Protocol of the Session on January 26, 2012

Sie fühlen sich überrascht davon, dass es sich die Staatsregierung erlaubt hat, noch vor Weihnachten ein Bildungspaket zu schnüren. Ich habe ja Verständnis dafür, dass manche vielleicht auf dem linken Fuß davon überrascht worden sind.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Zu spät ist die Debatte, aber für Bildungspolitik ist es nie zu spät. Deshalb bedanke ich mich dafür, dass wir hier im Hohen Haus Gelegenheit haben, das Paket noch einmal zu erläutern.

Das Ziel ist die Unterrichtsversorgung. Ich denke, darin sind wir uns einig: Wir wollen, dass auch in Zukunft vor jeder Klasse eine Lehrerin oder ein Lehrer steht. Die Schule ist für die Schüler da und nicht umgekehrt: die Schüler für die Schule. Das wird oftmals vergessen, weil die Schule Projektionsfläche für mancherlei Interessengruppe ist. Sie dient jedoch dem Zweck, den Schülern die beste Bildung mitzugeben.

Wenn es um die Schüler geht, kann die Schülerzahl nicht gänzlich außen vor bleiben. Die Debatte hat gezeigt, dass auch die demografische Entwicklung herausgearbeitet wurde. Das ist keine Frage der Zukunft und auch keine Frage der Gegenwart, sondern war Vergangenheit, und zwar eine 20-jährige Vergangenheit. Die Schülerzahlen haben sich halbiert; das ist bekannt. Das muss offenbar immer mal wieder in Erinnerung gerufen werden.

Wir haben eben nicht die Zahl der Lehrer in gleichem Umfang abgebaut, sondern weniger, und zwar so, dass die Beschäftigung gesichert worden ist durch den gesamten Instrumentenkasten von Altersteilzeit, von Teilzeit, von Abfindungen. Das heißt, das große Thema war Beschäftigungssicherung der Lehrerinnen und Lehrer. Das ist gelungen und das ist auch deshalb gelungen, weil es mit der Solidarität der Betroffenen einherging, die dafür einen großen Beitrag geleistet haben, für den ich sehr dankbar bin.

(Beifall bei der CDU)

Aber das Ganze hat seinen Preis, und dieser Preis wird jetzt fällig. Das heißt, wir konnten in den letzten Jahren weniger junge Lehrer einstellen, als wir eigentlich gebraucht hätten. Es geht nicht, mit Geld, das man nicht hat, Lehrer zu bezahlen, die man momentan nicht braucht. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Deshalb heißt die Aufgabe Umsteuern von einer Situation der Beschäftigungssicherung in eine Situation der langfristigen Sicherung des Lehrerbedarfes. Das Ganze ist ein Prozess. Dieser Prozess braucht Zeit und dieser Prozess hat nicht erst vor Weihnachten begonnen. Er beginnt nicht erst jetzt, sondern diese Diskussion ist bereits vor zwei, drei Jahren geführt worden. Wir haben bereits Maßnahmen ergriffen. Ich darf eine herausgreifen: die Übernahmegarantien von mindestens 50 % eines Jahrganges in den Schularten, die wir tatsächlich brauchen, nämlich Grundschule, Förderschule und Mittelschule.

Das ist in Kraft, meine Damen und Herren. Das ist nicht erst seit heute in Kraft, sondern bereits seit zwei Jahren, und das ist ein klares Signal dafür, dass wir junge Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land brauchen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir bewegen uns nicht allein auf der Welt, auch nicht allein in Deutschland, sondern im Konzert der anderen Bundesländer – nicht nur beim Lehrermarkt, sondern insgesamt als Freistaat, in dem wir ja gut aufgestellt sind. Wir haben uns vorgenommen, auch in Bezug auf die finanzielle Situation, uns an den Schnitt der Flächenländer West anzupassen. Das gilt aber nicht für jeden Politikbereich, sondern es gibt Ausnahmen. Diese Ausnahmen sind auch begründet.

Die eine Ausnahme ist der Bildungsbereich; denn wir haben uns schon im letzten Haushalt darauf verständigt, dass wir den Schnitt der Flächenländer West erreichen wollen, auch im Bildungsbereich, aber zuzüglich eines Zuschlages von 5 %, der im Jahr 2020 gilt. Damit stellen wir nachhaltig sicher, dass die Qualität in Sachsen dauerhaft hoch bleibt.

Jetzt komme ich zum Bildungspaket, das viel zu kurz kommt, und deshalb freue ich mich über die Gelegenheit, hier noch einmal näher darauf eingehen zu können. Zunächst zu den Lehrern und den Einstellungsmöglichkeiten: Wir müssen noch einmal klarstellen, weil das immer wieder in der Öffentlichkeit durcheinandergebracht wird: Köpfe, Personen sind nicht gleich Stellen. Wir müssen uns schon auf eine einzige Währung verständigen, und das können nur Stellen sein.

