Protocol of the Session on April 3, 2012

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gedenkstättenstiftungsgesetzes

Drucksache 5/8625, Gesetzentwurf der Fraktionen

der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es sprechen daher nur die Einreicher CDU, SPD, FDP und GRÜNE.

Ich erteile Herrn Prof. Schneider für die Koalition das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Initiative von Frau Staatsministerin von Schorlemer haben die Opferverbände vor zwei Jahren im Rahmen eines Konsultationsprozesses begonnen, eine Novellierung des Gedenkstättenstiftungsgesetzes zu erarbeiten. Mit dem heute vorgelegten Entwurf knüpfen wir an diese Beratungen an.

Hannah Arendt – ich darf sie zitieren – hat ausgeführt: „Das Höchste, was man erreichen kann, ist zu wissen und

auszuhalten, dass es so und nicht anders gewesen ist, und dann zu sehen und abzuwarten, was sich daraus ergibt.“

Dieses Zitat von Hannah Arendt wird der Neuregelung in einer neuen Präambel vorangestellt. Sie bringt zum Ausdruck, dass die Erinnerungskultur in Sachsen geprägt sein soll von würdigem Gedenken, von historischer Aufarbeitung und von der Weitergabe der Erinnerungen an die nachfolgenden Generationen.

In diesem Geist, unter diesem Duktus haben wir Gegenstand und Zielstellung der Stiftung unter Beachtung der Anliegen sämtlicher Opfergruppen klarer und konkreter gefasst als bisher. Auf Begrifflichkeiten, die mit einer nivellierenden Wertung verbunden sein können, haben wir konsequent verzichtet. Gleichzeitig haben wir den Einfluss der sächsischen Opferverbände sowie den der

Gedenkstätten und Aufarbeitungsinitiativen im Stiftungsrat gestärkt.

Nicht zuletzt, meine Damen und Herren, wird mit dem Entwurf die institutionelle Förderung auf weitere Gedenkstätten ausgedehnt. Ausdrücklich sind weitere Gedenkstätten in den Kreis der institutionellen Förderung aufgenommen worden. Ich darf als Beispiele die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte in Leipzig, das Konzentrationslager Sachsenburg oder auch die Frauenhaftanstalt Hoheneck nennen und füge hinzu, meine Damen und Herren: Mit der Ausdehnung der institutionellen Förderung verbindet sich auch ein angemessener Finanzrahmen. Dieser Aufgabe werden wir uns zuzuwenden haben.

Herr Prof. Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber ja, gern.

Frau Bonk.

Vielen Dank, Herr

Prof. Schneider. – Ich habe jetzt noch einen kurzen Moment abgewartet, ob Sie noch weiter ausführen.

Ich möchte zu dem von Ihnen vorangestellten HannahArendt-Zitat fragen, ob Ihnen bewusst ist, dass Hannah Arendt in gleicher Weise ausgeführt hat – mahnend –, dass es ihr sehr wichtig gewesen ist, den Begriff „totalitär“ nur sehr „sparsam und vorsichtig“ zu verwenden und dass sie sich somit für ein sehr differenziertes Geschichtsbild eingesetzt hat. Sind Sie der Auffassung, dass die Gleichsetzung, die in der weiteren Präambel ausgeführt wird, eigentlich diesem Anspruch gerecht werden kann?

Zu meiner Antwort, Frau Bonk. Dies ist mir bewusst. Mir ist des Weiteren auch bewusst, dass die Neuregelung, wie wir sie auf den Weg bringen wollen, gewissermaßen das Ergebnis eines Konsultationsprozesses ist, das dem Anliegen sämtlicher Opfergruppen und -verbände Rechnung trägt. Ich glaube, das ist das Entscheidende und unter diesem Duktus steht selbstverständlich dann auch die Präambel, auch im Hinblick auf das Zitat von Hannah Arendt.

