der Fraktion DIE LINKE. Sie hatte wirklich lange Geduld. Aber irgendwann reißt schließlich der Geduldsfaden.
Die Arbeitsgruppe hat neben den öffentlichen Petitionen noch weitere Reformvorschläge der demokratischen Landtagsfraktionen gesammelt und muss diese nun beraten.
Bei der Modernisierung des Petitionsrechts sollte zwar der Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gelten, aber im Moment haben wir eigentlich nur Stillstand.
Ich hoffe, dass die Arbeitsgruppe ihre Arbeit nun zügig fortsetzt, alle Fraktionen mit offenen Karten spielen werden und wir im nächsten Jahr ein neues Petitionsgesetz beschließen können.
Vielen Dank, Frau Dr. Deicke. Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Frau Abg. Jonas. Frau Jonas, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf bezieht sich in seiner Begründung hauptsächlich darauf, dass den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu eben jener besonderen Einreichung von Petitionen nicht möglich ist und daraus ein Nachteil bei der Wahrnehmung ihres im Artikel 35 der Sächsischen Verfassung garantierten Grundrechts entsteht. Das trifft so meiner Meinung nach aber nicht zu.
Allein der Begriff öffentliche Petition ist irreführend, da er schlichtweg die Einrichtung eines Diskussionsforums mit umschreibt und mit der Petition an sich nicht so viel gemein hat.
Der Begriff Petition ist in Artikel 35 unserer Verfassung folgendermaßen beschrieben: „Jede Person hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretungen zu wenden.“ Genau dadurch ist für jedermann gewährleistet, dass sich das Parlament mit dem Verwaltungshandeln in den angezeigten Einzelfällen beschäftigt und dieses jeweils prüfen kann und prüfen muss. Eine öffentliche Petition würde jedoch lediglich eine Plattform zum Austausch von unterschiedlichen Meinungen bieten. Genau darin besteht eben die Gefahr.
Auf Bundesebene gehen dazu durchschnittlich pro Jahr 20 000 Beiträge in einem Forum ein. Diese Kommentare müssen rund um die Uhr auf ihren Gehalt und ihre Informationen überprüft und moderiert werden.
Eine öffentliche Petition ändert nichts an dem normalen Ablauf der Behandlung. Es erhöht eben nicht die Erfolgsquote. Von den Regularien des Bundes ausgehend, würde es nicht einmal eine Garantie geben, dass es auch eine öffentliche Petition werden würde.
In Sachsen gibt es die Möglichkeit von Volksentscheiden und Bürgerbegehren. Das sind ganz direkt demokratische Elemente, die jeder Bürger nutzen kann. Außerdem gibt es die Petition. Übrigens werden diese – ganz im Gegensatz zur Behandlung von Petitionen auf Bundesebene – in Sachsen in erster Linie von den jeweiligen Berichterstattern bearbeitet und nicht, wie in Berlin, von der Verwaltung teilweise vorab beschieden. Das ist ein ganz gravierender Unterschied und ein deutliches Signal für Bürgernähe und Transparenz hier im Freistaat Sachsen.
Ebenso ist in unserem Petitionsrecht geregelt, dass sich der Petent vor dem Ausschuss zu seinem Anliegen äußern kann. Massen- und Sammelpetitionen werden direkt an den Präsidenten des Sächsischen Landtages, den Vorsitzenden des Petitionsausschusses oder einzelne Mitglieder
des Ausschusses übergeben. Bei dieser Gelegenheit können die Bürgerinnen und Bürger ihr Anliegen ganz direkt vortragen. Aber diese Auswahl an Möglichkeiten ist Ihnen sicher bekannt.
Frau Jonas, vielen Dank. Wenn Sie so darüber sprechen, wie Massenpetitionen normal eingereicht werden können und dann beim Präsidenten landen, warum sind Sie denn dann nicht dafür, dass man sie auch online einreichen kann?
Sehr geehrte Frau Bonk, wären Sie einmal im Ausschuss gewesen – Sie sind stellvertretendes Mitglied in diesem Ausschuss –, dann hätten Sie die sehr umfangreiche Diskussion darüber verfolgen können.
(Julia Bonk, DIE LINKE: Ich habe Sie etwas gefragt. Das war nicht einmal die Antwort auf meine Frage!)
Wir haben uns in den letzten Jahren in der Arbeitsgruppe des Petitionsausschusses jene Zeit gelassen, um genau zu schauen, wo wir im Interesse der Petenten nachjustieren müssen. Bei der Bearbeitung der Petitionen und in den Sitzungen des Ausschusses haben wir die Ansatzpunkte diskutiert und gefunden, an denen wir ganz konkret und effektiv für unsere Petenten etwas tun können.
Gleichzeitig werden wir die Tätigkeiten rund um die Petition entbürokratisieren und weitere Möglichkeiten für Transparenz schaffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das hat etwas mit wirklicher Bürgernähe zu tun. Wir als FDPFraktion werden gemeinsam mit der CDU-Fraktion weiter an diesen Entwürfen arbeiten. Wir werden diese Bürgernähe und Transparenz weiter schaffen und Ihren Gesetzesantrag ablehnen.
Meine Damen und Herren, nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Herr Abg. Jennerjahn, Sie haben das Wort.