Protocol of the Session on December 14, 2011

Was die zweite Säule der GAP anbelangt, so bedarf es gerade hier einer ehrlichen und kritischen Evaluation des Mitteleinsatzes, bevor man Landesprogramme neu justiert.

Herr Staatsminister Kupfer, Sie sprechen selbst das Anwachsen der Siedlungs- und Verkehrsfläche an, allerdings ohne eine Spur von Selbstkritik. Wer beispielsweise zu viele Straßen baut, setzt in Entleerungsräumen nicht nur Mittel in den sprichwörtlichen Sand, er bürdet den Kommunen auch hohe Unterhaltungslasten auf und entzieht im schlimmsten Fall landwirtschaftliche Nutzflä

che. Das und der fortgesetzte Braunkohleabbau sind die größten Flächenfresser beispielsweise in meinem Heimatlandkreis Görlitz

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

weit vor naturschutzfachlichen Kompensationsmaßnahmen.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Das ist ja interessant!)

Auch dazu habe ich im Zusammenhang mit der ILEHalbzeitbewertung ausführlich gesprochen. Dort finden Sie auch unsere konkreten Vorschläge. Ein Stichwort ist hier Regionalbudgets, denn sie stärken die Eigenverantwortung der regionalen Akteure am wirkungsvollsten.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön, Herr Bandmann.

Bitte, Kollege Bandmann.

Sie haben deutlich gemacht, dass DIE LINKE immer konsequent gegen den Straßenbau in Sachsen eingetreten ist. Sie haben konkret den Landkreis Görlitz angesprochen. Uns aus der Region ist noch gut in Erinnerung, dass es DIE LINKE war, die über viele Jahre versucht hat, den Autobahnbau nach Görlitz und nach Polen zu verhindern.

Die Frage, bitte!

(Zurufe von den LINKEN: Die Frage!)

Deswegen frage ich die Kollegin der LINKEN, ob sie nach wie vor den Autobahnbau nach Polen für falsch hält und ob sie die Anstrengungen, die dort geleistet worden sind, um die Region besser anzubinden, heute anders bewertet und ihre Aussage vielleicht korrigieren möchte.

Nein, Herr

Bandmann, ich korrigiere keine Aussage. Ich bin schon ganz froh, dass Sie mich nicht fragen, ob ich etwa die Autobahn A4 selbst nutze. – Ja, ich nutze sie.

Wenn wir uns nach der Zeit, die inzwischen vergangen ist, den Bau anschauen und die wirtschaftlichen Effekte, die er für die Entwicklung in der Oberlausitz auslösen sollte, mit den Realitäten vergleichen, dann sieht es doch sehr trübe aus.

Schauen wir uns nur die Gewerbegebiete um Kodersdorf an und was dort passiert ist. Insofern ist es richtig, wenn Opposition hinterfragt, welche Effekte ein Straßenbau auslöst.

(Volker Bandmann, CDU: Sie müssen in einem anderen Land leben als ich!)

Herr Bandmann, Sie müssen mich schon ausreden lassen.

Nun ist der Bau einer Bundesautobahn schon von der Finanzierung her etwas anderes als der Straßenbau, der in den Gemeinden und Städten stattfindet.

(Robert Clemen, CDU: Aha!)

Ich kann Ihnen Beispiele aufzählen, wie dort über das Schwarzdeckenprogramm Schneisen durch Wälder

planiert werden, deren Sinn sich überhaupt nicht erschließt. Aber wenn so großzügig Fördermittel in gerade diesen ländlichen Straßenbau fließen, ist es ganz klar, dass die Kommunen zugreifen, die aber später über die Unterhaltslast mit dem Straßenbau umgehen müssen; und ich sprach von einer Evaluation, das heißt, man muss sich Ergebnisse kritisch anschauen. Insofern ist es berechtigt, dass wir den Anteil in dem Bereich der zweiten Säule deutlich hinterfragen und nach 20 Jahren irgendwann einmal aufhören, Straßen und Infrastruktur in Räumen zu bauen, die sich deutlich entleeren.

