Protocol of the Session on December 15, 2011

Kann das wirklich Politik sein?

Dann haben Sie aus diesen 1,5 Milliarden Euro einfach einmal schlappe 379 Millionen Euro gleich für die Mehrausgaben, die entstanden sind. Das war sinnvoll oder weniger sinnvoll – wir haben darüber im Haushaltsausschuss diskutiert. Das sind 379 Millionen Euro, die einfach für Mehrausgaben genutzt werden, die aber eigentlich auch in anderen Haushaltspositionen veranschlagt werden könnten, also nicht unbedingt über diese Mehreinnahmen hätten finanziert werden müssen.

Ich muss Karl Nolle ein bisschen in Schutz nehmen. Man muss doch einmal festhalten, dass wir in diesem Haushaltsgesetz 2010 veranschlagt hatten, dass ab 2013 dem Haushalt jährlich 100 Millionen Euro für den Garantie

fonds für den Zusammenbruch der Sachsen LB entzogen werden. Dass Sie jetzt diese Steuermehreinnahmen auch noch nutzen, um schon einmal vorfristig 200 Millionen Euro diesem laufenden Haushalt zu entziehen, um in diesen Garantiefonds einzuzahlen, ist doch ein Faktum. Das kann man auch zur Kenntnis geben. Der eine oder andere liest das vielleicht gar nicht.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Vielleicht hört der eine oder andere in der CDU-Fraktion auch gar nicht zu, wenn der Finanzminister so etwas vorstellt.

(Karl Nolle, SPD: Kollege Scheel, das ist ein Geheimnis, das sagt man nicht so laut!)

Das darf man wahrscheinlich wirklich nicht so laut sagen. Vielleicht fängt der eine oder andere doch an nachzudenken.

200 Millionen Euro sind eine Menge Geld, und zwar Einnahmen aus dem laufenden Haushalt, über die wir hier einfach nicht beraten können.

Wir stellen fest: Es ist 20-jährige gelebte Tradition und gelebte Realität im Freistaat Sachsen, dass es hier einfach keine Nachtragshaushalte gibt. Es gibt keine Nachtragshaushalte, weil Sie, die CDU mit wechselnden Mehrheiten, immer wieder dafür gesorgt haben, dass dieses Parlament aus den Nachträgen herausgehalten wird. Es ist Ihnen so wichtig, dass dieser Landtag nicht mit Nachtragshaushalten beschäftigt wird, dass Sie sogar bereit sind, dafür einen Verfassungsbruch in Kauf zu nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Sachsen LB-Garantie hätte es damals nicht geben dürfen. Das ist dankenswerterweise durch die GRÜNENFraktion vor dem Verfassungsgerichtshof festgestellt worden. Aber es ist eben Ihre Politik, die versucht, die Haushaltsordnung immer wieder zu dehnen und zu überdehnen und das Budgetrecht des Landtages einzuschränken.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Deswegen geht es uns auch gut! – Proteste bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich halte es für einen Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet derjenige, der diesen Verfassungsbruch mit unterschrieben hat, am Ende noch einen Verdienstorden des Sächsischen Rechnungshofes bekommt.

Diese Realität muss aufhören. Wir müssen endlich wieder dazu kommen, dass wir als Landtag die Hoheit über das Königsrecht des Parlamentes haben!

Ich darf schließen mit einem Zitat Helmut Schmidts vom 04.12., in dem er sich auf das Europäische Parlament bezog: „Ich bin damals, als wir die Volkswahl zum Europäischen Parlament einführten, dem Irrtum erlegen, das Parlament würde sich schon selbst Gewicht verschaffen.“ Lassen wir es nicht so weit kommen, dass das eines Tages über den Sächsischen Landtag gesagt werden muss!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank.

Meine sehr geehrten Herren Staatsminister und Ihre Berater, es mag ja sein, dass Sie hier ganz wichtige Themen zu besprechen haben. Ich will Ihnen nicht unterstellen, dass Sie dieser Tagesordnungspunkt überhaupt nicht interessiert. Aber ich höre lautstark Ihre Debatten. Führen Sie die doch bitte draußen fort und stören Sie hier nicht die Sitzung. – Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Aussprache fort. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abg. Pecher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gestern schon in den Debatten ausgeführt, dass die Einnahmenerhebung und -verwendung eine klare Aufgabendefinition voraussetzt, die regeln soll, was dieser Staat leisten muss an Daseinsfürsorge, für Gesundheit, Justiz, Polizei und Bildung. Wenn aber, wie verschiedentlich in diesen Debatten festgestellt wird und was auch vorhin bei Herrn Schreiber ganz deutlich zu sehen war, diese soziale Daseinsfürsorge auf Menschen, deren Familien, bestenfalls auf die Kommunen abgeschoben wird, wenn diese Aufgabe im Kopf als Weltbild nicht vorkommt, wenn sie nicht als staatliche Verantwortung definiert und verinnerlicht ist, dann wird dort gekürzt, da entbehrlich, überflüssig und belastend. Das nennt man dann Sparen und natürlich keine Schulden machen. Das ist die Reduktion auf Spar- und Schuldenpolitik.

