Zugegeben – die Diskussion wird mitunter überaus engagiert geführt. Anderswo kostete die Debatte um die sogenannte industrielle Massentierhaltung schon mal den Kopf einer Agrarministerin. Aber gerade deshalb muss sich Landespolitik der schwierigen Aufgabe stellen, zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Berufsstandes und den Umwelt- und Verbraucherinteressen der Bevölkerung einen neuen Weg für eine nachhaltige Agrarwirtschaft in Sachsen zu suchen. Der sächsische Weg jedenfalls ist aus unserer Sicht doch ziemlich ausgelatscht, denn er setzt unbeirrt auf quantitatives Wachstum und meint vorrangig das Wachstum an Produktionskapazitäten und landwirtschaftlichen Erzeugnissen, eben Masse statt Klasse, ungeachtet eines bereits heute übersättigten deutschen und europäischen Marktes.
Optimistische Schätzungen gehen von etwa einem Drittel der erzeugten Lebensmittel aus, die weggeworfen werden, bevor sie überhaupt in den Handel kommen. Vom postulierten Wachstum an landwirtschaftlichem Einkommen und Wachstum an Arbeitsplätzen profitieren indes immer weniger im ländlichen Raum, denn die neuen Produktionsanlagen sind hoch mechanisiert.
Nun wird ja nach mehr Nutztieranlagen gerufen wegen der angeblich so niedrigen Viehbesatzdichte in Sachsen. Von dieser Stelle aus hatte ich bereits vor einiger Zeit im Zusammenhang mit dem Dioxinskandal vor den Wirkungen einer ministeriellen Werbekampagne für die Ausweitung der Tierproduktion in Sachsen gewarnt. Ich wiederhole mich deshalb heute bewusst. Der Verweis auf niedrige durchschnittliche Viehbesatzdichten ist ungeeignet für die Beurteilung der Entwicklung in der Tierproduktion, weil sie regionale Konzentrationsprozesse komplett ausblendet.
Aber gerade darauf ist zu achten, insbesondere im Hinblick auf Umwelt- und Gesundheitsbelastungen. Ich hatte damals exemplarisch den Aufwuchs der Tierplätze in der Schweinehaltung im Landkreis Görlitz angeführt. Jetzt habe ich mal nach Nordsachsen geschaut. Auch dort ein ähnliches Ergebnis: Gab es 1995 in den beiden nordsächsischen – –
Nein, 1995! Ich muss mich ja an die Statistik halten. Ich schaue beim Statistischen Landesamt Kamenz nach und muss die Zahlen nehmen, die ich dort vorfinde.
Gab es 1995 in den beiden nordsächsischen Landkreisen Delitzsch und Torgau-Oschatz noch 388 Betriebe der Schweineproduktion mit knapp 94 000 Tieren, so sind es 15 Jahre später im fusionierten Kreis Nordsachsen nur noch 84 Betriebe mit fast 141 000 Tieren. Damit verringerten sich die Betriebe auf 22 %, während sich die Tierbestände auf 150 % erhöhten. Im Landkreis Bautzen gab es bei Hühnern eine ähnliche Entwicklung. Dort erhöhten sich die Tierbestände auf 280 %.
Das, meine Damen und Herren, ist das klassische Bild eines Wachsens oder weichen Prozesses, der deutlich macht, dass gerade keine nachhaltigen Arbeitsplatzeffekte für den ländlichen Raum entstehen.
Was viele Menschen in der Diskussion um sogenannte Massentieranlagen neben Gesundheits- und Naturschutzaspekten noch bewegt, sind Fragen des Tierschutzes. Hier ist das Misstrauen besonders hoch. Deshalb hatte die LINKE auch nachgefragt und – wie so häufig – wenig erfahren. Die Staatsregierung kann nämlich keine Angaben darüber machen, welcher Anteil der Tiere besonders tiergerecht gehalten wird, welche Antibiotikamengen eingesetzt oder in welchem Umfang welche Eingriffe bei Tieren aufgrund welcher Haltungsverfahren durchgeführt werden. Arbeitet man sich aber mühsam durch einige kleine Tabellen der Großen Anfrage, wird dennoch ansatzweise deutlich, welche konkreten Auswirkungen die intensive Haltung auf die Tiere hat.
Kühe werden danach im Interesse der Rentabilität immer jünger in die Nutzung genommen. Aus den Tieren werden immer größere Mengen Milch herausgemolken. Die Tiere erreichen ein geringeres Gesamtlebensalter, und dies, obwohl sich eine wirtschaftliche Effektivität erst mit längerer Nutzungsdauer einstellen würde. Es ist also auch ökonomischer Irrsinn, der hier betrieben wird.