(Beifall bei den LINKEN)

Wo waren wir stehengeblieben? – An dieser Stelle – nur noch eine Randbemerkung – wird, was die Beziehung zwischen erster und zweiter Säule betrifft, die Systematik des Zwei-Säulen-Modells insgesamt durchbrochen, indem sowohl Direktzahlungen in der ersten Säule an Umweltauflagen geknüpft als auch Gelder aus der zweiten Säule für Agrarumweltmaßnahmen mit Kofinanzierungsmitteln des Landes vorgesehen werden. Nach unserem Modell wären Maßnahmen des Klima- und Umweltschutzes über die Weiterentwicklung der Cross-Compliances-Regelungen Zugangsvoraussetzungen für Direktzahlungen, und damit wäre deren Anteil nicht von der Kassenlage in den Mitgliedsstaaten abhängig. Das ist, denke ich, genau das Gegenteil dessen, was Sie favorisieren, Herr Staatsminister Kupfer.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass sich das Stimmungsbild zur Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik in den letzten Monaten durchaus gewandelt hat. DIE LINKE sieht sich in vielen Punkten mit ihrem Ansatz im eigenen GAP-Modell durch die Verordnungsvorschläge bestätigt. Spannend bleibt es dennoch in Bezug auf die Durchsetzungskraft einzelner Mitgliedsstaaten in der Diskussion zu den Verordnungsentwürfen und natürlich später in der konkreten Untersetzung der Verordnung.

Die europäische Agrarpolitik bleibt ambivalent. Ihren Erfolgen in den letzten 40 Jahren in Bezug auf Versorgungssicherheit und Stabilität in Europa stehen negative Auswirkungen in der Entwicklungs- und Umweltpolitik gegenüber. Zudem mahlen politische Mühlen immer viel zu langsam, als dass die hohen Erwartungen vieler an eine durchgreifende Wende in der Agrarpolitik erfüllt werden könnten.

Auch DIE LINKE verkennt nicht, dass die neue Förderperiode – bei allen positiven Ansätzen – wieder zu stark auf Wachstum und Export setzt. Aber diese Widersprüche

müssen in einer Weiterentwicklung der europäischen Agrarpolitik aufgelöst werden, die die globalen sozialen und ökologischen Herausforderungen der Menschheit gezielt angeht, indem sie vor allem solidarisch nach innen und außen wirkt. Deshalb ist es wichtig, dass sich Sachsen in diese Diskussion einmischt, und zumindest in diesem Anspruch können Sie, Herr Staatsminister, mit der weiteren kritischen Begleitung der LINKEN rechnen.

Da ich noch Zeit habe, möchte ich gern noch auf den vorliegenden Entschließungsantrag eingehen. Der Antrag ist erfreulicherweise in fast allen Punkten relativ unproblematisch formuliert. Allerdings haben wir im Punkt III an einigen Stellen Bauchschmerzen, auch wenn es darin vordergründig um den Bürokratieabbau gehen soll. Ich denke, ich habe deutlich gemacht, dass wir gerade der Berücksichtigung der Lohnkosten positiv gegenüberstehen. An dieser Stelle würden wir also dem Antrag nicht gern zustimmen wollen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie eine punktweise Abstimmung vorschlagen könnten.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach Frau Kollegin Kagelmann. – Für die Fraktion der CDU spricht nun Herr Kollege Schmidt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Agrarpolitik ist, historisch gewachsen, der Politikbereich, der in der Europäischen Union bereits am weitgehendsten nach gemeinsamen Regularien abläuft und dessen Finanzierung am stärksten über den EU-Haushalt vollzogen wird. Um diese Entwicklung richtig zu verstehen und zu werten, gestatten Sie mir einige Sätze zur Historie.

