Protocol of the Session on May 9, 2012

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Dr. Gerstenberg für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als abschließender Redner in der ersten Runde; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kann kaum einen Zweifel geben: In den letzten Jahren hat sich in Sachsen beim Thema Kultur- und Kreativwirtschaft durchaus etwas bewegt. Das gilt für die vielen Kulturschaffenden und Kreativen, die eigene Interessenvertretungen aufbauen und die Rahmenbedingungen für das kreative Arbeiten mitgestalten wollen.

Seit 2010 gibt es in Leipzig den Verein „Kreatives Leipzig“, der Netzwerkbildung betreibt und die Positionen der Branche sortiert und vermittelt.

In Dresden hat sich in diesem Februar der Branchenverband „Wir gestalten Dresden“ auf den Weg gemacht. Vernetzung findet aber zunehmend auch städteübergreifend statt, zum Beispiel in der Musikbranche über die IG Live-Musik Sachsen und im Projekt „Flying Music Circus“. In den Stadtverwaltungen in Leipzig und nun auch in Dresden ist das Thema angekommen. Hier ist man mit der Szene im Gespräch und es werden gemeinsame Lösungen gesucht. Hier entwickelt sich auch das Verständnis, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft anders tickt als etwa die Automobilindustrie oder der Maschi

nenbau. Die Situation hat auf dieser Seite eine neue Qualität erreicht.

Ganz anders beim Freistaat. Hier dreht sich kaum ein Rad. Die Unterstützung der Kultur- und Kreativmärkte bleibt absolut marginal. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sachsen sieht im Vergleich zu anderen Bundesländern bei der Begleitung und Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft sehr, sehr blass aus. Das Wirtschaftsministerium verharrt weiter in Starre. Aber warum eigentlich? Läuft bei uns etwa alles bestens, wie in den Antworten der Staatsregierung auf die Anträge zum Thema immer wieder auf geradezu hanebüchene Weise vermittelt wird? Wohl kaum. Die Statements der Sachverständigen in der Anhörung im letzten Jahr ergaben ein völlig anderes Bild. Wir haben im Landtag schon so oft über diese Punkte debattiert, bei denen etwas passieren muss; deshalb will ich sie nicht noch einmal aufzählen. Bei den meisten Branchenvertreterinnen und -vertretern löst ein so hohes Maß an Beratungsresistenz nur noch Kopfschütteln aus, und da geht mir genauso.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich will es an den teilweise haarsträubenden Antworten der Staatsregierung auf den Antrag der SPD-Fraktion festmachen. Wer die Lücke zwischen Kulturförderung und Wirtschaftsförderung nicht sieht, der schaut offensichtlich bewusst weg.

Herr Staatsminister Morlok, ich erkläre es Ihnen gern noch einmal: Bei der Kunst- und Kulturförderung werden wirtschaftliche Interessen bislang konsequent ausgeschlossen. Diese Töpfe, wie viele Millionen auch darin stecken mögen, sind für die meisten Kreativwirtschaftler nicht zugänglich. Die Förderprogramme des SMWA andererseits stehen nur scheinbar allen Branchen offen. Sie sind auf den Mittelstand ausgerichtet und gehen am Bedarf der Kreativen, die häufig als Freiberufler oder Einpersonengesellschaften tätig sind, nun wirklich völlig vorbei. Weder sind die Formulare für die Kreativwirtschaftler handhabbar noch sind die hohen Mindestfördersummen machbar. Herr Morlok, wenn sie diese Hürden für angemessen halten, dann grenzen Sie Kreative vorsätzlich aus.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Auch stellt sich die Frage, ob Sie Wirtschaftsminister oder ein Minister für ausgewählte Branchen sind, nämlich die, die die FDP im Blick hat.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Eine Fortschreibung des Kulturwirtschaftsberichtes

befinden Sie auch nicht für notwendig. Das halte ich schon für eine Verweigerung der Realität.

Werte Frau Fiedler und Herr Tippelt! Ich frage mich nach Ihren Reden mittlerweile, was wäre, wenn Sie sich nicht mit der verdienstvollen Arbeit von Katja Grosser im Kompetenzzentrum des Bundes herausreden könnten.

