Meine Damen und Herren, was genau möglich ist, entscheidet letztendlich Brüssel. Wir können nur alles dafür tun, dass die Startbedingungen ordentlich sind und geschaffen werden. Dazu werden wir zunächst versuchen,
im Rahmen der weiteren Abstimmung zu den Rechtstexten das Beste für den Freistaat Sachsen herauszuholen. Anschließend gilt es, diese Herausforderungen verwaltungsmäßig umzusetzen und zu meistern.
Meine Damen und Herren, damit wartet viel Arbeit auf uns! Das ist Arbeit, die sich lohnt. Sie lohnt sich für die Umwelt und den Naturschutz. Sie lohnt sich für die Landwirtschaft und die Menschen im ländlichen Raum im Freistaat Sachsen. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam diese Arbeit angehen!
Ich danke Herrn Staatsminister Kupfer für seine Fachregierungserklärung. – Wir kommen nun zur Aussprache zur Fachregierungserklärung. Folgende Redezeiten wurden für die Fraktionen festgelegt: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 24 Minuten, SPD 14 Minuten, FDP 14 Minuten, GRÜNE 12 Minuten und die NPD 12 Minuten. Die Reihenfolge in der ersten Runde ist: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE und NPD.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion DIE LINKE hat das Wort. Ich bitte Frau Kollegin Kagelmann nach vorn.
Danke schön, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Sächsische Landtag beschäftigt sich heute zum wiederholten Male mit der europäischen Agrarpolitik. Das ist insofern nachvollziehbar, weil es sich bei den Geldern – über die zwei Säulen der GAP – um beachtliche finanzielle Mittel handelt, die nach Sachsen fließen und mit denen die Politik im ländlichen Raum gesteuert werden kann. Wirklich bahnbrechend sind die Verordnungsentwürfe der EU aber nicht. Sie halten genau das, was EU-Kommissar Cioloș von Anfang an angekündigt hat. Deshalb sind eigentlich sämtliche inhaltlichen Standpunkte der Beteiligten auf politischer und berufsständischer Seite bereits mehrfach ausgetauscht. Eine wirklich spannende Debatte verspricht der heutige Tagesordnungspunkt deshalb nicht zu werden.
Und: Es bleibt natürlich europäische Politik. Der Gestaltungsauftrag für eine neue europäische Agrarpolitik obliegt zuerst der Bundesebene, die dabei unterschiedliche Länderinteressen ausgleichen muss. Dann obliegt sie dem EU-Parlament, das unterschiedliche Bedingungen in 27 Mitgliedstaaten auf gemeinsame agrarpolitische Ziele fokussieren muss.
Ich betone das an dieser Stelle deshalb, weil ich den Eindruck hatte, dass in den vergangenen Diskussionen die internationale Dimension einer Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik hinter der sächsischen Problemsicht manchmal etwas verloren ging.
Als die agrarpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der LINKEN vom Bund und von Landtagen ihr Konzept zur Weiterentwicklung der gemeinsamen europäischen
Agrarpolitik Mitte 2010 bereits in die Öffentlichkeit brachten, erging es mir in Sachsen wie dem bekannten Wächter der Fliegerschule Grigori Kossonossow bei seinem Werbefeldzug für die Entwicklung des sowjetischen Flugwesens.
Nach der Diskussion eines daraus abgeleiteten Antrages der LINKEN im Märzplenum dieses Jahres unterstellte man der LINKEN in der Zeitung des Landesbauernverbandes eine – Zitat – „getrübte Sicht auf ökonomische Realitäten und kausale Zusammenhänge und ein erschreckendes Maß an Realitätsferne“. Boah! Ja, wenn nun der Kosmos der Bewertung der Agrarpolitik an den Landesgrenzen Sachsens endet, mag diese Reaktion nachvollziehbar erscheinen. Wenn man allerdings – und genau das hat DIE LINKE in ihrem GAP-Papier – versucht, die Gesamtverantwortung der Europäischen Union für ihre Mitgliedsstaaten zur Entwicklung einer gleichermaßen leistungsfähigen wie auch sozial und ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft zum Ausgangspunkt der Überlegungen macht, kommt man zwangsläufig zu anderen Schlussfolgerungen und Finanzierungsmodellen.
