Protocol of the Session on December 10, 2009

notwendig ist. Wir hatten uns als Landtag damit auch an den Bundesrat gewandt.

Deshalb, Herr Krauß, ist es doch merkwürdig, dass eine Neuberechnung der Regelsätze für Kinder Jahre auf sich warten lässt, während eine Kindergelderhöhung mal schnell im Koalitionsvertrag steht und umgesetzt wird. Leider haben die Familien, die uns so am Herzen liegen, überhaupt nichts von dieser Erhöhung.

Liebe Kollegin Schütz, es ist keine Klientelpolitik, weil das Signal, das von diesem Antrag ausgeht, nicht heißt: Wir tun etwas für Hartz-IV-Empfänger, sondern das Signal heißt: Alle Kinder sind uns gleich viel wert, egal, aus welcher Familie sie kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Der neuerliche Vorstoß, mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Familien durch Zahlung von Kindergeld zu unterstützen, verkehrt sich unter diesem Gesichtspunkt ins genaue Gegenteil. Das Signal, das davon kommt, lautet: Kinder, die in Familien leben, die Steuern bezahlen, sind uns mehr wert als die anderen.

Wenn wir uns die Situation ansehen, dann haben Sie hier erzählt, wo Familien entlastet werden. Schauen Sie doch einmal hin. Wir haben vorhin über Bildung diskutiert und über die Möglichkeit, in der Kita, aber auch in der Familie Kindern Bildung zugänglich zu machen.

Jede Fahrt zur Musikschule, jede Fahrt zur Frühförderung, auch jede Fahrt zur Vorsorgeuntersuchung beim Arzt ist teurer geworden, weil die Fahrtkosten in den letzten Jahren gestiegen sind. Was aber in dem Hartz-IVRegelsatz für Fahrtkosten drin ist, ist nicht in gleicher Weise gestiegen. Allein um Kindern Bildungszugänge zu schaffen, müssen Eltern viel mehr Geld bezahlen. Da ist eine Anhebung längst mehr als gerechtfertigt. Wenn es über eine Kindergelderhöhung passiert, dann sollen auch alle Familien davon profitieren. Dass der Staat Kindern von gut Verdienenden unterm Strich mehr zahlt als Kindern aus armen Familien, ist eine durch nichts zu rechtfertigende Ungerechtigkeit. Darüber hinaus stellt es einen Verstoß gegen das im Artikel 2 Abs. 1 der UNKinderrechtskonvention normierte Diskriminierungsverbot dar.

Frau Herrmann, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ja, ich gestatte eine Zwischenfrage.

Herr Krauß, bitte.

Frau Kollegin Herrmann, ich kann der Logik nicht ganz folgen. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass Sie, wenn Sie arbeiten und Kindergeld beziehen, 164 Euro für Ihr Kind bekommen, und wenn Sie ein Kind haben und nicht arbeiten, dann über den Arbeitslosengeld-II-Satz deutlich mehr erhalten? Ich

verstehe jetzt Ihre Logik nicht in dem Sinne, dass Sie sagen, derjenige bekommt mehr vom Staat, der arbeiten geht. Das Gegenteil ist doch der Fall.

Da haben Sie nicht recht, weil von dieser Erhöhung, die auch dafür gedacht ist, einen Ausgleich zu schaffen, genau die Familien nichts haben, die Hartz IV erhalten. Notwendig wäre – da würde ich ja Ihrer Logik noch folgen –, eben in gleicher Weise und in gleicher Schnelligkeit auch eine Verbesserung für diese Familien zu erreichen.

Ich glaube, hier ist nicht der Ort, darüber zu diskutieren, ob die Art der Familienförderung, die die Kollegin von der SPD hier dargelegt hat, überhaupt noch zeitgemäß ist. Das ist eine viel grundlegendere Debatte, die wir an dieser Stelle nicht führen können.

Wir werden – wie ich schon gesagt habe – dem Antrag der Linksfraktion heute zustimmen. Wir sind aber darüber hinaus der Meinung, dass eine Neustrukturierung der Familienförderung, wie sie die SPD hier vorgeschlagen hat, dringend notwendig ist. Ein Modell dafür ist eine einkommensorientierte Kindergrundsicherung. Sie ist sozial wesentlich gerechter. Sie ist zielgenau und transparent. Sie stellt endlich sicher, dass alle Kinder in dieser Gesellschaft, egal in welcher Familie sie geboren wurden, uns gleich viel wert sind.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Vielen Dank, Frau Herrmann. – Nun die NPD-Fraktion, Herr Abg. Winfried Petzold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die geplante Erhöhung des Kindergeldes erscheint der NPD-Fraktion nicht ausreichend.

