Protocol of the Session on October 12, 2011

Ich möchte Ihnen nun einige der für unseren Gesetzentwurf neu zu regelnden Aspekte näher vorstellen. Grundsätzlich besteht das Ziel, die Datenschutzkontrolle auf den Weisungs- und Einflussbereich der Regierung auszuweiten, um seine völlige institutionelle und inhaltliche Unabhängigkeit endlich zu regeln. Das war auch die Forderung im EuGH-Urteil. Die bisherige Praxis war, die Einbindung über die Ministerien des Inneren oder andere Fachministerien letztlich formal zu regeln.

Mit unserer Gesetzesnovelle vollziehen wir die Alleinstellung des Datenschutzbeauftragten als Organ beim Sächsischen Landtag, indem wir die Einrichtung einer Landeskontrollstelle für den Datenschutz, herausgelöst aus allem Regierungshandeln und lediglich der Dienstaufsicht des

Landtagspräsidenten unterstellt, verankern wollen. Diese Dienstaufsicht erstreckt sich lediglich auf die Regeln der Haushaltsbewirtschaftung etc. Für die Einrichtung der Landeskontrollstelle schlagen wir im ersten Abschnitt eine Verfassungsänderung vor, denn auf keiner anderen Ebene bewegt sich die Formalisierung der Datenschutzkontrolle und ihrer Institution. Ihre Einrichtung im ministerial freien Raum halten wir für gerechtfertigt in Anlehnung an die Rechtsprechung und Kommentierung zum Bundesverfassungsgerichtsurteil 83 und anderer, wenn eine Verantwortung gegenüber dem Parlament und/oder der Regierung bestehen bleibt. Dies sehen wir mit unserem Gesetzentwurf gewahrt.

Dabei werden einige Rechte des Datenschutzbeauftragten als Leiter der Kontrollstelle von uns weiterhin gestärkt. Er entscheidet über das Personal in seiner Einrichtung und ist ebenfalls entscheidungsberechtigt über deren Zeugnisrecht. In der aktuellen Regelung kommt es hierbei zu unauflösbaren Verzerrungen, wenn dem Landtagspräsidenten geschildert werden muss, ob das Zeugnisrecht erteilt werden soll, ohne inhaltlich spezifisch und offen überhaupt werten zu können.

Hier muss auch für die Situation einer konfliktiven Konstellation mit der Stärkung der Unabhängigkeit aufseiten des Datenschutzbeauftragten vorgesorgt werden. Die Personal- und Mittelzuweisungen werden mit dem im Gesetzentwurf beschriebenen Aufgabenaufwand anzupassen sein. Darüber hinaus regen wir die Gründung eines fachlichen Beirates bei der Landeskontrollstelle an, der es ermöglicht, sachkundige zivilgesellschaftliche oder Verwaltungseinrichtungen bei der Ausrichtung und öffentlichen Kommunikation der Kontrollstelle zu unterstützen. So wäre es zum Beispiel denkbar, die Verbraucherzentrale einzubeziehen. Näheres bleibt aber der Satzung der Kontrollstelle überlassen.

Die neue Rechtsstellung des Datenschutzbeauftragten und seiner Kontrollstelle soll mit weiteren Rechten und Handlungsinstrumenten versehen sein, die durchschlagend wirksam sein können. So sehen wir die Möglichkeit der Beanstandungsklage als weitergehendes Instrument jenseits nur der Beanstandung vor, denn damit wird der Weg geöffnet, auf die Beseitigung von Datenschutzmän

geln verbindlich hinzuwirken. Dies stellt aus meiner Sicht einen Philosophiewechsel in der institutionellen Einordnung der Datenschutzkontrolle dar, ebenso wie die tatsächliche Unabhängigkeitsstellung der Institution des Datenschutzbeauftragten selbst. Dahin müssen wir kommen, meine Damen und Herren.

Zudem wird die Möglichkeit des Anrufs der Kontrollstelle bei Verstößen zukünftig allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihrer konkreten Betroffenheit möglich sein. Auch ein Verbandsklagerecht für Verbände – die betroffene Vertretung fehlt bislang an dieser Stelle – hat zur Folge, dass viele Sachverhalte aufgrund der strukturellen Schwäche von Einzelpersonen ungeklärt bleiben. Ein solches Verbandsklagerecht wird von uns vorgesehen.

Auch stärken wir den Datenschutz im privatwirtschaftlichen Bereich als Aufgabe der Landeskontrollstelle, denn es ist uns allen klar, dass hier schwerwiegende Mängel an der Tagesordnung sind, auch wenn sie gegebenenfalls nicht in ihrem gesamten Umfang bearbeitet werden können.

Anfang dieses Jahres legte die Koalition aus CDU und FDP einen Datenschutzgesetzentwurf zur Umsetzung des EuGH-Urteils vor, der sehr kurz gesprungen, auch kurz geschossen war und auch so behandelt wurde. Lediglich schriftliche Anhörungen einiger Sachverständiger fanden statt. Diese spielten am Ende keine Rolle mehr. Diese konnten sich auch nicht mehr äußern, als der Änderungsantrag aufgrund einiger inhaltlicher Anträge durch die Koalition eingebracht wurde und den Gesetzentwurf um etwa 400 % vergrößerten. Vorher hatte er nur aus einem Satz bestanden.

