Protocol of the Session on November 23, 2011

Meine Damen und Herren, zum Abschluss kann ich Ihnen versichern: Ob Sie mit einem Antrag nach Karlsruhe gehen oder nicht, Herr Flath, glauben Sie ja nicht, dass es durch ein eventuelles NPD-Verbot auch nur eine einzige Demonstration in Deutschland weniger geben wird! Seien Sie sich sicher: Ob Sie nun nach Karlsruhe gehen oder nicht, die NPD wird weiterhin die Stimme aller Deutschen sein, die noch Deutsche sein wollen.

(Unruhe)

Denn eines ist klar: Eine politische Idee, deren Zeit gekommen ist, lässt sich nicht verbieten. Deutschland, meine Damen und Herren, kann man nicht verbieten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die NPD-Fraktion sprach der Abg. Apfel.

Wir können jetzt in eine zweite Rednerrunde eintreten. Gibt es noch Redebedarf bei der LINKEN? – Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Köditz. Bitte.

Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Wir reden über den schrecklichen Terror, den der NSU, ein braunes Netzwerk mit noch unbekannter Größe, über Deutschland gebracht hat. Die Mitglieder lebten in Sachsen und verbreiteten in anderen Bundesländern Angst und Schrecken. Aber Angst und Schrecken durch Gewalt, die durch extrem rechtes Gedankengut motiviert ist, gibt es seit Jahren auch in Sachsen.

Erinnern wir uns: In den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, als in Thüringen der braune „Heimatschutz“ tobte, sprach man in Wurzen von einer „National befreiten Zone“. Überfälle, Bombendrohungen, schwere Körperverletzung, Brandanschläge waren auf der Tagesordnung, und auch Schusswaffen waren damals schon mit im Spiel. Zur Jahrtausendwende die „Skinheads Sächsische Schweiz“. Wir erinnern uns an die Funde beim Verbot: Waffen, Sprengstoff, eine Bombe.

Vor nur sechs, sieben Jahren verging kaum eine Woche ohne Übergriffe, Körperverletzungen usw. Die Liste ist leider unerträglich lang in der Region um Mittweida bis

zum Verbot von „Sturm 34“. Waffen, Terror durch Nazis – das ist leider nichts Neues in Sachsen.

Können Sie sich mein Entsetzen vorstellen, als ich die Antwort der Staatsregierung auf eine meiner Kleinen Anfragen las? 38 beim Landesamt für Verfassungsschutz erfasste „Rechtsextremisten“ verfügen ganz legal über 160 Waffen. Laut Waffengesetz, wie ich es lese – und es gilt auch in Sachsen –, ist dies eigentlich eine Unmöglichkeit.

Ich bleibe bei meinem Vorwurf, dass die Zuständigen in Sachsen nicht bereit oder nicht fähig sind, die Situation bezüglich der extremen Rechten bis hin zum Rechtsterrorismus in Sachsen auch nur annähernd realistisch zu analysieren. Natürlich hat dabei der Verfassungsschutz versagt. Aber wenn sich der Innenminister blind auf ihn verlässt und glaubt, die Lageanalyse durch den Verfassungsschutz reiche aus, dann wird uns weiterhin ein Gemisch aus Märchen, Mythen und Halbwahrheiten präsentiert werden.

Ich bitte Sie ganz einfach, Herr Ulbig: Sehen Sie endlich die Komplexität, die Vernetzung, die Zusammenhänge in diesem Bereich und packen Sie nicht länger alles Mögliche in Ihre komischen Schubladen. Da passt die real existierende extreme Rechte hier in Sachsen schon lange nicht mehr rein. Wo wollen Sie denn den NSU einsortieren? Ist das jetzt eine subkulturelle Kameradschaft, oder was?

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Eine ordentliche Analyse ist dringend notwendig; denn um Gegenstrategien zu entwickeln, brauche ich eine nachhaltige Analyse. Verabschieden Sie sich endlich von dieser Traumtänzerei, das „Freie Netz“ in Sachsen sei eine Internetplattform. Eins und eins ist nicht drei! Für die Opfer der Gewalttaten des „Freien Netzes“ ist dieses schon längst zum Albtraum geworden.

Ein Mitglied des „Freien Netzes“ zerschmetterte vor einigen Monaten an einer Tankstelle einem Fünfzehnjährigen den Schädel! Das Leben hat dieser junge Mann nur den Ärzten zu verdanken. Zwei weitere Aktivisten des „Freien Netzes“ wurden unlängst wegen schwerer Körperverletzung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Ich könnte diese Liste beliebig fortsetzen. Das ist keine Internetplattform. Menschenverachtung gehört schon seit Jahren zum Gedankengut des „Freien Netzes“.

Noch ein Beispiel gefällig?

(Andreas Storr, NPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke. – Der stellvertretene Landesvorsitzende der NPD und Angestellte der NPD-Landtagsfraktion schreibt in einem internen Forum des „Freien Netzes“ in Bezug auf Überlegungen, eine Polizeiwache anzugreifen und abzufackeln – ich

zitiere jetzt die Rückfrage dieses NPD-Funktionärs –: „Ohne einen abzustechen ist ja langweilig.“

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wundert das jemanden? Mich nicht! Zu den Angestellten der NPD-Landtagsfraktion gehörte ja auch schon einmal ein verurteilter Bombenleger.

Gerade jetzt, Herr Innenminister, sollten Sie die Struktur „Freies Netz“ endlich auf den Bildschirm nehmen. Jetzt meine ich „Bildschirm“ auch wörtlich. Das Trio, über das wir hier reden, kommt aus dem Thüringer Heimatschutz. Geben Sie bitte heute die Internetadresse des Thüringer Heimatschutzes ein und Sie werden automatisch zum „Freien Netz Thüringen“ geleitet. Dort findet sich auch das „Freie Netz Jena“. Dessen Chef ist der gleiche Neonazi, der damals im Thüringer Heimatschutz die Kameradschaft Jena führte, in die die drei auch involviert waren. Übrigens war auch dieser Funktionär später ein stellvertretender Landesvorsitzender der NPD.

