Protocol of the Session on October 13, 2011

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In dem Antrag steht sehr viel drin. Wir haben sehr viel Text. Aber die inhaltliche Bewertung richtet sich eben nicht nach der Menge des Textes. Würden wir diesem Antrag stattgeben, geben wir das Signal an unsere Landwirtschaft, die Produktionsmethoden aus dem 19. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts wieder bei uns hier einzuführen. Unter dem Motto „Fortschritt ade“ würden sich auch die Verbraucher verwundert die Augen reiben, wie sich das landwirtschaftliche Angebot im Einzelhandel darstellen würde, nämlich sehr übersichtlich. Der Mangel an Spezialisierung landwirtschaftlicher Betriebe würde zu voraussichtlich extremen Preiserhöhungen für den Endverbraucher führen. Wäre diese Entwicklung im Sinne der Mehrheit der Verbraucher? – Nein.

Für viele Betriebe ist ein geschlossenes Kreislaufsystem gerade unter dem Gesichtspunkt der eigenen Futtermittelherstellung schon technisch nicht möglich. Die gesetzlichen Bestimmungen für die Lagerung von Futtermitteln, die unter den strengen Vorgaben des Verbraucherschutzes und damit den Hygienevorschriften hohen Anforderungen unterliegen, haben gerade unter den Füttermittelherstellern zu Spezialisierungen geführt. Andererseits sehen Agrarbetriebe im Futterbau bzw. im großflächigen Anbau von Getreide und vielem mehr ihre wirtschaftliche Daseinsberechtigung. Selbstverständlich entstehen dabei Produktionskreisläufe, nur dass diese nicht mehr lokal bedeutsam sind. Sie bringen regionale, überregionale und internationale Wirtschaftsstrukturen hervor.

Meine Damen und Herren der Fraktion der GRÜNEN! Ich wiederhole mich ungern, aber ich muss es tun, und zwar im Interesse unserer landwirtschaftlichen Betriebe: Landwirtschaft ist Wirtschaft, und dabei bleibt es!

(Beifall bei der FDP)

Alles andere ist Augenwischerei und Verklärungspolitik, die mit der objektiven Realität nichts zu tun hat. Unternehmerische Entscheidungen unter Einhaltung der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen sind gesellschaftlich zu respektieren. Im Zuge von strategischen Produktions- und Investitionsplanungen verlassen sich die Unternehmen unter anderem auch auf eine sichere Rechtslage. Dieser Standortvorteil muss als wichtiger Wettbewerbsvorteil erhalten bleiben.

Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion der GRÜNEN! Ihre Bundestagsfraktion hatte schon das Vergnügen, sich mit den ablehnenden Argumenten innerhalb des parlamentarischen Verfahrens im Februar dieses Jahres auseinanderzusetzen. Genau wie auf Bundesebene vergeblich beantragt, wird nun auch mit dem gegenständlichen Antrag versucht, Tierschutz über ein angeblich mit Mängeln behaftetes Baurecht zu steuern. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Baurecht und Immissionsrecht lassen eine öffentliche Beteiligung ohne Weiteres zu. Diese kann aber nicht darin bestehen, jede landwirtschaftliche Investition im ländlichen Raum grundsätzlich infrage zu stellen. Ein ländlicher Raum ohne Landwirtschaft, ohne die daraus resultierenden Arbeitsplätze – dieses Szenario werden wir nicht zulassen.

Aber darauf läuft es hinaus, wenn wir hier alle im Sächsischen Landtag allen parlamentarischen Initiativen der Fraktion GRÜNE zum Thema Landwirtschaft zustimmen würden.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, erinnern Sie sich noch an den Oktober 2001. Da wurde die Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung, also die Tierschutz-Nutztierhalteverordnung, im Bundesrat verabschiedet. Wer hatte damals, 2001, die Mehrheit? Rot-Grün. Meine Damen und Herren, Frau Künast ist die Urheberin der derzeit geltenden Rechtslage im Sinne der Tierschutz-Nutztierhalteverordnung. Verabschiedet unter der rot-grünen Koalition, bestimmt diese Verordnung im Detail die Anforderungen an die Nutztierhaltung, und zwar unter den tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten der GRÜNEN.

