Protocol of the Session on September 26, 2012

Herr Lichdi.

Vielen Dank, Herr Kollege Seidel. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Kollegin Bonk damals krank war? Das war mir bekannt. Deswegen hat die Fraktion DIE LINKE, wie ich glaube, drei Anträge mit dieser Begründung von der Tagesordnung genommen. Deswegen war Frau Kollegin Bonk nicht in der Lage, an der Innenausschusssitzung teilzunehmen.

(Christian Piwarz, CDU: Trotzdem schoflig!)

Das war zwar keine Frage – –

Ich habe keine Frage erkannt, tut mir leid.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Sind Sie bereit anzuerkennen, dass – das war die Frage.)

Das war mir als Ausschussvorsitzendem unbekannt. Trotzdem kann ich meine Fragen, die ich an den Datenschutzbeauftragten habe, über meine Kollegen in der Fraktion in den Ausschuss einspeisen, wie das andere Kollegen im Ausschuss ebenfalls machen.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Bonk?

Ja, natürlich.

Bitte, Frau Bonk.

Sind Sie bereit, sich jetzt mit meiner Fraktion und mir zum Sachverhalt auseinanderzusetzen?

Nein, ich bin nicht bereit, ein Thema, das wir im Ausschuss ausführlich und detailliert in mehre

ren Stunden behandelt haben, hier im Plenarsaal noch einmal aufzurufen.

(Sabine Friedel, SPD: Warum reden Sie dann überhaupt hier?)

Das sage ich Ihnen jetzt gleich. Es ist nämlich ausgesprochen unfair, über den Datenschutzbeauftragten – das sage ich jetzt in Anführungszeichen – „herzuziehen“, der in diesem Haus kein Rederecht hat. Aber im Ausschuss können wir das in aller Ruhe entsprechend den Gepflogenheiten machen.

(Julia Bonk, DIE LINKE: Dann machen Sie das!)

Meine Damen und Herren! Herr Schurig, unser Datenschutzbeauftragter, hat im Ausschuss ausführlich und detailliert zu beiden Berichten Rede und Antwort gestanden. Ich kann für meine Fraktion feststellen, dass der Datenschutz – insbesondere im öffentlichen Bereich – mehr und mehr im Bewusstsein der sächsischen Behörden verankert ist, wenn auch hier und da noch Defizite zu verzeichnen sind.

Lobenswert ist, dass die Staatsregierung unseren Datenschützer nicht nur im formal vorgesehenen Rahmen, sondern auch vorab bei Projekten um seine Mitarbeit bittet, und wir hoffen und wünschen, dass diese gute Zusammenarbeit noch enger wird, um vielleicht im nächsten Datenschutzbericht Übereinstimmung in allen angesprochenen Fällen zu erreichen.

(Sabine Friedel, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Nein, Frau Friedel, Sie können dann hier sprechen.

Herr Schurig hat uns ebenfalls darauf aufmerksam gemacht, dass die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament Entwürfe für eine Verordnung und eine Richtlinie zum Datenschutz vorgelegt hat. Wird diese, wie vorauszusehen, im Jahr 2013 durch das Parlament und den Ministerrat beschlossen und anschließend nationales Recht werden, so müssen hier im Hause im Jahr 2014 alle relevanten Gesetze des Freistaates durch das Innenministerium, durch unseren Datenschutzbeauftragten und durch Sie, die Abgeordneten des Hohen Hauses, angepasst werden. Das wird eine Mammutaufgabe, mit der die Weichen für diese Aufgabe für das nächste Jahrzehnt gestellt werden.

So positiv die Entwicklung in den letzten Jahren im öffentlichen Sektor ist, so viel Arbeit liegt im Privatbereich noch vor uns. Herr Schurig sprach von „Datenschutzbrachland“, obwohl auch hier das Interesse an Fragen des Datenschutzes immer mehr zugenommen hat, was sich auch an einer Vervierfachung der Anfragenanzahl an den Datenschützer ablesen lässt. Allerdings müssen wir auch und gerade für diesen Bereich feststellen, dass mit der derzeitigen Personalausstattung präventive Kon

trollen nicht im wünschenswerten Ausmaß stattfinden können.

