Die Bereiche, in denen wir zu den Schlusslichtern gehören, hat Herr Pellmann schon genannt. Ich will das jetzt nicht wiederholen. Ich will auf das Verschleiern eingehen. Wir haben in Sachsen durchaus gute Förderprogramme und auch gute Ansätze in vielen Bereichen des sozialen Lebens. Das will ich nicht infrage stellen. Das gilt aber leider nicht für alles. Ein Beispiel dazu: Die Richtlinie zur Förderung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Sachsen ist durchaus gut, wenn man sie einzeln nimmt, allerdings ist sie nicht eingebettet in einem Gesamtkonzept. In dem Moment, wo verweigert wird, die UNKonvention für Menschen mit Behinderung wirklich in ein Gesamtkonzept in Sachsen umzusetzen, ist die Freude über eine auch relativ gut ausgestattete Förderrichtlinie, die nur einen kleinen Teil abdeckt, nur begrenzt.
Es erfolgen derzeit keinerlei konkrete Umsetzungsvorschläge von der Staatsregierung, was die UN-Konvention betrifft. Darüber werden wir heute Nachmittag noch etwas Ausführlicheres hören.
Ein anderes Beispiel, die Förderrichtlinie für Menschen mit Demenzerkrankung, niedrigschwellige Angebote: Auf den ersten Blick ist das auch wirklich eine gute Sache. Das ist auch auf den zweiten noch so. Aber wenn man dann noch ein wenig weiter dahinter schaut, wird deutlich, dass es deshalb so gut erscheint, weil wir ansonsten einen Mangel im Bereich der Altenhilfe und einen Mangel bei der Versorgung mit Beratungsangeboten, Dienstleistungen und auch mit anderen Hilfen für Menschen haben, die zu Hause leben und einen Hilfe- und Unterstützungsbedarf haben. Davon haben wir nicht so viel zu bieten. Deshalb wird diese Förderrichtlinie dann immer als das große sächsische Highlight präsentiert. Das verschleiert eben den Blick auf die Schwächen, die wir in der Struktur haben.
Diese Zahl 12 % – nimmt der Sozialhaushalt am Gesamthaushalt ein – klingt wirklich wie ein großer Anteil und Sachsen engagiert sich im Sozialbereich, auch wenn es der letzte Platz im Vergleich der neuen Bundesländer ist. Wenn man aber alles herausrechnet, was nur Durchlauf
posten sind, nämlich Wohngeld oder KdU, wenn man wirklich einmal den Blick auf die konkrete sächsische Förderpolitik wirft – nachzulesen im gerade aktualisierten Förderbericht –, dann schwindet diese Zahl ziemlich rapide, nämlich von 12 % auf einen Anteil von 2,07 %. 2,07 % der gesamten sächsischen Fördersumme werden für soziale Infrastruktur ausgegeben. Da noch von großem Engagement zu sprechen ist relativ schwierig, den Zuhörern nahezubringen. Dann muss man schon einmal auf Kuba verweisen. Das sehe ich auch in diesem Zusammenhang ein.
Ich habe auch noch eine Zahl für Sie. Im Jahr 2008 lag dieser Anteil noch bei 2,09 %. Die Senkung auf 2,07 % erscheint vielleicht auf den ersten Blick nicht als so besonders viel. In tatsächlichen Summen ausgedrückt bedeutet es einen Rückgang von über 100 Millionen Euro auf nunmehr nur noch 56 Millionen Euro. Das ist fast eine Halbierung der Fördersumme für soziale Infrastruktur, und das in gerade einmal drei Jahren.
Man muss sich offensichtlich entschuldigen, wenn es weniger Arbeitslose gibt und die Zahl sinkt. Können Sie nachvollziehen, wenn es wenige Menschen gibt, die nicht arbeitslos sind, dass man dann auch weniger Geld ausgibt und dass das gar nicht so schlimm ist? Wir können uns sogar darüber freuen, dass wir das Geld nicht ausgeben müssen.
Ich freue mich auch, wenn viele Menschen Arbeit haben und wenn sie eine Arbeit haben, von deren Einkommen sie ausreichend leben können.
Wir haben gehört, bei den Aufstockern sind wir auch spitze. Sachsen ist spitze im Niedriglohnbereich und da ist die Freude über viele Arbeitsplätze auch ein bisschen getrübt. Allerdings ist das Soziale eben bunter, und als Sozialpolitiker der CDU haben Sie auch die Verantwortung für alles andere. Was Sie jetzt machen, ist wieder Verschleiern. Sie wollen wieder davon abhalten, in die Breite zu schauen, indem Sie immer wieder ständig diese eine Zahl bringen. Die Kürzungen in den Bereichen Gleichstellung, Seniorenvertretung, Jugendverbände haben mich nicht wirklich überrascht, weil die politische Einstellung, die wir heute Morgen auch schon diskutiert haben, in diesem Lande besagt, dass Mitbestimmung, Mitsprache und Transparenz in Sachsen nicht unbedingt erwünscht sind.