Es ist richtig, dass bis zum Jahr 2020 8 000 Köpfe das System verlassen und in der nächsten Dekade, von 2020 bis 2030, 14 000. Wenn wir uns den Sachverhalt jetzt nur bis 2015 anschauen, wird es schon klarer. Wir können von den gesicherten Altersabgängen sprechen, die Stellen freiziehen, und zwar gesichert in der Höhe von mindestens 1 736. Bis 2015 verlassen Lehrerinnen und Lehrer das System und machen dadurch 1 736 Stellen frei.

Dann gibt es noch außerplanmäßige Abgänge, und es gibt selbstverständlich noch die Teilzeitbereitschaft, die in den Schularten Mittelschule und Gymnasium hoffentlich noch wächst. Dafür machen wir Werbung. Wenn man das addiert – pro Jahr circa 100 –, dann kommt man bis 2015 auf 2 136.

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Bitte, Frau Giegengack.

Herr Prof. Wöller, weil Sie es jetzt gerade vorgerechnet haben, möchte ich Sie fragen: Wie viele Stellen machen die 2012 ausscheidenden 1 124 Lehrer tatsächlich aus?

Wir haben die Zahlen vorgelegt. Für den Zeitraum von 2012 bis 2015 haben wir einen gesicherten Abgang von insgesamt 1 736. Wenn man sich die Einzeljahre vornimmt, dann bewegt sich der Abgang zwischen knapp 400 bis gut 600. Wenn man die vier Jahre addiert, sind das 1 736. Wenn Sie die außerplanmäßig Ausscheidenden und die Teilzeitbereitschaft aufrechnen, dann sind Sie bei 2 136.

Ich will damit sagen: Bis 2015 haben wir einen Stellenfreizug von 2 136. Mit dem Bildungspaket, das hier in Rede steht, stellen wir 2 200 ein. Deshalb, meine Damen und Herren, kann ich überhaupt nicht verstehen, dass wir zumindest bis 2015 von einem Stellenabbau reden. Das ist nicht der Fall, und dieses Signal senden wir von hier deutlich aus.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Annekathrin Giegengack, GRÜNE, und Dr. Eva-Maria Stange, SPD, stehen am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage von Frau Giegengack?

Es handelt sich nur um eine Nachfrage. Herr Prof. Wöller, die 400 Neueinstellungen 2012 sind Vollzeitstellen. Ersetzen diese wirklich die im Jahr 2012 ausscheidenden 1 124 Lehrkräfte?

Frau Giegengack, ich hatte eingangs bemerkt, dass wir das System auch durch die Altersteilzeit belastet haben. Wir haben auch Fälle – und das sind nicht wenige –, die von der Arbeitsphase in die Ruhephase übertreten oder in der Ruhephase sind. Das heißt, sie belegen eine Stelle. Sie sind zu Hause, also schon nicht mehr im Unterricht, und trotzdem belegen sie eine Stelle. Deshalb ist das kein Arbeitsvermögensverlust. Die Stelle, die sie belegen, kann jedoch nicht besetzt werden. Das überlagert die gesamte Diskussion.

Schule ist immer kompliziert, aber die Altersteilzeit wird bis zum Jahr 2017 herauswachsen. Ich räume ein, dass es sicherlich nicht gut war, aus der Sicht des Systems Schule ein Altersteilzeitmodell mit Arbeitsphase und Ruhephase

zu wählen; denn es geht uns um die jungen Leute. Wenn ich Lehrer im System habe, die Stellen belegen, aber gar nicht mehr im Unterricht sind, dann behindert das unsere Neueinstellungsmöglichkeiten. Deshalb machen wir auch keine Altersteilzeitmodelle mehr in dieser Art und Weise. Aber wir müssen noch eine gute Zeit damit leben, dass Stellen von Leuten, die nicht mehr im Unterricht stehen, belegt werden. Deshalb ist das gesamte System kompliziert. Es kommt darauf an, dass wir die Stellen, die in diesem Zeitraum freigezogen werden, tatsächlich mit jungen Lehrern besetzen. Das tun wir, und dieses Signal geht vom Bildungspaket aus.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich möchte den Gedanken weiterführen.

Bitte.

Wir stellen 2 200 bis zum Jahr 2015 ein. Das ist ein klares Signal in der Treppe: 400, 500, 600, 700, und zwar aufsteigend. Auch das ist ein Signal nicht nur an die Jungen, die einen Arbeitsplatz suchen, sondern – dazu komme ich noch – an diejenigen, die sich mit dem Gedanken tragen, auch ein Studium aufzunehmen.

Zum Zweiten. Das ist viel zu kurz gekommen: Natürlich müssen wir Vorsorge betreiben, und das haben wir auch getan, gerade bei den Referendaren. Das ist der Engpass, durch den alle durchkommen müssen, bevor sie fertig ausgebildete Lehrer sind und im System übernommen werden können.

Auch dort haben wir eine Erfolgsbilanz. Wir hatten vor zwei Jahren noch 375 Referendare, die wir neu eingestellt haben, jetzt sind es über 1 000. Das ist, meine Damen und Herren, innerhalb von zwei Jahren eine Verdreifachung der Kapazität. Das haben wir festgeschrieben. Wir haben eine Gesamtstellenzahl bei den Referendaren von 2 050. Wenn sich die Referendarzeit noch verkürzt, können mehr junge Leute einen Referendariatsplatz beanspruchen, und wenn Sie an den Schulen sind, dann sagen es Ihnen viele, dass sie sich freuen, jetzt viele Referendare im Kollegium zu haben. Das ist ein klares Signal, das wir auch mit diesem Bildungspaket aussenden.