Wir konnten uns im Ausschuss ausführlich mit den beiden Berichten beschäftigen. Wir – nun spreche ich im Namen meiner Fraktion – danken Ihnen, Herr Schurig.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Nico Tippelt, FDP)

Wir danken Ihnen für Ihre vielfältige und fachlich gute Arbeit und Ihre unaufgeregte und sachliche Außendarstellung. Bitte geben Sie diesen Dank auch an die Damen und Herren in Ihrer Abteilung weiter.

(Beifall bei der CDU)

Sie, meine Damen und Herren, bitte ich, dem einstimmigen Beschluss des Innenausschusses zur Kenntnisnahme der Berichte des Datenschutzbeauftragten zu folgen und ihre Zustimmung zu geben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion, bitte; Frau Friedel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich natürlich Herrn Kollegen Seidels Dank an den Datenschutzbeauftragten und sein – leider immer noch etwas kleines – Team angesichts der großen Aufgaben sehr an. Ich freue mich auch sehr, Herr Kollege Seidel, dass Sie nochmals Ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass der Datenschutzbeauftragte in diesem Plenum kein Rederecht hat,

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das wollen wir ändern!)

und freue mich auch, dass wir wahrscheinlich in den nächsten Monaten eine entsprechende Änderung auf den Weg bringen können; denn ich habe Sie so verstanden, dass auch Sie das wünschen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Ich will auf den Bericht nur in einem kleinen Punkt eingehen, der in den vergangenen Monaten immer wieder für Diskussionen gesorgt hat und auf den ich von vielen Bürgerinnen und Bürgern angesprochen worden bin: Das ist das polizeiliche Filmen bei Demonstrationen.

Wir haben dank der „klugen“ Politik der Staatsregierung öfter Gelegenheit, Demonstranten vor dem Landtagsgebäude willkommen heißen zu können, und es ist immer öfter der Fall, dass die Polizei hiervon Bild- und Tonaufzeichnungen bzw. -aufnahmen anfertigt, und das nicht nur dann, wenn es das Gesetz vorsieht, nämlich, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von Versammlungen erhebliche Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen, sondern auch dann, wenn solche Gefahren in keiner Weise absehbar sind.

Wir hatten zum Beispiel dank der massiven Kürzungspolitik von CDU und FDP eine Demonstration der freien Schulen im Jahr 2010 oder 2011 mit sehr vielen Schülerinnen und Schülern zwischen zehn und 16 Jahren. Ich denke, dabei ist offenkundig, dass eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht so nahe liegt. Bei dieser Demonstration wurden durchaus umfangreiche Übersichtsaufnahmen bzw. -aufzeichnungen

angefertigt. Die Staatsregierung redete sich dann ein wenig heraus, dass dies nur zu Beginn und mal zwischendurch, aber nicht die ganze Zeit bei der Veranstaltung gewesen sei. Trotzdem sollte sie wissen – denn auch der Datenschutzbeauftragte macht darauf aufmerksam –, dass dies keine angemessene Vorgehensweise ist.

