Protocol of the Session on October 17, 2012

Meine Damen und Herren, nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Herr Abg. Jennerjahn, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir im Vorfeld dieser Debatte bewusst wenige Notizen gemacht, weil ich einfach mal schauen wollte, was in dieser Plenardebatte so passiert, und ich muss sagen: Es ist schon einigermaßen dreist, was uns CDU und FDP hier gerade angeboten haben.

Ich war insgesamt gespannt, welche Begründungen Sie für die Ablehnung aus dem Hut zaubern würden. Dazu habe ich herzlich wenig gehört. Frau Jonas, wenn Sie sagen, ein Diskussionsforum sei möglicherweise logistisch zu aufwendig, dann verweise ich nochmals darauf: Dieser Gesetzentwurf ist zwei Jahre alt, er liegt seit zwei Jahren. Die Vorschläge der einzelnen Fraktionen zur Modernisierung des Petitionswesens liegen seit Februar vor. Seitdem hat keine einzige inhaltliche Diskussion stattgefunden. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass DIE LINKE bereit gewesen wäre, auch Modifikationen an ihrem Gesetzentwurf zuzulassen, wenn es in der Sache weiter vorwärtsgegangen wäre. Nur haben leider diese Diskussionen zu keinem Zeitpunkt stattgefunden, und das finde ich einigermaßen dreist.

Wir haben im Februar unsere Vorschläge gesammelt, und seitdem haben wir aus der Opposition nichts mehr gehört, wie es weitergehen soll. Dann bekommen wir kurz vor der Sommerpause in der Sitzung des Petitionsausschusses plötzlich per Tischvorlage den Gesetzentwurf eingereicht und gesagt: Jetzt bildet euch mal schnell eine Meinung. Da war es dann Begehr von CDU und FDP, nicht in dieser Sitzung per Tischvorlage zu diskutieren, sondern in der Sitzung nach der Sommerpause. In der Sitzung nach der Sommerpause hat aber auch keine Diskussion stattgefunden, sondern es war eine ganz deutliche Unlust seitens der Koalition festzustellen, sich überhaupt auf das Thema einzulassen – mit der Konsequenz, dass der Gesetzentwurf quasi ohne Diskussion beiseitegeschossen wurde.

Das sind die Fakten, und ich finde es auch entlarvend, wenn Sie sich nun hier hinstellen und sagen, Sie werden an einer Modernisierung für mehr Transparenz usw. arbeiten, und dann unterm Strich – ob bewusst oder unbewusst, kann ich jetzt nicht beurteilen – zugeben, dass die interfraktionelle Arbeitsgruppe tot ist, indem Sie nämlich sagen, CDU und FDP werden dieses oder jenes tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Frau Dietzschold, ich bin immer wieder fasziniert, wie sich die CDU-Fraktion Begründungen zurechtbiegt. Sie sagen, Petitionen seien ein individuelles Recht. Da bin ich ja Frau Jonas dankbar, dass sie schon den Artikel 35 der Sächsischen Verfassung zitiert hat: Das Petitionsrecht ist ausdrücklich ein Recht, das einzeln oder in Gemeinschaft

mit anderen wahrgenommen werden kann. Ein Blick in die Verfassung hilft an dieser Stelle weiter. Der Verfassungsgeber hat also ganz klar gewollt, dass sich Menschen zusammenschließen und Bitten oder Beschwerden einreichen. Natürlich war 1992 noch nicht absehbar, wie sich die Technologie entwickeln würde. Das Internet war noch weit davon entfernt, massenkompatibel zu sein; und wir sind als Gesetzgeber in der Verantwortung, den technologischen Wandel zu berücksichtigen. Nichts anderes ist das Ziel dieses Gesetzentwurfes der LINKEN, nämlich, den technologischen Wandel nachzuvollziehen und auf rechtlich sichere Füße zu stellen.

Wir müssen uns auch noch einmal über den Charakter von Mitzeichnungsmöglichkeiten per Internet klarwerden. Die Möglichkeit, eine Petition online mitzuzeichnen, ist doch nichts anderes als das technische Äquivalent zur Unterschriftenliste auf Papier. Ich weiß wirklich nicht, was daran ablehnenswert wäre. Dementsprechend wird meine Fraktion dem Gesetzentwurf auch zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Jennerjahn. – Die NPD-Fraktion; Herr Abg. Delle.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der LINKEN greift gleich zwei politische Forderungen auf, die für uns als NPD von zentraler Bedeutung sind: die Stärkung der Position des Bürgers gegenüber Staat und Politik sowie die Umsetzung verfassungsrechtlicher Maßgaben und damit die Schaffung einer grundgesetzkonformen Verfassungswirklichkeit.

