Protocol of the Session on January 26, 2012

(Einzelbeifall bei den LINKEN)

Wir GRÜNEN haben stets Menschenkette und Platzbesetzung unterstützt.

Seit dem Jahr 2010 und dem Jahr 2011 haben wir in Dresden dank der erfolgreichen Platzbesetzung eine neue politische Lage. Viele Dresdner Bürgerinnen und Bürger jeden Alters haben sich mit den Gegendemonstrierenden solidarisiert, Bürgerinnen und Bürger, die eben nicht in das Feindbild vom Steine werfenden Linksextremisten gepresst werden können. Daher ist die Kriminalisierungskampagne, die unmittelbar nach dem 13. Februar 2011 eingesetzt hat, die Kriminalisierungskampagne der Herren Merbitz, Flath und Zastrow, trotz einiger medialer Unterstützung gescheitert.

Diese neue politische Lage hinterlässt jetzt zum Glück auch politische Strukturen im Betonwerk namens sächsische CDU. Jetzt erst erkennt der Innenminister das Grundrecht auf Protest in Sicht- und Hörweite an, das jahrelang administrativ und gerichtlich unterbunden wurde. Selbst diese Anerkennung verbindet der ebenso ahnungslose wie – ich muss es sagen – unverschämte Ministerpräsident mit der Beleidigung Dresdner Bürgerinnen und Bürger, die es eben nicht geschafft hätten, die Nazis zu vertreiben. Ich frage Sie: Wie hätten sie es schaffen sollen, wenn Sie den Nazis jahrelang den roten Teppich ausgerollt haben und wenn sie jahrelang von der CDU diskriminiert wurden?

Wir stehen jetzt vor der neuen Auseinandersetzung am 13. und 18. Februar 2012. Es gab immer schon zwei NaziAufmärsche: am 13. Februar der Fackelmarsch der sogenannten freien Kräfte und am Wochenende die große Demonstration der JLO.

Es zeichnet sich ab, dass es am 18. Februar nicht zu einer großen Nazi-Demonstration kommen wird. Dies ist ein großer Erfolg des Bündnisses „Dresden-Nazifrei“.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Debatte konzentriert sich also nun auf den 13. Februar. Ab 17 Uhr findet wieder die Menschenkette statt. Das begrüßen wir. Wir nehmen an der Menschenkette teil. Leider verheimlicht die Staatsregierung bis heute, für welchen Ort der Fackelmarsch der Nazis angemeldet worden ist, sodass die Lage für die Teilnehmer an der Menschenkette – ich sage es vorsichtig – unübersichtlich ist. Ich sage: Mit dieser Geheimniskrämerei verhindert die Staatsregierung Protest in Sicht- und Hörweite.

Ich habe überhaupt den Verdacht, dass Sie jetzt zwar verbal das Grundrecht auf Protest in Sicht- und Hörweite anerkennen, aber im Vorfeld mit verdeckten Karten spielen, um den Protest doch noch verhindern zu können. Dazu passen auch die alljährliche Panikmache des Verfassungsschutzpräsidenten Boos, der übrigens die NSU nicht gefunden haben will, und auch die Drohkulisse des in diesem Jahr amtierenden Dresdner Polizeipräsidenten

Kroll, der schon einmal den Einsatz von Wasserwerfern und eine erneute Funkzellenabfrage androht.

Herr Staatsminister, bei allem Verständnis dafür, dass sich ein Polizeipräsident im Vorhinein natürlich nicht festlegen kann, welche Einsatzmittel er zur Geltung bringt: Machen Sie sich klar, was diese Aussagen bei den Leuten, die demonstrieren wollen, bewirken! Das kommt doch dort als klare Einschüchterung und Drohung an. Ich finde, Sie als Innenminister haben die Verantwortung, so etwas zu unterbinden.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Besonders negativ stößt mir auf, dass diese beiden Vertreter des Sicherheitsapparates wieder nur die Gefahr linker Gewalttäter an die Wand malen, aber keine Gefahr rechter Gewalttäter erkennen wollen, jedenfalls thematisieren sie diese nicht.

(Jürgen Gansel, NPD: Ja, warum wohl nicht?!)

Ich sage Ihnen: Politisch motivierte Lageanalysen der Polizei verstärken eben nicht das Vertrauen in die oft beschworene nur den Gesetzen verpflichtete Rolle der Polizei.

Ja, meine Damen und Herren, ich sehe es an ihren Gesichtern, ich gebe zu, ich bin durchaus unfair. In Zeiten, in denen die Polizei die Funkzellenabfrage weiterhin für rechtmäßig hält, in denen die Staatsanwaltschaft sich weigert, den Forderungen des Sächsischen Datenschutzbeauftragten nach Benachrichtigung derer nachzukommen, die von der Bestandsdatenabfrage betroffen waren, und in Zeiten, in denen wir jeden Tag neue Erkenntnisse über die NSU und deren Unterstützer in Sachsen erfahren, leiste ich mir diese Unfairness.

Wir fordern von Ihnen, Herr Staatsminister, und auch von Ihnen, Herr Ministerpräsident Tillich, ganz konkret: keine Vorfeldkriminalisierung, keine Behinderung der Anreise, Offenlegung der Aufzugsorte, Transparenz der Einsatzkonzepte, Ermöglichung des Protests in Sicht- und Hörweite und keine pauschale Kriminalisierung friedlicher Platzbesetzer!