Meine Damen und Herren! Allen Opferverbänden und am Konsultationsverfahren Beteiligten, die daran mitgewirkt haben, danke ich im Namen der Fraktionen CDU, SPD, FDP und GRÜNE. Ich danke Frau Staatsministerin von Schorlemer ausdrücklich.

Besonderen Dank, meine Damen und Herren, schulden wir allerdings einem Mann, mit dem sich der gesamte Konsultationsprozess untrennbar verbindet. Das ist Albin Nees. Herrn Staatssekretär a. D. Dr. Nees darf ich im Namen aller vier Fraktionen und aller Opferverbände sagen: Sie haben sich um die Erinnerungskultur im Freistaat Sachsen große Verdienste erworben. Im Namen aller Beteiligten und nicht zuletzt der einreichenden Fraktionen, aber auch ganz persönlich sage ich Herrn Dr. Nees großen Dank, Respekt und Hochachtung.

(Beifall bei der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Mit unserem Entwurf besteht die Chance, dass alle Opferverbände wieder in der Stiftung vertreten sein werden. Das ist von größtem Wert und es ist etwas Besonderes, wie dieser Konsens unter maßgeblicher Beteiligung von Akteuren aus der Zivilgesellschaft erarbeitet worden ist. Diese Bedeutung eines Vorhabens, meine Damen und Herren, das in die bürgerliche Mitte der Gesellschaft gehört, spiegelt sich heute hier im Sächsischen Landtag wider, wenn der Entwurf durch vier Fraktionen aus der Mitte des Landtages eingebracht und getragen wird.

Ich darf den Kolleginnen und Kollegen, die mitgewirkt haben, sagen: Wir haben etwas gemeinsam und vertrauensvoll auf den Weg gebracht. Dafür danke ich den beteiligten Fraktionen, den Fachkolleginnen und -kollegen und möchte namentlich im Zusammenhang mit den beteiligten Fraktionen die Abgeordneten Frau Dr. Stange, Herrn Tippelt und nicht zuletzt Herrn Dr. Gerstenberg nennen.

(Beifall des Abg. Christian Piwarz, CDU, bei der SPD und der Staatsregierung)

Danke für die stets faire und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Es spricht Herr Dr. Gerstenberg als abschließender Redner für die Einreicher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch diese ungewöhnliche Form der Einbringung ist ein Zeichen dieser Zusammenarbeit.

Ich möchte daran erinnern, dass der kleine Verein Dr. Margarete Blank im Jahr 2001 die erste Zwangsarbeitergedenkstätte in Deutschland aufgebaut hat. Unter der Zielstellung „Erinnern für die Zukunft“ geht es um die Vermittlung moralischer und ethischer Werte. Es geht darum, das Bewusstsein zu stärken, das man rassistischen, antisemitischen und anderen Ungleichwertigkeitsideologien der Gegenwart stets entgegentreten muss – erinnern für die Zukunft eben.

In Dresden wurde 1998 der Verein „Erkenntnis durch Erinnerung“ gegründet. Auch dieser Verein, der die Trägerschaft für die Bautzener Straße hat, erforscht und dokumentiert nicht nur die Arbeitsweise des Geheimdienstes in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Nein, auch dieser Verein will Werte vermitteln aus den Erfahrungen der Vergangenheit heraus für das Bewusstsein der demokratischen Gesellschaft – Erkenntnis durch Erinnerung, erinnern für die Zukunft.

Die Verbände der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur und jene der Opfer der Sowjetischen Militäradministration und der SED-Diktatur eint, wie wir sehen,

ein großes Ziel: Sie engagieren sich dafür, dass das Bewusstsein für die Gefährdung unserer Demokratie wach gehalten wird, sie ermöglichen eine Auseinandersetzung mit der persönlichen Verantwortung für unsere demokratische Gesellschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Arbeit spiegelt sich in den sächsischen Gedenkstätten wider. Sie erfüllen einen Verfassungsauftrag. Die Verfassung des Freistaates bezieht sich in ihrer Präambel ausdrücklich auf die leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer und kommunistischer Gewaltherrschaft und erkennt die eigene Schuld und die Verantwortung für die historische und zukünftige Entwicklung an. Gedenkstätten können diesen Bezug verständlich machen und die Auseinandersetzung mit der persönlichen Verantwortung anregen. Ihre Arbeit auf eine sichere Basis zu stellen ist deshalb eine zwingende Aufgabe unseres Parlaments.

