Protocol of the Session on May 10, 2012

Heimerziehung, dessen Vorstellung in Berlin und die Gespräche mit den ehemaligen Heimkindern genauso, wie mich die Ausstrahlung der Dokumentation „Honeckers Sturz“ von Eric Friedler aufgeregt hat.

Margot Honecker kommt da als ehemalige Ministerin für Volksbildung der DDR zu Wort und hat an der Richtigkeit ihrer Politik bis heute keinerlei Zweifel, vor allem keine Selbstzweifel. – Erschreckend, denn gerade in dieser Zeit, als Margot Honecker die Verantwortung trug, war der Umgang mit den Schutzbefohlenen von Zwang und Gewalt geprägt. Kinder und Jugendliche sollten entsprechend der marxistischen-leninistischen Ideologie umerzogen werden, auch das zeigt der bereits genannte Bericht eindeutig, und wie sehr der Alltag auch in den Spezialheimen, den Durchgangsheimen und Jugendwerkhöfen in der DDR von Zwang, Gewalt und Willkür geprägt war. Auftrag war die Beseitigung individualistischer Gerichtetheit, Ziel war die Umerziehung zur sozialistischen Persönlichkeit. Wer dies nicht erlebt hat, kann nur versuchen, das Erlittene nachzuvollziehen.

Glücklicherweise – das möchte ich bewusst betonen – hat nicht jedes Kind und nicht jeder Jugendliche in den normalen Kinderheimen die Erfahrungen machen müssen, die in diesem Bericht geschildert wurden; ich habe dazu auch Briefe erhalten. Aber die persönlichen Gespräche mit den Betroffenen, die in Kindheit und Jugend unermessliches Leid und unermessliches Unrecht erfahren mussten, zeigen, wie wichtig dieses Anliegen ist. Lesen Sie diesen Bericht, fahren Sie nach Torgau und schauen Sie sich die Ausstellung "Ziel: Umerziehung" an, dann wissen Sie, was ich meine.

Meine Damen und Herren, unsere Aufgabe ist es, die Aufarbeitung, die persönliche und auch die historische, zu unterstützen. Der in Berlin vorgestellte Bericht trägt einen großen Teil zur Aufarbeitung bei. Deshalb habe ich gesagt, der 26. März 2012 ist ein gerechter Tag und lässt die Betroffenen auch im Blick auf die Diskussion Heimkinder West keine Opfer zweiter Klasse sein.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wichtig ist auch, die Betroffenen an der Aufarbeitung und am Aufbau der Hilfestrukturen zu beteiligen. Es ist richtig und wichtig, dass in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Einrichtung des ostdeutschen Fonds auch ehemalige Heimkinder vertreten sind und ihre Erfahrungen bei der Erarbeitung der Leistungsrichtlinie einbringen können.

Auch an diesem Montag hat die Arbeitsgruppe wieder in Berlin getagt. Die Bemühungen, den Fonds zum 1. Juli 2012 einzurichten, laufen auf Bundes- und Länderebene auf Hochtouren. Die Verwaltungsvorschrift und die Satzung befinden sich in der Endabstimmung. Die Richtlinien und die Handreichungen für die Leistungsvergabe werden derzeit erarbeitet. Der Erfahrungsaustausch vor allen Dingen auch mit den westdeutschen Ländern – der entsprechende Fonds läuft ja schon ein halbes Jahr früher – wird intensiv gepflegt.

Bei uns im Freistaat arbeiten wir ebenfalls intensiv. Mein Haus prüft gerade, wie wir die Gedenkstätte Torgau mit dem dargelegten Ansatz der Selbsthilfe auch perspektivisch weiter unterstützen können; denn unsere Zusam

menarbeit – und es ist wichtig, das hier noch einmal zu sagen – hat eine lange Tradition. Wir haben im Freistaat Sachsen bereits Anfang der Neunzigerjahre mit der Aufarbeitung der Geschehnisse vor allen Dingen in dem geschlossenen Jugendwerkhof begonnen, und die Torgauer waren uns dabei eine große Hilfe. Sie waren es auch, die es letztlich mit ihrer Stimme geschafft haben, dass wir in den westlichen und in den östlichen Ländern Gehör gefunden haben. Letztlich haben sie damit die Debatte um die Heimkinder überhaupt erst ins Rollen gebracht und dazu beigetragen, dass unsere Gesellschaft sensibel und aufmerksam auf die Vergangenheit in den ost- und westdeutschen Heimen schaut. Dafür allen mein Respekt, meine Anerkennung und mein Dank!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Das SMS hat bereits frühzeitig den Aufbau der Gedenkstätte unterstützt, ideell, aber auch mit einer Anschubfinanzierung. Wir werden Torgau selbstverständlich auch weiter unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Aufgrund der Aufmerksamkeit für dieses Thema ist in den letzten Wochen die Zahl der Anrufe in meinem Haus extrem gestiegen. Immer mehr Ehemalige trauen sich, über ihr Schicksal zu sprechen, ihre Erfahrungen mitzuteilen und auch um Hilfe zu bitten. Deshalb war es wichtig, dass das sächsische Kabinett am 17. April dieses Jahres über den Fonds „Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990“ entschieden hat. Der Freistaat Sachsen wird in den nächsten fünf Jahren 5,9 Millionen Euro in den Fonds einspeisen und eine Anlauf- und Beratungsstelle aufbauen.

