Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir konnten zeigen, dass es einen deutlichen Unterschied gibt zwischen der Kindergelderhöhung, über die wir uns alle freuen sollten, und einer anderen Baustelle, an der wir aber noch arbeiten müssen, nämlich kindgerechte Hartz
IV-Sätze. Wir dürfen beides nicht miteinander vermischen. Insofern bitte ich Sie herzlich, diesen Antrag abzulehnen.
Vielen Dank, Herr Krauß. – Für die SPD-Fraktion ist Frau Abg. Dagmar Neukirch an der Reihe. Bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich zu Beginn sagen, dass die SPD-Fraktion das Anliegen des Antrags – Nichtanrechnung von Kindergelderhöhungen auf Sozialleistungen – unterstützt, jedoch die Grundlage der Kindergelderhöhung, nämlich das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, ablehnt. Unter dem übernächsten Tagesordnungspunkt werden wir im Rahmen einer eigenen Debatte darauf eingehen.
Ich will dennoch zu beiden Haltungen etwas sagen und diese begründen. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz geht aus der Sicht der SPD in die falsche Richtung, wird zu mehr Schulden führen und notwendige Investitionen, die wir in dem Bereich brauchten, über den wir jetzt reden, verhindern. Aber ich verweise nochmals auf die Debatte unter dem übernächsten Tagesordnungspunkt.
Ich möchte in meinem Redebeitrag etwas grundsätzlicher auf die Probleme Kinderarmut sowie Kinder- und Familienförderung in Deutschland eingehen. Auch die heutige Debatte hat gezeigt: Wir haben zahlreiche familienpolitische Instrumente. Ich glaube, vielen Menschen ist gar nicht klar, wie sie miteinander zusammenhängen. Das ist auch ein wichtiger Grund für die steigende Kinderarmut, die wir in Deutschland zu verzeichnen haben.
Der Landtag hat sich mit dem Problem der Kinderarmut schon in der vergangenen Legislatur ernsthaft beschäftigt. Im Ergebnis haben wir damals dem Antrag der GRÜNEN zugestimmt, der zum Ziel hatte, die Regelsätze für Kinder eigenständig zu berechnen und nicht vom Einkommen der Eltern abhängig zu machen. Wir hatten die Hoffnung, dass das Ganze etwas schneller gehen werde. Dann kam das Gerichtsverfahren. Heute muss man feststellen: Wir arbeiten seit vielen Jahren an diesem Problem, aber es tut sich nichts. Aus diesem Grund ist die SPD-Fraktion der Meinung, dass man jetzt grundsätzlicher an das Problem herangehen muss. Die Instrumente der Familien-KinderFörderung in der Bundesrepublik Deutschland gehen zunehmend an den Lebenswirklichkeiten der Menschen vorbei. Das Ergebnis ist die stetig wachsende Zahl von armen Kindern und Jugendlichen. Warum ist das so?
Die Kinder-Familien-Förderung in Deutschland ist dreigeteilt. Diese Teilung hat leider nichts mit den Kindern selbst zu tun, sondern mit dem Status der Eltern. Wir haben zuerst die Kinder von Erwerbslosen und Geringverdienern. Diese erhalten Sozialgeld. Herr Krauß hat erläutert, wie das berechnet wird.
Dann gibt es die Kinder, deren Eltern ein mittleres Einkommen haben und Kindergeld erhalten. Die dritte Gruppe von Kindern hat Eltern, die in den Genuss des Kinderfreibetrages kommen und durchaus auch mehr Leistungen erhalten als die Kinder in der anderen Gruppe.
In die Rechnung habe ich nicht noch weitere Steuerbegünstigungen einbezogen, wie zum Beispiel die Familienförderung über das Ehegattensplitting. Das geht an der Wirklichkeit in Familien vorbei, insbesondere im Osten, weil immerhin zwei Drittel der Kinder hier in Familien geboren werden, deren Eltern nicht verheiratet sind. Das kann man bemängeln. Es ist aber eine Lebenswirklichkeit hier. Wenn man das als Familien-Kinder-Förderung verkauft, dann ist das eben nicht richtig.
Die Auswirkungen dieser von mir genannten dreigeteilten Förderung sind bekannt. Die Armutszahlen bei Kindern und Jugendlichen steigen. Allein in Sachsen ist ein Viertel aller Kinder auf Leistungen nach dem SGB angewiesen. Nachlesen kann man das im sächsischen Lebenslagenbericht, aber auch im Kinder- und Jugendbericht. Die Entwicklung ist seit Jahren – hier muss ich selbstkritisch für die SPD anmerken – nicht so in die Entscheidungen einbezogen worden, wie wir es hätten tun sollen. Aus Sicht der sächsischen SPD muss deshalb die Einsortierung der Kinder in verschiedene Fördergruppen aufhören. Dann reden wir eben nicht über die Trennung nach Kindergeld und SGB, sondern über eine grundsätzliche Neuorientierung in Bezug auf die Kinderförderung.
