Protocol of the Session on May 9, 2012

Auch im Hochschulentwicklungsplan wird die Berufsakademie kaum erwähnt; eine Seite von 208 Seiten ist ihr gewidmet. Selbst auf dieser einen Seite wird nicht beschrieben, was in Zukunft mit den sieben Standorten der Berufsakademie, also den Staatlichen Studienakademien, geschehen soll. Der Strukturplan steht noch aus, obgleich das Direktorium der Berufsakademie schon 2009 einen Entwurf mit eigenen Vorstellungen vorgelegt hat.

Man sieht: Der lange angekündigte Entwicklungs- und Strukturplan für die Berufsakademie Sachsen ist absolut notwendig. Denn auch wir sehen die Chancen dieser Institution. Es bedarf des Ausbaus der Weiterbildung als Alleinstellungsmerkmal, der gemeinsamen Vermarktung der Studienakademien unter einem Dach und der besseren Abstimmung der Studiengänge untereinander. Auch die SPD-Fraktion ist der Meinung, dass die Berufsakademie Sachsen glänzende Aussichten auf eine erfolgreiche Zukunft hat, wenn die beschriebenen Herausforderungen angegangen werden.

Die BA Sachsen ist ein kleines Juwel. Es strahlt vor Ort, in den Regionen, und bildet dort die Fachkräfte vor allem für die KMUs aus. Wir möchten Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, jedoch empfehlen, nicht zu sehr nach Westen zu blicken. Sie könnten sonst von der untergehenden Abendsonne geblendet werden.

Die Berufsakademie Sachsen hat guten Grund, ihren Weg eigenständig fortzusetzen und ihr Profil zu stärken. Dafür kann ich die Unterstützung meiner Fraktion zusichern.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Für die Fraktion der GRÜNEN Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme gern in das fraktionsübergreifende Loblied ein. Ihre 20-jährige Geschichte hat gezeigt, dass die Berufsakademie ein erfolgreiches Konzept ist. Sie stellt eine wichtige Ergänzung im tertiären Bildungsbereich dar. Denn die Ausbildung an einer der sieben Studienakademien und bei den Praxispartnern ist ein unschlagbares Angebot für jene Studierenden, die sich vom Studium möglichst kurze Studienzeiten und intensive Praxisnähe versprechen.

Bemerkenswert sind natürlich die niedrige Abbrecher- und die hohe Vermittlungsquote. Aber, Herr

Prof. Schmalfuß, ist das „sensationell“? Der Grund liegt doch auf der Hand: Die Studiengänge sind sehr streng strukturiert, und es bestehen Ausbildungsverträge mit den Praxispartnern.

Wie muss es nun weitergehen? Ich glaube nicht, dass der Überschuss an Bewerbern für die Berufsakademie der Hauptpunkt ist; diesen gibt es an einer ganzen Reihe von Hochschulen in ungleich höherem Maße.

Die Berufsakademie wird sich wandeln müssen, wenn sie so attraktiv wie bisher bleiben will. Denn manches, was bisher typisch für sie war, verschwindet langsam. Hochschulen setzen allgemein immer stärker auf einen Praxisbezug ihrer Studiengänge; das gilt speziell für die Fachhochschulen, aber auch für einige Universitäten. Wir haben auch im Hochschulentwicklungsplan die Vorgabe, dass eine verstärkte Vernetzung der Hochschulen mit der Wirtschaft erfolgen soll.

Noch ein kleiner Hinweis: Mit der vorgesehenen Hochschulgesetznovelle soll der Meisterabschluss der allgemeinen Hochschulreife gleichgestellt werden. Auch das ist ein Reservoir, aus dem die Studienakademien bisher Kraft ziehen konnten.

Ich stelle die These auf, dass die Berufsakademie sich verändern muss.

Es stellen sich die Fragen: Was kann und was soll die Berufsakademie leisten? Welchen Platz hat sie in der sich verändernden Hochschullandschaft? Welche Qualitäten muss sie dafür entwickeln?