Die Europäische Union und davor bereits die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft haben von Anfang an, also bereits seit Ende der Fünfziger- und Sechzigerjahre, im Agrarsektor versucht, gemeinsame Ansatzpunkte zu verfolgen. Diente diese gemeinsame Agrarpolitik zuerst dazu, nach dem Krieg eine moderne Landwirtschaft in Europa zu schaffen, war später – speziell in den Achtzigerjahren – die Begrenzung der Überproduktion von Nahrungsmitteln der Grund für dieses gemeinsame Handeln. Die Milchseen, Getreide- und Butterberge gehören längst der Vergangenheit an, haben sich aber lange in den Köpfen der Menschen festgesetzt, und bei den Vorschlägen der Kommission hat man den Eindruck, dass sie aus einigen Köpfen überhaupt noch nicht wieder heraus sind.

Anfang der Neunzigerjahre gab es durch die sogenannte MacSharry-Reform einen grundlegenden Wandel, der bis heute die Grundlagen der Agrarpolitik legt. Damals wurden durch die Festlegung von an die Produktion gekoppelten Prämien und die Zwangsflächenstilllegung sowohl die Produktionsmenge als auch die Erzeugerpreise deutlich gesenkt. Diese Zahlungen an die Landwirte sorgten für einen Ausgleich des Preisverfalls bei den

Agrarrohstoffen, was wiederum die Grundlage für die bis heute geringen Steigerungen der Lebensmittelpreise gegenüber anderen Produkten bildete. Diese produktionsgebundenen Zahlungen wurden später wieder entkoppelt und in Betriebsprämien umgewandelt – zumindest in Deutschland ist dies weithin vollzogen –, die heute in Form von Zahlungsansprüchen die Grundlage für die Direktzahlungen an unsere Landwirte bilden. Aber sie haben immer noch – wie zu Beginn der Phase der Prämienzahlung – zumindest indirekten Einfluss auf relativ stabile Nahrungsmittelpreise.

Durch die "Agenda 2000" wurde in diese europäische Agrarpolitik die Förderung von Umweltmaßnahmen und der Entwicklung der ländlichen Räume integriert. Daher spricht man heute von zwei Säulen in der Agrarpolitik: zum einen die Direktzahlungen an die Landwirte und zum anderen die zweite Säule mit Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes, welche derzeit in Sachsen in zahlreichen verschiedenen Richtlinien verankert sind. Staatsminister Kupfer hat bereits auf die Vielfalt der darin enthaltenen Fördermaßnahmen hingewiesen.

Von Anfang an legte der Freistaat in der zweiten Säule sehr erfolgreich einen Schwerpunkt auf die Förderung einer umweltgerechten Landwirtschaft – was auch in Zukunft so bleiben muss. Hierbei gibt es zum Teil Auflagen an die Bewirtschaftung, die über die Auflagen im ökologischen Landbau deutlich hinausgehen, und wenn wir betrachten, welche Flächen in unserem Freistaat ökologisch bewirtschaftet werden, dann müssen auch wir den Fokus auf diese Flächen richten und sie in unsere Betrachtungen einbeziehen.

Durch die Umschichtung aus der ersten in die zweite Säule auf der Basis der sogenannten Modulation werden darüber hinaus zusätzlich den Landwirten Mittel der direkten Zahlungen entzogen und den Entwicklungsprogrammen des ländlichen Raumes zugeführt. Außerdem ist der Erhalt von finanziellen Zuwendungen an die Einhaltung zahlreicher Auflagen gebunden. Diese Verbindung von Agrarförderungen in den sogenannten Cross Compliances gibt es in keinem anderen Förderbereich, und sie führt bei Verstößen oft zu Doppelsanktionierungen für die Betroffenen. Mich würde einmal interessieren, wie das in anderen Politik- oder Förderbereichen gewertet wird.