Wir als SPD schlagen eine Kindergrundsicherung vor, die von kostenfreien Angeboten, insbesondere im Bildungsbereich, begleitet wird. Zur Kindergrundsicherung gibt es ein umsetzungsreifes Konzept, das von Wissenschaftlern der Universität Frankfurt erarbeitet und von Familien und Sozialverbänden eingeführt wurde. Dabei handelt es sich um eine abgestufte Variante. Den Einwand, das koste alles zu viel, lasse ich nicht gelten. Es wird durchaus auf verschiedene Umsetzungsstufen eingegangen.
Auch in Sachsen können wir im Bereich „kostenfreie Angebote“ weitermachen und zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Ganz am Anfang könnte als kleines Beispiel die Abschaffung der Bedarfseinschränkung für Kinder in Kindertagesstätten stehen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Kinder von erwerbslosen Eltern können in Sachsen nicht überall genauso lange in eine Kita gehen wie andere Kinder. Hier werden Benachteilungen verfestigt und die Kinder erhalten nicht einmal ansatzweise eine chancengleiche Bedingung für den Start ins Leben.
Ich denke in diesem Zusammenhang auch an den für Eltern kostenfreien Besuch der Kinder in der Kita als Bildungseinrichtung. Dazu haben wir im vorigen Tagesordnungspunkt gehört, dass das der Weg der Zukunft ist. Den Einstieg dazu haben wir in der vergangenen Legislatur gemacht. Er war richtig und er muss weitergegangen werden. Ich denke aber auch an die viel zu frühe Bildungsempfehlung, die zur Trennung von Schülerinnen
und Schülern in einem Alter führt, die überhaupt nicht zielführend ist. Hier verfestigen sich weitere Benachteiligungen. Dies führt dazu, dass Kinder überhaupt keine Chancen mehr haben. Ich denke aber auch an die kostenfreie Schülerbeförderung, an ein kostenfreies gesundes Mittagessen und an Lernmaterial.
Ich höre schon wieder den Einwand: Das ist ja wie Weihnachten. Man muss aber nicht alles auf einmal umsetzen. Manchmal kommt man auch mit Umsteuern verschiedener Maßnahmen weiter. Ich denke dabei an das Ehegattensplitting oder das Umlenken in andere Bereiche, sodass man nicht mehr Geld in die Hand nehmen muss.
Ich gehe auch noch auf eine Ursache von Kinderarmut ein. Das große Risiko für Eltern und für Alleinerziehende in Sachsen, wenn sie Kinder erziehen, keine Arbeit bekommen oder eben nur gering bezahlten Tätigkeiten nachgehen können, ist schon ein Problem, in einem Land wie Sachsen, das auf seine Kinderfreundlichkeit pocht und hier doch einmal genauer hinsehen muss. Hier muss Ursachenforschung betrieben werden. Ich habe kürzlich von einem Wirtschaftswissenschaftler gehört, die sächsischen Arbeitgeber kennzeichne zum Großteil eine strukturelle Intoleranz gegenüber den Bedürfnissen von Familien und Müttern, was dazu führt, dass die konkreten Arbeitsbedingungen nur sehr schwer trotz eines guten Kinderbetreuungssystems mit den Familienanforderungen vereinbar sind. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Man macht es sich zu einfach, die Schuld immer auf die Familien zu schieben.
Die jahrelang vor sich hergeschobene Philosophie, Kinder und Familie seien reine Privatsache – da mischen wir uns gar nicht ein –, hat auch dazu geführt, dass die Eltern ein Stück weit im Stich gelassen wurden und nicht die Unterstützungsmöglichkeiten erhalten haben, die sie brauchen. So schön das Subsidiaritätsprinzip ist, funktioniert es aber nur in beide Richtungen und muss mehr als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden werden.
Deshalb ist ein Umsteuern grundsätzlicher Art erforderlich. Kinder sind eben nicht nur in Sonntagsreden unsere Zukunft, sondern tatsächlich. Hier kommen wir leider mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht voran. Es setzt auf die alten Instrumente und wird uns bei der Bekämpfung der Kinderarmut überhaupt nicht helfen. Daher lehnen wir dieses Wachstumsbeschleunigungsgesetz ab und müssen uns deshalb bei dem Antrag leider enthalten.
