Protocol of the Session on January 25, 2012

Mehr Worte, als bereits im Ausschuss ausgetauscht worden sind, sind hier fehl am Platze. Wenn es nicht gelingt, dass der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den § 15 Abs. 2 zu streichen – es gibt noch Anträge zur Anpassung des § 12, den wir genauso unterstützen; wir haben keinen eigenen Antrag eingebracht, weil eine Dopplung keinen Sinn macht –, wenn es nicht gelingt, dass der Antrag die erforderliche Mehrheit findet, und wenn dies nicht auf Vernunft stößt, werden wir uns wieder in Leipzig treffen. Wir werden uns auf dem Gebiet des wirklich sensiblen Versammlungsrechts wieder vor dem Verfassungsgericht streiten, werden die Verantwortung letztendlich wieder dort abladen und es werden wieder die Gleichen sein, die sich wegen dieses Streites unter Demokraten die Hände reiben, nämlich jene, die hier ganz rechts sitzen.

Das würden wir bedauern und unter diesem Aspekt bitten wir, über den vorliegenden Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch einmal nachzudenken.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Frau Friedel als nächste Rednerin für die SPD-Fraktion. Frau Friedel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bartl, Sie haben schon eine ganze Menge vorgetragen von dem, was aus unserer Sicht gegen diesen Gesetzentwurf spricht.

Wir haben die gleiche Auffassung, wie wir sie schon im Jahr 2010 beim ersten Gesetzgebungsverfahren hier geäußert haben. Vieles von dem, was wir damals gesagt haben, können wir leider nicht zurücknehmen.

Ich fasse kurz zusammen: Aus vier Gründen haben wir uns damals dazu entschieden, zum Ersten das Gesetz abzulehnen und zum Zweiten mit den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor den Sächsischen Verfassungsgerichtshof zu ziehen. Es handelt

sich um folgende Gründe: Die Hürden für die Ermächtigung, Versammlungen einzuschränken, sind viel zu niedrig. Das betrifft insbesondere den § 15 Abs. 1. Dort bekommt der Staat am Ende eine zu große Ermächtigung, in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzugreifen.

Zum Zweiten haben wir gesagt: Die Einschränkungen, die vorgesehen sind hinsichtlich der besonderen Orte, der Orte mit besonderer historischer Bedeutung, sind viel zu weitreichend. Sie sind viel zu unbestimmt. Aus diesen beiden Gründen halten wir sie für nicht verfassungsgemäß.

Zum Dritten haben wir gesagt: Die Regelungen hinsichtlich des sogenannten Würdeschutzes, der insbesondere von der CDU-Fraktion immer wieder thematisiert worden ist, sind gleichfalls viel zu weitreichend und viel zu unbestimmt. Diese beiden Punkte betreffen den § 15 Abs. 2. Beide halten wir für nicht vereinbar mit der Verfassungslage.

Viertens haben wir uns nicht imstande gesehen, ein verfassungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren diesem

Gesetzentwurf attestieren zu können. Aus dem letzten Grund hat der Verfassungsgerichtshof den Gesetzentwurf am Ende durchfallen lassen. Das haben Sie schmerzhaft erfahren müssen. Den letzten Grund haben Sie mit der Einbringung des Gesetzentwurfes geheilt. Sie haben im Wege des Änderungsantrages zudem noch unsere Kritik am § 15 Abs. 1 geheilt. Ein wesentlicher Grund aber, der gesamte § 15 Abs. 2, ist nach wie vor wortgleich. Deshalb sind wir wie vor zwei Jahren der Auffassung, dass wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen können.

Herr Kollege Bartl hat bereits gesagt, dass eine Chance verpasst worden ist. Uns ist vor einigen Monaten ein Mustergesetzentwurf für ein Versammlungsrecht der Länder zugegangen. Dieser Mustergesetzentwurf hat eben das, was Ihr Gesetzentwurf nicht hat, nämlich eine von Grund auf neue Ausrichtung des Versammlungsrechts, eine Berücksichtigung der Rechtsentwicklung in den letzten 50 Jahren. Diese Chance hätten wir als Freistaat Sachsen nutzen können und sollen.

Ich werde auf unseren Änderungsantrag, der versucht, wenigstens einen Aspekt einer solchen Modernisierung, einer solchen Anpassung an Rechtsprechung aufzugreifen, dann noch eingehen. Ich will vorher nur noch einen Satz sagen, weil wir uns ja nicht im luftleeren Raum, sondern tatsächlich im Kontext der Februar-Naziaufmärsche befinden.