Das ist für uns kein Kompass für das finanzpolitische Handeln. Ich möchte es Ihnen eindeutig ins Stammbuch schreiben, meine lieben Kollegen von der CDU: Die Schulden und Risiken dieses Freistaates haben alle allein Sie gemacht. Bis 2004 haben Sie diese 12 Milliarden Euro Schulden und danach die Risiken der Landesbank und bei der SAB gemacht. Weder FDP noch SPD, gleich gar nicht LINKE haben einen Cent Schulden angehäuft in diesem Freistaat.

(Proteste bei der CDU)

Das waren ganz allein Sie.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Pecher, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Vielen Dank, Herr Präsident! – Kollege Pecher, wie schätzen Sie denn die Finanzsituation des Freistaates bis zum Jahr 2025 ein?

(Christian Piwarz, CDU: Da wird Redezeit gestreckt!)

Ich glaube, dass diese Frage sehr interessant ist.

(Lachen und Unruhe bei der CDU)

Wenn man diese gebetsmühlenartigen Textbausteine, lieber Herr Homann, hört, zum Beispiel gestern von Herrn Tippelt oder vorhin von Kollegen Michel: Rückgang Soli, LFA, die Welt ist ganz schlecht – dann möchte ich Ihre Frage gern beantworten,

(Zuruf von der CDU: Wenn Sie schon Zwischenfragen in die Rede einbauen!)

und zwar mit einem völlig unverdächtigen Institut, nämlich dem Institut für Wirtschaftsförderung Dresden.

(Zuruf von der CDU: Völlig unverdächtig! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Pecher, es wird Ihnen gelingen, auf diese Frage zu antworten.

Ich möchte aus einem Gutachten des Wirtschaftsinstituts Ifo Dresden, das im Übrigen im Auftrag der Staatskanzlei über die finanzielle und wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates Sachsen erstellt wurde, zitieren: „Die Landeseinnahmen werden demnach auch im Jahr 2025 nominal etwa denen des Jahres 2010 entsprechen.“ Das ist keine Aussage von mir, sondern vom Ifo-Institut.

Natürlich muss man das inflationsbereinigen. Natürlich hat der Finanzminister recht, dass wir dabei einen Konsolidierungsbedarf von 2 bis 3 Milliarden Euro haben. Aber die Konsolidierungsansätze des Ifo-Institutes liegen nicht im sozialen Bereich. Die sagen, dass wir unsere Wirtschaftsförderungsinstrumente, die Investitionen in die Infrastruktur und natürlich im Bereich Personal überprüfen müssen. Da haben wir auch gute Möglichkeiten.

Wir haben auch Risiken, die wir beachten müssen. Wir haben ja alle keine Glaskugel. Aber man muss doch nicht aus Angst vor dem Tod gleich Selbstmord begehen und diesen Staat sozial tot machen! Genau das machen Sie.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Pecher, ich kann davon ausgehen, dass Sie die Frage beantwortet haben?

Herr Präsident, zum Antrag selbst:

(Christian Piwarz, CDU: Nächste Zwischenfrage! – Karl Nolle, SPD: Wer hat noch eine Zwischenfrage?)

Die Kürzungen im Doppelhaushalt hatten doch nur einen einzigen Grund, das wissen wir doch alle. Deshalb waren sie auch eine Farce. Sie sollten die Risiken der Landesbank so schnell wie möglich abfinanzieren. Das ist auch

erreicht worden, über 1 Milliarde Euro im Generationsfonds, über 1 Milliarde Euro in der Haushaltsrücklage und noch diverse Rücklagen im Haushalt selbst. Wir haben insgesamt fast 6 Milliarden Euro Rücklagen. Das haben wir letztendlich geschafft.

Um auf den Antrag der GRÜNEN zurückzukommen, sage ich: Es wäre schon sinnvoll zu überlegen, einen Investitionsplan für die nächsten zehn bis 15 Jahre aufzustellen.

Wo wollen wir denn die Schwerpunkte setzen? Ich glaube, dass das sinnvoll wäre. Das ist zwar bei der Staatsregierung und bei den Koalitionsfraktionen nicht zu erkennen, aber ich denke einmal, es wäre sinnvoll und ernsthaft wichtig, darüber nachzudenken, ob man einen Plan hat, wie man das Geld vernünftig einsetzt, anstatt es für 2 % auf den Konten von der Inflation auffressen zu lassen.

Diese Situation haben wir derzeit, und ich denke, dass es wesentlich besser wäre, jetzt die Jahre zu nutzen, in denen wir noch EU-Mittel bekommen und die Kommunen vernünftig ausgestattet sind, und Geld in die Hand zu nehmen – nicht nur diese lächerlichen 106 Millionen Euro – und für jeden Euro noch 100 oder 200 % Rendite draufzulegen mit dem Ziel, die gesellschaftliche Infrastruktur des Freistaates zu sanieren. Das ist unsere Aufgabe der nächsten fünf, sechs, sieben Jahre, und das können wir auch leisten.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)