Protocol of the Session on December 9, 2009

Am 18. Dezember wird der Bundesrat verhandeln. Der Bund hat vor, seinen Anteil an den Kosten der Unterkunft

drastisch zu senken. Im Jahr 2007 lag dieser noch bei 31,2 %, für das Jahr 2010 werden 23 % in Aussicht gestellt. Die Differenz geht zulasten der kommunalen Ebene; denn diese muss das Geld am Ende wieder hereinholen.

Wir haben ein weiteres Problem: Das Konjunkturpaket II ist mit der Zusätzlichkeitsklausel versehen. Im Ergebnis werden der Freistaat und die Kommunen – vor allen Dingen die Kommunen – gezwungen, in diesem und im kommenden Jahr zusätzliche Investitionen zu bewerkstelligen.

Dann gibt es das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das für den Freistaat Sachsen schon heute voraussehbare Mindereinnahmen von 115 Millionen Euro erwarten lässt.

Nun sehe ich mir die Debatte an, die von unserem Ministerpräsidenten in der Öffentlichkeit geführt wird. Mittlerweile schwenkt auch er ein und fordert eine Kompensation für diese Mindereinnahmen, die durch Bundesgesetz geschaffen werden. Vorher ging es ihm vorrangig darum, zu schauen, inwieweit man die Investitionen wieder so behandeln kann, dass der Gestaltungsspielraum größer wird. Das ist, ehrlich gesagt, an der Debatte in Deutschland vorbeigesprochen.

Auf der kommunalen Ebene haben wir es mit dem riesigen Problem im Bereich der Kosten der Unterkunft, der Personalkosten etc. zu tun. Zu dem riesigen Ausgabenproblem kommt noch ein Einnahmenproblem hinzu. Das Delta – die Lücke, die die Kommunen zu schließen haben – ist also ungleich größer. Man darf nicht immer nur auf die Einnahmeproblematik sehen.

Es kommt hinzu, dass sich der Freistaat vorgenommen hat, keinerlei Kredite mehr aufzunehmen. Um dann vielleicht auch Investitionen zu finanzieren, haben wir ein Korsett geschnürt, das es den Kommunen schwermacht, ihre Aufgaben weiterhin zu erledigen.

Der Bund und das Land geben den Druck, der auf ihnen lastet, nach unten, an die kommunale Ebene weiter. Damit wird den Kommunen die Luft abgeschnürt. Dazu müssen wir uns heute hier auch einmal verständigen. Auch in den vergangenen Jahren gab es immer wieder kritische Situationen im Land Sachsen. Es galt allerdings immer ein Grundsatz im Zusammenspiel zwischen dem Freistaat und den Kommunen: Hart in der Sache, aber auch fair in der Sache.

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Ich muss mittlerweile feststellen, dass es – scheinbar – immer noch hart ist, aber zunehmend unfair wird. Ich spreche wiederum nur ein paar Punkte an.

Früher ging es immer darum, die Verhandlungen mit den Kommunen im Interesse von Freistaat und Kommunen zu führen. Jetzt kommt der Ministerpräsident auf einen Landkreistag nach Zwickau, wischt die Forderung der Landräte, eine Problemdiskussion zu führen, einfach beiseite und überlässt die Kommunen sich selbst. Das ist eine neue Qualität der Auseinandersetzung.

Die Stimme Sachsens, die Stimme des Ministerpräsidenten habe ich, ehrlich gesagt, sehr vermisst, als klar wurde, dass der Anteil des Bundes an den Kosten der Unterkunft zurückgehen würde, obwohl dieser vor zwei Jahren eingebaute Mechanismus verheerende Folgen hat. Man schaut nämlich immer rückblickend darauf, wie sich die Zahl der Bedarfsgemeinschaften entwickelt hat, und lässt außer Acht, wie sich – vorausschauend – die Kosten entwickeln werden. Das war schon vor zwei Jahren klar. Schon damals hätte ein deutliches Wort aus Sachsen vernehmbar sein müssen. Es war damals nicht zu hören, es ist heute nicht zu hören, und das ist bedauerlich.