Der Gesetzentwurf an sich – das war auch schon vor zwei Jahren so – hat das Grundverständnis, dass die Auseinandersetzung mit Demonstrationen und Aufmärschen, die die Menschen- und die Opferwürde verletzen können und missachten, die Geschichtsverdrehung und Geschichtsleugnung betreiben, auf dem Gesetzesweg möglich ist. Aber das ist sie nicht. Das müssen Sie langsam einsehen und verstehen.

Ich habe den Eindruck, dass zumindest der Ministerpräsident in Sachsen mit seinem Aufruf zum Engagement das

vielleicht verstanden hat. Die Auseinandersetzung mit solchen gesellschaftlichen Phänomenen ist eine Sache der Gesellschaft, und der Staat hat die Aufgabe, diesem Engagement nicht im Wege zu stehen. Das ist der eigentliche Punkt, den Ihr Versammlungsgesetzentwurf umkehrt. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Biesok für die FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Föderalismusreform hat uns die Kompetenz gegeben, ein eigenes Versammlungsgesetz im Freistaat Sachsen zu erlassen. Wir beraten heute zum zweiten Mal über einen solchen Gesetzentwurf. Ich möchte noch kurz auf das Verfahren vorm Verfassungsgerichtshof Leipzig eingehen.

Der Verfassungsgerichtshof für den Freistaat Sachsen hat den letzten Entwurf aus rein formalen Gründen für verfassungswidrig erklärt, jedoch nicht aus immateriellrechtlichen Erwägungen. Dies möchte ich ganz deutlich hervorheben.

Es stimmt, meine Damen und Herren aus der Opposition, dass wir einen Fehler gemacht haben. Wir hätten das Bundesversammlungsgesetz nicht einfach in Bezug nehmen müssen, wir hätten es abtippen müssen. Das ist der einzige Erfolg, den Sie bislang vorm Verfassungsgerichtshof erreicht haben.

Meine Damen und Herren! Ich habe die Verhandlung miterlebt. Herr Kollege Bartl, Sie haben recht: Es war ein schmerzerfülltes Gesicht. Ich hätte gern meine Robe angezogen und mitdiskutiert. Das kann ich nicht. Ich kann da nicht sitzen und einfach nur zuhören. Deshalb sehe ich mir auch keine Talkshows mehr an. Das bedeutet aber nicht, dass ich diese Verhandlung so interpretiere, dass wir beim nächsten Mal ebenfalls aufgehoben werden. Das konnte ich der ganzen Diskussion nicht entnehmen. Es waren auch durchaus Argumente dabei, bei denen man sagen musste, sie sprachen für unseren Entwurf.

Die Opposition hat in der ganzen Zeit meines Erachtens eine Frage unbeantwortet gelassen: Wie gehen wir mit extremistischen Demonstranten rund um den 13. Februar in Dresden um? In Kenntnis von 134 verletzten Polizisten und brennenden Barrikaden haben Sie über ein Jahr lang versucht, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, Polizei und Justiz stellten diejenigen unter Generalverdacht, die friedlich demonstrieren wollen. Das ist nicht die Antwort auf die Frage, die sich hier stellt.

Ein Pfarrer, der unter dem dringenden Tatverdacht steht, sich vom Jugendpfarrer zum Trainer jugendlicher Steinewerfer auf Polizisten gewandelt zu haben, wird zur Ikone der LINKEN und zur Provokation auf dem Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten. Das ist keine Antwort auf die von Ihnen gestellten Fragen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Offen ist nach wie vor Ihre Position zu Sitzblockaden. Wir werden das sicherlich morgen noch einmal diskutieren, denn wir haben wieder einen von diesen Anträgen auf der Tagesordnung. Aber ich sage es Ihnen schon heute: Ich achte auch das Demonstrationsrecht Andersdenkender, mögen es Extremisten sein, die ich hier ansonsten im Landtag bekämpfe. Auch sie haben das Recht zu demonstrieren. Dieses Recht werden wir künftig verteidigen. Deshalb halte ich jede Form von Blockaden für unzulässig.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zum Gesetzentwurf. Wir haben auf der Grundlage des geltenden Bundesversammlungsgesetzes einen eigenen Entwurf vorgelegt. Frau Kollegin Friedel, es war nicht erforderlich, eine grundlegende Reform zu machen, das Rad neu zu erfinden. Das bisherige Gesetz hat sich bewährt.

