Protocol of the Session on September 15, 2011

Mit Geld kann ich auch nicht in jedem Fall Hilfe zur Selbsthilfe erzeugen. Nein, mit Geld allein kann ich keine Politik machen. Da kann ich nur an die Kollegen der SPD in der letzten Legislaturperiode erinnern. Als die Steuereinnahmen sprudelten, war es natürlich bequem, Geldgeber zu sein.

Wissen Sie von den LINKEN, genau das unterscheidet uns nämlich in dieser Situation: Wir haben Visionen und genaue Vorstellungen, was wir mit Sachsen erreichen wollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)

Wir sehen Arbeitslosigkeit, den Bezug von Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II eben nicht als Lebensentwurf, auf dem man sich einrichtet, sondern wir sehen es als Unterstützungsleistung in schwierigen Lebenssituationen.

(Stefan Brangs, SPD: Genau, absolute Illusion!)

Dazu gehört für uns in Sachsen letzten Endes auch, dass wir unsere finanziellen Spielräume für Chancen nutzen wollen und dass wir gerade jetzt, in Zeiten, in denen dem Freistaat insgesamt geringere Einnahmen zur Verfügung stehen, unser Land fit machen, unser Land darauf vorbereiten. Wir brauchen einen modernen Staat, der sich auf seine wesentlichen Aufgaben konzentrieren kann. Genau deshalb bringen wir auch die Staatsmodernisierung auf den Weg. Das erfordert Anstrengungen, und dazu braucht es auch Selbstbewusstsein. Aber wir stellen uns den Herausforderungen der Zukunft.

Durch solide Finanzpolitik müssen Handlungsspielräume erhalten bleiben, damit wir nach wie vor flexibel reagieren können, um Chancen für die Zukunft ermöglichen zu können. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass wir mit dem Geld der anderen – und die anderen, das ist jeder Einzelne als Steuerzahler – zuverlässig umgehen, übrigens auch im Interesse der Ungeborenen und der kommenden Generationen, die heute noch keine Stimme haben. Das ist genauso ein sozialer Standard, nämlich als

Staat nicht auf Pump zu leben. Wir haben einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorgelegt. Das soll man uns erst einmal nachmachen.

Sozialer Standard ist für uns, die Pro-Kopf-Verschuldung im Auge zu behalten – Sachsen hat die zweitniedrigste Pro-Kopf-Verschuldung im Bundesvergleich – und die Verlässlichkeit, die Steuerbelastung der arbeitenden Bevölkerung, die die Sozialtransfers finanziert, erträglich und so gering wie möglich zu halten, um zivilgesellschaftlichen Anspruch überhaupt ermöglichen zu können. Das sind unsere Ziele.

(Beifall bei der FDP)

Aber offensichtlich gehören diese Punkte nicht zu den sozialen Standards der LINKEN, da sie in der Großen Anfrage mit keiner Silbe erwähnt werden. Wenn Herr Pellmann ein Arbeitsmarktprogramm bzw. Beschäftigungsprogramm fordert,

(Thomas Kind, DIE LINKE: Sehr richtig!)

kann ich nur auf unsere gute Wirtschaftspolitik in Sachsen allein im letzten Jahr verweisen. Wenn man die Arbeitslosenzahlen von August 2010 zu August 2011 vergleicht, sieht man, dass in Ostdeutschland die Arbeitslosenquote um 0,6 % gesunken ist, in Sachsen dagegen um 1 %. Das nenne ich Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Alexander Krauß, CDU – Zuruf des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

Wir haben in Sachsen die höchste Frauenbeschäftigungsquote. Auch das spricht dafür, dass wir unsere Sozialaufgaben – selbstverständlich auch in der Kinderbetreuung – entsprechend hochhalten, dass wir versuchen, weitere Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen.

Wenn von der Wanderungsbewegung aus Sachsen die Rede ist, Herr Pellmann, dann sind unsere jungen Leute doch nicht nach Baden-Württemberg abgewandert, weil es dort die höheren Sozialleistungen gibt, sondern sie sind auf der Suche nach Arbeit abgewandert. Das muss man doch zur Kenntnis nehmen und nicht noch immer mehr Geld fordern.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Dietmar Pellmann, CDU: Sind sie nun abgewandert oder nicht? Ist es woanders schöner oder nicht?)

Ich finde es in Sachsen sehr schön und ich stelle mich hier den Herausforderungen, im Gegensatz zu Ihnen. – Offensichtlich ist für DIE LINKE die Struktur unseres Sozialstaates nicht zu beanstanden, denn sie fragt nach bestimmten Dingen nicht. Sie fragt nicht nach Sozialmissbrauch,

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Jetzt kommt die Leier wieder!)

ohne das ich jemanden etwas unterstellen muss, und sie fragt auch nicht nach Doppelleistungen, die gewährt werden, oder macht Bündelungsvorschläge für unseren Sozialstaat. In der Großen Anfrage fehlt diese Richtung völlig.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Nein! Wir haben danach auch gefragt! Was soll das?)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Schütz?

Frau Friedel.