In einem demokratischen Rechtsstaat müssen sich die Polizei und der Innenminister es gefallen lassen, im Vorhinein und im Nachhinein Rechenschaft über ihre Einsatzkonzepte abzulegen. Dazu fordern wir Sie heute auf.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Nun spricht die CDUFraktion. – Entschuldigung, Herr Schimmer, bitte.

Danke, Herr Präsident. Ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte.

Die Polemik von Herrn Lichdi ist wirklich unerträglich, wenn er hier von friedlichen Platzbesetzern spricht. Die Wahrheit ist vielmehr – das konnte man insbesondere im Februar 2010 beobachten, als die Gegendemonstranten den Schlesischen Platz vor dem Neustädter Bahnhof besetzten –, dass die Rollkommandos aus der Antifa sich erst die Plätze freigeprügelt haben, bevor die grün-bürgerliche Klientel diese Plätze besetzte und dort ein Volksfest anlässlich der Zerstörung dieser Stadt gefeiert hat.

Daran sieht man ganz klar, dass es zuerst die Gewalttäter sind, die diese Platzbesetzung ermöglichen. Wir haben am 13. Januar in Magdeburg erlebt, wie dort fast ein Polizist getötet worden wäre, der aus einem von der Antifa besetzten Haus mit einer großen Steinplatte beworfen wurde. Das ist die Klientel, die es erst ermöglicht, dass nationale Demonstrationen blockiert werden. Mit solchem Pack machen Sie sich gemein, Herr Lichdi.

Wenn Sie immer vom Mythos der unschuldigen Stadt sprechen, dann würde ich gern einmal wissen, wie schuldig eigentlich ein zweijähriges kleines Mädchen gewesen ist, das am 13. Februar 1945 in Dresden umgekommen ist oder – –

(Christian Piwarz, CDU: Halten Sie den Mund, Herr Schimmer!)

Halten Sie doch den Mund! Lesen Sie einmal das Buch „Slaughterhouse-Five“ des linksanarchistischen Autors Kurt Vonnegut, der das Bombardement als Kriegsgefangener erlebt hat!

Lesen Sie mal seine Schilderung, wie viele amerikanische Kriegsgefangene damals umgekommen sind!

(Stefan Brangs und Martin Dulig, SPD: Ekelhaft!)

Sie sind ekelhaft!

Herr Schimmer, bitte!

Sie sind ekelhaft, weil Sie auf den Opfern herumtreten und nicht wir.

(Stefan Brangs, SPD: Nazis! – Weitere Zurufe von der SPD)

Lesen Sie Kurt Vonnegut, ein linksanarchistischer Autor. Tun Sie das mal! – Danke.

Herr Lichdi, möchten Sie erwidern?

(Jürgen Gansel, NPD: Käfigpflicht für Ruhrpott-Affen, Herr Brangs!)

Wir fahren mit der Aussprache fort. Für die CDUFraktion Herr Abg. Hartmann. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bedauerlich, dass eine Debatte, die eigentlich dafür gedacht war, etwas Verbindendes zu formulieren, schon

jetzt am Anfang eskaliert und zu dem wird, was sie nicht sein soll.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Nach den Unsäglichkeiten von Herrn Schimmer möchte ich zwei Dinge anmerken.

(Zuruf des Abg. Arne Schimmer, NPD)

Ich bin Herrn Dulig dankbar für das, was er im Ansatz gesagt hat, möchte aber eines deutlich machen: Das Aussparen des Themas Blockaden kann es an dieser Stelle nicht geben. Ich möchte darauf verweisen, dass es gerade die SPD-, die LINKE- und die GRÜNE-Fraktion im Thüringischen Landtag waren, die zu Blockaden nach Dresden eingeladen haben. Auch die Mobilisierungsvideos können wir schon im Internet sehen. Insoweit ist das, was in den Punkten 1 bis 3 richtig formuliert ist, nicht umzusetzen ohne ein klares Bekenntnis zu gewaltfreiem, rechtsstaatlichem, gesetzeskonformem Handeln. Das schließt aus unserer Sicht den Blockadeverzicht ein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich bin sehr traurig über die Worte von Herrn Lichdi, weil sie genau nicht dafür sorgen werden, dass wir eine Strategie finden. Es war eine unfaire und aus meiner Sicht in Teilen eine diffamierende Darstellung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich werde in meiner Rede in einzelnen Punkten darauf eingehen. Beginnen möchte ich mit der Frage: Über was reden wir eigentlich? An dieser Stelle geht es mit der Darstellung von Herrn Lichdi schon los. Wir reden über die Zerstörung der Stadt Dresden.

Natürlich hat Deutschland eine Verantwortung für das, was in den Jahren 1939 bis 1945 über die Welt gekommen ist. Natürlich hat auch die deutsche Bevölkerung eine Mitverantwortung für das, was zwischen 1933 und 1945 passiert ist. Aber sich jetzt hier hinzustellen und den Eindruck zu vermitteln – jetzt bin auch ich unfair –, als ob auf die Stadt etwas Gerechtes heruntergekommen ist, davon möchte ich mich deutlich distanzieren.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Der Luftangriff auf Dresden am 13./14. Februar und die Folgeangriffe bis zum 15. Februar 1945 haben neben militärischen und Industrieeinrichtungen vor allem die Zivilbevölkerung getroffen: Alte, Frauen und Kinder. Und das, meine Damen und Herren, sollte man nicht vergessen. Große Teile der Stadt Dresden, historische Gebäude und viele Kulturdenkmäler sind zerstört worden.