Herr Morlok, Sie führen an, dass Hinweise der Akteure zur Beratung und Förderung hilfreich wären. Das muss für die Akteure wie der blanke Hohn klingen. Es gibt genügend Diskussionsergebnisse und gesprächsbereite Partner. Dass zu diesen Fragen niemand Auskunft geben will, nehme ich Ihnen überhaupt nicht ab. Da haben wir auf unseren Veranstaltungen mit der Kultur- und Kreativszene in Dresden und Leipzig vollkommen andere Erfahrungen gemacht. Es ist nur folgerichtig, dass die heute herausgegebene Pressemitteilung der dortigen Verbände Sie deutlich kritisiert. Im SMWK wird das Thema offensichtlich etwas anders gesehen. Hier gibt es Aktivitäten im Filmbereich, aber ohne den Willen des federführenden SMWA und ohne eine regelmäßige Zusammenarbeit im gemeinsamen Arbeitskreis wird sich nichts bewegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Hoffnung stirbt zuletzt. Daher möchte auch ich auf die bevorstehende Impulskonferenz des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes am 7. Juni in Dresden hinweisen. Ich möchte den Wirtschaftsminister eindringlich bitten: Lassen Sie dort Ihren Staatssekretär nicht nur ein Grußwort sprechen. Nutzen Sie die Chance, lassen Sie sich beraten, nehmen Sie die Erfahrungen Ihrer Kollegen aus anderen Bundesländern auf. Thüringen ist gerade dabei, eine Landesagentur für Kultur- und Kreativwirtschaft aufzubauen. Kurz gesagt, lernen Sie und handeln Sie endlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Geeignete Wege für dieses Handeln wurden im Landtag schon mehrfach aufgezeigt, nicht zuletzt auch durch unsere Initiative vor einem Jahr. Die stimmt in vielen Punkten mit dem Antrag der SPD-Fraktion überein. Auch der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion zeigt wieder einmal diese Wege auf. Deshalb werden wir ihm selbstverständlich zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Die NPD-Fraktion hatte den Redebeitrag aufgrund der Redezeit zurückgezogen.

Meine Damen und Herren! Damit ist die erste Runde der allgemeinen Aussprache beendet. Mir liegen noch Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage trotzdem die SPD-Fraktion, ob noch Redebedarf besteht. – Das ist nicht der Fall. Ich frage die CDU-Fraktion. – Herr Clemen, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Ergebnis des Berichtes der Enquetekommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ aus dem Jahr 2007 und auf Initiative des Staatsministers für Kultur Bernd Neumann sowie des damaligen Vorsitzenden des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages Hans-Joachim Otto definierte

in den folgenden Jahren eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Bundestagskulturausschusses und den Vorsitzenden der Kulturausschüsse der Länder die Handlungsfelder, Zugehörigkeiten und Schwerpunktsetzungen der Kultur- und Kreativwirtschaft. In dieser Arbeitsgruppe durfte ich als damaliger Vorsitzender des sächsischen Ausschusses mitarbeiten. In dem recht komplizierten Diskussionsprozess gelang es, sich auf die wesentlichen Kriterien der Zugehörigkeit zur Kultur- und Kreativwirtschaft zu verständigen und Handlungsfelder für die kommenden Jahre aufzuzeigen. Meine Kollegin Aline Fiedler hat schon dargestellt, wie diese genau beschaffen sind.

Die zunächst sehr unterschiedlichen Herangehensweisen der einzelnen Bundesländer konnten harmonisiert und zu gemeinsamem konzertiertem Handeln zusammengeführt werden. Ein beredtes Zeugnis davon legt auch der Kreativwirtschaftsbericht des Freistaates Sachsen aus dem Jahr 2008 ab, für den an dieser Stelle ganz deutlich der Dank an Thomas Jurk zu entrichten ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Infolgedessen hat das SMWA unter seinem Nachfolger Sven Morlok im Jahr 2009 die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft zu Gesprächsrunden mit der Sächsischen Aufbaubank, der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH und der Tourismus-Marketing-Gesellschaft Sachsen mbH eingeladen, um gemeinsame Handlungsschritte zu erörtern und zu etablieren. Außerdem entstand unter Federführung des Bundes das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft mit Ansprechpartnern für die jeweilige Region. Die Ansprechpartnerin für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hat in diesem Zusammenhang in den vergangenen Monaten schon einen bedeutenden Beitrag zur Stärkung und Vernetzung der Kreativwirtschaft geleistet. Frau Grosser wurde ja auch bereits hier erwähnt.