Das „Freie Netz“ rühmt sich, die Formierung des Landesverbandes der Jungen Nationaldemokraten zur – Zitat – „nationalsozialistischen Ersatzorganisation“ voranzutreiben.

Am Samstag dieser Woche ist die JN Leipzig Mitveranstalter einer Vortragsveranstaltung mit Karl-Heinz Hoffmann, dem ehemaligen Chef der verbotenen gleichnamigen Wehrsportgruppe. Ich persönlich bezweifle, dass er dort über die architektonischen Schönheiten des Rittergutes Kohren-Sahlis sprechen wird, für das er bekanntermaßen sächsische Fördermittel erhalten hat.

(Zuruf des Abg. Holger Apfel, NPD)

Herr Tillich, Herr Ulbig, werte Abgeordnete der demokratischen Parteien, aktuell wird viel über die Notwendigkeit von Zivilcourage gesprochen. Diese ist tatsächlich unverzichtbar. Zeigen Sie sie bitte auch selbst. Es wird Zeit. Demonstrieren Sie am Samstag in Leipzig mit gegen Karl-Heinz Hoffmann, gegen die NPD, gegen menschenverachtendes Gedankengut. Denn wer die Lippen spitzt, der muss auch pfeifen!

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE war das die Abg. Köditz. – Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege

Prof. Dr. Schneider.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte nicht gedacht, einmal hier im Landtag einen solchen Tag erleben zu müssen. Ich hätte in der Vergangenheit auch nicht gedacht, mit diesen Themen besetzte Tage erleben zu müssen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, sagt das Grundgesetz. Gehe mit den anderen so um, wie mit dir selbst umgegangen werden soll!

Ich erinnere mich an einen Moment, in dem Ihr früherer Parlamentarischer Geschäftsführer Leichsenring hier im Saal gesagt hat: „Wenn man Sie so sieht“ – er hat uns hier gemeint –, „dann wünschte man sich, die Züge wieder fahren zu sehen.“

„Cui bono – wem nutzt es?“ haben wir heute zweimal gehört, nach dem Motto: „Wem nutzt der Tod eines Menschen?“ Zwei Mitglieder der NPD-Fraktion haben diese Frage gestellt. Das ist das, was Sie unter der Würde des Menschen verstehen. Das ist das, was Sie anderen zuteilwerden lassen.

Wenn ich dies höre und das Bild von der Terrorzelle, deren Mitglieder aus Thüringen stammen und in Zwickau wohnten, vor Augen habe, dann komme ich nicht umhin, Sie, die NPD-Fraktion, als geistige Urheber und Brandstifter zu bezeichnen. Meine Damen und Herren, das sind Sie.

(Andreas Storr, NPD: Begründen Sie das doch mal!)

Das sind Sie. Das zeigen die Worte, die Sie heute wieder verwandt haben.

(Andreas Storr, NPD: Es ist eine Unverschämtheit, dass Sie uns mit diesen Taten überhaupt in Verbindung bringen! Das ist Rufmord!)

Meine Damen und Herren! Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt. An dieser Stelle hat der Staat – haben wir – ganz offensichtlich versagt. Das muss man heute feststellen. Dafür schäme ich mich zutiefst. Das ist eine Schande.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Unser Mitgefühl gilt den Opfern und den Hinterbliebenen. Wir sind es ihnen schuldig – insoweit stimme ich mit fast allen Vorrednern überein –, an der Aufklärung zu arbeiten und Lehren zu ziehen. Damit zeigen wir wenigstens ein Stück weit unsere Teilnahme.

Frau Hermenau, die Diskussion, die wir heute führen und die heute erst beginnt, mündet in die Frage: Wie müssen wir uns positionieren? Was haben wir zu tun? Wir müssen die Augen aufhalten und – natürlich! – Zivilcourage zeigen. Ich bitte herzlich darum, keine Schuldzuweisungen vorzunehmen. Ziehen wir die Lehren! Das müssen wir tun. Aber wir müssen die richtigen Schlüsse ziehen – gemeinsam.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Sie regieren! Entschuldigung, aber das ist so!)

Es reicht nicht, wenn Sie sagen – Sie haben es soeben auch dazwischengerufen –: „Sie regieren!“ Es ist nicht nur eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sondern auch eine Aufgabe, der wir uns parlamentarisch stellen müssen. Dafür gibt es entsprechende Institutionen; ich komme darauf gleich zurück.

Bei allem, was wir tun, bitte ich darum: Hüten wir uns davor, uns in Spekulationen zu ergehen! Mythologie hilft hier nicht. Hüten wir uns davor, Vermutungen zu äußern, die nicht gestützt sind! Frau Hermenau, Sie haben in Ihrer Pressemitteilung und auch heute wieder von „Killerkommandos“ gesprochen. Nennen Sie Ross und Reiter! Ich sehe das so nicht. Wir brauchen Tatsachen. Ich wiederhole meine Bitte, die ich ein Stück weit auch als Forderung an uns alle verstanden wissen möchte: Keine Spekulationen! Arbeiten wir an Tatsachen!

Ich bin dem Innenminister außerordentlich dankbar, dass er uns heute berichtet hat.

Ich bin auch dem Landesamt für Verfassungsschutz zunächst einmal dankbar. Insoweit – insoweit! – zolle ich ihm Respekt.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Also!)

Es hat eine erste Berichterstattung gegeben. Wir haben sie im Rahmen unserer Möglichkeiten aufgearbeitet.