Protocol of the Session on October 13, 2011

bleibt. Die Größe der Fläche bestimmt die Anzahl der Tiere.

Herr Weichert, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ja, gern.

Herr Heinz, bitte.

Herr Weichert, Sie heben hier darauf ab, dass die Tiere sehr wenig Platz im Stall haben und dass viele Ställe deswegen industriell sind, weil zu dem landwirtschaftlichen Betrieb keine weitere landwirtschaftliche Nutzfläche – außer der Fläche um den Stall – gehört. Vielleicht könnten Sie uns einmal erklären: Wenn der Landwirtschaftsbetrieb, der tausend Hektar Fläche hat, denselben Stall baut wie der Betrieb, der keine landwirtschaftliche Nutzfläche hat, was das mit dem Wohlbefinden der Tiere im Stall zu tun hat. Vielleicht könnten Sie sich auch einmal in anderen Bundesländern befragen, wie man mit einfachsten Kooperationsverträgen diese Flächenlosigkeit umgehen kann.

Die Frage haben Sie erkannt?

(Heiterkeit)

Ja. – Herr Heinz, es sind einzelne Argumente, und das wichtigste Argument kommt zum Schluss: Diese Entkopplung von Boden und Tierhaltung ist ja eines der Probleme. Als nachhaltiger Erzeuger und Betriebsleiter eines bäuerlichen Betriebes mit guter fachlicher Praxis wissen Sie das ganz genau.

Die Größe der Fläche bestimmt die Anzahl der Tiere. Eine Überdüngung der Flächen und damit der vermehrte Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases Lachgas wird vermieden. Nehmen Sie das bitte endlich zur Kenntnis und richten Sie die sächsische Förderpolitik danach aus.

Meine Damen und Herren! Investoren – zum Beispiel dänische Schweinemäster – finden in Sachsen ihr Eldorado. Da es in Dänemark doppelt so viele Hausschweine wie Einwohner gibt und Umweltauflagen immer strenger werden, zieht es sie nach Ostdeutschland. Hier werden Investitionen höher gefördert, die Arbeitslöhne sind deutlich geringer und mehr Gülle auf unseren Flächen auch erlaubt.

Der dänische Investor Mogens Nielsen bringt seine Liebe zu Ostdeutschland auf den Punkt – ich zitiere –: „Verglichen mit Dänemark, besteht der Vorteil in Deutschland darin, dass die Kosten für Arbeitskräfte nur halb so hoch sind, das gepachtete Land nur 25 % von dem kostet, was in Dänemark zu zahlen ist, und die Behörden finanzielle Unterstützung für die Baumaßnahmen gewähren. Die Anforderungen für die Aufbewahrung von Gülle sind nur halb so streng wie in Dänemark.“

Das also ist der Grund: Die Investoren profitieren. Aber was haben denn die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates davon?

(Zuruf von den GRÜNEN: Gülle! – Leichte Heiterkeit)

Einige Punkte dazu: Während die Weiterverarbeitung meist gar nicht in Sachsen erfolgt und sozusagen die Wertschöpfung woanders stattfindet, bleiben wir in Sachsen sprichwörtlich auf der Gülle sitzen.

Ein zweiter Punkt: In vielen ländlichen Gebieten hoffen die Menschen auf den Tourismus als Einnahmequelle. Vor allem der naturnahe Tourismus hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Mit ihm sind sichere und nicht exportierbare Arbeitsplätze entstanden, die durch die neuen Tierfabriken massiv gefährdet werden.

Herr Weichert, Sie gestatten noch eine Zwischenfrage?

Ja, gern.

Herr von Breitenbuch, bitte.

Herr Weichert, wie unterscheiden sich die Aufbewahrungsbedingungen für Gülle in Deutschland von denen in Dänemark?

Das kann ich hier nicht sagen, aber auf jeden Fall können wir in Sachsen mehr Gülle ausbringen als in Dänemark; das habe ich ja gerade zitiert. Das ist ein Grund für den Investor, warum er hierher gekommen ist. Das, finde ich, ist unseren Bürgern nicht zuzumuten; deshalb diskutieren wir heute über diesen Antrag.