Ich stimme Ihnen so weit zu, dass tierschutzrechtliche Belange in unserem Fokus bleiben müssen. Das gilt auch für die kontinuierliche Überprüfung dieser tierschutzrechtlichen Belange. Das gilt aber nicht nur für die Nutztierhaltung, sondern für alle tierschutzrechtlichen Belange in unserem Lande. Völlig richtig!

Was mich dabei verwundert hat, ist die Tatsache, dass bei der Verleihung der Sächsischen Tierschutzmedaille durch Frau Staatsministerin Clauß am 4. Oktober im Kandelhof im Vogtland die GRÜNEN komplett gefehlt haben. Die CDU war da, DIE LINKEN waren da, die FDP war da. Das ist schon sehr eigenartig. Wenn man sich sehr für den Tierschutz einsetzt, kann man auch einmal ins Vogtland fahren. Das Vogtland ist sowieso eine schöne Landschaft.

Sehr geehrte Damen und Herren, die weitere Entwicklung unserer Rahmenbedingungen wird, aus welchen Gründen

auch immer, nicht infrage gestellt. Wie gesagt, wir müssen weiter daran arbeiten. Da gibt es gar keine Frage. Auch in der Branche Landwirtschaft gibt es schwarze Schafe. Die gibt es in jeder Branche, und die wird es immer wieder geben. Sie werden versuchen, die bestehenden Gesetze zu unterlaufen. Das muss man kontrollieren. Aber dies darf nicht dazu führen, eine ganze Branche zu verteufeln und ihr Produktionsmethoden aufzuerlegen, die unwirtschaftlich, wettbewerbsverzerrend und damit existenzbedrohend für die Betriebe sind.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Es hat sich schon immer als sinnvoll erwiesen und gelohnt, nicht nur den Kontakt zu den Protestbewegungen zu suchen, sondern insbesondere zu den vom Ergebnis betroffenen Produzenten der Produkte.

Für die Zukunft noch ein ernst gemeinter Hinweis: Haben Sie keine Angst vor konventioneller Landwirtschaft, denn dort befindet sich das Rückgrat der Produktion von hochwertigen sächsischen Lebensmitteln. Aus diesen Gründen ist eine Zustimmung zu dem Antrag der Fraktion GRÜNE seitens der FDP-Fraktion nicht möglich.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Und nun die NPD-Fraktion. Es spricht Herr Abg. Delle. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat aus dem Parteiprogramm der NPD beginnen.

(Ah! bei den LINKEN und der SPD)

Ja, ja, Sie werden wahrscheinlich überrascht sein: „Tiere sind keine Wegwerfware, sondern Lebewesen mit Empfindungen. Deshalb sind Tierversuche nur bei äußerster Notwendigkeit für medizinische Zwecke in begrenzter Zahl zu gestatten. Die industrielle Massentierhaltung ist abzulehnen. Die kleinteilige bäuerliche Landwirtschaft ist dagegen zu fördern.“

(Beifall bei der NPD)

Mit diesem Ziel stimmen weite Teile des Antrags der GRÜNEN überein. Aus diesem Grunde könnten wir ihm eigentlich zustimmen. Dennoch gilt es einige der Inhalte kritisch zu hinterfragen. Insbesondere die Durchsetzbarkeit des Antrags wirft doch erhebliche Fragen auf.

So soll das Bauprivileg für Tierfabriken auf Bundesebene abgeschafft werden. Das ist völlig in Ordnung und hat unsere volle Unterstützung. Was ist jedoch mit den Tierfabriken jenseits der deutschen Grenzen? Wir haben das bereits im Fall der Hühnerhaltung erlebt. In Deutschland produzierte Käfigeier wurden einfach durch Importwaren ersetzt. Der Europäische Binnenmarkt lässt nämlich nationale Lösungen einfach nicht mehr zu. Tiere werden an den Orten – ich sage mal – produziert, wo dies

am billigsten möglich ist. Dann werden sie in das Land gefahren, in dem Schlachtung und Verarbeitung am wenigsten kosten.