Im Sozialbereich muss ich feststellen, diese Art Politik zu machen ist relativ weit verbreitet. Was mich überrascht hat, ist die Vehemenz und die Rasanz der Kürzungen in anderen Bereichen, wenn ich Familienerholung, Familienverbände, Kinder- und Jugendarbeit, Gesundheitsprävention und Wohlfahrtsverbände ansehe. Das sind eigentlich die Bereiche, auf die die CDU vor Ort und hier im Landtag auch immer sehr stolz ist und deren Engagement gelobt wird.
Ich habe mich in den letzten Monaten gefragt, wo diese Missachtung dieses Kernbereiches der sozialen Arbeit herkommt. Ich habe deshalb versucht, einmal herauszufinden, wie viele Abgeordnete von Ihnen wirklich noch sozial engagiert direkt mit sozialen Vereinen vor Ort etwas zu tun haben. Das ist keine wissenschaftliche Recherche und auch keine Große Anfrage, sondern war nur ein interessegeleitetes Stöbern auf Ihren Internetseiten. Ich muss zugeben, es hat mich überrascht, dass nur noch eine Handvoll CDU-Abgeordnete – fünf oder sechs – irgendeine Beziehung zu einem Vorstand der Diakonie, des Deutschen Roten Kreuzes, zu einem Gesundheitsverein oder Kinderprojekt haben. Sie sind engagiert in Kulturprojekten, in Sportvereinen, in Beiräten im Wirtschaftsbereich oder in Aufsichtsräten. Der konkrete soziale Bereich kommt bei Ihnen, wenn man die Menge ansieht, einfach nicht mehr vor. Dann ist es auch nicht verwunderlich, wenn dabei so eine Sozialpolitik herauskommt.
Ich empfehle Ihnen, sich in Ihren Praxistagen tatsächlich einmal bei den Vereinen und Verbänden die Antragsunterlagen für die jährliche Projektförderung zeigen zu lassen. Es gibt Vereine, die bei mehr als zehn verschiedenen Förderinstanzen jährlich Anträge stellen müssen. Zeigen Sie das danach Ihren Finanzpolitikern und fragen danach, ob das eine effiziente Verteilung von Fördermitteln ist.
Der Sächsische Rechnungshof hat im letzten Jahr bei einer Ausschussanhörung bereits festgestellt, dass er bei einer solchen Mittelvergabe überhaupt keine Effizienz und keine zielgenauen Vorgaben erkennen kann. Aber auch da wurden keine Konsequenzen gezogen. Es geht nach wie vor um jährliche Projektanträge. Das macht über kurz oder lang – eher über kurz, fürchte ich – unsere soziale Infrastruktur hier in Sachsen kaputt.
Überdies habe ich bei der Durchsicht der Internetseiten gemerkt, dass manche von Ihnen noch in alten sozialpolitischen Zeiten schwelgen, wo die soziale Kompetenz der CDU nicht als Drohung oder verbunden mit Kürzungen verstanden werden musste. So findet sich bei Ihnen, Herr Krauß, auf der Internetseite noch der Hinweis auf das gute kostenfreie Vorschuljahr.
Ich muss Ihnen leider sagen: Diese Zeiten sind vorbei. Wenn Sie der Meinung sind, dass sich sozialpolitisches
Engagement lohnt, dass es früher vielleicht etwas gab, was nicht so schlecht war, dann müssen Sie auch dafür eintreten. Sie müssen dafür kämpfen und sich dafür einsetzen.
Aber leider ist das Wissen um soziale Zusammenhänge, um Konzepte bei Ihnen wirklich verloren gegangen. Ich empfehle Ihnen, sich einfach noch einmal die Schriften von Oswald von Nell-Breuning, dem Begründer der katholischen Soziallehre, vorzunehmen, der einzigartig Solidarität und Subsidiarität miteinander verknüpft hat. Das ist zur Grundlage in diesem Sozialstaat geworden. Das bedarf in Sachsen eindeutig einer Wiederbelebung. Ich habe die Hoffnung auch bei Ihnen noch nicht aufgegeben, dass sich da Leute finden, die sich dieses Anliegens annehmen können.
Derzeit kann man das Handeln der Staatsregierung eher als eine Art Anti-Sozialpolitik bezeichnen. Die Verantwortung dafür wird zunehmend an die Kommunen abgegeben, an Wohlfahrtsverbände oder eben über individuelle Förderprogramme an den einzelnen Bürger. Wir haben in der letzten Plenardebatte gehört: Im Prinzip sind die Jugendlichen ja selbst schuld, wenn sie keinen Schulabschluss kriegen; es ist sehr nett von uns, wenn wir da noch ein Programm machen. – Das ist so ein bisschen Förderpolitik nach Gutsherrenart, und genau damit muss Schluss sein; denn das ist der Weg, auf dem wir in eine Kostenfalle hineinkommen, die über kurz oder lang die Kassen bei den Kommunen und danach auch im Land sprengen wird.