Hinzu kommt, dass wir die Referendariatsausbildung nicht nur in Leipzig und in Dresden vornehmen, sondern Chemnitz ans Netz genommen haben. Ich sage Ihnen heute auch, dass das wahrscheinlich nicht reichen wird. Wir versuchen alles daran zu setzen, um in der Fläche die Referendariatsausbildung weiter auszubauen, ortsnah, auch im ländlichen Raum, weil es eine Voraussetzung ist, junge Lehrer zu werben.

Zum Dritten und Letzten, meine Damen und Herren.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage oder wollen Sie fortfahren?

Bitte.

Bitte, Frau Dr. Stange.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Minister, es sind einfach zu viele offene Fragen, deswegen danke für die Zwischenfrage. Sie haben gerade erläutert, dass die Referendariatszahlen von 380 oder 350 verdoppelt worden sind. Stimmen Sie mir zu, dass im Jahr 2009 im Einstellungsjahrgang 2009/2010 bereits einmal 1 000 Referendarstellen vorhanden gewesen sind?

Es waren verschiedene Referendare zu berücksichtigen, nicht nur diejenigen, die im Staatsexamen sind, sondern auch diejenigen, die im Master sind bzw. diejenigen, die jetzt wieder ins Staatsexamen kommen. Wir haben ja die Lehrerausbildung umgestellt, das heißt, wir haben auch zwei Einstellungstermine zu berücksichtigen.

Richtig ist, dass wir die Zahl deutlich erhöht haben. Das heißt, schon über 1 000 sind Neueinstellungen, und diese werden sich leicht erhöhen. Die Gesamtkapazität habe ich Ihnen genannt: Sie liegt bei 2 050. Die Neueinstellungen werden sich weiter erhöhen, weil wir eine Verkürzung der Referendariatszeiten von zwei Jahren auf ein Jahr haben. Es sind welche dabei, die noch bei zwei Jahren sind. Das wird sich sukzessive verkürzen. Deswegen können wir bei festgelegter Stellenzahl auch mehr Referendare durch das System schleusen.

Zum Dritten, zur Ausbildung. Da bin ich gern bereit, Kritik zu akzeptieren. Was passiert nach 2015? Das wissen wir nicht. Aber wir müssen Vorsorge betreiben, weil wir dann natürlich einen Abgang haben, der etwa jährlich bei 1 300 bis 1 600 liegt. Deswegen müssen wir jetzt handeln, das heißt, die Ausbildungskapazitäten an den Universitäten deutlich erhöhen. Das haben wir getan, und zwar von 1 000 auf mindestens 1 700. Das ist ein ehrgeiziges Ziel.

Aber was ist die Alternative, meine Damen und Herren? Es gibt keine. Wir müssen anfangen und werben, wir müssen die Kapazitäten aufbauen. Worüber ich auch froh bin – das war vielleicht auch ein Lernprozess bei Ihnen –, dass wir hier nicht mehr über ideologische Schulmodelle von gestern diskutieren, sondern über das Wichtigste, was wir haben, woran auch die Bildungsqualität hängt: Das sind unsere Lehrerinnen und Lehrer. Deshalb freue ich mich, dass es letztes Jahr gelungen ist, die Bundesbildungsministerin und den Bund dazu zu bewegen, eine Lehrerexzellenzinitiative zu machen, indem wir das Bildungspaket mit einer Landesexzellenzinitiative unterfüttern. Ich glaube, dass es das richtige Signal ist. Wir brauchen nicht nur genügend Lehrer, wir brauchen die richtigen, und die müssen qualitativ hochwertig ausgebildet werden. Das Signal geht auch vom Bildungspaket aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich komme zur Zusammenfassung. Es sind mit Sicherheit noch nicht alle Fragen beantwortet. Dieses Bildungspaket

ist ein Handlungsrahmen. Die Arbeit ist nicht zu Ende, sondern sie geht weiter. Deswegen haben wir uns darauf verständigt, dies fortlaufend zu überprüfen. Dort, wo es nötig ist, müssen wir nachsteuern. Aber klar ist auch das Signal, meine Damen und Herren: Wir haben mit diesem Bildungspaket einen deutlichen Schritt in Richtung einer langfristigen Sicherung des Lehrerbedarfs getan, denn im Ergebnis heißt das: mehr Studenten, mehr Referendare, mehr Lehrer. Dieses Signal geht klar von dem Bildungspaket aus. Wir werden die Herausforderung gemeinsam meistern. Um diese konstruktive Unterstützung in diesem Hause bitte ich sehr herzlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Staatsregierung war das Herr Staatsminister Prof. Wöller. Gibt es weiteren Redebedarf aus der CDU-Fraktion? – Das hat sich erledigt.