Ich habe auch die Stimme des Ministerpräsidenten vermisst, als es um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ging. Am 18. Dezember wird dieses Gesetz im Bundesrat ein Votum bekommen. Ich erwarte vom Ministerpräsidenten, dass er so viel Rückgrat aufbringt und sich weigert, diesem Gesetz, so wie es jetzt in den Bundesrat hineinkommt, mit den Belastungen, die damit auf den Freistaat Sachsen und seine Kommunen zukommen würden, seine Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dann stellt sich derselbe Ministerpräsident hin und empfiehlt den Kommunen: Wenn ihr gerade nicht genug Geld habt und nicht wisst, wie ihr eure Investitionen finanzieren sollt, dann probiert es doch einfach damit, ein paar Kassenkredite aufzunehmen! Verschuldet euch doch kurzfristig einmal mit hohen Zinsen! Dann fehlt mir, ehrlich gesagt, jegliche Fantasie, wie dort ein vernünftiges Zusammenarbeiten zwischen kommunaler Ebene und dem Freistaat zustande kommen soll.

Ich bringe Ihnen ein Zitat aus einer Pressemitteilung vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag zu Gehör, sehr aktuell: „Es ist nicht hinnehmbar, dass das Land erst die Kommunen auffordert, sich an dem Bundesprogramm

,Kommunalkombi’ mit entsprechenden Maßnahmen und eigenen Haushaltsmitteln zu beteiligen und dann urplötzlich seine eigenen Finanzierungszusagen nicht mehr erfüllt. Das ist ein Wortbruch gegenüber allen Maßnahmeträgern.“

Wortbruch ist eine neue Vokabel in der Auseinandersetzung im gedeihlichen Zusammenarbeiten zwischen den Kommunen und dem Freistaat.

Ich habe immer noch gut im Ohr, wie sich insbesondere große Funktionsträger gerade der Union hingestellt und davon gesprochen haben, wir säßen doch alle in einem Boot. Mittlerweile muss sich der Eindruck festmachen, dass am Ende die Kommunen nur noch hinterherschwimmen dürfen. Diesen Eindruck müssen wir heute auseinanderbringen. Auch Herr Flath als Fraktionsvorsitzender hat einmal davon gesprochen, dass spätere Generationen über Georg Milbradt sagen würden, er wäre „Georg der Gerechte“ gewesen. Wenn Stanislaw Tillich nicht aufpasst, dann wird er einmal als „Stanislaw der Gnadenlose“ in die Annalen der sächsischen Geschichte eingehen.

Meine Damen und Herren! Vielleicht sollte ich noch einmal in Erinnerung rufen, welche Aufgaben unsere Kommunen leisten. Die 491 Städte und Gemeinden und die zehn Landkreise sind es, die vor allen Dingen im direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern den Sozialausgleich leisten. Sie sind es, die kulturelle Angebote unterbreiten. Sie sind es, die die Verkehrsinfrastruktur vorhalten, instand halten und öffentlichen Personennahverkehr überhaupt möglich machen. Sie sind es, die die Wirtschaftsförderung vor Ort betreiben, und sie sind es, die mitten im Leben der Bürgerinnen und Bürger unseres Freistaates sind. Wenn es den Kommunen schlecht geht, sind Sie der erste Indikator dafür, dass es diesem Land schlecht geht.

Insofern haben wir vor allem eine einzige wichtige Hauptaufgabe, die es zu leisten gilt: die Stabilisierung dieser Kommunen herzustellen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Dazu ist es nicht gerade förderlich, dass wir mittlerweile eine Abkehr von der bisherigen Haushaltspolitik haben, dass der Grundsatz von Kofinanzierung aufgegeben und damit die Planungssicherheit der kommunalen Familie infrage gestellt wird. Ich erinnere Sie daran, dass der lapidare Satz aus der Kabinettspresseerklärung, dass man sich jetzt überlegen würde, ob man Bundes- und EUProgramme weiterfinanziert, bedeutet, dass 58 % des Fördervolumens des Freistaates Sachsen auf einmal zur Disposition gestellt werden. Das bedeutet für die kommunale Ebene, die genau überlegen muss, ob sie den Antrag stellt, nicht dass vielleicht kein Geld mehr vorhanden ist, sondern weil der Freistaat vielleicht sagt, dass er nicht mehr bereit ist, den Kofinanzierungsanteil zu bringen. Das ist eine neue Qualität und die Aufgabe eines Haushaltsgrundsatzes, den sich die CDU bisher auf die Fahne

geschrieben hat: immer die Kofinanzierung für Investitionsprogramme sicherzustellen.