Ziel der Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft war jedoch – zumindest aus meiner Sicht – immer der wirtschaftliche Aspekt und damit die Herausbildung, Weiterentwicklung und Vernetzung einer sich selbst tragenden Branche, die wiederum nachhaltige und vor allem innovative Impulse sowohl in die Old als auch in die New Economy sendet. Meiner Meinung nach bildet der nationale Ansatz, verbunden mit regionalen Handlungsstrategien die wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche und nachhaltige Entwicklung auf diesem Gebiet. Kommt es doch insbesondere darauf an, oftmals verstreute und vorwiegend regional wirkende Akteure miteinander zu vernetzen und damit in entscheidenden Entwicklungsstadien die kritische Masse zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit zu überschreiten. Beispiele dafür finden wir unter anderem in der Filmbranche, der Musikindustrie, aber auch im Bereich Mediendesign oder in der Modebranche. Dafür, meine Damen und Herren, sind vernetzte Entwicklungsstrategien dringend erforderlich. Diese können nicht an Landesgrenzen Halt machen, sondern sind darüber hinaus zu entwickeln.

Jedoch kommt es in diesem Zusammenhang ganz wesentlich darauf an, die Eigeninitiative der Player zu unterstützen und sie zur gegenseitigen und notwendigen Vernetzung miteinander, und das möglichst bundesweit, zu motivieren. Aus diesem Grund halte ich den derzeitigen kooperativen Ansatz des Bundes mit den Ländern für zielführend und für die perspektivische Entwicklung der Branche für alternativlos. Ich glaube nicht, dass es uns gelingt, allein in Sachsen einen entscheidenden Impuls zur Entwicklung der Kreativwirtschaft zu leisten. Wir brauchen größere Dimensionen, entweder in einer mitteldeutschen oder in einer nationalen Initiative.

Aus diesem Grund halte ich den derzeitigen Ansatz für richtig, mit Federführung des Bundes gemeinsam mit den Ländern in den Regionen zu wirken und das auf Bundesebene abzustimmen. Nur mittels nationaler Strategie mit regionalen Umsetzungskonzepten besteht die Chance, die Kreativwirtschaft zu stärken und zu professionalisieren, um sie zu befähigen, sich im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu behaupten. Das, meine Damen und Herren, muss für uns das Ziel der Kreativwirtschaft in Deutschland sein. Dafür bitte ich Sie alle um Ihre Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich frage die Fraktionen, ob es noch Redebedarf in der zweiten Runde gibt. – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte. – Herr Staatsminister Morlok, Sie haben jetzt dazu Gelegenheit.

Vielen Dank. Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte hat gezeigt, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft im Freistaat Sachsen sehr heterogen ist. Das ist an den Debattenbeiträgen des Kollegen Dulig und des Kollegen Dr. Külow deutlich geworden. Beim Zuhören hat man deutlich gemerkt, dass beide von unterschiedlichen Branchen sprachen, die aber beide Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft sind. Das macht den Umgang mit dieser sehr heterogenen Branche, die sich in zwölf Teilmärkte aufteilt, so schwierig. Deswegen wird es ein Instrumentarium für alle Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft, so wie wir sie definieren, nicht geben können.

In der Debatte sind Begriffe gefallen wie neuer Mittelstand von Martin Dulig oder der Szene von Herrn Gerstenberg. Hier wird schon deutlich, dass man von unterschiedlichen Dingen redet. Ich möchte aus dem Kulturwirtschaftsbericht einige Fakten zitieren.

Es ist richtig: Die Branche beschäftigt ungefähr 33 000 Mitarbeiter. Die Einordnung der Beschäftigten im Freistaat Sachsen ist auch korrekt, wie sie dargestellt wurde. Die Branche erwirtschaftet einen Umsatz von ungefähr 3 Milliarden Euro.