Ich möchte hier noch einmal meinen persönlichen Dank ausrichten, einerseits an den Koalitionspartner CDU, andererseits an den Innenminister, die meine Anregung aufgenommen und gesagt haben: Lasst uns auf Basis des bestehenden Bundesversammlungsgesetzes überlegen,

wie wir das Sächsische Versammlungsgesetz modernisieren können. Daraus ist der Änderungsantrag entstanden. Kollege Modschiedler hat schon einige Passagen hieraus zitiert.

Leitschnur war einerseits die Sachverständigenanhörung, andererseits die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Das haben wir mit umgesetzt. Besonders wichtig war mir da zum Beispiel das Uniformverbot. Wir schränken das ein. Künftig wird nur dann das Uniformverbot gelten, wenn es andere Teilnehmer oder Außenstehende einschüchtern soll. Es ist nicht nur ein Gesetz, das sich gegen Tracht oder gleiches Aussehen richtet, sondern nur dann, wenn es sich feindlich gegen andere richtet.

Wir haben die Anmeldepflicht herausgenommen. Kein Mensch muss in Deutschland eine Demonstration anmelden und braucht eine Genehmigung dafür. Das ist eine Grundfreiheit, die man ausüben kann. Es muss lediglich angezeigt werden, und das haben wir klargestellt.

Eine Spontanversammlung haben wir aufgenommen, um deutlich zu machen, was damit gemeint ist, und damit man nicht erst im Bundesverfassungsgerichtsentscheidungsband nachsehen muss, wie das zu definieren ist.

Das Kooperationsgebot zwischen den Versammlungsbehörden und der Versammlungsleitung wurde ebenfalls gesetzlich normiert.

Die Anwendbarkeit des Versammlungsgesetzes erleichtern wir dadurch, indem wir in § 1 Legaldefinitionen eingeführt haben. Jeder, der das Gesetz heute anwendet, kann sich ansehen, was gemeint ist. Somit schaffen wir weiter Rechtssicherheit.

Für uns als Liberale ist die Arbeit mit dem Versammlungsgesetz aber noch nicht abgeschlossen. Wir werden

demnächst – ich weiß nicht, wann – eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Versammlungsgesetz in Bayern hören. Nach diesem Urteil werden wir sehr sorgfältig prüfen, ob es nötig ist, die Regelung zur Anwendung von Bild- und Tonaufnahmen in Sachsen anzupassen. Diese Entscheidung werden wir abwarten und dann auf der Grundlage einer gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung hier noch einmal neu beraten.

Kommen wir zum schwierigen Teil des Gesetzes. Im Koalitionsvertrag haben wir uns dazu verpflichtet, alle versammlungsrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um Extremisten in Sachsen deutliche Grenzen zu setzen. Mir ist dabei wichtig: Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Wir sind uns der Verantwortung bei diesen Abwehrrechten, anders als beispielsweise SPD und GRÜNE in Zeiten, als sie gemeinsam eine Bundesregierung gebildet haben, sehr bewusst. Aber die Grundrechte finden ihre Grenze dort, wo sie anderen Bürgern die Ausübung ihrer Grundängste vereiteln.

Es gehört auch mit zur Grundrechtsausübung, am 13. Februar still und friedlich der Opfer des Zweiten Weltkrieges zu gedenken. Mit unserem Versammlungsgesetz stellen wir diese Freiheit wieder her. Wir halten am 13. und 14. Februar die Frauenkirche und den Neumarkt in Dresden frei von Neonazis, die die Verantwortung des nationalsozialistischen Gewaltregimes für die Opfer des Zweiten Weltkrieges leugnen, verharmlosen und gegen die Verantwortung anderer aufrechnen.

Über die verfassungsrechtlichen Risiken dieser Normen bin ich mir durchaus bewusst. Wir brauchen diese Diskussion jetzt nicht erneut zu führen, wir haben das mehrfach getan. Ich gehe dieses Risiko bewusst ein. Kein Mensch, der die Bombenangriffe auf Dresden überlebt hat, soll am 13. Februar aus Angst vor der Demonstration von Neonazis zu Hause bleiben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Keiner soll an diesem Tag seine Kerze vor der Frauenkirche in Gegenwart von Rechtsradikalen aufstellen müssen. Dieses Anliegen ist mir das Risiko eines erneuten Scheiterns vor dem Verfassungsgericht wert.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Deshalb bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Der nächste Redner in der ersten Runde ist Herr Lichdi für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Lichdi, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schlusswendung des Kollegen Biesok war jetzt wirklich sehr interessant. Herr Biesok fällt ja dadurch auf, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Beiträgen aus der Koalition mit nennenswerten rechtlichen Erwägungen kommt. Deshalb habe ich