Nach der Veröffentlichung der Verordnungsvorschläge der Europäischen Kommission zur GAP ab 2014 zeigt sich, dass wesentliche Elemente des Konzeptes der LINKEN mit den Reformvorschlägen von Agrarkommissar Cioloș deckungsgleich sind. Diese Vorschläge kann man gut oder schlecht bewerten. Nichts anderes bezweckt die wiederholte Debatte zu diesem Thema. Aber, wer hier welche politischen wie ökonomischen Realitäten falsch eingeschätzt hat, wird angesichts der aktuellen Verordnungsentwürfe überdeutlich. DIE LINKE hatte die Zeichen der Zeit mit höheren Umweltanforderungen und gewachsenen Verbraucheransprüchen jedenfalls erkannt. Deshalb
konnte es realistischerweise auch kein krampfhaftes Festhalten an bekannten Fördermechanismen geben.
Der Kern des GAP-Konzeptes der LINKEN bestand in einer stärkeren sozialen und ökologischen Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik. Wir bekannten uns von Anfang an zur Notwendigkeit des Greenings, weil wir Antworten auf die globalen Herausforderungen des Klimawandels und des Verlustes der Biodiversität geben müssen. Im EU-Entwurf soll nun genau diese Ökologisierungskomponente eingeführt werden, indem klima- und umweltpolitische Leistungen zusätzlich zu einer Basisprämie honoriert werden, die über die Cross-ComplianceAnforderungen hinausgehen. Nach meiner Wahrnehmung glätten sich in diesem Punkt gerade die Wogen in der öffentlichen Diskussion. In vielen persönlichen Gesprächen mit Landwirten wird mir häufig bestätigt, dass solche zusätzlichen Umweltleistungen vorstellbar sind
oder bereits geleistet werden. Problematischer dagegen wird die Ausweisung einer ökologischen Vorrangfläche gesehen. Auch in diesem Punkt decken sich die EUVorschläge mit dem Papier der LINKEN. Allerdings ist DIE LINKE in ihrem Konzept mit 5 % Fläche etwas niedriger herangegangen.
Fakt ist: In den meisten Betrieben findet sich eine Fläche, die aufgrund von Vernässung oder sonstigen Standortnachteilen nur schwer zu bewirtschaften ist. Es finden sich Randstreifen, Hecken und Baumgruppen, die in der Summe als eine solche Vorrangfläche ausgewiesen werden können. Bei sorgfältiger Auswahl muss aus heutiger Sicht keine Fläche aus der Produktion genommen werden. Es wird vielmehr darauf zu achten sein, wie die EU-Kommission diese Flächen später konkret definiert.
Der Ökolandbau erhält nach den Vorschlägen der EU automatisch das Anrecht auf Zahlung der Ökologisierungsprämie. Das ist vernünftig und auch logisch. Aber, Herr Staatsminister Kupfer, Ihr Hohelied auf die Entwicklung des Öko-Landbaues in Sachsen fiel, um es freundlich zu formulieren, etwas überschwänglich aus. Wer von einem niedrigen Ausgangsniveau aus rechnet, wird trotz mickriger absoluter Flächenanteile hohe prozentuale Steigerungen vorweisen können. Dieser billige Taschenspielertrick ist zu durchsichtig. Sachsen wollte nach dem Landesentwicklungsplan bis 2010 10 % ökologisch bewirtschaftete Fläche ausweisen, was angesichts der Ziele der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ohnehin nicht übermäßig ambitioniert daherkommt. Wir liegen aktuell bei 3,5 %. Da braucht weder die grüne noch die rote Opposition Fakten umzukehren. Angesichts eines zwölften Platzes im Ranking der Flächenbundesländer scheint mir an dieser Stelle verbale Bescheidenheit angebrachter, Herr Staatsminister.
Wir hatten dazu konkrete Vorschläge. Vielleicht schauen Sie da noch einmal rein, was man insbesondere im Teil der Beratung für umstellungswillige Landwirte tun kann.
Es ärgert mich auch, wenn im Zusammenhang mit der Ökologisierung der landwirtschaftlichen Produktion in Europa immer mit dem Hunger einer wachsenden Weltbevölkerung argumentiert wird.
Ich habe es bereits in vergangenen Debatten gesagt und wiederhole mich an dieser Stelle bewusst: Das Problem des Hungers ist hauptsächlich ein Problem der mangelnden Verteilungsgerechtigkeit in der Welt
und weniger ein Problem der fehlenden Fläche. Allerdings verstärken die Auswirkungen des Klimawandels in den Entwicklungsländern sowohl Flächen- als auch Ertragsprobleme rasant. Insofern machen mir die Ergebnisse der jüngsten Klimakonferenz in Durban tatsächlich große Sorgen.
Europa kann und muss nicht die Welt ernähren, meine Damen und Herren. Ernährungssouveränität braucht stabile Erzeugerstrukturen in den Entwicklungsländern.