Noch etwas gebe ich Ihnen im Zusammenhang mit der Abkehr von der bisherigen Haushaltspolitik mit. Die Logik, die Sie in Ihrem Koalitionsvertrag bringen: „Sachsen steht vor einem absehbaren Rückgang von Einnahmen. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise belastet zudem den sächsischen Haushalt. Ein Ausgleich über Verschuldung verbietet sich, da Verschuldung mittel- und langfristig die Spielräume künftiger Generationen einschränkt. Die Haushalts- und Finanzpolitik ist ein gestaltendes Element der Politik.“

Die Logik, die Sie an den Tag legen, heißt keine Verschuldung. Daraus folgt keine Investition. Ich sage für meine Fraktion: Lassen Sie uns daran festhalten, zugunsten künftiger Generationen zu investieren.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Vielen Dank, Herr Abg. Scheel. Die CDU-Fraktion ist an der Reihe. Herr Abg. Jens Michel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich dachte immer, Finanzpolitik ist etwas mit Zahlen und Fakten. Dafür hat mir Herr Scheel ein bisschen zu viele Emotionen hineingebracht, besonders beim Ministerpräsidenten.

Aber lassen wir einmal Zahlen, Fakten und Paragrafen sprechen. Die Kommunalfinanzen sind in ihrer Grundlage im Artikel 87 der Sächsischen Verfassung verankert. Dort ist geregelt, dass der Freistaat dafür zu sorgen hat, dass die kommunalen Träger der Selbstverwaltung ihre Aufgaben erfüllen können. Das wird dann über den Finanzausgleich geregelt. Die Zuweisungen des Freistaates an die Kommunen machen 50 % der Einnahmen bei den Kommunen aus. Man kann nicht sagen, dass sich der Freistaat nicht um seine Kommunen kümmert.

Das sächsische FAG zeichnet sich durch einen horizontalen und vertikalen Finanzausgleich aus. Es stellt schon eines der modernsten Finanzausgleichsgesetze der Bundesrepublik dar.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Besonders dieser Gleichmäßigkeitsgrundsatz, der eingefügt wurde, hatte Stabilität und Berechenbarkeit mit sich gebracht. Willkürliche Eingriffe oder unberechenbare Maßnahmen sind im Prinzip damit ad acta gelegt. Es besteht eine gewisse Berechenbarkeit. Der Gleichmäßigkeitsgrundsatz bindet die Einnahmenentwicklung des Freistaates und der Kommunen aneinander. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass weder der Landkreistag noch der Sächsische Städte- und Gemeindetag in seinen Erwartungen an den 5. Landtag überhaupt Änderungen im FAG formuliert haben. Aus meiner Sicht hat sich der Instrumentenkasten bewährt.

Schauen wir uns jetzt die November-Steuerschätzung an. Die Differenz des angepassten Ergebnisses vom Ansatz FAG 2009 macht für die Gemeinden 2009 minus 3 Millionen Euro aus. Für das Jahr 2010 besteht für die Gemeinden ein Minus von 105 Millionen Euro. Obwohl jetzt diese Zahlen im Vergleich zu den Ausfällen zum Freistaat moderat ausfallen, verkennt natürlich die CDUFraktion auch nicht, dass es Schwierigkeiten für manchen kommunalen Haushalt gibt. Besondere Obacht ist da auf die Kreishaushalte zu legen.

Doch zunächst ist auch die kommunale Ebene an der Reihe, Maßnahmen zu ergreifen, die zur Bewältigung der finanziellen Herausforderungen führen. Notfalls steht mit § 22 FAG ein Heilmittel gesetzlich definiert zur Verfügung.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Was steht da drin?)

Bedarfszuweisungen, Herr Hahn.

Gerade vor dem Hintergrund des bewährten und anerkannten Systems und der Steuerschätzung bei einem Steuerausfallverhältnis von 1,22 Milliarden Euro aufseiten des Freistaates und 108 Millionen Euro aufseiten der Kommunen und den anstehenden Haushaltsverhandlungen im nächsten Jahr sind Schnellschüsse aus meiner Sicht nicht angeraten. Die CDU-Fraktion wird deshalb den Antrag ablehnen. Ich kann aber der kommunalen Familie versichern, dass wir die Kommunen des Freistaates in den Jahren 2010 und 2011 auch weiterhin unterstützen werden.

