Die Solidarrente, wie Sie sie jetzt darstellen, ist letzten Endes teuer, und es ist noch nicht einmal austariert, ob sie über Steuern oder Beiträge finanziert werden soll. Das ist unseriös und es ist unfair.
Sie wollen das System, das die Rentenkassen jetzt haben, vollkommen umkehren. Es ist kein Kapitalstock gebildet worden. Die Rentenbeiträge gehen, wie sie eingezahlt wurden, wieder drauf und die nachkommende Generation kann kein hinreichendes Beitragsaufkommen erwirtschaften. Denn auch das haben Sie in Ihrem Plädoyer dargestellt.
Es geht darum, dass wir in Deutschland eine doppelte Alterung haben. Es sind nicht nur die niedrigen Geburtenraten, es ist auch die steigende Alterung. Wenn in den nächsten 40 Jahren die Zahl der Erwerbspersonen um fast 30 % abnimmt, dann ist das die Garantie, dass das System so, wie es aufgebaut ist, zukünftig diese Tragfähigkeit nicht mehr haben kann.
Nein, für uns ist es sehr wichtig zu sagen, dass die verlaufenden Erwerbsbiografien und letzten Endes auch Arbeitslosigkeit die Risikofaktoren für Altersarmut sind, und dagegen heißt es vorzugehen. Für uns sind die beste Versicherung gegen Armut – auch gegen Altersarmut – Bildung und Erwerbstätigkeit und letztlich auch intakte Familien.
Denn nur dort, wo Kinder gesund aufwachsen können, wo auch ältere Familienmitglieder gut und umsorgt gepflegt werden können, ist die Sicherheit vorhanden, dass das System, wie es aufgebaut ist, tatsächlich Zukunft hat.
Die gezielten bildungs- und familienpolitischen Maßnahmen sorgen dafür, dass Menschen gut ausgebildet werden, dass sie möglichst ihr Erwerbsleben ohne Unterbrechung durchlaufen. Da können wir in Sachsen wirklich stolz sein auf den Ausbau unserer Kindertageseinrichtungen, auf ganztägige Bildungsorte. Letzten Endes war Sachsen im Jahr 2011 auch das Bundesland mit dem höchsten Rückgang der Arbeitslosenquote, und zwar durch den Eintritt in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Das ist ein wichtiger Aspekt.
Sachsen ist – auch das sei an dieser Stelle sehr deutlich hervorgehoben – ein attraktiver Standort. Wir haben eine gute Infrastruktur, wir haben gut ausgebildete Fachleute und wir haben eine exzellente Forschungslandschaft.
Unser Anspruch an unser Land ist nicht, Altersarmut als Symptom zu bekämpfen und nach zusätzlichen Sozialtransfers zu rufen, sondern unser Anspruch ist es, Menschen in unserem Land in Arbeit zu bringen.
Es kann keine Lebensperspektive sein, von anderen erwirtschaftete Sozialleistungen zu erhalten, und schon gar nicht darf „Hartz-IV-Empfänger“ ein Berufswunsch in diesem Land werden. Der Einstieg in Arbeit darf nicht erschwert werden. Auch Mindestlohn und das Verteufeln von Arbeit im Niedriglohnsektor sind der falsche Weg, die Attraktivität Sachsens zu stärken. Wir brauchen die private Altersvorsorge – kapitalgedeckt – in der betrieblichen und der privaten Vorsorge. Die muss weiterentwickelt werden. Wir brauchen aber auch das Bewusstsein der Menschen für die Notwendigkeit dieser eigenen Vorsorge für das Alter. Dazu gehört auch ein gesundes Leben, das jeder für sich –
– führen kann. Wir halten es für den falschen Anreiz, dass private Vorsorge letzten Endes später auf die Grundsicherung angerechnet wird. Hier muss sicherlich nachgebessert werden, damit sich das Sparen für Geringverdiener im Alter auch lohnt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen eine transparente und offene Diskussion über die Kosten und die Verteilung der Reformvorschläge, die hier von SPD und CDU gebracht werden. Die Vorschläge, wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, lehnen wir ab.