Obschon der heute eingebrachte Gesetzentwurf zur Einführung öffentlicher Internetpetitionen nach unserer Auffassung nur ein Anfang sein kann, dem Bürger endlich eine effektive Schnittstelle zu Staat und Verwaltung zu bieten, so zielt er gleichwohl in die richtige Richtung, nämlich hin zu einer Stärkung der Bürgerrechte, und wird daher auch die Zustimmung der NPD-Fraktion erhalten. Denn wenn Sie, meine Damen und Herren, heute einen Bürger nach seinem Eindruck fragen, durch welche Einrichtungen sich Staat und Verwaltung heutzutage am meisten um ihn bemühen, dann werden Sie in aller Regel zuallererst hören: durch das Finanzamt. Mit anderen Worten: Dieser Staat tritt seinen Bürgern – zumindest den deutschen ohne Migrationshintergrund – in allererster Linie als wegnehmend, beschränkend und belastend gegenüber.

Für die NPD-Fraktion ist es daher sehr verständlich, dass ein Staat, der sich von seinen Bürgern so immens finanzieren lässt, umfangreiche Möglichkeiten und Instrumente zur Verfügung stellt, um mit ihm zu kommunizieren. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann wird diese Kommunikation auch rege gesucht. Allein im letzten Jahr wurden 789 Petitionen an den Sächsischen Landtag

gerichtet, sodass im Grunde jeden Tag mindestens zwei Bürger eine Eingabe an den Freistaat richteten.

Wenn man die Koalition so hört, dann hat man schon den Eindruck, dass sie sich vor dem Bürger doch etwas fürchtet, und wenn Sie sich die Kosten anschauen, meine Damen und Herren von der Koalition, dann stellen Sie doch mal diese paar Euros, die so ein digitaler Briefkasten kosten würde, in Vergleich zu den Milliarden, die Sie an südeuropäische Pleitestaaten verschwenden. Wir werden jedenfalls dem Gesetzentwurf zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde der Aussprache. – Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Dr. Martens, bitte; Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf zielt auf eine Anpassung des Petitionsrechts, wie es heißt, moderne Kommunikationsmöglichkeiten. Gegen dieses Anliegen ist an und für sich nichts einzuwenden. Alle staatlichen Ebenen müssen sich dem technischen Fortschritt stellen und dem Bürger die Möglichkeit einer effektiven und zeitgemäßen Kommunikation eröffnen. Ich persönlich halte dieses Anliegen für auch im Petitionsbereich durchaus berechtigt.

Die Frage, inwieweit der Landtag und seine Ausschüsse ihre Arbeitsweise mit Blick auf diese Herausforderung anpassen sollten, betrifft einen Bereich, der sich – das möchte ich hier klarstellen – bereits im Grundsatz einer Beurteilung durch die Staatsregierung entzieht. Es ist eine rechtliche Frage, in welcher Form eine Anpassung gegebenenfalls erfolgen dürfte oder müsste, und allein zu dieser Rechtsfrage möchte ich mich hier äußern – mit Rücksicht auf die gebotene Gewaltenteilung.

Das Parlament verfügt über das Petitionsrecht. Das Petitionsrecht ist Grundbestandteil des Parlamentsrechtsbereichs. Im Gesetzentwurf wird geltend gemacht, dass die vorgeschlagenen Änderungen nach der, wie es heißt, Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts durch förmliches Gesetz geregelt werden müssen. Das ist wohl nicht zutreffend. Lassen Sie mich die Gründe dafür benennen.

Erstens. Das Schriftformerfordernis für Petitionen ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Artikel 35 der Sächsischen Verfassung selbst. Nach ganz überwiegender Auffassung ist nämlich diesem Formerfordernis Genüge getan, wenn die Petition auch per E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur oder über das hierfür bereits bestehende Online-Formular übermittelt wird. Diese Erkenntnis ergäbe sich jedoch schon allein aus der Auslegung von Artikel 35 der Verfassung selbst. Eine zusätzli

che Regelung durch Gesetz ist hier nicht erforderlich; denn das Gesetz wäre insofern nicht geeignet, die Verfassung und ihre Bestimmungen abzuändern, und ein Gesetz könnte insbesondere auch den verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalt des Petitionsrechts nicht abändern.

Zweitens. Einzelheiten zur Form einer Petition sind wohl nicht als wesentlich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzusehen. Diese Rechtsprechung entwickelte sich nämlich im Zusammenhang mit grundrechtsintensiven Fragen, wie etwa den Rechten von Strafgefangenen oder Fragen der Regelung bzw. Beschränkung des Berufszuganges. Auch dort, wo unterschiedliche Grundrechte und Verfassungsgüter aufeinandertreffen, hat der Grundsatz der Wesentlichkeit seine Funktion und Berechtigung.

Die Frage dagegen, ob ich eine Petition elektronisch absenden kann oder ob ich herkömmliche Übermittlungswege nutze, betrifft eine gänzlich andere Ebene des rechtlichen Gehalts.