Bei der Schweinemast sieht das ähnlich aus. Schweine, die noch 1994 etwa sechs Monate im Mastprozess waren, sind heute nur noch knapp über drei Monate in der Mästung. Etwa 55 % der Schweine in Sachsen werden auf Vollspaltenböden gehalten, obwohl diese Böden zu Verletzungen oder Erkrankungen des Bewegungsapparates und der Haut der Tiere beitragen. Diese letzten Zahlen sind besonders bitter, denn gerade Haltungsverfahren wären durch Fördermittel sehr gut zu steuern.
Sicher, Herr Staatsminister Kupfer, mit überholten Vorstellungen von glücklich auf dem Misthaufen scharrenden Hühnern kann kein Bauer mehr im heutigen Wettbewerb bestehen. Aber das Gegenteil heißt eben nicht zwingend industrielle, nicht standortangepasste Nutztierhaltung. Die gesetzeskonforme intensive Tierhaltung ist auch nicht per
se tiergerecht, weil sie vielleicht keine Anbindehaltung mehr kennt. Da muss man schon etwas genauer hinschauen.
Für DIE LINKE ist bei der schwierigen Definition von Massentierhaltung eben nicht unbedingt die Anzahl der gehaltenen Tiere ausschlaggebend. Wichtiger sind für uns die konkreten Haltungsbedingungen. Und die Fragen, wo das Futter herkommt und wie die Gülle entsorgt wird, aber auch soziale Beschäftigungskriterien. Über solche qualitativen Fördervoraussetzungen könnte man, den entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt, durchaus Agrarstrukturentwicklung ausbalancieren. Weil dieser politische Wille bisher fehlt, sind wir in Sachsen offenbar gezwungen, Fehler aus Niedersachsen oder NordrheinWestfalen zu wiederholen.
Kommunen wie Bürgerinnen und Bürger können bisher kaum überdimensionierte Nutztieranlagen im Außenbereich verhindern. Aber immerhin streiten sich seit geraumer Zeit Politiker aller Ebenen über geeignete Lösungswege, was schon allein belegt, dass das Problem nicht mehr ignoriert werden kann. Es gibt unterschiedliche Auffassungen über die geeigneten Instrumente der Begrenzung von industriellen Tierhaltungsanlagen. Sicher scheint nur eines: Es müssen viele Räder auf verschiedenen Ebenen bewegt werden, neben dem Baurecht auch das Immissionsschutzrecht, das Tierschutzrecht, das Naturschutzrecht und der Verbraucherschutz. Aber gehandelt werden muss und das Pingpong-Spiel gegenseitiger Zuständigkeitszuweisungen zwischen Bund, Land und Kommunen beendet werden.
Auch wenn es im Detail geringe Unterschiede bezüglich der Umsetzungsstrategie gibt, können wir als LINKE dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. Auf alle Fälle, meine Damen und Herren, werden wir das Thema Anfang 2012 im Ausschuss erneut aufrufen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben alle die Bilder von Hühnern vor uns, die eingepfercht in Ställen dahinvegetieren. Das sind Tierfabriken, wie die GRÜNEN es in ihrem Titel meines Erachtens recht polemisch bezeichnet haben.
Es sind deshalb Tierfabriken, weil dort keinerlei Tierschutz und keinerlei artgerechte Haltung stattfindet. Das ist etwas, was wir nicht wollen. Um es gleich vorweg zu sagen: Auch wir unterstützen bäuerliche, ökologische Tierhaltung. Die steigende Nachfrage nach diesen Produkten zeigt, dass hier auch beim Verbraucher ein Umdenken stattgefunden hat. Es gibt auch immer mehr Menschen, die bereit sind, dafür ein bisschen mehr zu bezahlen.
Wir sind der Auffassung, dass diese Form von Tierhaltung auch von staatlicher Seite gefördert werden sollte. Die GRÜNEN schlagen in ihrem Antrag eine flächenbezogene Definition für Investitionsförderungen vor. Subventioniert werden sollte nur, wenn die Intensität des Viehbestandes auch umweltverträglich ist. Es muss genügend Fläche vorhanden sein, um Wirtschaftsdünger auszubringen. Die GRÜNEN definieren hier die Grenze der Subventionierung bei zwei Großvieheinheiten je Hektar. Das halten wir für sinnvoll.
Nach unserer Auffassung ist jedoch eine vollständige Rückkehr zu ausschließlich kleinstbäuerlichen Strukturen völlig unrealistisch. Es ist doch nicht die Frage der Größe per se, sondern ob Standards eingehalten werden.
Für den Umweltschutz haben wir das Immissionsschutzgesetz mit umweltrechtlichen Anforderungen an die Tierhaltungsanlagen. Mit dem Tierschutzgesetz werden die Standards für artgerechte Haltung festgelegt. Wir müssen darüber reden, inwieweit in diesen beiden Bereichen die Standards überprüft werden sollten. Einige Beispiele haben Sie in Ihrem Antrag auch angeführt, das tragen wir als SPD nicht nur mit, sondern wir fordern das schon seit längerer Zeit auf Bundesebene, zum Beispiel durch das Tierschutzlabel. Und es muss natürlich kontrolliert werden, dass diese Standards auch eingehalten werden.