Das war Frau Kollegin Schütz für die FDP-Fraktion. – Ich sehe am Mikrofon 1 eine Kurzintervention. Bitte, Herr Kollege Pellmann.
Herr Präsident! Frau Schütz! Ich habe mich vor dem noch folgenden eigenen Redebeitrag aufgrund zumindest einer Formulierung, die Sie hier gebraucht haben, zu Wort melden müssen, die ich schlicht und ergreifend für ehrabschneidend halte. Sie haben formuliert, dass es auf keinen Fall erstrebenswert sei, Hartz IV zum Berufswunsch zu machen.
Frau Schütz, haben Sie sich wirklich überlegt, was das heißt? Meinen Sie wirklich, dass es Menschen in diesem Land gibt, die ihre Perspektive in Hartz IV sehen?
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wer so mit denen, die bis heute keine Arbeit finden konnten, umgeht, der versündigt sich wirklich an denen, die gern arbeiten möchten.
Ich denke, wir sollten nicht so miteinander und mit den Menschen, die betroffen sind und gern arbeiten wollen, umgehen!
Auf die Kurzintervention von Herrn Pellmann kann eine Reaktion erfolgen, Frau Schütz. – Die wollen Sie auch gern vornehmen und gehen deshalb ans Mikrofon 3.
Ich möchte einfach nur sagen, dass ich genau das aus meinem eigenen Berufsalltag kenne. Ich arbeite noch im Landkreis Görlitz im Jobcenter. Dagegen heißt es dringend vorzugehen.
Wir fahren in der Rednerreihenfolge fort. Das Wort ergreift jetzt für die Fraktion GRÜNE Herr Kollege Jennerjahn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder erfreulich, wenn wir uns in so entspannter Atmosphäre über aktuelle politische Fragestellungen austauschen können. Im Grunde ist die Aktuelle Debatte, die von der SPD heute beantragt wurde, schon vor zwei Tagen in sehr guter Form in einem Artikel der „Freien Presse“ vorweggenommen, zusammengefasst und auf die Kernpunkte zurückgeführt worden.
Berechtigte Kritik an der Staatsregierung dort war, dass hier nach wie vor mit schlechten Verdiensten geworben wird. Martin Dulig hat darauf hingewiesen. Ich möchte das Zitat der Wirtschaftsförderung Sachsen noch einmal vorlesen, weil es, glaube ich, wichtig ist, das auch im Wortlaut zu kennen.
„Dank flexibler Tarifmodelle, einem moderaten Lohnniveau – 25,6 % unter deutschen Durchschnitt – und hoher Arbeitsproduktivität ist Sachsen aus Kostengesichtspunkten in jedem Fall erste Wahl.“ Das ist das wörtliche Zitat der Wirtschaftsförderung Sachsen.
Ich halte das für zynisch, beschämend und auch für kontraproduktiv. Ich freue mich, wenn hier jetzt Einigkeit darüber herrscht, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man mit Niedriglöhnen meint, Standortvorteile generieren zu können. Den Wettbewerb um die niedrigsten Löhne werden wir definitiv nicht gewinnen. Es wird immer Länder geben, die mit noch niedrigeren Löhnen ins Rennen gehen, und am Ende stehen wir ein wenig blöd da.
Ich halte es auch deshalb für kontraproduktiv, weil wir in der letzten Zeit zunehmend über das Thema Fachkräftemangel gesprochen haben. Herr Staatsminister hat ein Papier vorgelegt, das etwas großspurig mit der Überschrift „Fachkräftestrategie“ überschrieben wurde. Wir werden im November noch Gelegenheit haben, uns in einer öffentlichen Anhörung darüber intensiver auszutauschen.
Meines Erachtens wird Sachsen nicht dadurch attraktiv, dass wir mit Niedriglöhnen werben und nichtsahnende Autofahrer an Autobahnraststätten mit Eierschecke bewerfen. Vor den Kopf gestoßen fühlen dürften sich auch all diejenigen Sachsen, die schwer arbeiten, schlecht bezahlt werden und dann von Herrn Morlok auch noch Folgendes zu hören bekommen: „Der Preis für Arbeit bildet sich am Markt. Eine wichtige Bezugsgröße ist die Produktivität des Arbeitnehmers.“ Das steht in einer Großen Anfrage zur Arbeitsmarktpolitik, die wir gestellt haben. Herr Morlok, dieser Satz mag zwar ein Satz aus Ihrem neoliberalen Märchenbuch sein, aber in Wahrheit ist dieser Satz eine Schweinerei!
