Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie auf eine kleine Reise mitnehmen, und zwar in die Schweiz.
Wir fahren nach Genf und kommen in die Altstadt. Wir stehen auf den Stufen des Justizpalastes und schauen nach links und sehen eine deutsche evangelische Kirche. Nur ist sie nicht als Kirche erkennbar. Sie sieht aus wie ein vierstöckiges Bürgerhaus und stammt aus dem 18. Jahrhundert. Sie ist gebaut worden von deutschen evangelischen Händlern, die damals in Lyon lebten und denen es in Frankreich versagt war, eine eigene Kirche zu bauen.
Denen wurde erlaubt, in Genf eine Kirche zu bauen, allerdings mit der Maßgabe, sie dürfe nicht wie eine Kirche aussehen, weil die Väter von Genf Angst hatten, dass jemand, der am Sonntag zur Kirche gehen würde, ein echter Hugenotte, sich durch Zufall in die deutsche Kirche verirren und damit vom richtigen Glauben abkommen würde.
Dass er nicht unfehlbar ist und lernfähig ist, konnten wir zum Beispiel in Irland erkennen. Die Iren haben sich ursprünglich gegen Europa ausgesprochen und vor Kurzem für Europa.
Das Gleiche gilt – nun hören Sie einmal zu – in der Schweiz, wo jetzt aufgrund des Minarettverbotes große Diskussionen ausgelöst worden sind. Ich gehe davon aus, dass innerhalb relativ kurzer Zeit durch einen neuen Volksentscheid dieses Minarettverbot zurückgenommen wird.
Dass die NPD, Herr Apfel, gern das Rad der Geschichte zurückdreht, ist uns allen klar. Nur dachte ich bis jetzt immer, dass Ihr ideales Maß für das Zurückdrehen 75 Jahre betragen würde. In diesem Fall haben Sie das Rad um 300 Jahre zurückgedreht. Sie sollten mit dem Zurückdrehen aufpassen, sonst kommen Sie mit Ihren Argumenten irgendwann in der Steinzeit an.
Jetzt, wo ich das sage, fällt mir ein: In der letzten Legislaturperiode hat uns Herr Martens schon darauf hingewiesen, dass die NPD auch zu juristischen Höhlenmalereien durchaus in der Lage war mit dem Vorschlag von Todesstrafen.
Ich freue mich natürlich, dass es so viele Kritiker dieses Minarettverbotes gibt, weil ich weiß, dass im Sinne der Fairness diejenigen, die hier lauthals kritisieren, auch den christlichen Kommunen in den Ländern beistehen, in denen sie für das Recht auf freie Religionsausübung arbeiten.
Ich habe zum Beispiel gelesen, dass sich der Iran entscheiden will, zum 1. Januar 2010 die Todesstrafe für Menschen einzurichten, die vom Islam zum Christentum übertreten. Wenn sich Herr Ahmadinedschad gegen das Minarettverbot einsetzt, gehe ich davon aus, dass er seinen Willen für dieses Gesetz zurücknimmt. Denn wir wissen, Integration geschieht beidseitig und beinhaltet Bewegung auf beiden Seiten.
In der Gesellschaft gilt der Test der Fairness. Deswegen weiß ich: Fairness ist, wie fair ich jemandem gegenüber
bin, der selbst nicht fair ist. Selbstverständlich stehen wir in Sachsen – und nicht nur in Sachsen – aufgrund unseres Bekenntnisses zur Religionsfreiheit für das Recht auf Minarette. Selbstverständlich – und hier möchte ich Innenminister Thomas de Maizière zitieren – geschieht das in Absprache mit den Kommunen. Wie sie ein Gebäude annimmt, muss natürlich im Verhältnis mit dem Empfinden und auch den Gegebenheiten der Kommune stehen.
Wer so gegen das Minarett in Sachsen streitet, der sollte bedenken: Wir haben auch ein Minarett, das vom Landtag einsehbar ist, nämlich die Yenidze. Ich habe noch nie jemanden gehört, der gesagt hätte, er störe sich an diesem Minarett. Also, bitte vorsichtig!
Wir sollten uns stattdessen nach vorn orientieren und vom Besten lernen. Dazu gehört auch die Integration.
Gegenwärtig, meine Damen und Herren, haben wir noch pro Jahr über 20 000 Abiturienten. In kürzester Zeit werden es unter 10 000 sein. Die Frage ist: Wer hält unsere Fabriken am Laufen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die NPD zwingt uns heute eine Debatte auf, wie sie verlogener nicht sein könnte.
Schon allein wenn wir uns den Titel dieser Debatte anschauen „Den Anfängen wehren – Minarettverbot auch in Sachsen – Europaweite Volksabstimmung jetzt!“ spricht das Bände. Meine Dame und meine Herren – im Moment nur meine Herren von der NPD –, Sie bekämpfen seit Jahren die Europäische Union im Allgemeinen und die Demokratisierung der EU durch die Verträge von Lissabon im Speziellen.
Bleiben wir aber noch einen kurzen Moment dabei, was die NPD eigentlich meint, wenn sie Volksabstimmungen einfordert. Ich kann es vorwegnehmen: Um mehr Demokratie geht es der NPD an dieser Stelle definitiv nicht.
Wenn, das erkläre ich Ihnen jetzt gleich, die NPD plebiszitäre Elemente einfordert, dann glaubt sie, damit einen Weg gefunden zu haben, die Menschenrechtsorientierung und die normative Basis moderner Demokratien beseitigen zu können. Recht ist demnach das, was die Mehrheit verlangt, egal, worauf dieses Verlangen beruht.