Protocol of the Session on November 24, 2011

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 45. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Kagelmann, Frau Neukirch, Herr Kosel, Herr Petzold.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 2 bis 7 folgende Redezeiten festgelegt: CDU bis zu 95 Minuten, DIE LINKE bis zu 66 Minuten, SPD bis zu 40 Minuten, FDP bis zu 40 Minuten, GRÜNE bis zu 35 Minuten, NPD bis zu 35 Minuten, Staatsregierung 64 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf diese Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Ein als dringlich bezeichneter Antrag der Fraktion der NPD liegt Ihnen in der Drucksache 5/7510 vor. Er trägt den Titel: „Sofortiger Abzug aller V-Leute aus der NPD“. Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit festzustellen; dann müsste der Antrag noch in dieser Sitzung abschließend behandelt werden. Voraussetzung für die Dringlichkeit ist, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung im Landtag über den Antrag nicht mehr erreichbar ist.

Ich bitte jetzt um die Begründung der Dringlichkeit und erteile Ihnen, Herr Storr, das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesparteitag der Regierungspartei CDU beschloss am 15. November 2011, ein neues NPDVerbotsverfahren prüfen zu lassen. Diese Prüfung setzte nach Medienberichten sofort ein. Es wird in den Innenministerien und beim Inlandsgeheimdienst seitdem fieberhaft gearbeitet. Weiter vorangetrieben wurde das Vorhaben durch die gemeinsame Konferenz der Innen- und der Justizminister des Bundes und der Länder am vergangenen Freitag.

Beide Termine lagen nach dem regulären Einreichungstermin gemäß § 52 Abs. 4 der Geschäftsordnung: 14. November, 12 Uhr. Damit war eine frühere Antragstellung für die NPD-Fraktion nicht möglich.

Warum nun die besondere Dringlichkeit? Meine Damen und Herren! In der aktuellen Diskussion spielen die sogenannten V-Leute eine extrem wichtige Rolle. Wie Sie wissen, war der Einsatz der V-Leute Anlass für das Bundesverfassungsgericht, im Jahr 2003 das Verbotsverfahren gegen die NPD einzustellen. Ich möchte daran erinnern, dass es damals zu einem nicht unerheblichen Teil Äußerungen von V-Leuten waren, die in den Verbotsanträgen eine Rolle spielten. Insbesondere der Name Wolfgang Frenz mit seinen absonderlichen Veröffentli

chungen muss hier erwähnt werden. Er war über Jahrzehnte V-Mann des Verfassungsschutzes, sogar schon in der Vorgängerpartei der NPD, der Deutschen Reichspartei.

Nun soll erneut ein Verbotsverfahren gestartet werden. Wir Nationaldemokraten sind uns sicher, dass auch hier wieder V-Leute als Belastungszeugen eine Rolle spielen werden, Zeugen, die ihre Aufträge zur Provokation von den sogenannten Verfassungsschützern erhielten.

Herr Storr, bitte begründen Sie die Dringlichkeit. Nicht auf die Inhalte eingehen!

Gut, ja. – Gegenwärtig wird zwar über den Abzug der V-Leute debattiert, aber gleichzeitig mit Hochdruck an der Anwerbung neuer V-Leute in der NPD und ihrem Umfeld gearbeitet. Aktuell liegen der NPD entsprechende Hinweise unter anderem aus Hamburg und aus Sachsen vor. In Dresden wurde letzte Woche ein gewisser Herr Wiesner als Agentenanwerber enttarnt.

Vor diesem Hintergrund halten wir die Eilbedürftigkeit unseres Antrags für gegeben.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Wir kommen jetzt zur Erwiderung. Herr Kollege Tischendorf, Sie sprechen gegen die Dringlichkeit?

Danke, Herr Präsident. Ich möchte gegen die Dringlichkeit sprechen, obwohl der Vorredner gar nicht zur Dringlichkeit gesprochen hat. – Wir als Linksfraktion können verstehen, dass Sie Klarheit in den eigenen Reihen erreichen wollen. Aber ich denke, eine Dringlichkeit ist in diesem Fall nicht gegeben. Die Sache war schon weit vorher bekannt. Insofern werden wir diesen Antrag ablehnen.

Gibt es weiteren Redebedarf? – Den kann ich nicht erkennen.

Wir kommen zur Abstimmung. Es geht um die Frage, ob Sie die Dringlichkeit bejahen. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Dringlichkeit dieses Antrags abgelehnt.

Weitere Dringliche Anträge – –

(Zurufe von der NPD: Doch!)

Doch. Aha.

Meine Damen und Herren! Es ist ein weiterer als dringlich bezeichneter Antrag eingegangen. Er liegt Ihnen unter der Drucksachennummer 5/7547 vor und trägt den Titel: „Mögliche Aktenvernichtung beim ‚Landesamt für Verfassungsschutz‘ sofort stoppen – Spitze des Geheim

dienstes sofort vom Dienst suspendieren – mögliche Beweismittelvernichtung verhindern“.

Dieser Antrag ist am 24. November 2011 eingereicht worden. Um von der gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung vorgesehenen Einreichungsfrist von drei Arbeitstagen vor der Plenarsitzung abzuweichen, beantragt die Fraktion der NPD in der Drucksache 5/7546 gemäß § 114 Abs. 1 eine Fristverkürzung als einzelne Abweichung von der Geschäftsordnung.

