Protocol of the Session on October 13, 2011

(Beifall bei der FDP der CDU und den LINKEN)

Wir reden über das Thema Generationengerechtigkeit. Wir haben das Glück, in den Vereinigten Staaten von Europa zu leben.

(Zuruf von der NPD: Aber nur in Ihrer Fantasie!)

Die jungen Menschen haben nahezu unbegrenzte Möglichkeiten. Ich kann mein Studium in einem grenzenlosen Europa dort aufnehmen, wo es mir gefällt. Ich kann einen Beruf dort erlernen, wo ich es möchte. Das ist ein großes Verdienst der europäischen Einigung.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Andreas Storr, NPD: Gilt für die Vereinigten Staaten von Europa auch das Grundgesetz?)

Ich möchte zu dem Thema „Krise der Gemeinschaftswährung“ kommen. Herr Schimmer, da haben Sie wieder durch Nichtwissen geglänzt. Ich empfehle Ihnen das Studium eines einschlägigen Volkswirtschaftslehrbuches.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei der NPD)

Die Krise der Gemeinschaftswährung ist im eigentlichen Sinne keine Währungskrise, sondern eine Haushalts- und Staatsschuldenkrise. Ursache ist nicht die gemeinsame Währung; Ursache sind Fehler, die in einzelnen Volkswirtschaften der Europäischen Gemeinschaft begangen wurden. Ich nenne nur die mehrfachen Verstöße gegen die Maastricht-Kriterien sowohl vor als auch nach Einführung des Euro.

Meine Damen und Herren! Wir verzeichnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine sehr gefährliche Tendenz. Wir steuern auf eine Haftungsgemeinschaft und eine Transfergemeinschaft zu.

(Arne Schimmer, NPD: Jetzt wiederholen Sie unsere Argumente!)

Wir müssen uns die Frage stellen: Wollen wir das?

Ich denke, dass zum Abschluss meiner Rede einige Empfehlungen zu Krisenbewältigung und -vorsorge angesprochen werden müssen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Prof. Schmalfuß?

Ja, selbstverständlich.

Bitte, Herr Gansel.

Ich danke für die Gelegenheit, Herr Prof. Schmalfuß. – Sie haben uns vorgeworfen, dass wir wegen unserer Kritik am Euro-Rettungspaket und den wahnsinnigen Griechenland-Hilfen den Frieden in Europa gefährden würden. Halten Sie auch Ihren Parteifreund Schäffler, der lobenswerterweise eine FDP-Mitgliederbefragung gegen die Zweckentfremdung deutschen Steuergeldes angeleiert hat, für einen Gefährder des europäischen Friedens?

Herzlichen Dank, Herr Gansel, für Ihre Zwischenfrage; sie kommt zum richtigen Zeitpunkt. Ich möchte sie gern vollumfänglich beantworten. Sie können es im Protokoll nachlesen: Ich freue mich, dass wir durch die Vereinigung Europas – ich hoffe, dass wir irgendwann zu den Vereinigten Staaten von Europa kommen – eine Friedensdividende erzielen und dass nicht, wie im vorigen Jahrhundert, in nationaler Verblendung Deutsche, Franzosen, Engländer und Italiener gegeneinander Krieg führen. Diese Friedensdividende ist für mich unbezahlbar.

(Beifall bei der FDP, der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte jetzt gern den zweiten Teil Ihrer Frage beantworten. Sie haben den von meinem FDP-Kollegen Schäffler, Mitglied des Deutschen Bundestages, herbeigeführten Mitgliederentscheid angesprochen. Ich bin stolz, Mitglied einer Partei zu sein, die den Mut hat, in so einer schwierigen Frage – das ist für Deutschland insgesamt und damit auch für die Bundestagsabgeordneten eine schwierige Frage – einen Mitgliederentscheid herbeizuführen.

