Protocol of the Session on May 9, 2012

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Biesok für die FDP-Fraktion, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte noch einmal auf die Kritik eingehen, die an diesem Gesetzesvorhaben geäußert wurde. Insbesondere möchte ich darauf zu sprechen kommen, was wir im Vorfeld zu dieser Debatte von den Sparkassenverbänden heute erhalten haben.

Es hat einen Brief des Deutschen Sparkassengiroverbandes an den Vorsitzenden des Haushalts- und Finanzausschusses gegeben. Die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, GRÜNEN und den LINKEN habe eine Kopie erhalten. Wir haben keine erhalten. Dadurch wurden wir als regierungstragende Fraktion mit der rechtsradikalen NPD-Fraktion gleichgestellt. Es ist für mich bezeichnend, wie schwach die Argumente der Verbände sein müssen, wenn man sich nicht einmal mit einer regierungstragenden Fraktion über diese Punkte austauschen möchte.

Die Kernaussage des Schreibens lautet wie folgt: Die geplanten Regelungen zur Sachsen-Finanzgruppe würden im Ergebnis zu einer Verfestigung konzernähnlicher Strukturen führen, die teilprivatisiert werden können. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger sowie des Mittelstands in Sachsen und würde an den Grundfesten des kommunalen Sparkassenwesens in Deutschland rütteln. Diese Argumentation ist bei den drei Rednern der Opposition auf fruchtbaren Boden gestoßen. Es wurde zumindest hier so vorgetragen. Ich sehe es ehrlich gesagt anders.

Es ist nicht der vorliegende Gesetzentwurf, der eine Privatisierungsmöglichkeit vorsieht. Diese Privatisierungsmöglichkeit war schon lange im Gesetz enthalten – über zehn Jahre. Privatisiert wurde nichts.

Die Darstellung konzernähnlicher Strukturen und die Verlagerung der Kompetenzen von den Sparkassen hin zur Sachsen-Finanzgruppe muss man sich einmal ganz genau anschauen. Herr Pecher, Sie müssen sich einmal das Gesetz durchlesen und nicht wie üblich etwas in das Mikrofon reinplautzen. Die SFG braucht einen einstimmigen Beschluss ihrer Anteilseigner. Es braucht nur ein Anteilseigner zu sagen, dass er das nicht möchte. Sie kann ihre Satzung dahingehend ändern, dass einzelne Beschlussgegenstände – zunächst muss eine Vorlage zum Verwaltungsrat und danach kann darüber entschieden werden – dem Vorstand der SFG vorgelegt werden. Eine generelle Übertragung von Entscheidungskompetenzen vom Verwaltungsrat der Verbundsparkassen an die SFG oder deren Vorstand ist auch weiterhin nicht möglich.

Meine Damen und Herren! Seien Sie einmal ehrlich: Ist das der Untergang des Sparkassenwesens in Sachsen?

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich verstehe die Angst nicht, die geschürt wird. Es ist aber typisch: Sobald sich die geringsten Änderungen im

Sparkassenwesen ergeben, kommen die Verbandsvertreter des Ostdeutschen Sparkassenverbandes und des Deutschen Sparkassen- und Giroverband und beschwören den Untergang des Sparkassenwesens in Deutschland.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Sie kennen ihre Pappenheimer!)

Ich kenne sie. Deshalb möchte ich es hier einmal deutlich ansprechen.

Ich habe eine andere Vorstellung davon. Mein Vorbild – ich muss es einmal deutlich sagen – ist sehr viel mutiger gewesen. Das ist Österreich. Dort hat sich die Sparkassenorganisation bereits Mitte der Neunzigerjahre auf den Weg gemacht, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Die Sparkassen können Aktiengesellschaften gründen. Die Anteile an den Aktiengesellschaften werden von Stiftungen gehalten, die den Ertrag aus den Sparkassen für soziale und kulturelle Zwecke in ihren jeweiligen Geschäftsgebieten verwenden.

Wir suchten einmal in Deutschland nach einem Sinn für die an sich sinnlosen Landesbanken. Ihre Aufgabenleerheit und die daraus resultierende Ertragslosigkeit kompensieren sie durch eine Betätigung auf den internationalen Kapitalmärkten und dopten sich mit ABS-Strukturen, damit sie überhaupt überleben könnten. Die Österreicher haben stattdessen mit der Ersten Bank der Österreichischen Sparkassen – ein klares Spitzeninstitut – eine echte Holdinggesellschaft für die Sparkassen geformt. Es wurde ein Konzern mit einem starken Haftungsverbund, der auch in Krisenzeiten die Einlagen für die Sparkassenkunden sichert, geschaffen. Die Erste Bank ging an die Börse.

