Protocol of the Session on January 25, 2012

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Was haben wir als Kinder gelacht, wenn wir solche Lebensweisheiten hörten!

(Tino Günther, FDP: Herr Nolle lacht heute noch!)

In den letzten Wochen musste ich manchmal daran denken, wie recht sie doch hatte. Um Sparen, meine Damen und Herren, geht es in dieser Debatte nicht. Sparen ist, wenn ich weniger ausgebe, als ich habe. Darum geht es hier nicht.

In der Debatte geht es darum, dass wir nur das ausgeben wollen, was wir vorher eingenommen haben. Eine solche Debatte ist hier in Sachsen und in so manchem Bundesland notwendig. Sie ist auch im Bund notwendig

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

und mindestens auf europäischer Ebene in den Euroländern.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Die Praxis der letzten drei Jahrzehnte hat genau zu dieser Krise geführt, in der wir jetzt stecken. Wir werden lange daran zu kauen haben, aus dieser europäischen Verschuldungskrise wieder herauszukommen.

Deshalb halte ich es für notwendig, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, ob denn die Verschuldung – das heißt, als Staat, als Politik borge ich mir Geld, um Ansprüche und vielleicht auch Versprechen zu erfüllen – gänzlich ein geeignetes Mittel ist.

Ich komme zu folgendem Ergebnis: Es ist kein geeignetes Mittel. Die Verschuldung stellt eine Wette auf die Zukunft dar in der Form, dass ich als Staat, als Politik, genauso viel Wirtschaftswachstum oder Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erwarte, um dann die Zinsen und die Schulden zurückzahlen zu können.

Es gibt viele Beispiele, und es gibt mindestens ein Beispiel in Sachsen, bei dem wir gut beraten sind, daraus die Lehren zu ziehen.

Als wir mit der FDP bei der Bildung der Koalition vor reichlich zwei Jahren zusammensaßen und uns genau über diese Frage verständigten, haben wir uns entschieden, im Koalitionsvertrag folgenden Satz aufzunehmen – wir haben das kurz und bündig zusammengefasst –: „Wir setzen uns für eine Verfassungsänderung ein, mit der ein Neuverschuldungsverbot eingeführt und der Generationenfonds verankert wird.“

Nun gehen wir daran, dies umzusetzen. Wir halten es für geboten, die Sächsische Verfassung – in den letzten zwei Jahrzehnten kein einziges Mal geändert – nun zu ändern.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Da gibt es Wichtigeres!)

Wir wissen, dass wir als Koalition die dafür erforderliche Mehrheit nicht haben. Deshalb möchte ich die heutige Debatte zum Anlass nehmen, die Oppositionsfraktionen einzuladen, Gespräche zu führen. Wir sollten versuchen, uns noch vor der Winterferienpause im Parlament zusammenzusetzen. Ich lade Sie, Herr Hahn, Herr Dulig, Frau Hermenau zum Gespräch ein, um uns darüber zu verständigen.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD – Johannes Lichdi, GRÜNE: Da fehlt aber noch einer!)

Die einen sagen: Machen wir es doch so kurz und bündig, wie aus dem Koalitionsvertrag vorgetragen. Aber Ihnen steht selbstverständlich auch zu, zu sagen: Darüber können wir sprechen unter dieser und jener Voraussetzung. Lasst uns das tun, weil ich denke – –

(Zurufe von der SPD)

Ein wenig verspätet der Zwischenruf; auf die Unruhe bei der SPD will ich an dieser Stelle nicht eingehen.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Gott sei Dank! – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Dulig, ich achte es sehr, dass Sie die Tür nicht zugeschlagen haben und dass Sie für Gespräche bereit sind.

(Beifall des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Herr Hahn, Sie machten den Zwischenruf, es gebe Wichtigeres. Wenn ich die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen frage, was ihre größte Sorge ist, dann sagen sie, dass sie Angst haben, dass das, was sie sich erarbeitet haben, auch seinen Wert behält, und sie sich fragen, ob sie auch in Zukunft darauf vertrauen können. Deshalb ist es genau die richtige Antwort, wenn wir in die Sächsische Verfassung als Grundsatz schreiben, dass wir nicht auf die Zukunft wetten wollen – weder auf den Erfolg in der Wirtschaft noch auf unsere Kinder.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

So etwas gehört sich nicht, und deshalb lasst uns darüber sprechen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Das war Kollege Flath für die miteinbringende Fraktion der CDU. Für die miteinbringende FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Zastrow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die Verankerung eines Neuverschuldungsverbotes in der Sächsischen Verfassung für uns als FDP ein sehr wichtiges politisches Ziel ist, ist für Sie keine Neuigkeit. Auch dass es für uns Liberale eine Herzensangelegenheit ist, dürfte für Sie nicht neu sein; denn Sie wissen alle, dass die FDP bereits im Jahr 2007 hier im Sächsischen Landtag einen entsprechenden Vorstoß gemacht hat. Wir haben damals einen Gesetzentwurf, der genau das regelt, vorgelegt. Leider stimmte damals keine Fraktion unserem Anliegen zu. Ich nehme aber zur Kenntnis und bin natürlich darüber auch sehr glücklich, dass es inzwischen eine neue Dynamik in dieser Debatte gibt. Ich bin auch sehr glücklich, dass wir dieses politische Ziel im Koalitionsvertrag gemeinsam mit der Union festgeschrieben haben, und ich freue mich, dass es auf der Seite der Opposition eine Diskussion darüber gibt.