Dabei geht es den Züchtern nicht nur um maximale Profite. Steigende Futter- und Energiekosten belasten die Betriebe, und wenn es um die Vermarktung der Betriebe geht, dann steht ihnen hierzulande ein Monopol von Großschlachtern gegenüber. Der Preisdruck treibt also die Landwirte zur Expansion, womit wir wieder beim Thema Tierfabrik angekommen sind.

Auf zwei Punkte möchte ich noch kurz eingehen. Zum Punkt einheitliches Tierschutzlabel: Ich halte es für richtig, so ein Label einzuführen, bevor zahlreiche Verbandssiegel für Verwirrung sorgen. Beispielsweise will der Deutsche Tierschutzbund bis Ende dieses Jahres mit einem derartigen Fleischgütesiegel auf den Markt kommen. Beim sogenannten Tierwohllabel arbeiten Wissenschaftler, Nutztierhalter, die Schlachtbranche und der Lebensmittelhandel mit Tierschützern zusammen. Wer für sein Produkt ein Gütesiegel haben will, muss bei der Tierhaltung Bedingungen erfüllen, deren Standards über den gesetzlichen Bestimmungen liegen. Diese auf freiwilliger Basis erfolgende Kennzeichnung ist in Ordnung, sollte jedoch in die geforderte einheitliche Regelung eingebettet werden.

Zum Verbandsklagerecht: Es soll Tierschutzverbänden die Möglichkeit einräumen, mit Hinweis auf den Tierschutz auch gegen genehmigte Ställe und auch gegen wissenschaftliche Tierversuche jederzeit gerichtlich vorzugehen. Ich habe aber, ehrlich gesagt, Zweifel daran, ob es sich hierbei um ein geeignetes Mittel handelt, den Tierschutz in Deutschland wesentlich zu verbessern. Ich halte die vorhandenen Beteiligungsmöglichkeiten der Tierschutzverbände für durchaus ausreichend. Genannt seien Anhörungen in Vorbereitung tierschutzrelevanter Gesetze und Verordnungen auf Bundesebene oder die Mitarbeit in den Tierschutzkommissionen des Bundes und der Länder.

Ich sehe weiterhin die Gefahr einer ausufernden Bürokratisierung. Aus diesem Grund können wir dem Punkt II.2 und den folgenden Punkten, auf die ich aus Zeitgründen leider nicht weiter eingehen kann, nicht zustimmen. Wir werden uns deshalb bei dem Antrag insgesamt enthalten.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Die erste Runde ist beendet. Gibt es weiteren Redebedarf? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Kupfer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss sich in der Tat fragen, wie die Landwirtschaft der Zukunft hier im Freistaat Sachsen aussehen soll, wenn es nach den GRÜNEN ginge. Ich jedenfalls möchte nicht wieder zurück zu einer Landwirt

schaft, wie sie unsere Großväter betrieben haben. Ich möchte nicht, dass wir in den Dörfern 15 bis 20 Ställe haben. Ich möchte nicht, dass wir in diesen Ställen Filter haben, die nicht funktionieren, weil der Staubeintrag durch den Stroheinstreu zu hoch ist. Ich möchte nicht, dass in den Dörfern wieder die Silos zur Getreidelagerung stehen, dass Mahl- und Mischanlagen in den Dörfern stehen müssen. Und ich möchte vor allen Dingen nicht, dass in den Dörfern wieder Gärfutterlager entstehen müssen, wie wir das aus früheren Zeiten kennen. Ich kann mich noch sehr wohl daran erinnern, wie das in der Umgebung dieser Gärfutteranlagen aussah, wie verbrannt das Gras war. Über die Auswirkungen für das Grundwasser will ich gar nicht reden.

Es ist richtig, meine Damen und Herren: Tierhaltung ist heute ein sehr emotionales Thema. Es scheint in Mode gekommen zu sein, ohne Sachverstand gegen größere Tierställe zu protestieren.