Wenn wir schon über den Welthunger sprechen, sollten wir auch dazusagen, dass der angestrebte Produktionszuwachs in der EU anderswo riesige Flächen beispielsweise für den Anbau von Futtermitteln bindet. Allein der Sojaanbau für die europäische Tierhaltung beansprucht 20 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche im Ausland und verdrängt dabei insbesondere kleinbäuerliche Nahrungsmittelproduzenten.
Zurück zu den konkreten Verordnungsvorschlägen der EU und damit zu einem wirklichen Knackpunkt der vorgesehenen Degression und Kappung der Direktzahlungen. Herr Staatsminister Kupfer, da stimmen wir mit Ihrer Einschätzung überein. Um es ganz klar zu sagen: Diese Vorschläge lehnt DIE LINKE ab, hat sie immer abgelehnt, weil für uns nicht pauschal die Größe eines Betriebes ausschlaggebend für Zahlungsansprüche sein darf, sondern die Methoden der Bewirtschaftung der Fläche und damit der Beitrag des Betriebes für die öffentlichen Leistungen, insbesondere im Klima- und Umweltschutz.
Die, die es bei dieser Kappung wirklich und – das füge ich hinzu – berechtigt treffen soll, nämlich die riesigen Nahrungsmittelkonzerne und reinen Industrieunternehmen, werden voraussichtlich nicht einmal von den Fördertöpfen ausgesperrt, denn deren Teilungskonzepte sollen schon in den Schubladen schlummern.
Im GAP-Modell der LINKEN findet sich allerdings ein sogenannter Arbeitskräftefaktor, weil wir im Gegensatz zu Ihnen, Herr Staatsminister Kupfer, Betriebe, die ordentlich bezahlte Arbeitsplätze im ländlichen Raum vorhalten oder schaffen, zusätzlich fördern wollen. Das ist bitter notwendig, wie wir wissen, weil die Löhne in der Land- und Forstwirtschaft immer noch mit Abstand unter denen aller anderen Wirtschaftsbereiche in Sachsen liegen und dadurch die demografischen Probleme im ländlichen Raum verschärft werden.
Ausgerechnet dieser anfangs recht umstrittene Arbeitskräftefaktor, der sich nun auch in den EU-Vorschlägen findet, sorgt inzwischen sogar für einen vorsichtigen Hoffnungsschimmer im Osten, weil er in der Lage sein sollte, die Kappung der Direktzahlungen aufzufangen.
Der Vorstandsvorsitzende eines Agrarunternehmens in Sachsen-Anhalt geht in einem Interview mit der „Sächsischen Bauernzeitung“ vom November sogar noch weiter, indem er sagt: „Die Zahlungen müssten aus unserer Sicht generell stärker an den Arbeitsplätzen orientiert werden. Entscheidend ist doch nicht das Wohl eines Hektars, sondern das der Menschen in den Dörfern.“
Recht hat er, der gute Mann! Deshalb ist Agrarpolitik eben doch Sozialpolitik, Herr Kupfer, auch wenn das immer wieder gern bestritten wird. Sie hatten in der Aktuellen Debatte vor gut einem Jahr genau mit diesem Argument die Kopplung einer Förderung an die Anzahl der Arbeitskräfte abgelehnt.
Natürlich ist europäische Agrarpolitik – wie Wirtschaftspolitik allgemein – immer auch Sozialpolitik. Sie war es zu Beginn der GAP 1957, als die europäische Agrarpolitik in den Nachkriegsjahren garantieren sollte, dass Nahrungsmittel ausreichend und preiswert zur Verfügung gestellt werden können. Sie ist es heute immer noch; denn die Direktzahlungen der ersten Säule dienen der Einkommensstützung, und zwar für Gemeinwohlleistungen des Landwirts, also eben die flächendeckende Bewirtschaftung der Kulturlandschaft, die er nicht direkt in seine Produkte einpreisen kann, die aber gesellschaftlich notwendig sind und damit bezahlt werden müssen.
Wer aber Familien unterstützt, Kitas und Schulen saniert oder Tourismusprojekte umsetzt, betreibt im besten Sinne Sozialpolitik. Was sonst?
Was den zitierten Landwirt aus Sachsen-Anhalt betrifft, so hat der offensichtlich nicht einmal Sorgen vor dem angeblich hohen bürokratischen Aufwand der Nachweisführung für die dünne Hilfskrücke Arbeitskräftekomponente der Europäischen Kommission, Herr Kupfer. Optimismus ist also an dieser Stelle angebracht.
Was die zweite Säule der GAP anbelangt, so bedarf es gerade hier einer ehrlichen und kritischen Evaluation des Mitteleinsatzes, bevor man Landesprogramme neu justiert.