Jetzt komme ich, weil die Zeit sehr knapp wird, zu meinem wichtigsten Argument, seit ich mir angesehen habe, wie es bei der industriellen Tierhaltung aussieht. Ich komme zu meinem wichtigsten Argument, das ich vertrete, seit ich mir angesehen habe, wie es in der industriellen Tierhaltung aussieht. Jetzt spreche ich diejenigen Kolleginnen und Kollegen an, die wie ich als Christen leben. Albert Schweitzers Bekenntnis zur Ehrfurcht vor dem Leben ist für mich die prägnanteste Übersetzung des Neuen Testaments. Wir alle sind zur Bewahrung der Schöpfung aufgefordert. Zur Schöpfung gehören alle Geschöpfe, selbstverständlich auch Hühner und Schweine. Deshalb kann und darf es Tierhaltung, die Menschen betreiben, nur dann geben, wenn es den Tieren dabei gut geht.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das bedeutet, dass wir sie als soziale Wesen begreifen müssen, die das Recht auf Sonne und Luft, auf Platz und Bewegung, auf gesunde Ernährung und hygienische Verhältnisse haben. Das ist in den vorhandenen, schon genehmigten oder noch zur Genehmigung vorliegenden Anlagen in keinster Weise der Fall.

Die Bewahrung der Schöpfung sieht anders aus, meine Damen und Herren. Haben wir gemeinsam Ehrfurcht vor dem Leben! Machen wir Schluss mit der industriellen Tierhaltung! Achten wir die geschöpfliche Würde des Tieres mit seinen individuellen Bedürfnissen! Genehmigen wir keine Tierfabriken mehr!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und vereinzelt bei der SPD – Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Vielen Dank, Herr Weichert. – Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das dem GRÜNEN-Antrag zugrunde liegende Thema der Produktion unserer tierischen Lebensmittel, vor allem der Art und Weise, in der sie produziert werden, hat auch in meiner Fraktion hohe Priorität. Es hat durchaus Sinn, auch in diesem Hohen Haus immer wieder einen Blick auf diese Problematik zu werfen.

Da es allerdings ein sehr sensibles Thema ist, halte ich es für gänzlich ungeeignet, um darüber zu polemisch zu diskutieren. Deswegen möchte ich um eine sachliche und nicht bewusst Ängste schürende Diskussion bitten.

Ich meine damit in erster Linie die Wortwahl in dem Antrag selbst. Wer durchgehend die nicht definierten Begriffe „Tierfabriken“ und „industrielle Massentierhaltung“ verwendet, suggeriert Bilder, die der Realität in der sächsischen Landwirtschaft nicht gerecht werden und die den Verbraucher leider zwangsläufig verunsichern. Das Bild der Telefonzelle, lieber Kollege Weichert, trägt leider auch dazu bei.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auch unsere Fraktion nimmt das Thema Tierschutz sehr ernst, allerdings verbunden mit dem konkreten Blick auf das Tier selbst und ohne die Pauschalierung, dass „klein“ generell gut und „groß“ generell schlecht sei. Es ist immer entscheidend, wie es dem Einzeltier geht, nicht jedoch, ob um das Tier herum noch fünf oder 500 Tiere gehalten werden. Natürlich gibt es auch in großen Ställen die Gefahr nicht tiergerechter Haltung. Aber auch das ist ein Grund, weshalb im Freistaat Sachsen die Errichtung moderner Ställe größenunabhängig gefördert wird, um möglichst optimale Bedingungen für die Tierhaltung zu schaffen.

Wie „groß“ nicht generell schlecht sein muss, ist „klein“ nicht generell gut. Wenn in schlecht belüfteten und schlecht beleuchteten Ställen Rinder, möglicherweise an Ketten hängend, gehalten werden, ist das nicht tierschutzgerecht, auch wenn es sich nur um eine geringe Anzahl von Tieren handelt und der Begriff „industrielle Tierproduktion“ hier wohl nicht passend wäre.