(Beifall des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Landwirtschaft wie im Bilderbuch funktioniert nicht, meine Damen und Herren. Mit Produktionsmethoden von gestern können Wurst und Schnitzel heute nicht qualitativ hochwertig, hygienisch einwandfrei und, wie vom Verbraucher gewünscht, preiswert hergestellt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie müssen sich in der Tat fragen lassen, Herr Nolle: Was haben Sie gegen größere, modernere und damit auch tierfreundlichere Ställe? Vergleichen Sie doch einmal das Gestern mit dem Heute! Unsere modernen, hellen, klimatisierten Ställe sind wesentlich tier- und umweltfreundlicher und gerechter als die kleinen und dunklen Ställe der Vergangenheit. Die großen Milchviehbetriebe in Sachsen haben Laufställe, haben eigene Tierärzte zur Gesundheitsüberwachung, haben eine den Tierbedürfnissen genauestens angepasste Fütterung und moderne Klimacomputer.

Manche Kritiker, meine Damen und Herren, sollten sich wirklich persönlich ein Bild davon machen, wie es im Inneren dieser Ställe aussieht.

(Zuruf der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Warum setzen Sie große Ställe immer mit Tierquälerei gleich? – Woher nehmen Sie das Recht, unseren 28 000 Beschäftigten in der sächsischen Tierhaltung solche Vorhaltungen zu machen?

(Karl Nolle, SPD: Wer hat denn den Mist aufgeschrieben?)

Um einmal zur Wirtschaftlichkeit und zu Ihrem Antrag zu kommen: Wussten Sie eigentlich, dass 30 000 Masthähnchenplätze nicht ausreichen, um ein Familieneinkommen von angenommen 50 000 Euro zu erwirtschaften? Dazu sind mindestens 74 000 Tierplätze einschließlich der zur Futterversorgung erforderlichen landwirtschaftlichen Nutzfläche von 41 Hektar erforderlich. Auch sind 1 500 Mastschweineplätze bei konventioneller Vermarktung

keineswegs ausreichend. In Dänemark und in Holland werden bereits im Durchschnitt der Betriebe 2 500 bzw. 1 500 Mastschweine gehalten. Darüber hinaus haben viele Länder teilweise niedrigere Anforderungen an den Tierschutz und an den Umweltschutz. Ich muss Sie auch fragen: Können Sie sich vorstellen, was es für die Landwirte heißt, in diesem Markt um das eigene Überleben zu kämpfen?

Zu den Fakten in Ihrem Antrag. Ihre Forderung nach bodengebundener Tierhaltung in Sachsen erübrigt sich. Das haben die Vorredner der Koalition schon gesagt. Der Viehbesatz in Sachsen beträgt 0,53 Großvieheinheiten pro Hektar, in Deutschland beträgt der Durchschnitt 0,8 Großvieheinheiten pro Hektar. Wir liegen unter dem Bundesdurchschnitt. In Nordrhein-Westfalen liegt der Wert bei 1,26 Großvieheinheiten pro Hektar. Es wäre also, um den Schnitt von einer Großvieheinheit pro Hektar zu erreichen, durchaus noch Luft nach oben, um auch den natürlichen Stoffkreislauf Boden – Tier – Boden aufrechtzuerhalten.

Sie haben die Dungverwertung angesprochen. Sie wissen genau, dass bei jedem Antrag vor der Genehmigung nachgewiesen werden muss, was mit dem Dung passiert. Wenn man keine eigenen Flächen hat, muss man langfristige Verträge nachweisen, sonst gibt es keine Genehmigung.

Gleiches gilt für die Forderung nach Eigenerzeugung von Futtermitteln. Die ausgefeilten Futtermischungen, die bei Schweinen und Geflügel erforderlich sind, können am besten in Mischfutterwerken hergestellt werden. Das sind auch notwendige Voraussetzungen für die Qualitätssicherung bei der Tierproduktion. Das können sich selbstverständlich auch wieder am besten größere landwirtschaftliche Betriebe leisten. Diese könnten das selber machen, für alle anderen braucht man eben diese Mischfutterwerke.

Zur investiven Förderung, meine Damen und Herren. Der Freistaat Sachsen unterstützt ausschließlich tiergerechte und umweltverträgliche Haltungsverfahren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)