Vielen Dank, Frau Neukirch. – Für die Fraktion der FDP ist Frau Abg. Kristin Schütz gemeldet. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Wir befassen uns mit einem Antrag, der wieder einmal die stereotypen Sozialfantasien der Linken und mittlerweile auch die der
Es ist richtig, im Koalitionsvertrag auf Bundesebene zwischen CDU/CSU und FDP wurde vereinbart, das Kindergeld monatlich um 20 Euro zu erhöhen. Das Kindergeld ist zum Teil Sozialleistung und zum Teil Ausgleich für die Besteuerung des Existenzminimums von Kindern und deshalb im Einkommensteuergesetz geregelt. Nur der über den Ausgleich der Besteuerung des Existenzminimums hinausgehende Teil ist tatsächlich eine Familienförderung. Wir halten es für das richtige Signal, auch in diesen schwierigen Zeiten die berufstätige Mitte unserer Gesellschaft und damit vor allem die mittleren Einkommen zu entlasten, denn diese spüren diesen Bonus tatsächlich.
Frau Werner, sind wir doch ehrlich miteinander: Verschiedene Unterstützungsleistungen, vor allem der Kommunen, für einkommensschwache Familien, auch HartzIV-Familien oder Familien mit Leistungen nach dem SGB II und SGB III, profitieren davon. Ich will nur einmal einige aufzählen.
Da sind es zum Beispiel die geringeren Mitgliedsbeiträge bei Sportvereinsmitgliedschaften, der Zuschuss bei Ferienfahrten, der Zuschuss für Klassenfahrten, der Sozialpass, der angeboten wird und geringere Kosten bei der Inanspruchnahme verschiedener Angebote enthält. Ich denke an Schülerbeförderung, an Schwimmhalleneinritt und auch an die Erstattungsleistungen bei den Kosten der Unterkunft, hierzu auch die Heizung gerechnet. Und der Zugang zu den Tafeln, den ich nicht vergessen möchte, ergibt monatlich Unterstützungsleistungen in Höhe von 20 Euro. Das ist eigentlich einen Dank an die Kommunen, an den Bund und das Land wert, die hier Unterstützungsleistungen geben, die wir gar nicht so sehen oder Sie nicht sehen wollen, weil es nicht monetär in der Hand des Einzelnen landet, aber Familien und auch Kinder unterstützt.
Ich möchte keinen falschen Eindruck aufkommen lassen. Ich halte es insgesamt für den richtigen Weg für die Ermöglichung der Teilhabe aller Kinder an Bildungs- und Freizeitangeboten, aber ich betone eben ganz deutlich: aller Kinder, auch derjenigen, deren Eltern berufstätig sind und nur ein geringes Einkommen haben.
Zu dem anderen Aspekt, den Sie angesprochen haben, den Regelsatz für Kinder auf eine sachgerechte Grundlage zu stellen, gibt es nach meiner Ansicht eine von allen getragene Beschlusslage in diesem Hohen Hause. Auch wir unterstützen die Forderung nach einem tatsächlich existenzsichernden Regelsatz für Kinder. Das wird in Kürze vom Bundesverfassungsgericht entschieden.
Die genannte sachgerechte Grundlage, die Ergebnisse der Einkommens- und Verbraucherprobe – kurz EVS – von
Ich komme noch zu einem weiteren Punkt, der klarmacht, warum Ihr Antrag fehlgeht und letztlich wieder für eine Wählergruppe steht, nämlich Hartz IV. Hartz IV sichert das Existenzminimum. Eine Ewigkeitsgarantie darf Hartz IV aber nicht sein.
Es soll dazu dienen, den Zeitraum zwischen Erwerbslosigkeit und neuem Arbeitsplatz sozial abzusichern. Der Missstand liegt doch nicht darin, dass der Hartz-IV-Satz zu niedrig ist, sondern dass Menschen überhaupt darauf angewiesen sind.
Ich halte es nach wie vor für eine großartige Leistung unserer Gesellschaft, dass diejenigen, die arbeiten und Einkommensteuern zahlen, einen nicht unwesentlichen Beitrag davon abgeben, um andere finanziell und materiell zu unterstützen.
Doch – und das muss man an dieser Stelle auch so ehrlich sagen – Solidarität ist keine Einbahnstraße und leider schon gar nicht unermesslich. Von daher werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage, die hier zentral im Mittelpunkt steht, ist, ob alle Kinder das gleiche Recht auf Förderung und Unterstützung haben, und zwar vollkommen unabhängig davon, in welcher Situation sich ihre Eltern befinden. Das ist die Frage, um die es in diesem Antrag geht.
Natürlich weiß ich, woraus sich das Kindergeld ableiten lässt. Aber das heißt noch lange nicht, dass die sich daraus ergebenden Ungerechtigkeiten gerechtfertigt sind.
Lassen Sie mich gleich an dieser Stelle sagen: Unsere Fraktion unterstützt den Antrag der Linksfraktion. Eine Kindergelderhöhung ist wichtig. Wenn wir uns die Kostensteigerungen in verschiedenen Bereichen in den letzten Jahren anschauen, ist sie auch notwendig.
Wir hatten – auch darauf sind Sie eingegangen – in der letzten Legislatur über die Erhöhung bzw. über den eigenen Ansatz für Kinder der Hartz-IV-Regelsatzempfänger diskutiert. Wir waren uns einig, dass dies