Drittens. Auch die Einführung einer öffentlichen Petition muss nicht zwingend durch Gesetz vorgenommen werden. Eine Veröffentlichung einer Petition im Internet erfolgt nur mit Einwilligung des Petenten. Auch die Teilnahme an einer öffentlichen Diskussion ist ja freiwillig gewählt. Einer gesonderten Rechtsgrundlage bedarf es dafür ersichtlich nicht.

Die erforderliche Transparenz des Verfahrens bei der Veröffentlichung kann auch durch eine Regelung geschaffen werden, die untergesetzlicher Rechtsnatur ist. Da muss nicht der Gesetzgeber ran, meine Damen und Herren.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die vorgeschlagenen Neuerungen durchaus in den Grundsätzen der Arbeitsweise des Petitionsausschusses geregelt werden könnten. Das macht übrigens auch der Deutsche Bundestag so. Eines förmlichen Gesetzes durch den Gesetzgeber – so die Stellungnahme der Staatsregierung – bedarf es für die Einführung moderner Kommunikation im Petitionsbereich hingegen nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung.

(Julia Bonk, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Frau Bonk, Sie möchten sprechen? – Ja, Sie dürfen sprechen. Ich habe zwar gefragt, ob es noch Redebedarf in der zweiten Runde gibt, und die Staatsregierung hat zum Schluss gesprochen.

(Julia Bonk, DIE LINKE: Ich wollte nach dem Minister sprechen!)

Selbstverständlich können Sie das auch einmal durchbrechen. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich nutze gern die Gelegenheit, auf den Staatsminister einzugehen. Vielen Dank für die rechtliche Prüfung, die Sie vorgenommen haben. Sie haben aber selbst eingeräumt, dass es sich dabei um eine Materie handelt, die den Landtag in seinen inneren Abläufen selbst betrifft, und diese Einschränkung haben Sie selbst vorgenommen. Insofern vielen Dank! Es obliegt uns nun selbst, das zu beurteilen. Es ist völlig klar, dass wir nicht die Form der Petition ändern oder neu regeln wollen – das war ja der Kern Ihrer Argumentation –, sondern wir wollen das Medium der Einreichung regeln. Das ist etwas völlig anderes.

Wir wären dafür natürlich offen gewesen, das in den Grundsätzen des Petitionsausschusses zu ändern. Wir sind die ganze Zeit auch offen gewesen für eine gemeinsame Regelung jenseits der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf. Einige Redner sind darauf eingegangen, dass sie unsere Bemühungen anerkannt haben. Vielen Dank für diese sachliche Debatte generell. Wir waren offen dafür, und ich kann Ihnen sagen: Auch nach der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf bleiben wir natürlich offen für eine überfraktionelle Lösung und versperren uns nicht, auch wenn dies hier möglicherweise mit der Parlamentsmehrheit zu keinem konstruktiven Abschluss gebracht werden kann.

Ich bedanke mich für die sachliche Diskussion seitens der anderen Fraktionen, der demokratischen Oppositionsfraktionen und für die Redebeiträge der Koalition. Dass Sie Fragen entweder gar nicht zugelassen oder nicht beantwortet haben, macht ziemlich deutlich, dass Sie eigentlich keine Argumente haben. Sich dieser Anpassung, dieser Modernisierung zu verschließen drückt eher eine Skepsis aus. Wahrscheinlich ist es eher eine Skepsis vor dem Internet als neuem Einreichungsmedium, aber auch vor unkontrolliert agierenden Bürgerinnen und Bürgern. Das hat gerade das Petitionsverständnis der Rednerin der CDU deutlich gemacht.

Angesichts dieses Debattenverlaufes ist die Abstimmung nicht nur eine über die Modernisierung des Mediums, sondern letztlich über das Demokratieverständnis, das man bereit ist dem Petitionswesen beizumessen.

(Christian Piwarz, CDU: Ach Gottchen!)

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich schaue noch einmal in die Runde. – Es gibt keine Wortmeldungen mehr und wir können zur Abstimmung kommen.

Aufgerufen ist das Gesetz zur Einführung öffentlicher Petitionen per Internet beim Sächsische Landtag, Drucksache 5/3704, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Abgestimmt wird auf der Grundlage des Gesetzentwurfes. Änderungsanträge liegen keine vor.

Ich lasse über die Überschrift abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei zahlreichen Stimmen dafür und keinen Stimmenthaltungen ist der Überschrift mehrheitlich nicht entsprochen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über Artikel 1, Änderung des Gesetzes über den Petitionsausschuss des Sächsischen Landtages. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier keine Stimmenthaltungen und zahlreiche Stimmen dafür, dennoch nicht die erforderliche Mehrheit.

Wir kommen zur Abstimmung über Artikel 2, Inkrafttreten. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier ist dasselbe Abstimmungsverhalten festzustellen und Artikel 2 ist mehrheitlich nicht beschlossen.