(Beifall bei der CDU)

Dabei geht es nicht nur rein um Finanzen, sondern auch um Standards und kreative Lösungen.

Die CDU steht weiterhin zur kommunalen Familie und zum Gleichmäßigkeitsgrundsatz im FAG.

Jetzt noch ein paar Worte zum Änderungsantrag: Sie erinnern sich an die Debatte um das Schulobst. Bei dieser Thematik führte ein überbordetes bürokratisches Verhalten zur Ablehnung. So plädiere ich schon dafür, dass wir zu einer Einzelfallprüfung und nicht zu Pauschalbeschlüssen kommen. Deshalb werden wir auch den Änderungsantrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Michel. Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Herr Abg. Mario Pecher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Michel! Lassen Sie mich auf das zuletzt Gesagte eingehen. Man hat ein Gesetz, das vieles regelt. Wenn man feststellt, dass das nicht reicht, dann reicht es nun mal nicht. Sie wissen, dass die Schlüsselzuweisungen im FAG nur zwei Drittel dessen abbilden, was an Delta in den

Kommunen in der Steuerkraft auftritt. Das heißt, wenn weniger Geld vorhanden ist, müssen die Kommunen von dem wenigen immer mehr tragen. Und sie haben schon nichts.

Als Beispiel nenne ich den Haushalt des Landkreises Nordsachsen. Er implodiert 2010 mit 25 Millionen Euro und 2011 mit 48 Millionen Euro. Nun wissen wir ja alle, wie das in der Praxis abläuft, wenn gesagt wird, die Kommunen müssen sich erst einmal selber bemühen. Die Landesdirektion erlässt die Direktive zum Haushaltssicherungskonzept. So steht es in der Landkreisordnung und in der Gemeindeordnung. In der Regel wird eine Firma beauftragt, die vorschlägt: Personal kürzen, freiwillige Leistungen kürzen, Vermögen veräußern und auf der Einnahmenseite weitere Gebühren erheben, zum Beispiel Straßenausbaubeiträge, oder Steigerung von Gebühren.

Worum geht es denn eigentlich? Der Freistaat Sachsen ist von seinen Finanzen her nicht Selbstzweck. Ich sage immer, zuerst war das Dorf und dann kam die Herrschaft. Das heißt, das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen findet nicht in einem imaginären Freistaat statt, sondern es findet real in der Kommune statt, im Dorf, in der Gemeinde, in der Stadt, in einem Kreisgebiet. Die Aufgabe der Kommune ist die Daseinsfürsorge, die Sicherung der sozialen Umstände des Zusammenlebens der Menschen. Der Freistaat besteht aus den Kommunen. Der Freistaat ist dafür verantwortlich, die Kommunen auszustatten, damit sie finanziell überleben können.

Kommen wir zum Jahr 2020. Dann gehen die Solidarpaktmittel zurück, die Neuverhandlungen zum Länderfinanzausgleich stehen an und das Thema Schuldengrenze greift bis dahin. Das bedeutet, dass der Freistaat ab 2020 de facto keine Kredite mehr aufnehmen kann. Hinzu kommen die Neuverhandlungen der EU-Strukturfonds, die 2011 auf den Prüfstand gestellt werden. Der Freistaat wird mit Sicherheit nicht mehr zu den Ziel-I-Gebieten, sondern wahrscheinlich nur noch zu den Ziel-II-Gebieten gehören. Wenn wir diese zehn Jahre jetzt nicht nutzen, unsere Grundlage – und das sind für mich die Kommunen des Freistaates Sachsen – auszurüsten, damit sie nach 2020 fit sind zu bestehen, gegebenenfalls auch mit Kreditaufnahmen, dann haben wir die Probleme nach 2020 und können als Freistaat überhaupt nicht mehr steuernd eingreifen. Wir können dann keine Kredite mehr aufnehmen. Jetzt können wir es noch und damit auch Fördermittel kofinanzieren, die wir den Kommunen bereitstellen können.