Die Übersetzung dieses Satzes lautet doch ganz einfach: Wer schlecht verdient, ist selbst schuld, denn er ist unproduktiv und höchstwahrscheinlich auch noch faul. Übrigens, wenn Ihnen das aufgefallen ist, dieser Satz ist auch ein Widerspruch zu dem, was die Wirtschaftsförderung von sich gibt, die gerade damit geworben hat, dass die Löhne niedrig sind und die Arbeitsproduktivität hoch ist.
Die logische Konsequenz: Die niedrigen Löhne von heute sind die Armutsrenten von morgen, und das ist auch schon bei Herrn Gebhardt angeklungen. Nachhaltigkeit sieht anders aus, denn wir verlagern die Probleme von heute in die Zukunft. Das wird dann auch wieder haushaltsrelevant, da die Haushaltssolidität so eine Monstranz ist, die die Koalition momentan vor sich herträgt.
Die Probleme, wie es dazu kommt, sind auch bekannt. Wir haben in Sachsen eine überdurchschnittlich hohe Leiharbeitsquote. Mit der Leiharbeit geht im Regelfall auch der Niedriglohn einher. Leiharbeit verdrängt nach und nach auch die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Das wird sichtbar, wenn wir schauen, wie hoch die Zahl qualifizierter Arbeitskräfte in der Leiharbeit ist. Allein 15 % der sächsischen Leiharbeiter sind Schlosser und Mechaniker. Das ist die zweitgrößte Gruppe nach den Ungelernten. In der Leiharbeit – das hatte ich eben angedeutet – sind die Verdienste deutlich geringer. Durchschnittsverdienst in Sachsen in einer Vollzeitstelle sind normalerweise 1 955 Euro. In der Leiharbeit sind es lediglich 1 270 Euro.
Es gibt aber nach wie vor ein massives Lohngefälle zwischen Männern und Frauen. Weibliche Beschäftigte verdienen nach wie vor rund 11 % weniger. Sie sind im Durchschnitt länger arbeitslos und arbeiten häufiger Teilzeit. Besonders problematisch ist die Situation für Alleinerziehende. Das sind im Freistaat Sachsen überwiegend Frauen. 18,7 % der alleinerziehenden Frauen haben keinen Job und sind auf staatliche Hilfen angewiesen.
Das hat zur Folge, dass Erwerbsunterbrechungen, Arbeitszeitreduzierungen und Niedrigeinkommen letztendlich zu Rentenlücken führen. Das ist auch die Hauptursache für Altersarmut gerade bei Frauen.
Die Antworten, über die wir diskutieren, sind meines Erachtens durchaus bekannt, vielleicht nicht vollumfänglich, aber für einzelne Teilprobleme. Im Bereich der Leiharbeit reden wir beispielsweise über gleichen Lohn für gleiche Arbeit, über die Wiedereinführung des Synchronisationsverbotes, über mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, über eine maximale Quote von 10 % Leiharbeit in den Betrieben. Wir reden über einen gesetzlichen Mindestlohn, der übrigens auch zu einer erheblichen Entlastung der Sozialversicherungssysteme führen würde. Es gibt Berechnungen des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das zu dem Schluss kommt, dass bei einem Mindestlohn von 7,50 Euro allein im Bereich des Arbeitslosengeldes II bis zu 1,5 Milliar
Es ließe sich jetzt vieles ergänzen. Ich kann nicht feststellen, dass die Staatsregierung auf diesen Feldern sonderlich aktiv geworden wäre, beispielsweise über entsprechende Initiativen im Bundesrat. Aber es gibt noch Chancen, wenn wir zum Beispiel über Lohnuntergrenzen im Vergaberecht reden.
Der Abg. Jennerjahn sprach für die Fraktion GRÜNE. – Für die NPD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Gansel.