Den im vorliegenden Antrag eingeforderten Handlungsbedarf sehen wir in diesem Maße nicht. Die sächsische

Landwirtschaft hat ein hohes Niveau bei der artgerechten Haltung unserer Nutztiere. Gerade den Vergleich mit der deutlich kleiner strukturierten Landwirtschaft anderer Bundesländer braucht der Freistaat weiß Gott nicht zu fürchten.

Das trifft auch auf den im Antrag angesprochenen Viehbesatz zu. Unser viehstärkster Landkreis ist mit 0,85 Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche der Erzgebirgskreis. Im Vergleich dazu werden in dem deutlich größeren, aber landwirtschaftlich viel kleiner strukturierten Bundesland Nordrhein-Westfalen 1,26 Großvieheinheiten pro Hektar gehalten, also 150 % des sächsischen Niveaus. Die Konzentration zahlreicher Tierhaltungsanlagen auf engstem Raum – wie im Landkreis Vechta in Niedersachsen mit 3,3 Großvieheinheiten pro Hektar; das ist fast das Vierfache des Wertes in unserem Landkreis mit dem höchsten Viehbesatz – gibt es in Sachsen nicht. Wir haben eher das entgegengesetzte Problem – das ist schon angedeutet worden –: Der Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch liegt in Sachsen bei nur 40 % des Verbrauchs.

Die Forderung nach Einführung eines einheitlichen Tierschutzlabels klingt gut, würde aber eine weitere Bürokratisierung mit aufwendigen Zertifizierungs- und Kontrollverfahren verursachen und sowohl bei den Landwirten als auch bei den staatlichen Stellen zu erheblichen Mehraufwendungen führen. Außerdem hätte dieses Label eine fragwürdige Aussagekraft; denn allein die Haltungsform sagt über die Qualität des erzeugten Produktes, also des Lebensmittels, nur wenig aus und wird daher von uns auch abgelehnt.

Die durch die Sächsische Bauordnung vorgegebenen Rahmenbedingungen und die bereits jetzt aus aufwendigen BImSchG-Verfahren resultierenden Auflagen betrachten wir als mehr als ausreichend. Eine weitere Verschärfung hätte nicht zur Folge, dass anders gebaut würde, sondern es käme kaum noch zu Investitionen in die Tierhaltung. Damit würden dringend zu modernisierende Ställe so lange in dem derzeitigen Zustand weiterbetrieben, bis die Produktion eingestellt wird. Der Fleischverbrauch ginge aber nicht zurück, sondern die Produkte würden nur woanders hergestellt, und zwar oft in Ländern, in denen Tierschutz ein Fremdwort ist und in denen man bei Nennung des Begriffs „BImSchG-Verfahren“ wohl nur verständnislos den Kopf schüttelt.

Wir könnten uns dann zwar lobend auf die Schulter klopfen, dass das Problem Tierhaltung in Sachsen nicht mehr besteht, müssten aber gleichzeitig schweigend die Augen schließen, um nicht zu sehen, wie außerhalb Sachsens, Deutschlands und Europas unsere Lebensmittel produziert werden, damit wir sie – möglichst billig – im Supermarkt kaufen können. Das Sankt-Florians-Prinzip in Perfektion!

Zur bodengebundenen Landwirtschaft noch ein Wort! Auch für mich ist es der Idealfall, wenn die bestehenden Landwirtschaftsbetriebe, gebunden an ihre Flächen, die Produktion ausrichten. Eine zu starke Einschränkung der

Tierhaltung in Bezug auf die Fläche trifft allerdings auch nicht nur die Großen, sondern auch den kleinen, flächenarmen Landwirt, der durch Erweiterung und Spezialisierung seines Veredelungsbetriebes seine Einkommensbasis verbessern will, egal ob in den Bereichen Milch, Schwein oder Geflügel. Gerade den jungen Landwirten würden Chancen genommen, wenn sie am Start des Aufbaus ihres Landwirtschaftsbetriebs stehen.