Das bringt mich zu einem Punkt der artgerechten Tierhaltung, der für diese von enormer Bedeutung ist, nämlich der sogenannte Tierschutz-TÜV. Wir brauchen für alle Nutztiere ein verpflichtendes Prüf- und Zulassungsverfahren für Haltungssysteme. Das Verfahren soll dazu dienen, dass zukünftig nur noch Aufstellungssysteme und Stalleinrichtungen zugelassen sind, die eine artgerechte Tierhaltung gewährleisten. Dieser Punkt muss durch die Bundesregierung geregelt bzw. verordnet werden. Die gesetzliche Grundlage dazu haben wir in unserer Regierungszeit in Berlin im Tierschutzgesetz 2009 geschaffen. In der schwarz-gelben Koalition im Bund sind jedoch im Moment keine Aktivitäten zur Umsetzung erkennbar.
Herr von Breitenbuch, Ihnen ist sicher bekannt, dass die Fachsprecherin Frau Dr. Deicke ist. Ich lese das hier vertretungsweise vor, aber Sie können sich den Spaß machen.
Zurück zu den Aktivitäten oder besser gesagt Nicht-Aktivitäten der schwarz-gelben Bundesregierung in diesem Punkt. Bis jetzt sind noch nicht einmal die Vorschriften für die Legehennenhaltung novelliert. Es ist zwar zu begrüßen, dass Frau Aigner die Kleingruppenhaltung für Legehennen zukünftig verbieten will, aber mit einer Bestandsschutzregelung bis 2035 war der Entwurf doch weit vom Gedanken des Tierschutzes entfernt.
Das Bauprivileg muss zwingend auf den Prüfstand. Auch wir als SPD-Fraktion haben zur Abschaffung des Bauprivilegs bereits vor einiger Zeit einen Antrag eingebracht. Dieser wird demnächst auch im Umweltausschuss angehört. Was allerdings die Art der Umsetzung angeht, haben wir eine etwas andere Auffassung als die GRÜNEN. Deshalb werden wir diesen Punkt auch ablehnen. Ich würde an dieser Stelle gern die punktweise Abstimmung beantragen, damit wir dem Rest zustimmen können.
Der Antrag der GRÜNEN suggeriert, dass in landwirtschaftlichen Betrieben mit steigender Anzahl der Tiere automatisch der Umweltschutz und der Tierschutz vernachlässigt werden. Sie setzen dabei bei den Grenzwerten des Bundesimmissionsschutzgesetzes an. Es wird jedoch nicht unterschieden zwischen landwirtschaftlichen und gewerblichen Tierhaltungen. Aber warum soll ein landwirtschaftlicher Betrieb, der 1 500 Schweine hat und über genügend Fläche verfügt, um Futtermittel anzubauen und Wirtschaftsdünger auszubringen, eine Tierfabrik sein? Wie wird nach dieser Definitionsform eigentlich sichergestellt, dass ein Betrieb mit 1 400 Schweinen, der dann keine Tierfabrik wäre, die Tiere artgerechter hält als ein Betrieb mit 100 Schweinen? Umweltschutz und Tierschutz, meine Damen und Herren, lassen sich auf diese Art nicht über das Baugesetz regeln.
Worüber man aber im Baurecht nachdenken muss, ist die Privilegierung von industriellen Tierhaltungsanlagen. Ebenso müssen wir darüber nachdenken, wie der planerische Einfluss der Gemeinden gestärkt werden kann. Die Gemeinden haben nach der derzeitigen Gesetzeslage kaum eine Möglichkeit, der Ansiedlung steuernd entgegenzuwirken. Aspekte wie Lebensqualität, Veränderung des Orts- und Landschaftsbildes, die spezifische Eigenart des ländlichen Raumes als Erholungs- und Tourismusgebiet spielen dabei bislang noch keine Rolle. Das muss sich ändern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend komme ich noch einmal zu dem Begriff Tierfabriken zurück. Mit diesem Begriff kann man Emotionen schüren. Wie der Antrag in Punkt 1 zeigt, sind nach Ihrer Auffassung eigentlich alle größeren Tierhaltungsanlagen Tierfabriken. Die Frage von Tierschutz und artgerechter Haltung, von qualitativ hochwertigen, sicheren und bezahlbaren Lebensmitteln ist aber nicht ausschließlich eine Frage der Größe. Wir, die SPD-Fraktion, wollen, dass Wirtschaft mit Umweltschutz, Tierschutz und den Verbraucherinteressen in Einklang gebracht wird.