In diesem Jahr hatten wir vor der Sommerpause eine Demonstration, bei der der Vorplatz voller Hüpfburgen war und kleine Kinder unter dem Motto "Große Sprünge für die Kleinsten" für eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels in den Kitas demonstrierten bzw. hüpften – Kinder zwischen drei und sechs Jahren –, und auch hier war die Polizei mit entsprechender Videotechnik am Start. Die Staatsregierung sagte dann, aufgenommen worden sei nichts, aber die Videotechnik sei sichtbar bereitgehalten worden, um plötzliche Störungen rechtzeitig dokumentieren zu können. Was das mit Bürgerinnen und Bürgern macht, die ihr freies Grundrecht auf Demonstration ausüben, das sollten Sie eigentlich wissen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Was ich aber viel unangenehmer finde, ist die Tatsache, dass die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme mit keinem Wort darauf eingeht, und wenn man sich einerseits einmal den Bericht des Datenschutzbeauftragten für den öffentlichen Bereich und andererseits die Stellungnahme der Staatsregierung anschaut, dann wird schon ein gewisses Muster deutlich. Der Bericht von Herrn Schurig umfasst knapp 300 Seiten, die Stellungnahme der Staatsregierung um die 20. Der Bericht von Herrn Schurig listet ungefähr 110 Vorfälle auf, die Staatsregierung nimmt um die 20 zum Anlass für eine Antwort, und das Wichtigste, was die Staatsregierung gleich ganz vorn in ihrer Stellungnahme schreibt, ist: „Die Staatsregierung ist weder nach dem Sächsischen Datenschutzgesetz noch aufgrund anderer Rechtsnormen zur Stellungnahme verpflichtet.“

(Uta Windisch, CDU: So ist es!)

Sie tut es aber dennoch. Sie nimmt dennoch Stellung, und zwar – Zitat – „..., um insbesondere unzutreffenden und die Staatsregierung belastenden Äußerungen zu widersprechen.“

Das ist der Umgang der Staatsregierung mit den Hinweisen des Datenschutzbeauftragten. Gott sei Dank ist es in den nachgeordneten Behörden oft weitaus besser bestellt, und so kann der Datenschutzbeauftragte auch immer wieder auf Beispiele hinweisen, bei denen Anregungen von ihm übernommen worden sind.

Aber wir haben eben auch die anderen Beispiele, und, liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht erinnern Sie

sich ja, wann wir den letzten Bericht des Datenschutzbeauftragten, den 14. Tätigkeitsbericht, hier im Plenum besprochen haben. Das war am 10. Februar 2011. Da war die Welt noch ein wenig in Ordnung. Neun Tage später war der 19. Februar 2011, Sie wissen es alle: Im Juni wurde dann öffentlich, dass wir eine gravierende und großflächige Erhebung von Handydaten in Dresden erlebt haben. Am 9. September 2011 hat dann der Sächsische Datenschutzbeauftragte seinen Bericht dazu vorgestellt. Am 8. September kündigte die Staatsregierung schon an, dass es ein Gegengutachten dazu geben werde. Dann meldete sich noch der Präsident des OLG Dresden und zieh den Datenschutzbeauftragten eines Eingriffs in die Gewaltenteilung, weil er die Staatsanwaltschaft in den Blick genommen hatte. Der Generalstaatsanwalt gab sogar ein Zeitungsinterview, und die Staatsregierung im Ganzen hat bis heute keine Stellungnahme zu diesem Sonderbericht des Datenschutzbeauftragten abgegeben.

Ich will hier keine Debatte um den 19. Februar führen, das ist auch nicht der Platz dafür. Aber die Debatte geht schon um die Frage: Wie geht die Staatsregierung mit dem Datenschutzbeauftragten um? Wie geht die Staatsregierung mit den Empfehlungen um? Wie geht die Staatsregierung mit Rügen um und damit, dass der Datenschutzbeauftragte ihr immer wieder – in ausgewählten Fällen – sagen muss, hier läuft etwas nicht nach Recht und Gesetz? Meine Feststellung ist: Die Staatsregierung ignoriert das zum größten Teil.

Gehen wir an diesem Tag einmal zwei, drei Stunden zurück zur Debatte um Seifhennersdorf. Ich frage mich, mit welchem Recht Sie von Eltern, die wirklich in einer existenziell extrem schwierigen Situation sind, so kaltblütig das Akzeptieren, den Respekt und das Hinnehmen von rechtlichen Regelungen einfordern, wenn die Staatsregierung doch selbst in ihrem Umgang mit vielen Anregungen, Empfehlungen und Hinweisen des Datenschutzbeauftragten so ignorant ist.