Wir haben gerade als FDP ein für uns sehr wichtiges Thema in Form eines Mitgliederentscheides entschieden. Ich halte es für einen sehr, sehr guten Weg, und ich gratuliere Martin Dulig und der SPD, dass sie diesen Weg gehen. Ich finde es immer gut, wenn man die Basis befragt, und drücke natürlich aus Sicht der CDU/FDPRegierung Martin Dulig die Daumen, dass er Erfolg haben wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Dr. Runge.

Danke sehr, Herr Präsident! – Verehrter Herr Zastrow! Haben Sie eigentlich die Begründung von Standard & Poor’s zur Bonitätsherabstufung Frankreichs und der anderen Länder einmal ausführlich gelesen, in der Standard & Poor’s zur Einschätzung kommt, dass allein die Austeritätspolitik, die jetzt in den europäischen Ländern durchgesetzt wird, nicht zur erfolgreichen Schuldenreduktion führt, sondern dass zugleich eine Wachstumsstrategie eingeschlagen werden muss?

Wenn Sie das Thema Wachstum ansprechen, dann haben Sie in mir genau den richtigen Partner.

(Heftiger Beifall und Heiterkeit bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die FDP ist ja, wie Sie wissen – das hat mein hervorragender Parteivorsitzender Philipp Rösler auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart zuletzt noch einmal betont –,

(Heftiger Beifall und Heiterkeit bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

eine Partei, die noch für Wachstum steht. Wir schränken den Wachstumsbegriff – –

(Unruhe bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte gerne der Kollegin Dr. Runge antworten. Darf ich? –

auch nicht ein, weil wir gerade hier in Ostdeutschland natürlich der Meinung sind, dass wir noch aufholen müssen und dass wir Wachstum brauchen. Deswegen ist es gut, dass Sie diese Position teilen. Ich freue mich daher, dass wir dabei auf die Linksfraktion bauen können! Dass der Freistaat Sachsen, gerade was Wachstum betrifft – da erwarte ich jetzt eine Prise Beifall von Ihnen, von der Linksfraktion –, sehen Sie daran, dass wir Rekordhalter sind, nämlich Rekordhalter in Sachen Investitionsquote ist. Ein Land, das das macht und die deutschlandweit höchste Investitionsquote hat, bekennt sich zu Wachstum, und das ist genau der richtige Schritt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich)

Ich bin noch nicht am Ende. Sie haben mich auf diese amerikanischen Ratingagenturen angesprochen. Diese haben natürlich amerikanische Antworten. Es ist das, was ich von den Amerikanern erwarte. Man ist dort oft sehr leichtfertig mit einem bestimmten Weg, um die Schulden in den Griff zu bekommen; denn man druckt dort ganz gern einfach Geld.

Genau das ist es ja, was zum Beispiel auch Standard & Poor´s unserer Bundesbank letztens erst empfohlen hat. Wir hatten Herrn Weidmann im Kabinett zu Gast. Dabei hat er noch einmal die Unterschiede zwischen deutscher Finanzpolitik, deutschen Überzeugungen und den amerikanischen herausgearbeitet. Hier haben wir eine andere Meinung als die Amerikaner.

Wir sind nicht der Meinung, dass man die Schuldenkrise in Europa in den Griff bekommt, indem man die Druckerpresse anschmeißt, wie es Präsident Obama, Herr Geitner oder auch Standard & Poor´s wollen, sondern wir setzen auf eine vernünftige Haushalts- und Finanzpolitik. Dazu gehört, dass wir nicht über unsere Verhältnisse leben, und dazu gehört auch Sparen. Das ist ein deutscher Weg, richtig. Ich glaube, dass dieser Weg auch der richtige für Europa wäre, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich)

Dass wir in der Frage einer Verankerung eines Neuverschuldungsverbotes vorwärts gekommen sind, ist sicherlich auch die Einsicht daraus, dass wir Lehren aus der Finanzkrise und aus der derzeitigen Staatsschuldenkrise ziehen müssen. Wir haben ja keine Krise des Euros, sondern es ist eine Verschuldungskrise der Staaten.

Wir haben auch nicht nur das Beispiel Griechenland, das uns sehr deutlich vor Augen führt, wohin es führen kann, wenn man zügellos über seine Verhältnisse lebt. Deswegen bin ich sehr glücklich, dass die Bundesregierung den Weg der Schuldenbremse gegangen ist. Er hätte schneller und konsequenter sein können. Er hätte sich mehr an dem