Ich möchte dazu etwas ergänzen. Herr Kollege Schäffler hat in seinem Vorschlag für den beantragten Mitgliederentscheid die Antwortmöglichkeiten auf die Frage, was wir tun sollten, das heißt, welche Mittel zur Krisenbewältigung und -vorsorge wir anwenden sollten, vielleicht nicht vollumfänglich dargestellt. Deswegen möchte ich jetzt im Rahmen der Beantwortung der Zwischenfrage die Gelegenheit nutzen, Ihnen darzustellen, welche Mittel uns zu Krisenbewältigung und -vorsorge zur Verfügung stehen.

Wir haben uns in Europa klare Spielregeln – auch Konvergenzkriterien genannt – gegeben. Diese müssen wir konsequent anwenden. Die Möglichkeiten im Rahmen des Sanktionsmechanismus, der uns zur Verfügung steht, sind tatsächlich zu nutzen. Wer fiskalisch schlecht arbeitet, der muss fiskalisch bestraft werden. Die Möglichkeiten sind, wie gesagt, vorhanden; wir müssen sie auch anwenden.

An dieser Stelle möchte ich unseren Ministerpräsidenten zitieren.

Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?

Erlaube ich gern.

Vielen Dank, Kollege Schmalfuß. – Wäre es dann nicht konsequent gewesen, wenn man Griechenland aus dem Währungsverbund ausgeschlossen hätte? Denn es ist nachgewiesenermaßen so, dass sich Griechenland durch Betrug in diese Währungsunion eingeschlichen hat.

Herr Dr. Müller, ich möchte gern Ihre Zwischenfrage beantworten. Sie haben sie mir gerade zu dem Zeitpunkt gestellt, als ich unseren Ministerpräsidenten zitieren wollte. Er sagte in seiner Rede vor dem Bundesrat am 30. September 2011 – damit beantwortet er auch genau Ihre Frage –: „Deutschland sollte … mit gutem Beispiel vorangehen. Alle Bundesländer sollten eine Regelung für einen ausgeglichenen Haushalt bis Ende 2012 in ihre Verfassungen aufnehmen und die Schuldenbremse schon vor 2020 wirken lassen. Eine Vergemeinschaftung von Schulden lehnt die Sächsische Staatsregierung ab. Aus diesem Grund wollen wir auch keine Eurobonds. Sie sind nichts anderes als die Institutionalisierung einer grenzenlosen Schuldenmithaftung … [aber] keine echte Lösung des Schuldenproblems.“

Damit hat der Ministerpräsident ganz klar die Richtung vorgegeben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Jürgen Gansel, NPD: Das ist aber keine Antwort auf die Frage gewesen!)

Lassen Sie mich zum Schluss meiner Rede kommen. Wir haben festgestellt, dass wir keine Krise der Gemeinschaftswährung, sondern eine Haushalts- und Staatsschuldenkrise in einigen europäischen Ländern haben. Um die Währungsstabilität des Euro wiederzuerlangen, sind für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft drei Dinge unabdingbar umzusetzen: erstens die Aufstellung eines ausgeglichenen Haushalts, zweitens ein Neuverschuldungsverbot, drittens Haushaltsstabilität.

Meine Damen und Herren! Insoweit kann der Freistaat Sachsen im europäischen Haus Vorbild sein, da wir diese Kriterien in unserem Haushalt schon seit Längerem erfüllen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Für die FDP-Fraktion sprach Herr Prof. Schmalfuß. – Gibt es in der ersten Runde weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Den kann ich nicht erkennen.

Gibt es in der zweiten Runde Redebedarf aus den Fraktionen? – Für die einbringende Fraktion ergreift der Abg. Schimmer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in dieser Diskussion ist einmal mehr zu spüren, wie wenig Sie überhaupt den Ernst der Lage begriffen haben, in der wir uns befinden. So ist die Haftung, die Deutschland übernommen hat, schon weit höher als die von Bundesfinanzminister Schäuble angegebene Haftungsobergrenze von 211 Milliarden Euro. Sie übersteigt wirklich die schlimmsten Ahnungen der Öffentlichkeit.