Ich bitte zuerst um die Begründung des Antrags auf Fristverkürzung. Bitte keine inhaltliche Diskussion hierzu führen!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie im Namen der NPD-Fraktion, unserem Antrag auf Fristverkürzung nach § 114 der Geschäftsordnung zum Dringlichen Antrag „Mögliche Aktenvernichtung beim ‚Landesamt für Verfassungsschutz‘ sofort stoppen – Spitze des Geheimdienstes sofort vom Dienst suspendieren – mögliche Beweismittelvernichtung verhindern“ zuzustimmen. Ich möchte kurz begründen, warum dieser Dringliche Antrag unbedingt noch heute hier behandelt werden muss.

Erst gestern wurde in der „Sächsischen Zeitung“ in dem Artikel „Wollen die Behörden die Nazi-Morde gar nicht aufklären?“ von Sven Siebert der ungeheuerliche Verdacht geäußert, dass momentan in den Verfassungsschutzbehörden eine Aktenvernichtung in großem Stil laufe, um von den geheimdienstlichen Hintergründen des Terrortrios abzulenken. Ich zitiere: „Es wird der Verdacht geäußert, einige leitende Beamte des Ministeriums hätten wegen ihrer eigenen früheren Tätigkeit für Verfassungsschutzämter kein Interesse an umfassender Offenlegung aller Pannen und Versäumnisse. […] Das Misstrauen richtet sich aber in erster Linie gegen die Landesämter für Verfassungsschutz – vor allem in Sachsen und Thüringen –, die im Fall der Zwickauer Zelle bestenfalls ahnungslos, schlimmstenfalls verschleiernd handelten. ‚Wir sind nicht sicher, ob dort nicht gerade die Reißwölfe heiß laufen‘, heißt es im Bundestag.“

Der Sächsische Landtag muss unbedingt verhindern, dass jetzt – wie im Januar 1990 in der Berliner Normannenstraße – große Aktenvernichtungsaktionen durch die Geheimdienste anlaufen, um den wahren Hintergrund des Zwickauer Terrortrios zu vertuschen. Erst gestern kam die Meldung, dass nun in Zwickau das Haus abgerissen wird, in dem die mutmaßlichen Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zuletzt gewohnt hatten.

Wie Stadtsprecher Mathias Merz mitteilte, hat eine Spezialfirma damit begonnen, den Dachstuhl der vor zweieinhalb Wochen explodierten Doppelhaushälfte im Zwickauer Stadtteil Weißenborn abzutragen.

(Widerspruch der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Nachdem mehrere wichtige Beweismittel in dem Haus aufgefunden wurden, so unter anderem die Bekennervi

deos und der USB-Stick mit der angeblichen Zielterrorliste, die wie durch ein Wunder das Abbrennen des Hauses überstanden haben, bei dem sogar Schusswaffen aus Metall zu Klump schmolzen, mutet der schnelle Abriss des Hauses nun mehr als dubios an, und das Vorhaben erweckt den Eindruck, dass die Behörden ihre Verschleierungstaktik fortsetzen wollen.

Ein an den Löscharbeiten beteiligter Feuerwehrmann hatte schon auf zahlreiche Ungereimtheiten bei der Beweissicherung aufmerksam gemacht und gegenüber der „Bild am Sonntag“ folgende Aussage gemacht:

(Unruhe im Saal)

„Nach dem, was ich während des Einsatzes gesehen habe, muss ich mich sehr wundern, – –“

Herr Schimmer, Ihre Redezeit geht jetzt zu Ende.

– „was zwei Tage danach noch alles in der Brandruine gefunden wurde.“ Beide Entwicklungen, meine Damen und Herren, sind uns erst gestern zu Ohren gekommen, und wir müssen jetzt schnell handeln, damit nicht mögliche Beweismittel in diesem spektakulären Terrorfall von den Geheimdiensten verschleiert werden.

Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.

Besten Dank.

(Beifall bei der NPD)

Das war die Begründung. Wir kommen jetzt zur Gegenrede. Bitte, Herr Kollege Piwarz an Mikrofon 5.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Dame und meine Herren von der NPD, das Heulen und Zähneklappern bei Ihnen ist mittlerweile ohrenbetäubend. Sie versuchen weiterhin, was Sie gestern schon begonnen haben, nämlich wüste Verschwörungstheorien zu äußern, und haben plötzlich eine Aktivität, was Anträge betrifft, die wir so von Ihnen bislang nicht kennen. Sie haben in keiner Weise etwas dazu gesagt, warum wir hier von der Geschäftsordnung abweichen können bzw. warum Ihr Antrag nicht im normalen parlamentarischen Geschäftsgang beraten werden kann. Deswegen werden wir Ihren Antrag auf Fristverkürzung ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sehe jetzt keinen weiteren Redebedarf. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist jetzt eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

(Jürgen Gansel, NPD: Das kann knapp werden!)

Wer der Drucksache 5/7546 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der

Antrag der Fraktion der NPD in der Drucksache 5/7546 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 9, Kleine Anfragen, ist zu streichen. Ihnen liegt aber in Drucksache 5/7543 der Einspruch des Abg. Holger Apfel, NPD-Fraktion, gegen einen in der 44. Sitzung erteilten Ordnungsruf vor. Nach § 98 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung entscheidet der Landtag über diesen Einspruch in der folgenden Sitzung, also heute, ohne Beratung. Ich

schlage Ihnen vor, dafür den Tagesordnungspunkt 9 vorzusehen.