Hierzu konnten sich die Sachverständigen nicht mehr äußern – zum großen Nachteil der Regelungen. Zum Beispiel die erforderliche richtergleiche Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten haben Sie mit einem Quorum und Regelungen umgesetzt, die zum Wahlamt des Datenschutzbeauftragten nicht recht passen wollen. Es steht die Reaktion der EU-Kommission noch aus.

Diese Regelungen ließen mehr Fragen offen, als Sie von der Koalition selbst beantworten konnten. Ich möchte hierzu der Diskussion nicht vorgreifen, die wir bei der Behandlung des Gesetzentwurfes sicherlich noch haben werden.

Es sei jedoch zusammengefasst gesagt: Dieser Gesetzentwurf regelt die institutionelle Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht. Die massiven Einwände von Sachverständigen wurden von der Koalition nicht aufgegriffen. Unser Gesetzentwurf tut dies und geht mit der Gründung einer Landesstelle für den Datenschutz tatsächlich zu einer anderen Kultur der Datenschutzkontrolle über.

Seien Sie unbesorgt: Auch Übergangsregelungen werden in unserem Gesetzentwurf beschrieben.

Meine Damen und Herren! Gerade aufgrund der fehlenden Grundrechtssensibilität sächsischer Behörden ist die Umsetzung des EuGH-Urteils und die tatsächliche Unabhängigkeitsstellung des Datenschutzbeauftragten so wichtig.

Dem Datenschutz kommt gerade angesichts des digitalen Wandels in der Gesellschaft und in dem Zusammenhang auch in der Verwaltung eine wachsende und zentrale Bedeutung zu, wenn das grundsätzlich geschützte Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der staatlichen Verwaltung geschützt werden soll. In diesem Zuge müssen auch die Institutionen des Datenschutzes gestärkt werden.

In diesem Sinne sehe ich den Beratungen entgegen, bitte um Überweisung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur rechtlichen und institutionellen Garantie der unabhängigen Ausübung der Datenschutzkontrolle im Freistaat Sachsen an den federführenden Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss und an den Innenausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist die Überweisung mehrheitlich beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 7

Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Sachsen verbessern

Drucksache 5/7083, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile den Fraktionen der CDU und der FDP als Einreicherinnen das Wort. Herr Prof. Gillo spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ab 2014 erleben wir eine Schere im Arbeitsmarkt. Mehr Menschen werden in den Ruhestand eintreten, als in das Arbeitsleben neu kommen werden. Bereits heute fehlen Fachkräfte in verschiedenen Bran

chen, zum Beispiel Ingenieure, Ärzte und Pflegefachkräfte.

Die Wirtschaft spricht dabei von Fachkräftemangel, aber man muss das präzisieren. Die Wirtschaft findet nicht genügend Menschen mit ausreichenden und passfähigen Qualifikationen; denn zum Beispiel hat ein Maschinenbauingenieur nicht die gleiche Qualifikation wie ein Mikroelektronikingenieur.

Was muss man tun? Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um die vorhandenen menschlichen Potenziale zu erschließen.

(Beifall des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Wir müssen auf die Arbeitslosen zugehen und ihnen helfen, die Nachqualifizierung zu erreichen, damit sie wieder in das Arbeitsleben eintreten können.

(Beifall des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

Wir müssen Frauen, insbesondere Müttern, helfen, wieder in das Berufsleben einzutreten, wenn sie es möchten. Wir müssen Älteren ermöglichen, länger zu arbeiten, wenn sie es können und wollen. Wir müssen Schulabbrecher erreichen und sie überzeugen, die Bildung wieder aufzunehmen. Wir müssen Menschen mit ausländischen Berufsabschlüssen helfen, in die Wirtschaft eintreten zu können. Ja, wir brauchen auch die Öffnung für ausländische Qualifikationen.

Bisher wurde das restriktiv gehandhabt. Man könnte den Eindruck bekommen, es gehe wohl auch um die Abschottung des heimischen Arbeitsmarktes.

(Alexander Delle, NPD: So eine Sauerei! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Bis vor Kurzem blieben nämlich hoch qualifizierte Migranten – und davon gibt es, anders als in anderen Bundesländern, viele in Sachsen – ohne Anerkennung ihrer Abschlüsse und galten als ungelernt. Sie wurden in ungelernte Stellen vermittelt, wie die Ärztin, die als Putzfrau eine Arbeit fand, oder der Ingenieur, der als Lagerarbeiter vorliebnehmen musste. Die bisherigen Anerkennungsverfahren gelten nicht für alle. Sie sind langwierig und intransparent.