Wir haben heute mit dem europäischen Agrarhaushalt ein Instrumentarium, das seinen Fokus im gesamten ländlichen Raum hat und vor allem für die Zahlung von Mitteln – speziell an die Landwirte – immer höhere und anspruchsvollere Auflagen festlegt. Was ich damit sagen will: Unsere Bauern bekommen nicht einfach Steuergelder geschenkt, sondern sie erbringen sehr anspruchsvolle Gemeinwohlleistungen für die gesamte Gesellschaft, welche natürlich auch vergütet werden müssen. Dies muss auch weiterhin die Grundlage der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik bleiben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Trotz aller Kritik im Detail kann die europäische Agrarpolitik insgesamt als Erfolgsgeschichte gewertet werden, und das weit über die Landwirtschaft hinaus.

So flossen in der ELER-Förderperiode von 1991 bis 2007 2,2 Milliarden Euro an Fördermitteln in den ländlichen Raum unseres Freistaates, die ihrerseits wiederum Investitionen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro ermöglichten. Dazu gehörten zum Beispiel die Renovierung von mehr als 40 000 ortsbildtypischen Gebäuden durch Kommunen oder Privatpersonen. Weiterhin wurden mit den Mitteln der ländlichen Entwicklung in dieser Zeit 1 560 Kilometer kommunale Straßen saniert und etwa 2 000 Arbeitsplätze, vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen, geschaffen.

Das ist ein beeindruckendes Ergebnis, auf welchem dann 2007 aufgebaut wurde. Die auslaufende Förderperiode wird durch die Bindung einzelner Maßnahmen an längerfristige Zeiträume noch über das Jahr 2013 hinaus wirken, auch wenn noch nicht klar ist, welche Mittelausstattung dann vorhanden sein wird. Um dieses Risiko zu minimieren, wäre es der einfachste Weg, in den letzten Jahren der Förderperiode keine Neueinstiege, beispielsweise in die Förderung von Agrarumweltmaßnahmen, zu gestatten.

Daher begrüße ich es ausdrücklich, Herr Staatsminister, dass sich das SMUL entschlossen hat, nicht dieses dünne Brett zu bohren, sondern einstiegswilligen Betrieben den Einstieg zu gewährleisten und die Finanzierung über das Jahr 2013 hinaus bereits jetzt zuzusagen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Herr Staatsminister Kupfer ist bereits darauf eingegangen, wie erfolgreich diese sächsischen Programme in den letzten Jahren gewirkt haben. Bei der Investitionsförderung in der Land- und Ernährungsgüterwirtschaft ist jedoch sowohl durch die enorme Antragsflut als auch durch Mittelumschichtungen, um den Bau oder die Sanierung beispielsweise von Kitas, Schulen, Krankenhäusern im ländlichen Raum zu fördern, jetzt das Ende der zur Verfügung stehenden Fördermittel abzusehen.

Dies würde berechtigterweise zu großen Enttäuschungen bei investitionswilligen Landwirten führen und darf nicht einfach so hingenommen werden. Daher möchte ich Sie, Herr Staatsminister, bei Ihrem jetzt angekündigten Bemühen klar unterstützen und darum bitten, weitere Umschichtungen von nicht abgerufenen Mitteln des ELER in Richtung der Richtlinie LuE vorzunehmen sowie die zusätzliche Verwendung von GAK-Mitteln für die Jahre 2012/2013 und darüber hinaus zu prüfen.

Zurzeit befinden wir uns in der Phase der Neuaufstellung des EU-Haushaltes für den Zeitraum 2014 bis 2020. Agrarkommissar Cioloş und sein Kabinett hatten, um die Ausrichtung der zukünftigen Agrarpolitik zu bestimmen, sogenannte neue Herausforderungen formuliert, was ich für eine gute Grundlage für eine Richtungsbestimmung halte. Diese neuen Herausforderungen betreffen die Gewährleistung der Ernährungssicherheit, die nachhaltige