Wenn Sie jetzt schon in den Bereich Hilfen zur Erziehung schauen, sehen Sie, wie die gestiegenen Fallzahlen zu enormen Kosten führen, wie die Jugendlichen, die jetzt in stationäre Einrichtungen kommen, einfach abgeschrieben werden. So viel zur guten Bildungspolitik. Diese Jugendlichen werden zum Großteil einfach von ihrer Schulpflicht befreit. Sie tauchen in Ihren Statistiken gar nicht mehr auf. Dadurch kommen auch die guten Daten für die sächsische Bildungspolitik zustande. Aber wenn man sich die konkreten Fälle anschaut, so ist das ein Trauerspiel, wie in Sachsen mit diesen Jugendlichen umgegangen wird.
In den kommunalen Ebenen wiederum führt dieser Anstieg der Kosten für Interventionsmaßnahmen dazu, dass für Prävention eigentlich kein Spielraum mehr da ist. Sie können sich selbst ausrechnen, dass diese Spirale weiterhin zu steigenden Kosten führt.
Das Abschieben der Verantwortung, das Verdrängen von Problemen ist aber an sich kein gestalterisches Konzept. Die Verantwortung für die Gestaltung des Sozialen haben Sie, egal, ob Sie bestimmte Aufgaben an Kommunen, Wohlfahrtsverbände oder den einzelnen Bürger abtreten.
Wir können auch in den Bereich Pflege schauen. Auch da wachsen die Pflegeheime wie Pilze aus dem Boden. Sie sind letztlich teurer, als wenn wir klug in ambulante Hilfsangebote investieren würden.
Zum Schluss möchte ich noch etwas zum Entschließungsantrag der LINKEN sagen. Es ist schon relativ bitter,
wenn man sich genötigt sieht, eine Kenntnisnahme und eine Wahrnehmung zu beantragen. Ich weiß nicht so recht, wie das umgesetzt werden soll, aber schön wäre es auf jeden Fall, weil wir immer wieder feststellen müssen, dass das nicht geschieht. Meine Fraktion würde eher Wert darauf legen, dass die Staatsregierung Ihrer Verantwortung nachkommt und endlich mit den Beteiligten zielgenaue Maßnahmen und Konzepte entwickelt sowie diese umsetzt und vor allem auch nachhaltig sicherstellt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Große Anfrage der LINKEN zielt auf eines ab, nämlich die Höhe der Sozialleistungen Sachsens mit denen anderer Bundesländer zu vergleichen und daran soziale Standards frei aus dem Bauch heraus zu definieren.
Das reicht von der Förderung von Selbsthilfegruppen über die Frage, welche Bundesländer die Tafeln fördern, bis zur Frage, welche Landesmittel für den Bereich Gleichstellung aufgebracht werden.
Es ist schnell zu erkennen – das zeigt auch der Entschließungsantrag –: Sie wollen mehr Staat, Sie wollen mehr Zentralstaat und vor allem wollen Sie mehr Geld, ohne zu sagen, woher dieses Geld kommen soll. Nein, Sie verhehlen nicht einmal, dass Sie den Sozialismus gern noch einmal versuchen würden.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe der Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE, und Karl Nolle, SPD)
Wenn ich dann von Frau Neukirch höre, wie schwer, wie schlimm all die Kürzungen sind, bitte ich Sie, Frau Neukirch, auch einmal die Summen zu nennen, die wir ausgeben, und nicht immer nur zu sagen, wie viel gekürzt wird. Wenn wir im Freistaat Sachsen 2010 für Betreuungsvereine im Haushalt 43 786 962,69 Euro ausgegeben haben, dann sind das doch Summen, dann sind das doch Werte. Wir haben für bürgerschaftliches Engagement im Haushalt 2010 6,3 Millionen Euro vereinbart. Wir haben die Wohlfahrtsverbände gefördert. Wir haben Selbsthilfegruppen und Vereine mit einer halben Million Euro unterstützt. Nennen Sie doch endlich auch einmal diese Zahlen und jammern Sie nicht immer nur über Kürzungen!
Die LINKE will Geld verteilen, ohne eine Vision für Sachsen zu haben, ohne ein Konzept zu verfolgen und Lösungen aufzuzeigen, wie wir auf kommende Herausforderungen reagieren wollen. Nein, Sie wollen einfach
Vor allen Dingen ist eines sehr, sehr schwierig, was Sie tun: Sie suggerieren hier, dass man mit Geld Richtungsentscheidungen treffen könnte. Nein, ich muss Ihnen sagen, mit Geld hält man Menschen ruhig und muss dann Angst haben, dass sie noch mehr wollen. Geld bringt eben Menschen nicht zur freiwilligen Mitgestaltung. Mit Geld kann ich auch kein gesundes wirtschaftliches Wachstum erzwingen.
Mit Geld kann ich auch nicht in jedem Fall Hilfe zur Selbsthilfe erzeugen. Nein, mit Geld allein kann ich keine Politik machen. Da kann ich nur an die Kollegen der SPD in der letzten Legislaturperiode erinnern. Als die Steuereinnahmen sprudelten, war es natürlich bequem, Geldgeber zu sein.