Wir setzen als sozial- und bevölkerungspolitische Maßnahme unser viel weitergehendes Konzept des Müttergehaltes dagegen. Hierbei geht es uns vor allem darum, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Mutter sicherzustellen und ihre Leistung für die Gemeinschaft endlich anzuerkennen. Erst mit dieser Maßnahme wird echte Wahlfreiheit geschaffen, weil dann Finanzzwänge nicht mehr ausschlaggebend sind für die Frage: Nachwuchs oder Karriere. Nur mit solchen entschlossenen und wirklich kraftvollen Maßnahmen haben wir eine Chance, für die überfällige demografische Wende zu sorgen. Dann würde sich auch die hier diskutierte Frage der Anrechnung des Kindergeldes wohl erübrigen.

Dennoch begrüßen wir natürlich jeden noch so kleinen Schritt, der das Los der Kinder und der deutschen Familien in unserem Land verbessern hilft. Wenn aber, wie das laut geltender Rechtslage der Fall ist, das dann erhöhte Kindergeld als Einkommen auf die Leistungen nach SGB II und SGB XII angerechnet wird, dann werden vor allem hier in Mitteldeutschland die vielen Kinder und

Jugendlichen, die bedürftigen Familien angehören, tatsächlich leer ausgehen.

Daher ist es wichtig, dass der im § 82 SGB XII verwendete Einkommensbegriff neu definiert wird.

Darüber hinaus könnte auch noch ein Problem durch den zeitlichen Abstand zwischen Zahlung der Leistungen nach SGB II und der Überweisung des Kindergeldes auftreten. Bekanntlich wird das ALG-II-Geld immer zum Ende des Monats ausgezahlt. Die Anrechnung des erhöhten Kindergeldes würde somit zu einer entsprechenden Verringerung des Überweisungsbetrages führen. Je nachdem, wann das Kindergeld ausgezahlt wird – dies richtet sich nach der Aktennummer –, wird sich der Leistungsbezug für etliche Leistungsbezieher im Ergebnis weiter aufsplitten und zeitlich hinauszögern. Dies kann vor allem für die Startphase des höheren Kindergeldes eine erhebliche Rolle spielen.

Nach sorgfältiger Abwägung aller Vor- und Nachteile stimmt die NPD-Fraktion im Interesse unserer bedürftigen und Not leidenden deutschen Familien diesem Antrag zu.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. Besteht weiterer Redebedarf seitens der Fraktionen? – Frau Abg. Edith Franke, Sie haben das Wort; bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von den Parteien der Koalition wurde unter anderem von Sozialfantasien der Opposition gesprochen. Ich will diesem Wort „Sozialfantasien“ den Begriff „soziale Grausamkeit“ entgegensetzen. Sie sollten darüber nachdenken, wo wir uns eigentlich befinden. Wir sind in einem abgeschirmten Raum, klimatisiert von vorn bis hinten. Das Essen fällt uns auf den Tisch.

(Marko Schiemann, CDU: Na, na!)

Die Getränke stehen da usw. usf. Aber das Leben ist draußen und spielt ganz anders als in diesem Raum.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, den GRÜNEN und der NPD)

Hier gibt es offenbar Leute, die unterstellen, dass diejenigen, die am Rande des Existenzminimums leben, nur zu faul seien zu arbeiten. Dass darunter aber auch Angehörige – wie sagt ihr immer so schön? – der berufstätigen Mitte sind, abgestürzte Unternehmer, Leute mit Hochschulbildung, die keine Arbeit mehr finden, die dafür Sorge tragen müssen, dass ihre Familien um die Runden kommen, die ebenfalls Ansprüche an Bildung und an Kultur haben, und hier eine Ausgrenzung stattfindet, unter der besonders Kinder zu leiden haben, das wird dabei vergessen, weil man es einfach nicht sehen will. Man

muss die Augen aufmachen und die Realitäten zur Kenntnis nehmen, die in unserer Gesellschaft herrschen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, den GRÜNEN und der NPD)

Die Gesellschaft ist zweigeteilt. In der Mitte steht die berufstätige Mitte, wie Sie sie so schön nennen. Dann gibt es einen Teil, der mehr als ausreichend zum Leben hat, und es gibt einen großen Teil, der nicht weiß, wovon er die lebensnotwendigen Dinge finanzieren soll. Es gibt in Dresden allein 100 000 Bedürftige, von denen 60 000 in Hartz IV sind. Das sind durchaus nicht alles nur Langzeitarbeitslose. Darunter sind Berufstätige, die für Gehälter arbeiten, die unter Tarif liegen. Die müssen auch zum Sozialamt oder zur ARGE gehen und Hartz IV beantragen. Sie haben genau diese Schwierigkeit, dass sie jetzt 20 Euro bekommen sollen, die ihnen wie auch das Kindergeld nicht ausgezahlt werden, weil das auf Hartz IV angerechnet wird.