Was geschah danach? Nach der Ansicht des DSGV und des OSV müsste dies der Untergang des Abendlandes gewesen sein. Genau das Gegenteil passierte. Die Kunden blieben. Die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung in Österreich brach nicht zusammen. Von 8,4 Millionen Einwohnern in Österreich sind mehr als 3,3 Millionen Kunden der Sparkassen. Sie werden in 1 042 Filialen betreut. Das sage ich zum Rückzug aus der Fläche.

Ebenso erhielt der Mittelstand weitere Kredite. Insgesamt wurden im letzten Jahr 10,4 Milliarden Euro frischer Kredite von österreichischen Sparkassen ausgereicht. Der Bestand an Krediten beläuft sich auf 62,8 Milliarden Euro. Davon gingen allein 20,1 Milliarden Euro an Unternehmen. Das ist eine Steigerung um 3,2 % im letzten Jahr. Zum Vergleich dazu möchte ich Folgendes sagen: Im halb so großen Sachsen betrug der Kreditbestand im Jahr 2010 lediglich 14,5 Milliarden Euro.

Ebenso blieb die Gemeinnützigkeit nicht auf der Strecke. Die besagten Sparkassenstiftungen – es sind 34 – führten 22,4 Millionen Euro für soziale Projekte und an die Regionen ab. Es arbeiten 12 500 Mitarbeiter in 48 Sparkassen. Die Arbeitsplätze in der Region blieben gesichert.

In anderen Punkten hat man auch eine sehr viel sinnvollere Lösung als in Deutschland gefunden. Die Zweite Bank der österreichischen Sparkassen bietet 40 000 Menschen ein Konto ohne Überziehungsmöglichkeit. Das ist ein

sogenanntes Girokonto für jedermann – aber nicht so plump, wie wir es in Sachsen machen. Hier geben wir jedem die Möglichkeit, ein Konto zu eröffnen, damit man am Monatsersten sein pfändungsfreies Einkommen oder seine Sozialleistungen abholen kann. Durch eine Kooperation mit Wohlfahrtsverbänden bekommt man nur dann ein Konto in Österreich, wenn man versucht, seine finanziellen Probleme zu überwinden.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie einmal ehrlich: Ist das, was ich Ihnen aus Österreich beschrieben habe, Manchesterkapitalismus? Ist das abzulehnen? Ist das ein privatwirtschaftliches System, was die Menschen kaputt macht? Ich meine nein.

(Zuruf des Abg. Arne Schimmer, NPD)

Es ist eine Bank in regionaler und sozialer Verantwortung. Die Geschichte der Ersten Bank in Österreich ist für mich auch eine Geschichte der verlorenen Chancen.

Kollege Bienst hatte es angesprochen. Ich habe selbst einmal in dem Projekt, welches Herr Pecher angesprochen hatte, für eine mittel- und osteuropäische Bank gearbeitet. Die Erste Bank hat es geschafft, über ihre Tochtergesellschaften zur führenden Bank in Mittel- und Osteuropa zu werden. Sie betreut 17 Millionen Kunden in acht Ländern. Tschechien, die Slowakei und Kroatien sind für sie der erweiterte Heimatmarkt.

Deutsche Sparkassen können ihren Kunden so etwas nicht bieten. Wenn in einer zusammenwachsenden Region ein Unternehmen über die Grenze gehen möchte, müssen privatwirtschaftliche Unternehmen einspringen, weil nur sie diese Begleitung machen können.

Die Arbeitsplätze, die in der Konzernholding in Wien entstanden sind, hätten in Leipzig oder Dresden entstehen können. Das hat nichts mit der Zockerei in Dublin zu tun, die wir gesehen haben. Es wäre ein organisches Wachstum in einem zusammenwachsenden Europa mit wirtschaftlich starken Regionen gewesen. Wir sollten in Deutschland mutiger sein und einmal etwas Neues mit dem neuen Sparkassengesetz wagen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Scheel, ich hatte Ihre Wortmeldung übersehen. Ich bitte um Entschuldigung. Sie sind an der Reihe. Bitte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Biesok, worüber reden Sie? Wohin haben Sie sich gerade geredet? Das sind schöne Sachen. Ich weiß nur nicht, was das mit dem Gesetzentwurf, den Sie mit Ihrem Koalitionspartner vorgelegt haben, zu tun hat. Ich habe keine Lösung gefunden, die eine Stiftung beinhaltet. Ich habe auch keine Lösung gefunden, die einvernehmlich eine Einheitlichkeit der Sparkassenlandschaft mit sich bringt.