Sie haben gerade das Thema Sozialmissbrauch angesprochen. Können Sie mir sagen, wie viele Fälle von Sozialmissbrauch wie vielen Fällen von gerechtem Leistungsempfang gegenüberstehen?

Die Frage kann ich Ihnen aus dem Stegreif heraus nicht beantworten. Sie haben selber die Zahlen aus der Großen Anfrage. Ich nenne aber auch diejenigen, die nicht in dem Maße erfasst sind, die nämlich einfach durchlaufen, weil unser Sozialverwaltungssystem nicht optimal funktioniert, weil Anträge doppelt und dreifach gestellt werden, was ich den Antragstellern nicht einmal zum Vorwurf machen kann. Denn sie müssen an verschiedenen Stellen beantragen und es gibt keine Bündelungsmöglichkeiten. Das sage ich, ohne Vorwürfe zu machen. Aber in diese Strukturen müssen wir hinein, wenn wir uns Spielräume für die Zukunft erarbeiten wollen.

Ich habe nur noch ein Beispiel, einen Vorschlag. Warum fragt niemand nach dem Alleinerziehendenzuschlag? Den Alleinerziehendenzuschlag zahle ich in Arbeitslosigkeit, ich zahle ihn aber nicht mehr, wenn in Arbeit gewechselt wird, nämlich dann, wenn ein tatsächlicher Mehraufwand vorhanden ist, weil eine Kinderbetreuung hinzukommt, weil vielleicht auch längere Wege hinzukommen. Über solche Fragen müssen wir uns doch unterhalten und nicht nur ständig im Bestehenden verharren und dafür immer nur mehr fordern.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Auf die Argumente in Ihrer Studie, die Sie auf der Grundlage Ihrer Großen Anfrage zusammengestellt haben, will ich gar nicht im Detail eingehen. Herr Dr. Pellmann hat das vorhin sehr detailliert getan, wobei es mir bald die Schuhe ausgezogen hat. Ich will nicht zurück in die DDR, ich stehe zur Selbstverantwortung und Eigenverantwortung in unserem Land.

Wenn das Ihr einziges Kriterium ist, dass Sachsen kein eigenes Verbraucherschutzministerium hat, ohne ein einheitliches Argument dafür vorzubringen, oder wenn Sie die Ministeriumszuschnitte in Sachsen mit dem alleinigen Argument kritisieren, dass aber andere Bundesländer diese haben,

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Nein, es gibt überhaupt kein Bundesland mit eigenem Verbraucherschutzministerium! Lesen Sie doch die Unterlagen!)

muss ich fragen: Wo ist denn dort eine klare Struktur erkennbar? – Diese Anfrage zeigt Ihre Ideenlosigkeit, dass es ohne Visionen geht und dass die Große Anfrage eigentlich nur eines gezeigt hat:

(Zuruf des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

Es ist gut so, wir brauchen einfach nur mehr Geld dafür. – Das wird es mit uns nicht geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Abg. Herrmann, Fraktion der GRÜNEN, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was mich an der Debatte zuallererst bedrückt, ist die Art und Weise, wie wir sie führen. Da wird von der CDU gleich einmal verlangt, demokratische Grundrechte einzuschränken,

(Christian Piwarz, CDU: Das hat niemand verlangt, Frau Herrmann!)

nur weil Sie mit dieser Großen Anfrage nicht umgehen wollen. Da wird auf absurde Weise ein Glückwunschtelegramm nach Kuba herangezogen, um die fehlende Argumentation – so muss man das verstehen – zu kaschieren.

Frau Schütz, Sie kommen mit dem alten Argument, dass diejenigen, die Sozialleistungen beziehen, auf Kosten der Steuerzahler leben. Da frage ich mich allerdings, ob wir noch in einem Sozialstaat leben.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Denn ein Zeichen des Sozialstaates ist es, dass diejenigen, denen es gut geht, Steuern zahlen – nicht nur dafür, dass andere davon Sozialleistungen erhalten, dass andere Beratungsangebote in Anspruch nehmen können, sondern auch für kulturelle Einrichtungen, die wir alle gemeinsam nutzen.

(Kristin Schütz, FDP, steht am Mikrofon.)

Die Menschen, die Sozialleistungen empfangen, immer wieder als diejenigen zu bezeichnen, die auf Kosten der Steuerzahler leben, ist einfach nicht in Ordnung, und das stört uns an dieser Debatte.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Wovon leben Sie denn?)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte eine Zwischenfrage.

Bitte, Frau Schütz.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Aber Sie stimmen mit mir überein, dass es Steuergelder sind, die dafür ausgegeben werden? Und das darf man doch sicherlich auch noch so sagen.

Man darf sagen, dass dafür Steuergelder eingesetzt werden. Das ist völlig normal. Wir alle zahlen Steuern, um Kultureinrichtungen, Bildungseinrichtungen, ja auch Sozialleistungen zu finanzieren, unter anderem auch, um unsere Diäten zu finanzieren. Dafür zahlen alle Menschen in diesem Land Steuern und das ist richtig so.