So berichtete vor Kurzem die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf eine Studie der Deutschen Bank, dass Deutschland schon im Rahmen des EFSF eine Haftung für bis zu 400 Milliarden Euro übernommen hat, weil bei der von Schäuble angegebenen Haftungsobergrenze von 211 Milliarden Euro noch nicht die Zinskosten für die Kredite mitgerechnet sind, die der EFSF aufnehmen muss, um handlungsfähig zu bleiben. Dazu kommen noch einmal fast 400 Milliarden Euro, die von der Deutschen Bundesbank über das EZB-Zahlungsverkehrssystem Target 2 an die Zentralbanken der PIIGS-Staaten verliehen wurden, die kurz vor dem Staatsbankrott stehen und für die im Zweifelsfall auch der deutsche Steuerzahler aufkommen muss, da sich das Grundkapital der Deutschen Bundesbank im alleinigen Besitz des Bundes befindet.

Prof. Hans-Werner Sinn vom IFO Institut München hat auch schon deutlich gemacht, dass er der Auffassung ist, dass wegen dieser Frage schon längst das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hätte angerufen werden müssen. Dazu kommen dann noch einmal Schrottanleihen

(Beifall bei der NPD)

der PIIGS-Staaten in Höhe von 160,5 Milliarden Euro, die die Europäische Zentralbank satzungswidrig angekauft hat und die auch ausfallen werden, so meine Prognose. Wenn man alle Haftungsrisiken zusammenrechnet, dann übersteigen sie fast die Billionengrenze. Es handelt sich hier, um mit den Worten des Wirtschaftswissenschaftlers zu sprechen, um ein lupenreines Ponzi-System, bei dem Schulden mit höheren, immer neuen Schulden getilgt werden.

Auch die Psychodynamik, die die Mitglieder der Bundesregierung an den Tag legen, entspricht derjenigen eines Schneeballsystems. Es ist die Einsicht der Beteiligten, dass es nach allen Maßstäben der Logik so nicht weitergehen kann. Das wird konterkariert durch das Schüren euphorisierender euronationaler Hoffnungen einerseits und durch eine auch heute wieder gehörte perfide Angstmacherei andererseits vor angeblichen künftigen Kriegen in Europa, die dann entstehen, wenn angeblich der Euro zerbricht. Gleichzeitig hüten sich Merkel, Schäuble, Steinbrück und Konsorten mit Bedacht, buchhalterisch unanfechtbare und richtige Zahlen zur Haftungsobergrenze sowie zur Verschuldungsdynamik und ihrer nicht mehr möglichen Tilgung vorzulegen. Sie schwadronieren wie Sektenprediger von Überzeugungen, Gemeinsamkeiten und Verantwortung und verschweigen dabei, dass keine Bundesregierung so unverantwortlich gehandelt hat wie diejenige mit Finanzminister Schäuble.

(Beifall bei der NPD)

Aber es geht noch weiter. Einzelne Abgeordnete, die ihr Gewissen mit ihrem Mandat nicht abgeben wollen, werden wochenlang gemobbt. Jetzt kommt der Höhepunkt: Ein deutscher Kanzleramtsminister, dessen Namen ich hier nicht nennen will, verhöhnt das grundgesetzlich geschützte Gut der freien Mandatsausübung als „Scheiße“, von der er nichts mehr hören kann.

(Andreas Storr, NPD: Das ist die Gossensprache der Regierung!)

Das ist die Gossensprache der Deutschen Bundesregierung; danke, lieber Kollege Storr.

Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass das nicht gutgehen kann. Die NPD wird all denen eine Stimme verleihen, die sich nicht wehren können, nämlich den jungen und zukünftigen Generationen, die mit so einer Politik ins sichere Elend gestürzt werden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Das war die einbringende Fraktion der NPD in dieser zweiten Runde mit dem Abg. Schimmer.

Kollege Schmalfuß, Sie haben schon zwei Kurzinterventionen als FDP. Das geht nicht mehr. Eine dritte ist nicht möglich.

Gibt es jetzt weiteren Redebedarf aus den Fraktionen in dieser zweiten Runde? – Den sehe ich jetzt nicht. Wir könnten eine dritte Rederunde eröffnen.

Die einbringende Fraktion der NPD ergreift erneut das Wort. Das Wort hat der Abg. Schimmer. Sie haben noch anderthalb Minuten Redezeit.