Ich bin überzeugt, am 1. Juli 2012 wird der Fonds der ostdeutschen Länder bereitstehen und die Anlauf- und Beratungsstelle, ausgestattet mit Fachkräften, ihre Arbeit bei uns im Freistaat Sachsen aufnehmen. Die Anlauf- und Beratungsstelle wird beim Kommunalen Sozialverband Sachsen angesiedelt. Die Stellen für juristische und psychologische bzw. sozialpädagogische Fachkräfte sind bereits ausgeschrieben. Weitere Details werden gerade mit dem KSV besprochen. Auch die strategische Vernetzung mit den Aktiven des Fördervereins in Torgau wird dabei ein wichtiger Aspekt sein. Wir waren gemeinsam mit dem Direktor des KSV zur Ausstellungseröffnung vor Ort, und er hat sich dort auch die Intention angehört. Auch die strategische Vernetzung mit den Aktiven des Fördervereins in Torgau wird dabei ein wichtiger Aspekt sein. Es war mir wichtig, Ihnen das nochmals mitzuteilen.

So ist uns die Vergangenheit Mahnung und Verpflichtung zugleich – Mahnung und Verpflichtung für eine verantwortungsbewusste Kinder- und Jugendhilfe in Gegenwart und Zukunft.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie vereinzelt bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das war für die Staatsregierung Frau Staatsministerin Clauß. – Wir sind jetzt nicht ganz am Ende unserer Aktuellen Debatte.

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE, und Elke Herrmann, GRÜNE, stehen an Mikrofonen.)

Jetzt weiß ich nicht, wer von den Damen zuerst am Mikrofon stand. Ich höre gerade, es war Frau Kollegin Herrmann. Sie wollen Ihre zweite Kurzintervention vortragen? – Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Die Frau Staatsministerin hat deutlich gemacht, dass die Beratungsstelle eingerichtet wird. Ich kann nur, so wie es auch die Frau Ministerin getan hat, allen Kollegen ans Herz legen, diesen Bericht zu lesen.

Ich möchte aber an dieser Stelle eine kleine Warnung aussprechen: Ich glaube, es reicht nicht aus, in der Auseinandersetzung mit diesem Thema und in seiner Aufarbeitung auf die Beratungsstelle und auf den Fonds zu verweisen. Wir müssen an dieser Stelle wirklich in die Gesellschaft kommen.

Ich möchte ein Beispiel geben, wie ich das meine: Viele von uns hatten als Kinder Kontakt mit Menschen aus Kinderheimen. Auch wir sind da nicht frei von Schuld. Ich kann mich sehr gut erinnern, dass in meiner Klasse niemand neben denen sitzen wollte, denn die waren ja aus dem Kinderheim. So etwas wird kaum in eine solche Beratungsstelle getragen werden. Das ist etwas, was wir im Gespräch, im Kontakt mit denjenigen, die in Kinderheimen gelebt haben und die sich heute erstmals trauen, diese Fragen zu stellen, klären müssen. Es reicht eben nicht, mit dem Finger nur in eine Richtung zu zeigen.

Deshalb möchte ich nochmals dafür werben, diese Debatte in der Gesellschaft zu führen, in den Einrichtungen, die es heute noch gibt, aber auch dort, wo wir alle die Gelegenheit haben, über solche Dinge zu sprechen. Das darf nicht verstummen; denn nicht alle Menschen haben Zugang, und diese Beratungsstelle ist auch nicht für alle Menschen der richtige Ort.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Frau Staatsministerin, wollen Sie darauf reagieren? – Das war ein zustimmendes Nicken, denke ich.

Frau Klepsch, bitte Ihre Kurzintervention.

Genau, eine Kurzintervention zu den Ausführungen der Frau Staatsministerin.