Meine Damen und Herren! Fast zehn Jahre ist es her, da reichte die Staatsregierung einen Gesetzentwurf ein. Über diesen Gesetzentwurf entbrannte von Anfang an ein Konflikt zwischen den Verbänden der Opfer der NSDiktatur und jenen der Opfer der Sowjetischen Militäradministration und der SED-Diktatur. Das führte schließlich zum Austritt des Zentralrats der Juden und anderer Verbände aus den Gremien der Stiftung. Erst im Jahr 2009 war es der kleine Verein Dr. Margarete Blank aus Panitzsch, der seine Arbeit wieder aufnahm. Ihm folgten der Zentralrat der Juden und weitere Verbände. Das war ein Vertrauensvorschuss an die Staatsministerin und eine Handlungsaufforderung.

Die Staatsregierung hat gehandelt und – das möchte ich noch einmal ausdrücklich würdigen – unter der verdienstvollen Leitung des ehemaligen Staatssekretärs Dr. Albin Nees ist es gelungen, fast alle Opfergruppen sowie Gedenkstätten und Aufarbeitungsinitiativen zur Mitarbeit an den Grundlagen der Stiftung zu bewegen. Der im Ergebnis vereinbarte Konsens, den wir vier einreichenden Fraktionen hier in treuhänderischer Form als Basis für den neuen Gesetzentwurf genommen haben, ist Zeichen dieser Arbeit.

Drei Punkte sind für unsere Fraktion wie auch für die SPD-Fraktion besonders wichtig. Das ist zum einen die neu formulierte Präambel, welche die unterschiedlichen diktatorischen Herrschaftssysteme klar benennt und auf die kategorialen Differenzen zwischen Nationalsozialismus und den Verbrechen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR hinweist; auch die Singularität des Holocaust wird berücksichtigt.

Herr Dr. Gerstenberg, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ich bin fast am Schluss.

Wir haben die Reihe der Institutionen erweitert und sind uns in diesem Kreise darin einig, dass wir auch bei der Haushaltsberatung ein Auge darauf haben werden, dass diese Erweiterung der geforderten Institution auch eine finanzielle Aufstockung der Stiftung zur Folge haben muss.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hoffen wie die anderen Fraktionen, dass der vorgelegte Entwurf auf Basis des Konsenses der Opferverbände die Zustimmung aller demokratischen Abgeordneten hier im Sächsischen Landtag finden und entsprechend positive Auswirkungen auf die Stiftung und ihre Gremien haben wird. Wir sind in Sachsen in einer Situation, wo diese Auswirkungen wichtig sind und die Arbeit der Gedenkstätten für die demokratische Qualität unseres Landes gestärkt werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gedenkstättenstiftungsgesetzes an den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien zu überweisen.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, steht am Saalmikrofon.)

Wir sind noch nicht in der Abstimmung. Insofern frage ich Sie, Herr Dr. Gerstenberg, erst einmal, was Sie möchten.

Sehr verehrter Herr Präsident! Wir haben uns zwischen den einbringenden Fraktionen abgestimmt und bitten darum, diesen Gesetzentwurf mitberatend auch an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zu überweisen.

Dann werden wir das so zur Abstimmung bringen. Das Präsidium schlägt Ihnen also vor, den Entwurf Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gedenkstättenstiftungsgesetzes an den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien und mitberatend an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zu überweisen. Wer diesem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen ist diese Überweisung beschlossen.

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 7