Die Berufsakademie – und die Koalition, wenn ich die Debatte richtig verstehe – strebt nach dem Beispiel Baden-Württembergs die Weiterentwicklung zu einer dualen Hochschule an. Ich will provokativ nebenbei bemerken: Diese Entwicklung ist nicht alternativlos. Berlin hat einen völlig anderen Entwicklungsweg eingeschlagen und 2003 seine Berufsakademie in Form von dualen Studiengängen in die Fachhochschule für Wirtschaft integriert. Das ist übrigens eine mögliche Alternati

ve, auf die wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits 1994 verwiesen haben.

Herr Prof. Schmalfuß, ich möchte in der Diskussion über die Entwicklung der Berufsakademie einige grundsätzliche Bemerkungen machen: Öffentliche Bildung darf sich nicht darauf beschränken, dass Unternehmen ihre Fachkräfte und Absolventen ihre Arbeitsplätze bekommen. Öffentlich finanzierte Bildung muss – jenseits solcher wichtigen Ziele – die Voraussetzung dafür schaffen, dass eine Gesellschaft sich auch selbstkritisch immer wieder erneuern kann. Die Hochschulen sind der zentrale Ort für einen selbstkritischen gesellschaftlichen Austausch und für innovatives Denken.

Das Erneuerungspotenzial der Wissenschaft – ich denke an die Geisteswissenschaften wie auch an die Technikwissenschaften – besteht doch gerade darin, auf Distanz zu ihren Gegenständen zu gehen und diese deshalb vorurteilsfrei zu bewerten. Deshalb muss hochschulische Bildung vom Grundsatz her zweckfrei sein; ansonsten würde sie zwecklos.

Wenn die Berufsakademie wirklich den Hochschulstatus will, dann braucht sie dringend eine stärkere wissenschaftliche Ausgestaltung ihres Studiums. Sie braucht auch noch etwas anderes: die Abkehr von der straffen staatlichen Kontrolle und die Hinwendung zu einer Autonomie mit ausgewogen besetzten Entscheidungsebenen und einer verfassten Studierendenschaft. Sie braucht zudem eine weit stärkere Spezialisierung auf Fachgebiete, die nicht von den anderen Hochschultypen besetzt sind, und muss eigenständig starke Profile entwickeln.

Aber auch der Freistaat als Träger der Staatlichen Studienakademien hat Aufgaben zu erfüllen. Er muss nicht mehr und nicht weniger tun, als die Rolle der Berufsakademie im ganzen Spektrum der öffentlichen Bildung zu definieren.

Ich gestehe offen: Seit der Studie von Prof. Sabisch von der TU Dresden aus dem Jahr 2004 sind mir keine Schritte hin zu einer kritischen Evaluation oder zur Entwicklung zukunftstauglicher Konzepte der Berufsakademie bekannt geworden. Deshalb ist es aus unserer Sicht die wichtigste und nächste Aufgabe, Frau Professorin Schorlemer, dass Sie diese Fragen beantworten und eine Gesamtkonzeption für die sächsische Hochschullandschaft unter Einbeziehung der Berufsakademie entwickeln. Es ist ein Versäumnis, dass der Hochschulentwicklungsplan das leider nicht geleistet hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Geert Mackenroth, CDU)

Auf einer solchen Grundlage wird es gelingen, der 20-jährigen Berufsakademie Sachsen eine gute Zukunft zu sichern, nicht aber durch den Titel einer Aktuellen Debatte, in dem sie bereits zur dualen Hochschule hochstilisiert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die NPD Herr Abg. Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte sollte sich eigentlich, wie der Name schon nahelegt, auf aktuelle Ereignisse und Probleme beziehen, die den Fraktionen auf den Nägeln brennen. Wo nun die Aktualität einer Debatte über das 20-jährige Bestehen der sächsischen Berufsakademie liegen soll, bleibt wohl das Geheimnis von CDU und FDP – ein Geheimnis, das wohl auch Ihre eigenen Abgeordneten nicht lüften können; es weilt nämlich kaum noch ein CDU-Abgeordneter im Plenarsaal, und das während der von der eigenen Fraktion beantragten Debatte.