Herr Bienst, wo er auch immer gerade ist, ich sage Ihnen Folgendes: Wenn Sie sagen, ich habe einen Exkurs in die

Vergangenheit gemacht, ist das richtig. Es gehört dazu, was wir in der Vergangenheit getan haben.

Warum reden wir über diesen Gesetzentwurf? Das Problem an Ihrem Gesetzentwurf ist, dass er wenig Zukunftsweisendes bietet. Es gibt zwei Punkte, die mich besonders stören. Wenn wir eine Debatte über die Zukunftsfähigkeit der Sparkassen beginnen, stelle ich erst einmal Folgendes fest: Mit diesem Gesetzentwurf wird die Teilung der Sparkassen in Sparkassen, die in der SFG sind und die nicht darin sind, nicht beseitigt.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Zweitens wird mit diesem Gesetzentwurf nicht beseitigt, dass es in Landkreisen mehrere Sparkassen gibt – auch in unterschiedlicher Trägerschaft. Dieses Thema haben Sie auch nicht angepackt. Sie brauchen mir nicht zu erzählen, welche tollen Zukunftsvorschläge Sie haben. Sie bringen eigentlich nur eine Struktur hinein, die am Ende – wir haben es ausgeführt und in der Anhörung gehört – wenig Substanzielles zu bieten hat, was mit der SFG passieren soll.

Dann sage ich noch eines: In welcher Welt leben wir denn? Wir leben in einer Welt, in der jetzt schon klar geäußert wurde, dass, sobald dieses Gesetz verabschiedet und in Kraft ist, das Vogtland und das Erzgebirge sofort aus diesem Verbund herausgehen werden. Das auch mit Grund. Die Attraktivität und Anziehungskraft einer Sachsen-Finanzgruppe gerade mit dieser Geschichte geht gegen null und ist negativ. Das müssen wir doch auch einmal feststellen. Ich hätte mir lieber gewünscht, dass wir hier einen klaren Schlussstrich ziehen

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

und uns dann Gedanken darüber machen, welche zukunftsfähige und tragfähige Lösung der Freistaat Sachsen für die Sparkassenorganisation anbietet.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Richtig!)

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und vereinzelt bei der NPD)

Vielen Dank, Herr Scheel. – Herr Biesok, bitte.

Ich möchte gern eine Kurzintervention machen. Herr Scheel, Sie haben ja gerade gemerkt bei der Diskussion, die wir eben geführt haben: Selbst wenn wir so einen kleinen Schritt machen, mit dem wir teilweise nur die Privatisierungsmöglichkeit belassen, die schon da ist, wird das als Untergang des Abendlandes abgetan.

Glauben Sie, dass wir in Deutschland mittlerweile eine Diskussionskultur haben, wo wir über diese grundsätzlichen Fragen diskutieren können? Dazu habe ich eine ganz klare Meinung: Die Erste Bank der Österreichischen Sparkassen ist für mich Vorbild. Die Diskussion würde ich gern führen. Aber was glauben Sie, was dann bei den

Sparkassenvertretern von DSGV und von OSV los wäre, wenn allein das nicht ausreicht, was wir hier jetzt machen können?

Wir geben mit der Sachsen-Finanzgruppe, die ich nicht als Erfolgsmodell bezeichne, einen Rahmen vor, der ausgefüllt werden kann. Wir geben die Möglichkeit zu einer engeren Zusammenarbeit. Wir geben die Möglichkeit, auch privates Kapital hineinzunehmen, um dort eine Gruppe auszugestalten. Diese Möglichkeit will ich nicht dadurch verschließen, dass ich jetzt als Landesgesetzgeber sage: Diese Gruppe muss aufgelöst werden. Dann setzen wir uns mit der esoterischen Kerze hin und überlegen uns, wie wir uns die Sparkassenlandschaft im Jahr 2020 vorstellen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. Herr Scheel, Sie möchten erwidern? –

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Nein. – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Hat nicht viel Sinn!)

Herr Pecher, Sie haben das Wort für die SPD-Fraktion.

Herr Biesok, was Sie jetzt von sich gegeben haben, kann man fast eins zu eins in dem Buch „Milbradt und Thode“ nachlesen. Genau das war ja der Ausgangspunkt des Geschäftsmodells der Landesbank. Ich habe selbst im Verwaltungsrat der Landesbank

(Volker Bandmann, CDU: Hört, hört!)