Ich unterstütze voll und ganz den Gedanken, dass jedes Kind, egal, woher es kommt, ein kleines Stück Zukunft ist.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir reden doch nicht über Vergangenes.

Es gibt verschiedene Unterstützungsleistungen. Auch die Dresdner Tafel wurde aus Versehen unter staatliche Leistungen eingerechnet. Aber Sie haben gestern abgelehnt, dass der Kommunal-Kombi weitergeführt wird. Der Dresdner Tafel wurden acht Stellen im Kommunal-Kombi gestrichen. Ich will aber, weil es das Sozialministerium so gern hört und Wert darauf legt, der Gerechtigkeit halber sagen, dass ein großer Teil unserer Mitarbeiter monatlich Ehrenamtsgeld bezieht. Für acht Monate sind das 40 Euro pro Person für die ehrenamtlichen Leistungen, die erbracht werden.

Alles andere finanziert eine Einrichtung wie die Dresdner Tafel aus Sach- und Geldspenden von Firmen, Unternehmern und der Bevölkerung, wofür ich an dieser Stelle all denen danken möchte, die das tun.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Dass wir diesen Widerspruch zwischen Arm und Reich nicht weiter zuspitzen sollten, hängt doch auch mit dem sozialen Frieden zusammen. Haben wir denn ein Interesse daran, dass die Leute aufeinander losgehen, dass die einen, die ihren Grundbedarf an Ernährung nicht mehr decken können, auf die anderen losschlagen? Haben wir ein Interesse daran, dass Kinder keine Achtung mehr vor ihren Eltern haben, weil sie als faul hingestellt werden, weil man ihnen unterstellt, dass sie nicht mit Geld umgehen können? Die Medien haben da sehr viele Beispiele parat. Wir sollten das nicht dulden und sollten genauso wenig dulden, dass den Kindern nicht die Mittel zur Verfügung stehen, die sie benötigen, um sich ausgewogen zu ernähren, um sich zu kleiden, und zwar nicht nur aus Kleiderkammern. Ich rede nicht von irgendwelchem Luxusbedarf, sondern von dem Notwendigen.

Ich sehe eine starke Ökonomisierung des Sozialen. Das wird uns in der Zukunft auf die Füße fallen, weil es die Gesellschaft weiter spaltet. Eine gespaltene Gesellschaft ist keine demokratische Gesellschaft mehr.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich bitte Sie daher, dieser Beschlussvorlage zu folgen und den Beschluss zu fassen, das Kindergeld auch an die Hartz-IV-Kinder auszuzahlen, es ihnen selbst zugute kommen zu lassen.

Ein Drittel der 60 000 Hartz-IV-Empfänger in Dresden sind Kinder. Bald ist Weihnachten. Wir führen Weihnachtsfeiern für 500 bedürftige Kinder durch. Mehr schaffen wir in vier Weihnachtsfeiern nicht. Sie können sich nicht vorstellen, wie sich diese Kinder freuen, wenn sie vom Weihnachtsmann ein liebevoll gepacktes Paket erhalten, in dem Spielzeug, Bücher und andere Kleinigkeiten sind, wenn sie sich dort an einem kindgerechten Buffet bedienen dürfen, umsorgt werden und ein gutes Programm sehen. Es ist für die Kinder ein Höhepunkt und wir sind glücklich, dass wir so etwas tun können. Wir würden uns aber wünschen, dass den Kindern noch viel mehr Möglichkeiten eröffnet werden, auch an der Kultur in Dresden teilzuhaben. Wir haben eine Kinderweihnachtsfeier im Theater Junge Generation, bei der das „Katzenhaus“ gespielt wird. Die Kinder freuen sich darauf.

Ich bitte Sie deshalb: Überlegen Sie noch einmal, für wen wir heute etwas tun. Wir tun es für unsere Zukunft, wir tun es für uns alle und nicht für einen ganz bestimmten, ausgesuchten oder einen durch die Wirtschaft ausgesonderten Personenkreis.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und der NPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Franke. – Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Fraktionen? – Frau Schütz, bitte, an Mikrofon 3.