Da die regierungstragenden Fraktionen zu vielen sächsischen Problemen – ich nenne nur Abwanderung, Niedriglöhne und Grenzkriminalität – schon lange nichts mehr zu sagen haben, suchen sie offenbar verzweifelt nach Jubiläumsthemen, um sich selbst feiern und beweihräuchern zu können. Das erinnert einen an den kleinen Schulstreber, der vor der versammelten Klasse unbedingt einmal gelobt werden möchte.

So spreche ich denn – notgedrungen – zu dem beantragten Thema. Ich kann für die NPD erklären, dass auch wir die sächsische Berufsakademie für ein bildungs- und arbeitsmarktpolitisches Erfolgsmodell halten. Nach der Wende übernahm Kurt Biedenkopf die Berufsakademie – wir haben es bereits gehört – aus Baden-Württemberg, um neben Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen eine duale Bildungseinrichtung zu schaffen, in der Wirtschaft und Wissenschaft auf ideale Weise kooperieren können.

Der Freistaat Sachsen verfügt heute über sieben Studienakademien, die eine breite Palette an Studienangeboten in den Bereichen Wirtschaft, Technik und Soziales anbieten. Abiturienten, die eine zügige und gleichzeitig praxisnahe Ausbildung mit akademischer Unterfütterung anstreben, können zwischen den Standorten Riesa, Bautzen und Breitenbrunn, Dresden, Glauchau, Plauen und Leipzig wählen. Für die Staatliche Studienakademie Riesa seien etwa die Studiengänge Maschinenbau, Metallbau, Biotechnologie, Strahlentechnik, Umwelttechnik, Handelsmanagement sowie Event- und Sportmanagement erwähnt.

Das dreijährige Studium an einer Studienakademie verbindet Theorie und Praxis. Auch das haben Sie bereits gehört; das ist die Last desjenigen, der als Letzter an das Rednerpult treten darf, und das zu einem Thema, zu dem es eigentlich nicht viel Neues zu sagen gibt. – Die Studierenden werden an den beiden Standorten, Wissenschaftsakademie und Wirtschaftspartner, zielgerichtet auf eine berufliche Tätigkeit vorbereitet.

Maßgebend für den Ausbildungserfolg der sächsischen Berufsakademien ist die Auswahl der Praxispartner. Diese müssen ihre Eignung als Partner der Studienakademien überprüfbar nachweisen und arbeiten in der Regel so eng

mit den Auszubildenden zusammen, dass sie zu 80 % auch deren zukünftige Arbeitgeber sind. Diese Erfolgsquoten, die in manchen Ausbildungssparten fast an die 100-Prozent-Marke heranreichen, sind nur möglich, weil die Abiturienten zielgerichtet studieren und sich die potenziellen Arbeitgeber über einen langen Zeitraum mit ihnen vertraut machen können.

Vorteilhaft wirkt sich zudem aus, dass die Studienakademien, zum Beispiel die in Bautzen, nicht einfach auf der grünen Wiese errichtet worden sind, sondern oftmals an Bildungsinstitutionen anknüpfen können, die schon jahrzehntelang in dem Bildungssektor tätig sind, der heute als „tertiärer Bildungssektor“ bezeichnet wird.

Ein großer Wermutstropfen aus der Sicht der NPDFraktion sind die baldige Umstellung der bewährten Diplom-Studiengänge auf den von EU-Bildungs

bürokraten diktierten Abschluss „Bachelor“ und der angestrebte Master-Studiengang auch an der Berufsakademie. Die Gleichschaltung des europäischen Hochschulraums durch die Bologna-Reform und damit die Abschaffung der bewährten deutschen Studieninhalte und Studienabschlüsse kritisiert die NPD, seit sie diesem Landtag angehört.