Ich möchte mich auch für die sehr sachliche Darstellung dessen bedanken, was die Staatsregierung an dieser Stelle tut. Ich möchte aber nochmals feststellen, dass es wichtig ist, sich in den nächsten Jahren bei der Aufarbeitung nicht nur auf den Jugendwerkhof Torgau als Extremfall zu fokussieren, sondern insbesondere auch die Situation der Spezialheime und der Heime für psychisch kranke Kinder zu beleuchten, weil man sonst nicht allen Opfern gerecht werden kann, weil es doch sehr vielschichtig, sehr komplex und sehr unterschiedlich war. Ich glaube, es ist in den nächsten Jahren notwendig, auch die verschiedenen Situationen aufzuarbeiten.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das war die zweite Kurzintervention von Frau Kollegin Klepsch. Nach diesen beiden Interventionen ist die 1. Aktuelle Debatte jetzt wirklich abgeschlossen.

Ich darf, bevor wir zur 2. Aktuellen Debatte kommen, etwas ergänzen, was ich vorhin vergessen hatte. Man möge mir das nachsehen. Der Tagesordnungspunkt 12, Kleine Anfragen, ist zu streichen, weil er sich schlicht erledigt hat.

Frau Kollegin Friedel, ich darf Sie um eine kleine Amtshilfe für den amtierenden Präsidenten bitten. Kollege Mann ist gerade nicht im Raum. Wenn Sie den demonstrativ aufgeklebten Button seines Laptops ein bisschen zurückklappen würden, würde uns das bei der Durchsetzung der Geschäftsordnung sehr helfen. Vielen Dank.

(Sabine Friedel, SPD, klappt den Deckel des Laptops des Abg. Holger Mann, SPD, nach vorn.)

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Kein Hafturlaub für Schwerverbrecher –

Weitere Liberalisierung des Strafvollzugs stoppen

Antrag der Fraktion der NPD

Als Antragstellerin hat zuerst die Fraktion der NPD das Wort. Das Wort ergreift der Abg. Apfel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war Altbundespräsident Roman Herzog, der sagte: „Es kann doch nicht sein, dass sich der Bürger, der

sich gesetzesgemäß verhält, wie ein Idiot vorkommen muss.“ Um genau so eine Idiotie handelt es sich, wenn der Justizminister von Sachsen wochenlang darüber schwätzt, den ohnehin lauwarmen Strafvollzug für Schwerverbrecher durch immer mehr Sonderrechte weiter aufweichen zu wollen.

Die FDP, die längst von einer freiheitlich-patriotischen Partei eines Erich Mende zum Club der Spaßmacher und rosaroten Brillenträger mutiert ist, bringt es heute fertig, Mörder und Vergewaltiger mit Hafturlaub belohnen zu wollen.

(Zuruf von der FDP)

Wenn man bedenkt, wie hoch die Latte in der bunten Republik der BRD heute ist, um überhaupt zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt zu werden, wird das Ausmaß der geplanten Aufweichung des Strafvollzugs erst richtig deutlich.

Selbst Tötungsdelikte, selbst schwere Raubstraftaten führen oftmals nur zu Bewährungsstrafen, wenn die Täter einen fähigen Anwalt haben oder schauspielerisches Talent bei der Reuebekundung aufbringen.

Mit anderen Worten: Wir reden hier ernsthaft über absolute Schwerverbrecher, über diejenigen, die null Toleranz, null Akzeptanz gegenüber Recht und Gesetz aufbringen. An diesen Personenkreis richten die Freien Demokraten den Appell: „Ihr Mörder, ihr Kinderschänder, ihr Gewalttäter! Wir von der FDP wollen euch nach fünf Jahren wieder auf die Menschheit loslassen. Fehlt nur noch Freibier, eine leichte Dame oder eine Einladung zur Naumann-Stiftung zum gemütlichen Plausch über die jeweilige Verbrecherkarriere.“

(Beifall bei der NPD)

Derjenige, für den Liberalität in diesem Staat aber gleichbedeutend ist mit Beliebigkeit und dessen oberstes Prinzip die Prinzipienlosigkeit ist, meine Damen und Herren, lebt in einer Welt gutmenschlicher Halluzinationen, und er ist nicht in der Lage, den realen Problemen des täglichen Lebens etwas entgegenzusetzen. Eine solche Verbrecherhofierung ist mit der NPD natürlich nicht zu machen, denn wir wollen die Gefahren für Sicherheit und Ordnung wirksam bekämpfen. Wir denken an das Leid der Opfer und nicht an noch mehr Luxus für Schwerstkriminelle, meine Damen und Herren.