Außerdem regelt die Düngeverordnung sehr klar – auch für den Bereich der organischen Dünger – Höchstmengen und Ausbringungszeiträume, was einer Überdüngung unserer Böden vorbeugt und zwangsläufig auch gewerbliche Produzenten zu einer vertraglichen Bodenbindung ihrer Produktion zwingt. Das ist völlig unabhängig davon, ob der organische Dünger im eigenen Betrieb produziert worden ist oder von anderen Betrieben kommt. Die Düngeverordnung ist in jedem Fall einzuhalten. Deshalb ist Ihre Aussage, Kollege Weichert, dass es zwangsläufig zu einer Überdüngung kommt, falsch.

Das Thema „externe Investoren“, vor allem im gewerblichen Tierhaltungsbereich, wird ebenfalls kontrovers diskutiert. Es ist mir jedoch deutlich lieber, in Sachsen werden neue, moderne Ställe gebaut oder ein nicht sächsischer Investor errichtet unter unseren heute schon strengen Haltungsbedingungen einen Tierproduktionsbetrieb in unserem Freistaat, als dass diese Investitionen aus Sachsen abfließen. Diese Investitionen führen in unserem Freistaat nicht nur zu Wertschöpfung im ländlichen Raum, sondern die Produktion unserer Lebensmittel findet dann auch unter unserer Kontrolle statt, was, wenn man dies unseren Verbrauchern in diesem Sinne verdeutlicht, zu mehr und nicht zu weniger Vertrauen in unsere einheimische Lebensmittelproduktion führen kann.

Allerdings muss man bereit sein, mit dem Thema sachlich umzugehen. Diese Bereitschaft spreche ich dem Kollegen Michael Weichert von Bündnis 90 nicht ab; aber so richtig wird dies in dem vorliegenden Antrag leider nicht deutlich. Das heißt, dass wir die Diskussion über das Thema sowohl intern als auch öffentlich – allerdings ohne Vorurteile und reißerische Bilder – fortsetzen sollten.

Es ist wichtig, dass wir für unsere Landwirtschaft Bedingungen schaffen, damit Fleisch auch zukünftig in hoher Qualität und unter strengen Kontrollen produziert werden kann. Ich bin zu dieser Diskussion gern bereit. Den vorliegenden Antrag allerdings müssen wir aus den genannten Gründen ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Schmidt. – Und nun die Fraktion DIE LINKE. Frau Kagelmann, bitte.

Danke schön, Herr Präsident. – Werte Damen und Herren Abgeordnete! Unabhängig von konkreten Begrifflichkeiten oder Bildern halten wir den heutigen Antrag durchaus für wichtig. Das

Thema Nutztierhaltung wird uns ohnehin weiter begleiten. SPD-Fraktion und DIE LINKE haben dazu auf Grundlage eigener parlamentarischer Initiativen bereits eine Anhörung im Fachausschuss beantragt.

Die Diskussion um die Ausrichtung der künftigen Agrarpolitik ist schon lange nicht mehr nur die Sache des Berufsstandes. Das Verbraucherbewusstsein wächst langsam, aber stetig, die ethische Dimension von Agrarpolitik, ihr Einfluss auf die Naturhaushalte und Klima wird stärker betrachtet, gerade Tierrechte und Tierschutz gewinnen in der öffentlichen Diskussion an Bedeutung. Schon deshalb ist nicht jede Investition in moderne Nutztieranlagen zu verteufeln.

Zugegeben – die Diskussion wird mitunter überaus engagiert geführt. Anderswo kostete die Debatte um die sogenannte industrielle Massentierhaltung schon mal den Kopf einer Agrarministerin. Aber gerade deshalb muss sich Landespolitik der schwierigen Aufgabe stellen, zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Berufsstandes und den Umwelt- und Verbraucherinteressen der Bevölkerung einen neuen Weg für eine nachhaltige Agrarwirtschaft in Sachsen zu suchen. Der sächsische Weg jedenfalls ist aus unserer Sicht doch ziemlich ausgelatscht, denn er setzt unbeirrt auf quantitatives Wachstum und meint vorrangig das Wachstum an Produktionskapazitäten und landwirtschaftlichen Erzeugnissen, eben Masse statt Klasse, ungeachtet eines bereits heute übersättigten deutschen und europäischen Marktes.