Wenn die sächsische Berufsakademie weiterhin so erfolgreich bleiben will, sollte man auch in Sachsen an die Überlegungen anknüpfen, die es in MecklenburgVorpommern gibt, wo man nämlich anfängt, das sinkende Bologna-Schiff zu verlassen und wieder in den sicheren Diplom-Hafen zurückzukehren. Die NPD-Fraktion

jedenfalls wünscht den sieben Studienakademien in Sachsen und ihren Studierenden bzw. Auszubildenden weiterhin viel Erfolg – das auch deshalb, weil sie zeigen, dass eine gesunde Verbindung von beruflicher Praxis und akademischer Unterfütterung sinnvoller ist als eine ziellose Überakademisierung, deren Befürworter manchmal sogar noch für die Kindergärtnerin einen Hochschulabschluss fordern. Insofern ist auch aus unserer Sicht das Modell der sächsischen Berufsakademie ein Erfolgsmodell. Wir hoffen, dass das in den zukünftigen Haushaltsverhandlungen auch mit den nötigen Finanzmitteln untersetzt wird.

(Beifall bei der NPD)

Für die CDUFraktion bitte Herr Abg. Heidan.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gansel, Sie haben soeben bewiesen, dass Sie in der Materie doch nicht so gut drinstecken. Ja, die Berufsakademie Sachsen ist seit 20 Jahren erfolgreich. Sie haben immer von „Berufsakademien“ gesprochen. Es ist eine Berufsakademie mit sieben Standorten, Herr Gansel.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Sie war in den letzten 20 Jahren sehr erfolgreich, weil sie auf die Wirtschaft ausgerichtet war und ihr die nötigen Fachkräfte zur Verfügung gestellt hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Schmalfuß, als Sie in Ihrem Redebeitrag feststellten, dass man an der Berufsakademie selbstständig arbeiten müsse, musste ich schon etwas schmunzeln. Ich stelle fest: Ja, das ist das Markenzeichen der Selbstständigen. Sie wissen sicherlich, was man mit einem Selbstständigen verbindet: Er arbeitet selbst und ständig. – Auch das ist in der Berufsakademie fest verortet. Man ist schon bei der Erstellung des Curriculums auf die Wirtschaft und deren Probleme ausgerichtet. Zwischen beiden Belangen, denen der Wirtschaft und denen der Wissenschaft, wird dort ein guter Konsens gefunden. Das ist, wie gesagt, in den letzten 20 Jahren ein Markenzeichen der Berufsakademie Sachsen gewesen. Man geht auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ein; sie werden schon während des Studiums berücksichtigt.

Auch deshalb ist übrigens die Vermittlungsquote so hoch. Die Studenten, die an der Berufsakademie ihren Abschluss als Bachelor bekommen, erleiden keinen Praxisschock. Sie sind von Anfang an an die Praxis herangeführt worden. Es gibt einen bewährten Wechsel zwischen Theoriesemester und Praxissemester, und das drei Jahre lang. Das ist das Erfolgsrezept. Deshalb ist auch die Abbrecherquote so niedrig; in den Redebeiträgen ist zutreffend darauf hingewiesen worden. Die Übernahme durch die Wirtschaft ist zu fast 100 % gewährleistet.

Wir begleiten dieses Erfolgsmodell seit mittlerweile 20 Jahren und wir werden das auch weiterhin tun. Der Titel der Aktuellen Debatte ist treffend: „Duale Hochschule erfolgreich weiterentwickeln“. Das ist unsere Zielsetzung, die Zielsetzung dieser Koalition. Wir haben es geschafft, die Finanzierung auf solide Füße zu stellen. Dafür geht noch einmal ein herzlicher Dank an unseren Koalitionspartner.

(Beifall bei der CDU)

Es kann solide gearbeitet werden. Wir als CDU haben uns immer dafür eingesetzt. Es ist erwähnt worden, wer Gründungsvater des Ganzen ist: kein Geringerer als Kurt Biedenkopf mit seinem erfolgreichen Wirtschaftsminister Kajo Schommer.

Lassen Sie mich am Ende dieser kurzen Debatte noch ein Zitat bringen, dem eigentlich nichts hinzuzufügen ist. Es stammt vom Leiter des Volkswagen-Service Deutschland, Arno Kalmbach. Ich zitiere: „Im Volkswagen-Service hat man sehr früh auf die großen Potenziale gesetzt, die aus einer Verbindung von Studium und berufspraktischer Ausbildung erwachsen. Eine maßgeblich treibende Kraft waren hier übrigens die Volkswagen-Partnerbetriebe.“