Die Erfahrung nach einem Jahr „Runder Tisch Anerkennung“ ist: Die Anerkennung ist ein Dschungel. Allein in Sachsen gibt es über 60 Anerkennungsstellen mit unterschiedlichen Aufgaben und schaumgebremster Dienstleistungsorientierung. Doch genau diese Dienstleistungsorientierung werden wir brauchen, wenn wir Fachkräfte mit ausländischem Abschluss suchen – denn ohne Anerkennung keine qualifikationsnahe Beschäftigung, keine angemessene Einstufung nach Tarifrecht und keine Einhaltung der Verfahrensregeln im Qualitätsmanagement.

Unser Ziel ist: Wir wollen den Weg zur Äquivalenz ausländischer und inländischer Qualifikationen ebnen. Dazu brauchen wir zügige Anerkennungsverfahren und konstruktive Hinweise, welche Angebote für eventuelle

Nachqualifizierungen und den Erwerb berufsbezogener Deutschkenntnisse notwendig sind. Wir brauchen Finanzierungswege, zum Beispiel durch Kreditfinanzierung, damit die Menschen, die entweder Sozialhilfeempfänger sind oder im Niedriglohnsektor arbeiten, sich die Nachqualifizierung leisten können. Schließlich brauchen wir eine Überprüfung der erfolgreichen Nachqualifizierung mit abschließender Anerkennung der Ebenbürtigkeit der ausländischen Abschlüsse.

Damit unterstützen wir unsere Wirtschaftspolitik, unsere Zuwanderungspolitik – nämlich als Aushängeschild für unsere echte Offenheit –, unsere Sozialpolitik, indem wir qualifizierte Menschen auf eigene Beine stellen, und unsere Integrationspolitik, indem wir gesellschaftliche Teilhabe auf Augenhöhe ermöglichen. Der vorliegende Antrag greift das Thema Anerkennung auf und ermutigt die Staatsregierung zur Verbesserung der Anerkennungssituation in Sachsen.

Es gibt bereits einige ermutigende Schritte. Der Bund hat in der letzten Woche das Anerkennungsgesetz im Bundestag verabschiedet. Es liegt jetzt dem Bundesrat vor. Die Sächsische Staatsregierung hat in der Vergangenheit schon die Zuwanderungsinitiative „Klugen Köpfen Türen öffnen“ ins Leben gerufen. Am runden Tisch hat die Staatsregierung gemeinsam mit den Partnern aus der Wirtschaft die Anregung für die erleichterte Anerkennung erarbeitet. Letzte Woche wurde in Dresden die Informations- und Beratungsstelle für die Anerkennung in Sachsen im Beisein unserer Ministerin Christine Clauß eröffnet.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Jetzt gilt es, im Bundesrat uneingeschränkt dieses Bundesgesetz zu unterstützen und die Landesgesetzgebung für landesrechtliche Berufe schnell auf den Weg zu bringen. Das sächsische Kultusministerium hat die Federführung, und ich weiß dieses Projekt bei unserem Minister Prof. Wöller in guten Händen.

Der Antrag ermutigt die Staatsregierung, die Empfehlungen des runden Tisches umzusetzen. Dazu nenne ich drei Beispiele:

Erstens. Alle Prinzipien des Bundesgesetzes sollen auf der Landesebene voll angewendet werden.

Zweitens soll die gleiche Behandlung von EU- und Drittländern vorgesehen werden. Das heißt, dass zum Beispiel die Abschlüsse aus Lettland und Russland nicht nach unterschiedlichen Kriterien bewertet werden.

Drittens. Wir sollten auch die Berufserfahrung für alle Berufe anerkennen.

Außerdem gilt es für die Staatsregierung, sich auf Bundesratsebene für Lösungen einzusetzen, die die Angebote für Nachqualifizierungen und berufsbezogenes Deutsch verbessern und deren Finanzierung für alle erreichbar machen.

In Sachsen hat die Staatsregierung außerdem die Chance, Partnerschaften mit der Wirtschaft zur Erschließung ausländischer Qualifizierter zu initiieren. Dabei denke ich

an Verbundlösungen für kleine und mittlere Unternehmen. Die Lehrlingsausbildung im Freistaat Sachsen führen wir sehr erfolgreich über Verbundlösungen für Firmen durch, die keine Personalabteilung haben. Das Gleiche kann man auch für Menschen mit ausländischen Qualifikationen tun. Zum Beispiel könnten wir eine konzertierte Aktion für Integration und Arbeit ins Leben rufen. In den vergangenen Jahren haben wir beispielsweise die Stiftung für Innovation und Arbeit sehr erfolgreich eingesetzt, um der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Ich denke, wir könnten eine ähnliche Stiftung für Integration und Arbeit im Freistaat Sachsen einsetzen – zu unserm Besten. Wir wissen, wie es geht.

Die Wirtschaft und die Gesellschaft sind gefordert, ihren Teil zu tun, um den Anerkannten die Türen zu öffnen. Mein Appell an die Wirtschaft lautet: Öffnen Sie sich für anerkannte ausländische Qualifikationen! Zeigen Sie Offenheit für den Umgang mit Menschen aus verschiedenen Kulturen! Erkennen wir diese Kulturen an und respektieren wir sie!

(Jürgen Gansel, NPD: Singsang!)