Man muss aber auch sagen, wenn man erwähnt, dass in der Kultur- und Kreativwirtschaft mehr Mitarbeiter als im Automobilsektor beschäftigt sind, dass der gesamte Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft nur 60 % des Jahresumsatzes der VNG in Leipzig erzielt. Auch das gehört zur Beschreibung der Branche. Ich denke, auch das sollten wir uns zu Gemüte führen. Es ist richtig: Die Branche ist heterogen. Drei Teilmärkte – Softwareentwicklung, Presse und Design – stellen zusammen 50 % der Mitarbeiter und 50 % des Umsatzes. Das ist sicherlich das, was Martin Dulig mit „neuem Mittelstand“ meint, aber nicht das, was Volker Külow gerade in seinem Debattenbeitrag beschrieben hat.

Wenn man sich die Entwicklung der Branche anschaut – – Herr Kollege Hahn, vielleicht haben Sie die Muße, meinem Debattenbeitrag zu folgen; es gibt auch andere Bereiche im Parlament, wo man sich unterhalten kann.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Wenn man sich die Entwicklung der Branche anschaut, stellt man richtig fest: Die Branche wächst dynamisch. Wenn man den Umsatz betrachtet, stellt man fest, dass er sich in den Jahren von 1996 bis 2006 verdoppelt hat.

Wenn wir uns einmal anschauen, woher das Umsatzwachstum kommt, dann stellen wir fest, dass es aus dem Bereich Software – das Siebenfache – und aus dem Bereich Presse – das Fünffache – kommt. Allein diese beiden Teilmärkte sind für über 60 % des Umsatzwachstums der Branche verantwortlich. Auch das zeigt die Heterogenität dieser Branche, die wir als Freistaat Sachsen berücksichtigen müssen.

Zum Antrag, wie ihn uns die SPD vorschlagen hat: Da sage ich ganz klar – wie wir das bereits in unserer schriftlichen Stellungnahme kundgetan haben –, dass wir einen entsprechenden Beauftragten für nicht notwendig und nicht sachgerecht erachten. Ich denke, die Beschreibung der Heterogenität der Branche hat deutlich gemacht, dass es wohl nur schwer gelingen wird, einen Ansprechpartner bzw. ein Team von Ansprechpartnern zu finden, die allen Belangen der unterschiedlichen Akteure der Branche gerecht werden, den großen Verlagshäusern ebenso wie denen, die Volker Külow beschrieben hat.

Auch müssen wir das Beratungsangebot nicht im Anschluss an die Förderung des Bundes im Freistaat Sachsen gestalten, da wir mit dem Bund im engen Gespräch sind. Dass die entsprechenden Beratungsangebote verlängert werden, diskutieren wir gerade in der Wirtschaftsministerkonferenz.

Wenn wir uns die einzelnen Förderangebote des Freistaates Sachsen insgesamt anschauen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir Dinge geändert haben. Wir haben im Rahmen der Mittelstandsförderung, bei der Überarbeitung der Mittelstandsrichtlinie die Mittelstandsförderung, die Beratungsförderung vereinfacht, um den Zugang zu derselben zu erleichtern.

Hier kommt aber ein grundsätzlich unterschiedlicher Ansatz im Bereich der Förderung zutage. Wir als Staats

regierung sind der Auffassung, dass wir Beratung fördern müssen, also finanzielle Mittel bereitstellen müssen, damit der Betroffene Beratungsleistungen in Anspruch nehmen kann. Das ist unser Förderansatz, wie wir ihn verstehen. Wir sind nicht der Auffassung, dass wir als Freistaat Sachsen Beratungsstrukturen für die Betroffenen schaffen müssen. Das ist eine vollkommen unterschiedliche Herangehensweise. Wir sagen nicht: Wir stellen die Berater ein und organisieren die Berater. Wir sagen: Wir stellen Geld zur Verfügung, damit sich der jeweilige Betroffene den Berater aussuchen kann, von dem er davon ausgeht, dass er in seiner speziellen Situation die beste Beratungsleistung erbringen kann.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Das ist ein vollkommen differenzierter Ansatz. Wir können gern im Dissens darüber sein, ob das der richtige Ansatz ist. Aber die Aussage, die Staatsregierung würde für diese Betroffenen keine Förderleistungen bereitstellen, ist schlicht und ergreifend falsch.